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Fristlose Kündigung Führungskraft – Weiterleitung Fotos einer Mitarbeiterin in Chatgruppe

Führungskraft teilt intime Fotos: Kündigung gerechtfertigt?

Das Landesarbeitsgericht Köln hatte einen Fall zu entscheiden, in dem es um die Kündigung einer Führungskraft ging. Der Kläger, ein Executive-Producer und Minderheitsgesellschafter des beklagten Filmproduktionsunternehmens, hatte intime Fotos einer Mitarbeiterin in einer privaten WhatsApp-Gruppe geteilt. Die Fotos zeigten die Mitarbeiterin in Reizwäsche. Der Kläger kommentierte die Bilder mit anzüglichen Bemerkungen und behauptete, die Mitarbeiterin habe ihm im Büro sexuelle Handlungen angeboten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 Sa 218/20 >>>

Arbeitsverhältnis bereits vorher belastet

Fristlose Kündigung Führungskraft - Weiterleitung Fotos einer Mitarbeiterin in Chatgruppe
Führungskraft teilt intime Fotos von Mitarbeiterin: Kündigung bestätigt. Landesarbeitsgericht Köln urteilt: Frauenfeindliches und sexualisiertes Betriebsklima inakzeptabel. (Symbolfoto: PeopleImages.com – Yuri A /Shutterstock.com)

Bereits vor diesem Vorfall gab es Spannungen im Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten. Nach einem Wechsel in der Geschäftsführung im Jahr 2018 verschlechterte sich das Verhältnis. Der Kläger hatte unter anderem einen Vertragsentwurf an seine private E-Mail-Adresse gesendet und vertrauliche Informationen mit anderen geteilt. Es gab auch Diskussionen über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und den möglichen Abgang des Klägers.

Kündigung nach Beschwerde

Nachdem zwei Mitarbeiterinnen, darunter auch die Frau, mit der der Kläger eine intime Beziehung hatte, ihre Chat-Nachrichten mit dem Kläger ausgetauscht und verglichen hatten, beschwerten sie sich bei der Geschäftsführung. Als Reaktion darauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos. Das Arbeitsgericht Köln wies die Kündigungsschutzklage des Klägers ab und stellte fest, dass das Teilen von intimen Fotos einer Mitarbeiterin ohne deren Zustimmung, kombiniert mit respektlosen Kommentaren, ausreichend sei, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Berufung des Klägers

Der Kläger legte gegen das Urteil Berufung ein und argumentierte, dass die abgebildete Mitarbeiterin die Fotos selbst an viele Kollegen versendet habe. Er behauptete auch, dass sie ihm sexuelle Handlungen angeboten habe und dass sie zu keinem Zeitpunkt gegen die Weiterleitung der Fotos protestiert habe. Der Kläger betonte, dass er auf die Vertraulichkeit der WhatsApp-Gruppe vertrauen konnte und dass die anderen Gruppenmitglieder nicht schockiert von den Fotos waren.

Schlussbetrachtung

Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Beklagte argumentierte, dass die Fotos ohne das Wissen und den Willen der Mitarbeiterin weitergeleitet wurden. Sie betonte, dass es inakzeptabel sei, wenn eine Führungskraft ein frauenfeindliches und sexualisiertes Betriebsklima schaffe. Die Kündigung wurde als gerechtfertigt angesehen, und die Berufung des Klägers wurde abgewiesen.

Fristlose Kündigung einer Führungskraft: Wo liegen Ihre Rechte?

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Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 11 Sa 218/20 – Urteil vom 09.12.2020

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.02.2020 – 5 Ca 4204/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Der am 1976 geborene Kläger, Vater eines Kindes, ist seit dem 01.01.2016 ununterbrochen bei der Beklagten als Executive-Producer beschäftigt. Arbeitsvertraglich gilt aufgrund früherer Betriebszugehörigkeit der 01.05.2011 als Eintrittsdatum. Nach § 20 des Arbeitsvertrages ist dem Kläger u.a. untersagt, Internet oder das betriebliche E-Mail-Konto zu privaten Zwecken zu nutzen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrages vom 29.01.2016 wird auf Bl. 19 ff. d.A. verwiesen. Der Kläger war Minderheitsgesellschafter der Beklagten mit einem Gesellschaftsanteil von 5 %.

