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Fristlose Kündigung wegen eigenmächtiger Urlaubnahme

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt bestätigt Unwirksamkeit fristloser Kündigung wegen eigenmächtiger Urlaubnahme

Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt wies die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau zurück, welches die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers wegen eigenmächtiger Urlaubnahme für ungültig erklärt hatte. Das Gericht befand, dass die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB nicht erfüllt waren. Es urteilte, dass die Situation eine Abmahnung erfordert hätte, anstatt einer sofortigen Kündigung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 Sa 548/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Fristlose Kündigung des Klägers durch den Beklagten wegen angeblicher eigenmächtiger Urlaubnahme.
  2. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht bestätigen die Unwirksamkeit der Kündigung.
  3. Feststellung, dass kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorlag.
  4. Der Kläger hatte den freien Tag im Kalender eingetragen, jedoch wurde dieser nicht offiziell gestrichen.
  5. Keine ausreichende Kommunikation seitens des Arbeitgebers zum Kläger über die Ablehnung des freien Tages.
  6. Der Kläger war telefonisch erreichbar, erschien jedoch nicht zur Arbeit.
  7. Das Gericht sieht eine Abmahnung als angemessener an als eine fristlose Kündigung.
  8. Keine Rechtswirksamkeit der Kündigung, da mildere Mittel (wie eine Abmahnung) nicht ausgeschöpft wurden.

Fristlose Kündigung im Arbeitsrecht: Eigenmächtiger Urlaubsantritt als schwerwiegende Pflichtverletzung

Eine fristlose Kündigung wegen eigenmächtiger Urlaubnahme ist in vielen Fällen möglich, da es sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers handelt. Laut Arbeitsrechtsexperten kann ein eigenmächtiger Urlaubsantritt eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen. In solchen Fällen muss der Arbeitgeber jedoch nachweisen, dass der Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für ihn unzumutbar ist.

Ein konkretes Urteil zu diesem Thema könnte die rechtlichen Herausforderungen und möglichen Folgen für beide Parteien verdeutlichen. Dabei geht es nicht nur um die Frage der Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung, sondern auch um die Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Prüfung milderer Mittel, wie etwa einer Abmahnung. Ein detaillierter Einblick in ein solches Urteil kann dazu beitragen, das Verständnis für die komplexen Regelungen im Arbeitsrecht zu erhöhen und mögliche Konsequenzen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber besser abschätzen zu können.

Streit um außerordentliche Kündigung im Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt

Im Zentrum eines juristischen Streits am Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt stand die außerordentliche Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters eines Schlachthofes. Der Kläger, seit November 2000 als Fleischkontrolleur tätig, wurde vom Beklagten, seinem Arbeitgeber, fristlos gekündigt. Grund für diese drastische Maßnahme war eine vermeintliche schwere Pflichtverletzung in Form einer eigenmächtigen Urlaubnahme am 30. April 2013.

Der Vorfall: Urlaubstage und Dienstplanung im Fokus

Die Auseinandersetzung nahm ihren Anfang, als der Kläger für den betreffenden Tag einen sogenannten freien Tag im Dienstkalender eintrug und zusätzlich für den Zeitraum vom 2. bis 10. Mai Erholungsurlaub beantragte. Der zuständige Vorgesetzte, ein bereits im Ruhestand befindlicher Amtstierarzt, lehnte diesen Antrag aus organisatorischen Gründen ab. Er schlug vor, dass stattdessen ein Kollege des Klägers seinen freien Tag am 30. April nehmen solle. Diese Lösung lehnte der Kläger ab. Ohne an einer nach Schichtende anberaumten Dienstbesprechung teilzunehmen, verließ er den Arbeitsplatz, während der freie Tag weiterhin im Kalender eingetragen war.

Kern der juristischen Auseinandersetzung: Fristlose Kündigung gerechtfertigt?

