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Fristlose Kündigung eines Datenschutzbeauftragten wegen Amtspflichtverletzung

Datenschutzbeauftragter erhält fristlose Kündigung wegen angeblicher Arbeitsverweigerung.

Der Kläger bestreitet die Vorwürfe und klagt gegen die Wirksamkeit der Kündigung. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe seine Aufgaben als Datenschutzbeauftragter über mehrere Jahre nicht wahrgenommen und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P. habe dies in einem Gutachten festgestellt. Der Kläger bestreitet jedoch, seine Aufgaben nicht erfüllt zu haben und betont, dass die Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben in der Verantwortung des Vorstands liege. Er sei jedoch als Datenschutzbeauftragter seinen Beratungs- und Kontrollpflichten nachgekommen. Die Beklagte behauptet zudem, seit vielen Jahren mit der Arbeitsleistung des Klägers unzufrieden zu sein und ihm bereits dreimal abgemahnt zu haben. Die fristlose Kündigung sei das Resultat beharrlicher Arbeitsverweigerung durch den Kläger. Der Kläger fordert die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Ein Gericht wird über den Fall entscheiden. […]

ArbG Heilbronn – Az.: 8 Ca 135/22 – Urteil vom 29.09.2022

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 14. Juni 2022 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 45.859,59.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 14. Juni 2022.

Der aktuell 60 Jahre alte Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 2002 beschäftigt; dies zuletzt als Rechtsanwalt (Syndikusanwalt) und Leiter der Rechtsabteilung bei einem Bruttoverdienst von zuletzt durchschnittlich EUR 16.392,86 (nach Angaben des Klägers) bzw. EUR 15.286,53 (Beklagtenangabe) monatlich (einschließlich anteiligem Bonus und geldwertem Vorteil). Hinsichtlich der arbeitsvertraglichen Bestimmungen wird auf Anl. KE 2 und K1 Bezug genommen. Der Kläger wurde mit Wirkung zum 1. Dezember 2018 zum Datenschutzbeauftragten bestellt; er ist des Weiteren Datenschutzbeauftragter von drei Tochtergesellschaften.

Geschäftsgegenstand der Beklagten ist der … . Sie beschäftigt als Konzernmutter 50 Mitarbeiter. Deutschlandweit sind ca. 1.000 und konzernweit 1.700 Arbeitnehmer beschäftigt.

Mit Schreiben vom 9. Juni 2022 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Klägers an. Inhaltlich wird insoweit auf Anl. KE 9 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 13. Juni 2022 hat der Betriebsrat Bedenken hinsichtlich der beabsichtigten Kündigung geäußert. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis sodann am 14. Juni 2022, Anl. K2. Die Kündigung ist dem Kläger am gleichen Tage zugegangen.

Mit seiner bei Gericht am 22. Juni 2022 eingegangenen Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Mit Klageerweiterung vom 21. September 2022 wandte sich der Kläger zudem gegen drei im März 2021 ausgesprochenen Abmahnungen, nahm die diesbezüglichen Anträge aber im Kammertermin vom 29. September 2022 zurück.

Der Kläger beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose außerordentliche Kündigung vom 14.06.2022, zugegangen am 14.06.2022, nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, sie sei seit vielen Jahren mit der Arbeitsleistung des Klägers unzufrieden. Diese sei vollkommen unzureichend und geprägt von Verantwortungslosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den berechtigten Interessen der Beklagten. Aus diesem Grunde sei der Kläger in der Vergangenheit bereits dreimal abgemahnt worden. Hinsichtlich der drei Abmahnungen vom 8. März 2021, dem Kläger am selben Tag übergeben, wird auf Anl. KE5, KE6 und KE7 Bezug genommen.