Die Beklagte ist eine Filmproduktionsgesellschaft, die u.a. für diverse Fernsehsender TV-Formate produziert, wie z.B. die Serie „D W „, für die der Kläger zuständig war und die von R ausgestrahlt wird. Der Kläger war Vorgesetzter des von ihm geleiteten Produktionsteams, wozu u.a. Frau Wi (Schnitt Producerin), Frau B (Redaktionsassistentin) sowie Frau R (Producerin) zählten. Mit Frau Wi stand der Kläger in der Zeit April 2018 bis Mai 2019 in einer privaten, intimen Beziehung.

Nach einem Wechsel in der Geschäftsführung im Jahre 2018 trübte sich das Arbeitsverhältnis aus Sicht der Beklagten ein.

Am 19.06.2018 versandte der Kläger den Vertragsentwurf zwischen S W und der Firma E für das Format B B an seine private E-Mail-Adresse.

Der Kläger hat mit den Mitarbeiterinnen B und R eine WhatsApp-Gruppe unter dem Namen Bi betrieben. In diese Gruppe stellte er am 31.08.2018 um 22:42 Uhr und 23:01 Uhr zwei Fotos von Frau We ein, die sie in Reizwäsche (Strapse und Bustier) zeigen. Er schrieb hierzu u.a., dass er es liebe, wenn ein Plan funktioniere, dass er mucho Respekt haben wolle und das Versprechen, dass das Foto nur die Chatmitglieder sehen. Frau We habe ihm heute im Büro einen blasen wollen. Frau R kommentierte dies u.a. mit geil, haste gemacht? Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Chats wird, einschließlich der mit einem Schutzbalken versehenen Ablichtung des Gesichts und der Brüste von Frau We wird auf Bl. 420 bis 422 d.A. Bezug genommen. Der 31.08.2018 war der letzte Arbeitstag von Frau We . Sie war befristet als Redaktionsassistentin bei der Beklagten angestellt, der Kläger war ihr Vorgesetzter.

Am 06.01.2019 kopierte der Kläger eine Korrespondenz mit der Geschäftsführerin bezüglich der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses Frau W und sendete sie in modifizierter Form unmittelbar an Frau Wi .

Der Kläger meldete sich per WhatsApp-Nachricht am 26.02.2019 krank. In der Zeit vom 26.02.2019 bis zum 05.03.2019 hat er in I mit Frau Wi Urlaub gemacht.

Im März 2019 fanden erfolglose Gespräche über Modalitäten der Auflösung des Arbeitsverhältnisses statt. Am 12.03.2019 schickte der Kläger Auszüge des Vertrages der Beklagten mit den W an die Rechtsabteilung des Fernsehsenders R . Für Aufregung sorgte eine SMS von Sa W , Tochter der Hauptprotagonistin S W , mit der sie sinngemäß einen sofortigen Drehstopp und das Verlassen der Beklagten als Produktionsfirma androhte, für den Fall, dass man u.a. dem Kläger seine Arbeit nehme. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger diese SMS, die auch an den Auftraggeber R ging, veranlasst hat. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe das Format der W übernehmen wollen. Nach einer Telefonkonferenz am 18.03.2019 wurde der Vorgang bereinigt und das Vertragsverhältnis mit den W fortgesetzt.

Am 14.06.2019 wandten sich Frau R und Frau Wi , nachdem sie zuvor ihre Chat-Nachrichten mit dem Kläger ausgetauscht und verglichen hatten, mit einer Beschwerde an die Geschäftsführerin L S .

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.09.2019 aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung (Bl. 18 d.A.).