Grund zum Ausspruch der fristlosen Kündigung sei, dass der Kläger seine Aufgaben als Datenschutzbeauftragter über einen Zeitraum von mehreren Jahren gar nicht wahrgenommen habe. Dies habe ein Gutachten (Abl. 269 ff.) der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P. ergeben, das dem Vorstandsvorsitzenden Dr. X. erstmals am 31. Mai 2022 in finaler Fassung vorgelegen habe. Hieraus ergebe sich nach Auffassung der Beklagten eine beharrliche Arbeitsverweigerung durch den Kläger. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei am 1. Februar 2022 mit der Durchführung einer Revisionsprüfung zum Datenschutz im Unternehmen der Beklagten beauftragt worden. P. habe hierbei elf Feststellungen zu Datenschutzmängeln mit mittlerem Risiko- und acht Hochrisiko-Feststellungen getroffen. Bei letzteren bestehe ein konkretes Risiko, dass es zu Vermögensverlusten und Sicherheitsrisiken kommen könne. So habe die Beklagte zum Zeitpunkt der Prüfung über kein dokumentiertes Datenschutzmanagementsystem verfügt; dessen Einführung sei in Deutschland erst im Laufe des Jahres 2022 vorgesehen gewesen. Ein weiteres hohes Risiko sei das Fehlen einer Datenschutzrichtlinie im Unternehmen der Beklagten. Eine solche habe nur im Entwurf existiert. Die Einführung eines neuen E-Learning-Tools für die Mitarbeiter im Datenschutzrecht sei erst in Arbeit und müsse noch nach Abstimmung mit dem Betriebsrat eingeführt werden. Auch existiere keine Planung zur Durchführung von Audits zur Überwachung der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben. Zudem würden die Mitarbeiter im Arbeitsvertrag unzureichend nach Art. 13 DS-GVO informiert. Auf der Website der Beklagten könnten die User nur in die Nutzung von Cookies einwilligen, diese aber unzulässigerweise nicht ablehnen. Vorschriften für die Löschung personenbezogener Daten seien bislang nicht definiert worden und es habe kein übergreifendes Löschkonzept existiert. Hätte der Kläger die von ihm wahrzunehmenden Aufgaben als Datenschutzbeauftragter in dem komplexen Umfeld bei der Beklagten gemäß den gesetzlichen Vorgaben wahrgenommen, hätte sein zeitlicher Aufwand für die Wahrnehmung dieser Aufgabe mindestens die Hälfte der mit ihm vereinbarten Arbeitszeit ausgemacht. Der Kläger sei auch nicht ein einziges Mal auf die Beklagte zugekommen, um ggf. um eine personelle Auf-stockung zu bitten. Wenn sich der Kläger nunmehr darauf berufe, er sei personell und zeitlich nicht in der Lage gewesen, die Aufgaben als Datenschutzbeauftragter wahrzunehmen, sei dies als Schutzbehauptung zu werten. Zumindest hätte der Kläger die Beklagte informieren müssen, wenn seine Zeit die Wahrnehmung der Datenschutzaufgaben nicht erlaubt hätte.

Der Kläger bestreitet, dass er die Aufgaben des Datenschutzbeauftragten, welche ihm zusätzlich zu seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit, welche ihrerseits mindestens 40 Stunden pro Woche erfordere, übertragen worden seien, nicht erfüllt habe. In seinem Amt als Datenschutzbeauftragter obliege ihm eine Beratungs- und Kontrollfunktion, die er wahrgenommen habe. Eine Übersicht seiner wichtigsten Tätigkeiten als Datenschutzbeauftragter ergebe sich aus Anl. K6. Allerdings umfasse die Aufgabe des Datenschutzbeauftragten nicht die strukturelle Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben, denn diese werde vom Vorstand verantwortet. So habe der Kläger beispielsweise die datenschutzrechtliche Problematik der Website gegenüber dem Leiter der IT-Abteilung Herrn M. adressiert; das Thema Löschfristen sei bisher an der technischen Umsetzbarkeit gescheitert. Letztlich ergebe sich weder aus dem Vortrag der Beklagten noch aus dem Gutachten von P. ein konkret vom Kläger gemachter Fehler. Vielmehr handele sich bei dem Revisionsbericht um mehr oder weniger konkrete Empfehlungen in Bezug auf die Installierung eines IT-unterstützten Datenschutzmanagementsystems. Als milderes Mittel zur Kündigung hätte der Beklagten gegebenenfalls die Abberufung des Klägers als Datenschutzbeauftragter zur Verfügung gestanden.

Zudem sei die Frist von § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden, da die finale Fassung des Gutachtens von P. dem Vorgesetzten des Klägers Herrn W. bereits am 5. Mai 2022 vorgelegen habe. Es habe zur Zeit der Kündigung daher schon einen mit Herrn W. abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan gegeben, wie der Kläger zusammen mit dem Mitarbeiter B. die im Gutachten angesprochenen Themen arbeiten sollte.

Letztlich sei der Grund zum Ausspruch der Kündigung in Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten Herrn Dr. X. zu vermuten.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im zur Entscheidung gestellten Umfang zulässig und auch begründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger greift mit dem punktuellen Bestandsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG eine genau bezeichnete Kündigung an. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage folgt aus den Wirkungen von § 7 KSchG.