Mit Urteil vom 13.02.2020 (Bl. 256 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Weiterleiten von intimen Fotos einer unterstellten Mitarbeiterin ohne deren Einwilligung an Arbeitskolleginnen, verbunden mit respektlosen Kommentaren, sei auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfass geeignet, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Ob die weiteren von der Beklagten erhobenen Kündigungswürfe ebenfalls die Kündigung zu rechtfertigen vermögen, bedürfe keiner Feststellung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 05.03.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.03.2020 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags führt der Kläger aus, die abgelichtete Frau We habe die Fotos an zahlreiche Mitarbeiter im Betrieb der Beklagten versendet. Sie habe sich dem Kläger angeboten, mit ihr eine sexuelle Beziehung einzugehen. Sie habe sich zu keinem Zeitpunkt gegen die Weiterversendung der Fotos gewehrt. Sie sei bereits aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden gewesen, ein betrieblicher Bezug sei nicht vorhanden. Wie aus der schriftlichen Stellungnahme von Frau Wi vom 07.12.2020 (Bl. 418 f. d.A.) zu entnehmen sei, habe Frau We ihrerseits mehrere Arbeitskollegen sexuell belästigt und noch am letzten Arbeitstag sei sie von Büro zu Büro gegangen und habe den männlichen Kollegen sexuelle Handlungen angeboten. Der Kläger habe auf die Vertraulichkeit der WhatsApp-Gruppe vertrauen dürfen. Die Gruppenmitglieder R und B seien von den Fotos auch nicht schockiert gewesen, sondern hätten die Fotos ihrerseits sexualisiert und belustigt kommentiert. Es handele sich um eine unzulässige herausgreifende Kündigung. Eine vorherige Abmahnung sei erforderlich gewesen, eine Wiederholungsgefahr habe nicht bestanden. Jedenfalls überwiege das Interesse des Klägers am Bestand des Arbeitsverhältnisses das Beendigungsinteresse der Beklagten.

Der Kläger beantragt zuletzt, unter Abänderung des am 13.02.2020 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Köln, Aktenzeichen 5 Ca 4204/19, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 18.06.2019 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Fotos seien ohne Wissen und Willen der Frau We in dem Gruppenchat weitergeleitet worden, was sich auch aus ihrer Erklärung vom 28.04.2020 (Bl. 332 d.A.) ergebe. Es sei nicht akzeptabel, wenn der Kläger als Führungskraft, Prokurist und Gesellschafter ein frauenfeindliches und sexualisiertes Betriebsklima schaffe, was sich auch an seinen abfälligen Äußerungen gegenüber Frau Wi und der Geschäftsführerin L S zeige. Ferner berufe sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Kündigung auf den Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs (I reise mit Frau Wi während angezeigter Erkrankung), des Wettbewerbsverstoßes (versuchte Abwerbung der W ), Abwerbung von Mitarbeitern, der Weitergabe vertraulicher Personalinformationen (Anfrage der Geschäftsführerin wegen der Verlängerung des Arbeitsvertrags von Frau Wi ), der unerlaubten Versendung und Weitergabe vertraulicher Vertragsunterlagen (Weiterleitung Vertrag mit den W an R sowie vertraulicher Vertragsunterlagen an die private E-Mail-Adresse des Klägers), Beleidigungen und Verleumdungen (u.a. Verwendung des Begriffs Fotze gegenüber L S , Wi und R ) sowie die unerlaubte Privatnutzung betrieblicher Arbeitsmittel (Nutzung des betrieblichen E-Mail-Postfachs für Privatangelegenheiten).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 26.03.2020, 06.07.2020, 13.07.2020 und 03.09.2020, die Sitzungsniederschrift vom 09.12.2020 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II.  Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die fristlose Kündigung der Beklagten vom 18.06.2019 bereits aufgrund des Verhaltens des Klägers im WhatsApp-Chat am 31.08.2018 rechtswirksam ist. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

1.a)  Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urt. v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 – m.w.N.). Es genügen Umstände, die aus Sicht eines ruhig und verständig urteilenden Arbeitgebers eine (fristlose) Kündigung als angemessene Reaktion auf das Fehlverhalten des Arbeitnehmers erscheinen lassen (vgl. : BAG, Urt. v. 17.01.2008 – 2 AZR 536/06 – m. w. N.), wobei ein objektiver Maßstab gilt (BAG, Urt. v. 19.11.2015 – 2 AZR 217/15 – m. w. N.).

b)  Eine Kündigung scheidet aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers – wie etwa eine Abmahnung – geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist (BAG, Urt. v. 05.12.2019 – 2 AZR 240/19 – m.w.N.).