II.

Die Klage ist auch begründet, da die Kündigung der Beklagten unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet hat. Die Kammer ist der Auffassung, dass bei einer ausschließlichen Verletzung von Amtspflichten als Datenschutzbeauftragter eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist (nachfolgend 1.). Selbst wenn man dies anders sehen möchte, fehlt es an der Darlegung eines wichtigen Grundes zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung (nachfolgend 2.). Die Umdeutung in eine ordentliche Kündigung ist nicht möglich (3.).

1. Die beklagtenseits ausgesprochene Kündigung ist unwirksam, weil sie ausschließlich mit der Verletzung von Amtspflichten des Klägers in seiner Position als Datenschutzbeauftragter begründet wird. In einem solchen Fall ist der Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich.

a) Der Kläger genoss zum Zeitpunkt der Kündigung den besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte nach §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG, da er im Unternehmen der Beklagten ab 1. Dezember 2018 zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden ist.

Aufgrund der möglichen Interessenkonflikte eines Datenschutzbeauftragten ordnet § 6 Abs. 4 BDSG einen besonderen Schutz des Amtsträgers vor Abberufung und Kündigung seines Arbeitsverhältnisses an. Nach S. 1 der Vorschrift ist die Abberufung des Datenschutzbeauftragten nur in entsprechender Anwendung von § 626 BGB zulässig. Der interne Datenschutzbeauftragte genießt zudem einen Sonderkündigungsschutz in Bezug auf sein Arbeitsverhältnis: So bestimmt § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig ist, es sei denn, es liegen Tatsachen vor, welche den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Diese nationale Norm, welche neben Art. 38 Abs. 3 DS-GVO tritt, ist auch europarechtskonform, denn in Rahmen ihrer Kompetenz zur Regelung des materiellen Arbeitsrechts sind die Mitgliedstaaten befugt, einen besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte vorzusehen (EuGH 22. Juni 2022 – C-534/20 im Anschluss an LAG Nürnberg 19. Februar 2020 – 2 Sa 147/19; Kühling/Buchner DS-GVO BDSG 3. Auflage 2020 Art. 38 DS-GVO Rn. 33).

b) Die normative Ausgestaltung des Schutzes des Datenschutzbeauftragten legt nach Auffassung der Kammer nahe, dass – ebenso wie bei anderen Amtsträgern wie beispielsweise Betriebsratsmitgliedern (ständige Rechtsprechung des BAG, zum Beispiel BAG 9. September 2015 – 7 ABR 13 – Rn. 41; BAG 26. Januar 1994 – 7 AZR 640/92) – stets zwischen der Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten und solchen, die allein die Amtsführung betreffen, zu unterscheiden ist. Bei Verstößen gegen Amtspflichten, die nicht zugleich eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, kommt eine vertragsrechtliche Sanktion wie beispielsweise eine Abmahnung oder Kündigung nicht in Betracht, sondern die für Amtspflichtverletzungen gesetzlich vorgesehene Sanktion. Dies ist im Falle eines Betriebsratsmitglieds der Antrag auf Ausschluss eines Mitglieds aus den Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG. Zwar nimmt das Bundesarbeitsgericht in ebenfalls ständiger Rechtsprechung an, dass die Übertragung des Amtes des internen Datenschutzbeauftragten auf einen Arbeitnehmer in aller Regel im Wege der jedenfalls konkludenten Vereinbarung Teil der vertraglich geschuldeten Leistung werden soll (BAG 23. März 2011– 10 AZR 562/09 – Rn. 29; BAG 29. September 2010 – 10 AZR 588/09 – Rn. 15; BAG13. März 2007 – 9 AZR 612/05). Dies könnte dafür sprechen, dass im Fall der Verletzung von Amtspflichten auch eine vertragsrechtliche Sanktion hinsichtlich des zugrunde liegenden Arbeitsvertrages möglich ist.