2.  Das Verhalten des Klägers im WhatsApp-Chat vom 31.08.2018 stellt an sich und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände einen wichtigen Kündigungsgrund dar.

a)  Der Kläger war als Executive Producer auch mit Führungsverantwortung ausgestattet. Als Führungskraft hat er im Rahmen des im übertragenen Verantwortungsbereichs Aufgaben aus dem Arbeitgeberbereich zu erfüllen. Er hat auch Vorbildfunktion. Zu seinem Pflichtenkreis gehört, im Rahmen der ihm übertragenen Verantwortung, die Arbeitgeberpflichten ordnungsgemäß auszuüben. Hierzu zählt auch die Beachtung der Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB sowie die dem Arbeitgeber obliegenden Schutzpflichten, wie etwa des Schutzes von Persönlichkeitsrechten der unterstellten Arbeitnehmer oder ihres Schutzes vor sexueller Belästigung bzw. Vermeidung eines sexualisiert feindlichen Arbeitsumfeldes. Ein schwerwiegender Verstoß gegen diese mit der Führungsverantwortung verbundenen Pflichten kann „an sich“ einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen.

b)  Der Kläger hat es darauf angelegt, dass sich die ihm persönlich fachlich und disziplinarisch unterstehende und in einem Abhängigkeitsverhältnis stehende Mitarbeiterin We ihm sexuell anbiederte, was durch die Übersendung von aufreizenden Intimfotos und des Angebots von Oralverkehr im Büro auch erfolgte. Er selbst hat planvoll gehandelt, was sich daraus ergibt, dass er in dem Chat seiner Freude Ausdruck verliehen hat, wenn ein Plan funktioniert, wobei es sich um seinen eigenen Plan handelte. Der Kläger war mit der Mitarbeiterin We nicht privat, sondern ausschließlich beruflich verbunden. Er forderte von den anderen Chatmitgliederinnen Respekt dafür ein, dass er fähig ist, eine – ihm unterstellte – Mitarbeiterin dazu zu bringen, dass sich vor ihm teilweise entblößt, anbiedert und oralen Verkehr in den Betriebsräumen anbietet. Sein Chat ist weniger Ausdruck sexuell bestimmter Lust, sondern zeigt in erster Linie einen machtbezogenen Bezug in der Rolle eines Vorgesetzten.

c)  Die Weiterleitung der intimen Fotos in die Chatgruppe nebst sexueller Kommentierung stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin We dar. Zugleich ist der Tatbestand des objektiv unerwünschten, sexuell bestimmten Verhaltens des § 3 Abs. 4 Satz 1 AGG erfüllt. Die Betroffene hat nicht in die Weitersendung der Fotos eingewilligt. Soweit der Kläger pauschal behauptet, die Betroffene habe diese Fotos auch an andere Betriebsgehörige gesandt, handelt es sich aufgrund mangelnder Konkretisierung nach Ansicht der Berufungskammer um eine substanzlose Schutzbehauptung. Auch die vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte schriftliche „Zeugenaussage“ der früheren Geliebten Wi , die die angebliche sexuelle Freizügigkeit der Mitarbeiterin We belegen soll, enthält keine substantiierte Darlegung vergleichbarer Übersendung von Fotos. Darüber hinaus kann mangels Konkretisierung der Umstände der behaupteten Verbreitung der Fotos an Dritte nicht geschlossen werden, dass die Mitarbeiterin We eine allumfassende Einwilligung in die Weiterleitung der Fotos erteilt hat. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein unerwünscht sexuell bestimmtes Verhalten im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG im Übrigen nicht erfordert, dass die betroffene Person ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (BAG, Urt. v. 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 – m.w.N.), was vorliegend der Fall war.

d)  Die Zurschaustellung der Mitarbeiterin We in Reizwäsche verletzt das Recht der Mitarbeiterin am eigenen Bild, berührt ihre Intimsphäre sowie ihre Ehre und Würde. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Klägers, die Fotos nach eigenem Gusto in die Chatgruppe einzustellen, hat gegenüber der schweren Verletzung der Intimsphäre zurückzutreten. Die allgemeine Handlungsfreiheit findet ihre Grenzen in den Rechten der betroffenen Grundrechtsträgerin. Das Ausmaß der Persönlichkeitsverletzung ist bereits durch die Tatsache der Verbreitung der Bilder erheblich und wird durch die Art und Weise der Präsentation und der damit verbundenen Kommentierung vertieft. Die Mitarbeiterin erscheint als manipulierbares, würdeloses Sexualobjekt und wird der Lächerlichkeit preisgegeben. Aufgrund der automatischen Speicherung der Kommunikation verflüchtigt sich die Persönlichkeitsverletzung nicht, sondern wird bis zur Löschung verfestigt und ist jederzeit abrufbar.