c) Aus Sicht der Kammer sprechen jedoch Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung in § 6 Abs. 4 BDSG i.V.m. Art. 38 Abs. 3 DS-GVO gegen ein solches Verständnis. § 6 Abs. 4 unterscheidet in S. 1 und 2 eindeutig zwischen Abberufungs- und Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten: Während Abberufungsgründe in entsprechender Anwendung von § 626 BGB zu bestimmen sind (nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kommen insoweit als wichtige Gründe besonders solche in Betracht, die mit der Funktion und Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten zusammenhängen und eine weitere Ausübung dieser Tätigkeit unmöglich machen oder sie zumindest erheblich gefährden, BAG 23. März 2011 – 10 AZR 562/09 mwN), ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich unzulässig, es sei denn, es ist ein fristloser Kündigungsgrund gegeben. Hätte der Gesetzgeber einen Gleichlauf in der Weise gewollt, dass eine Amtspflichtverletzung die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt sowie umgekehrt eine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis die Abberufung, hätte es der gesetzlichen Differenzierung nicht bedurft. Diese Sichtweise entspricht auch dem gesetzgeberischen Zweck von § 6 Abs. 4 BDSG: Der Beauftragte soll hinsichtlich seines Amtes zugunsten einer freien Amtsführung gegen eine Abberufung ohne Grund geschützt werden. Zugleich wird den möglichen, aus dem Amt fließenden Konflikten im Arbeitsverhältnis dadurch Rechnung getragen, dass ihm ein Sonderkündigungsschutz zugesprochen wird. Dieser doppelte Bestandsschutz schließt es nach Auffassung der Kammer aus, in Fällen wie dem vorliegenden die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund von Amtspflichtverletzungen auszusprechen.

Für diese Sichtweise spricht auch die Entwicklung der Rechtsprechung des BAG im Hinblick auf eine erforderliche Teilkündigung im Falle der Abberufung des Datenschutzbeauftragten: Während das BAG in seiner Entscheidung vom 13. März 2007 – 9 AZR 612/05 für die wirksame Abberufung des Berechtigten zusätzlich eine Teilkündigung des Arbeitsverhältnisses forderte (mit dem Argument der Implementierung der Pflichten als Datenschutzbeauftragter in die arbeitsvertraglichen Pflichten), hat es an dieser Auffassung in neueren Entscheidungen nicht mehr festgehalten (BAG 29. September 2010 – 10 AZR 588/09 – Rn. 15; BAG 13. März 2007 – 9 AZR 612/05).

d) Letztlich streitet auch das ultima ratio – Prinzip gegen die Zulässigkeit einer Kündigung bei der Verletzung von Pflichten als Datenschutzbeauftragter, denn die Abberufung wird in einem solchen Fall der reinen Amtspflichtverletzung stets das mildere Mittel gegenüber der Beendigung des gesamten Arbeitsverhältnisses im Wege der Kündigung darstellen.

e) Da die Beklagte vorliegend die fristlose Kündigung ausschließlich darauf stützt, dass der Kläger seinen Pflichten als Datenschutzbeauftragter nicht nachgekommen sei, liegt auch keine Konstellation vor, bei der zugleich eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vorliegt. Die Kündigung ist daher unwirksam.

2. Selbst wenn man im Fall der Verletzung von Amtspflichten eines Datenschutzbeauftragten den Ausspruch der Kündigung des der Bestellung zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses nicht für ausgeschlossen erachtet, scheitert die Kündigung daran, dass seitens der Beklagten eine konkrete Pflichtverletzung durch den Kläger nicht dargelegt wurde.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15 – Rn. 14; BAG 17. März 2016 – 2 AZR 110/15 – Rn. 17).

b) Der Beklagten steht kein wichtiger Grund zur Seite, der sie zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers berechtigen würde.

Es fehlt bereits an einer Darlegung konkreter Pflichtverletzungen durch den Kläger.

Bei den Pflichten des Datenschutzbeauftragten handelt es sich nicht um weisungsgebundene, sondern um gesetzliche Aufgaben, bei denen der Amtsträger Weisungen nicht unterworfen ist, Art. 38 Abs. 3 DS-GVO. Ihm obliegen nach Art. 39 DS-GVO vorwiegend Unterrichtungs-, Beratungs- und Überwachungsaufgaben. Verantwortlich für die Umsetzung der Vorgaben der DS-GVO und des diese konkretisierenden und ergänzenden BDSG ist nach Art. 4 Nr. 7 DS-GVO demgegenüber „die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet“, vorliegend also die Beklagte. Die beklagtenseits vorgetragenen datenschutzrechtlichen Probleme aus dem Gutachten von P. zeigen indessen nur bestimmte Mängel als Ergebnis einer nicht vollständigen Umsetzung datenschutzrechtlicher Vorschriften auf, z.B. ein fehlendes Datenschutzmanagementsystem. Zur Frage der Verantwortlichkeit wird keine Aussage getroffen. Vielmehr ist aus Sicht der Kammer die Beklagte als verantwortliche Stelle im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO organisatorisch zur Umsetzung verpflichtet, sei es dadurch, dass externe Hilfe in Anspruch genommen wird oder im Wege der Anweisung zur Umsetzung an die eigenen Mitarbeiter. Dies schließt es aus, sich als Arbeitgeberin darauf zu berufen, der Datenschutzbeauftragte sei verantwortlich für die Herstellung eines ordnungsgemäßen Datenschutzniveaus. Hinzu kommt, dass dies bereits auf den ersten Blick nicht möglich sein dürfte: So war der Kläger zum Zeitpunkt seiner Bestellung zum Datenschutzbeauftragten der Beklagten im Jahr 2018 Leiter der Rechtsabteilung mit einer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit von „mindestens 40 Stunden“. Die Aufgabe des Datenschutzbeauftragten wurde ihm zusätzlich übertragen. Wenn der Prozessvortrag der Beklagten zutreffend sein sollte, hätte der Kläger weitere 20 Stunden in der Woche zusätzlich arbeiten müssen, was wesentliche arbeitszeitrechtliche Bestimmungen außer Acht ließe. Für die Annahme eines entsprechenden Vertragswillens, gerichtet auf eine solche Vereinbarung, bedürfte es eindeutiger Anhaltspunkte. Solche vermag die Kammer nicht zu erkennen.

Hieraus folgt, dass der Kläger mit der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten nicht zugleich dafür verantwortlich war, dass im Unternehmen der Beklagten sämtliche datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden.

Konkrete Verletzungen der typischen Pflichten des Datenschutzbeauftragten im Bereich der Kontrolle und Beratung hat die Beklagte nicht dargelegt.

Auf die Frage, inwieweit zahlreiche datenschutzrechtliche Prozesse bereits nach dem Gutachten von P. angestoßen waren sowie auf die vom Kläger in Anlage K6 aufgelisteten Tätigkeiten kommt es daher nicht mehr an.

c) Auch dann, wenn man eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Klägers darin erblicken möchte, dass er die Beklagte nicht auf das unzureichende Datenschutzniveau mit hinreichender Deutlichkeit hingewiesen hätte, wäre vor Ausspruch einer Kündigung zunächst eine einschlägige Abmahnung erforderlich gewesen, zumal die Beklagte angibt, dass sie schon seit Jahren mit der Arbeitsleistung des Klägers unzufrieden gewesen sei. Der zeitgleiche Ausspruch von drei Abmahnungen im Jahr 2021, welcher zudem die datenschutzrechtlichen Aufgaben des Klägers nicht betrifft, sondern andere Leistungsmängel wie die nicht vollständige Umsetzung der Inhalte eines Workshops, die Nichtberücksichtigung der Ergebnisse einer Risikoanalyse einer Beratungsgesellschaft bei einem Vertragsabschluss sowie die aus Sicht der Beklagten unrichtige Behauptung des Klägers zu einem hohen Zielerreichungsgrad im Rahmen eines Gespräches über die von ihm erreichten Ziele, vermag nicht die Prognose zu rechtfertigen, der Kläger hätte sein Verhalten bei Ausspruch einer weiteren Abmahnung hinsichtlich der Erfüllung datenschutzrechtlicher Pflichten nicht geändert.

Zudem steht es der Beklagten frei, hier als milderes Mittel gegenüber einer fristlosen Kündigung die Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten zu widerrufen und einen anderen Mitarbeiter hiermit zu beauftragen, sofern tatsächlich Pflichtverletzungen im Bereich der Amtsführung als Datenschutzbeauftragter vorlägen.

Da sich aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 27. Dezember 2022 kein neuer und erheblicher Sachvortrag ergibt, war der Klägerseite auch kein Schriftsatznachlass zu gewähren.

3. Die Umdeutung der unwirksamen fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung ist nicht möglich. Der Kläger genoss zum Zeitpunkt der Kündigung den besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte nach §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG. Nach § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Datenschutzbeauftragten unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die öffentliche Stelle bzw. den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen.

Damit ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Datenschutzbeauftragten ausgeschlossen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Sie folgt den Unterliegensverhältnissen. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.

Die Kammer hat das Interesse des Klägers am Bestand seines Arbeitsverhältnisses mit dem Vierteljahresverdienst bewertet.

Ein Grund zur Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG ist nicht gegeben. Die Berufung ist gleichwohl für die Beklagte statthaft gemäß § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG.

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