e)  Soweit der Kläger auf die Vertraulichkeit der Kommunikation in der Chatgruppe verweist, vermag ihn das nicht entscheidend zu entlasten. Zutreffend ist, dass der Kommunikation in einer Chatgruppe, wenn auch keine absolute, so doch eine gewisse Vertraulichkeit zukommen kann, je nach Umständen des Einzelfalls. Im Streitfall hat der Kläger um Vertraulichkeit hinsichtlich der Fotos gebeten, wenn auch nicht bezüglich des Sachverhaltes der Anbiederung und der Kommentierungen. Der Kläger verkennt jedoch, dass die geschehene Persönlichkeitsverletzung dadurch ggfs. begrenzt, aber nicht ungeschehen gemacht wird. Sie wirkt vielmehr – ebenso wie die Schaffung eines sexualisiert feindlichen Arbeitsumfeldes – fort, das Risiko der Preisgabe an Dritte ist aufgrund der Speicherung nicht ausgeschlossen.

3.  Die fristlose Kündigung ist auch nicht aus Gründen mangelnder Verhältnismäßigkeit unwirksam.

a)  Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung war dem Kläger erkennbar, dass nach objektiven Maßstäben auch die erstmalige Hinnahme für die Beklagte unzumutbar und damit offensichtlich ausgeschlossen war. Der Kläger hat vorsätzlich und planvoll in besonderes grobem Maße gegen seine Pflichten und seine Vorbildfunktion als Führungskraft verstoßen, indem er intime Fotos einer unterstellten Mitarbeiterin nebst abfälliger Kommentierung zum Zwecke belustigender Bestätigung in die Chatgruppe einstellte.

b)  Soweit der Kläger meint, die Kündigung sei als „herausgreifende Kündigung“ unwirksam, kann dem nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat gegen die beiden anderen Mitgliederinnen der Chatgruppe, R und B , keine arbeitsrechtlichen Sanktionen ergriffen. Dem Kläger ist im Ergebnis darin zuzustimmen, dass jedenfalls hinsichtlich von Frau R , die aktiv an der sexualisierten Kommunikation mitgewirkt hat, gemäß § 12 Abs. 3 AGG durchaus arbeitsrechtliche Maßnahmen geboten gewesen wären. Es kann dahin stehen, ob ein Verstoß gegen diese Handlungspflicht angesichts des Schutzwecks des § 3 Abs. 4 AGG überhaupt geeignet wäre, die Unwirksamkeit der Kündigung eines anderen aktiv Beteiligten zu begründen. Jedenfalls besteht aus Sicht der Berufungskammer ein entscheidungsrelevanter Unterschied zwischen dem Kläger und den anderen Chatmitgliedern. Der Kläger war nicht in vergleichbarer betrieblicher Position, sondern in der besonderen Verantwortung als Führungskraft. Ferner war er Initiator des Chats und damit treibende Kraft des Vorfalls. Aufgrund dieser Unterschiedlichkeiten lässt die fehlende Sanktion der anderen Beteiligten keinen Schluss auf die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers zu.

c)  Das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Zwar trifft die fristlose Kündigung den Kläger hart, denn der Kläger verliert mit ihr ohne Übergangzeit ein Arbeitsverhältnis mit einem aufgrund anerkannt achtjähriger Beschäftigungszeit gewachsenen Besitzstand zu auskömmlichen Konditionen. Jedoch überwiegt das Beendigungsinteresse der Beklagten aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung und der betrieblichen Stellung des Klägers. Der Kläger hat sich nicht nur (grob) verantwortungslos gegenüber einer unterstellten Mitarbeiterin verhalten, sondern auch das notwendige Vertrauen des Arbeitgebers gegenüber einer Führungskraft, die in seinem Namen weitgehend unkontrolliert Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, irreparabel zerstört.

III.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.  Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

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