Das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau befand in seinem Urteil vom 11. September 2013, dass die außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt sei. Die Kündigungsschutzklage des Klägers wurde somit stattgegeben. Es wurde argumentiert, dass eine beharrliche Arbeitsverweigerung des Klägers nicht vorlag und es dem Beklagten zumutbar gewesen wäre, den Pflichtverstoß mit einer Abmahnung zu ahnden, statt direkt zur außerordentlichen Kündigung zu greifen.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt

Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Es befand, dass kein ausreichender wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorlag. Die Interessenabwägung, welche die Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Verschulden des Arbeitnehmers und die Auswirkungen der Pflichtverletzung berücksichtigte, führte zur Schlussfolgerung, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar war. Zudem wurde festgestellt, dass eine ordentliche Kündigung ebenfalls nicht rechtswirksam war, da diese nicht erklärt wurde und die erforderlichen personalvertretungsrechtlichen Voraussetzungen fehlten.

Fazit: Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt wies die Berufung des Beklagten zurück und bestätigte, dass die außerordentliche Kündigung des Klägers unrechtmäßig war. Eine Abmahnung wäre in diesem Fall ein angemesseneres Mittel gewesen.

Der vollständige Text des Urteils kann unten nachgelesen werden.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was sind die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB?

Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB sind:

  • Wichtiger Grund: Ein wichtiger Grund ist erforderlich, der das Dienstverhältnis so stark belastet, dass dem Kündigenden eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt nicht zugemutet werden kann. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist immer eine Frage des Einzelfalls und erfordert eine Interessenabwägung. Beispiele für wichtige Gründe können Straftaten gegen den Arbeitgeber oder schwerwiegende Pflichtverletzungen sein.
  • Kenntnis der Kündigungsgründe: Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Es ist eine sichere und vollständige Kenntnis des Kündigungsberechtigten erforderlich.
  • Kündigungserklärung: Die Kündigung muss dem anderen Vertragsteil gegenüber erklärt werden. Auf Verlangen des anderen Teils muss der Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitgeteilt werden.

Es ist zu beachten, dass die fristlose Kündigung die „härteste Konsequenz des Arbeitsrechts“ darstellt und daher strengen Anforderungen unterliegt. In vielen Fällen ist vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung eine Abmahnung erforderlich.

Was ist unter einer eigenmächtigen Urlaubnahme zu verstehen und wie wird diese rechtlich bewertet?

Eine eigenmächtige Urlaubnahme bezeichnet die Situation, in der ein Arbeitnehmer ohne vorherige Genehmigung durch den Arbeitgeber Urlaub nimmt. Dies stellt eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar und kann als Arbeitsverweigerung eingestuft werden.

Rechtlich gesehen ist der Arbeitgeber für die Urlaubsgewährung zuständig und verpflichtet, die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Allerdings kann der Arbeitgeber den Urlaub ablehnen, wenn dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, dem gewählten Zeitraum entgegenstehen.

Wenn ein Arbeitnehmer trotz Ablehnung des Urlaubsantrags durch den Arbeitgeber eigenmächtig Urlaub nimmt, kann dies schwerwiegende Konsequenzen haben. In der Regel kann dies eine außerordentliche (fristlose) Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen, da es sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers handelt. In einigen Fällen kann auch eine Abmahnung erfolgen.

Wenn Arbeitnehmer mit der Ablehnung eines Urlaubsantrags nicht einverstanden sind, steht ihnen gegen diese Entscheidung des Arbeitgebers nur die Möglichkeit offen, einstweiligen Rechtsschutz beim Arbeitsgericht in Anspruch zu nehmen. Es ist ratsam, sich an den Betriebsrat oder einen Anwalt zu wenden, um auf der sicheren Seite zu sein.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 6 Sa 548/13 – Urteil vom 09.12.2014

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 11.09.2013 – 11 Ca 115/13 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt 4/5, der Kläger trägt 1/5 der Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger ist bei dem Beklagten bzw. seinem Rechtsvorgänger seit 08.11.2000 als Fleischkontrolleur im Schlachthof G beschäftigt.

Die Rechtsbeziehungen der Parteien bestimmen sich nach dem Arbeitsvertrag vom 17.12.2004 (Bl. 7 f d.A.).

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 22.05.2013 (Bl. 5 f d.A.) außerordentlich. Er stützt diese Kündigung auf eine nach seiner Auffassung vorliegende schwerwiegende Pflichtverletzung des Klägers in Form einer Selbstbeurlaubung am 30.04.2013.

Der Kläger hatte für diesen Tag – der betrieblichen Praxis entsprechend – einen sog. freien Tag in dem in den Diensträumen befindlichen Kalender eingetragen. Weiter begehrte er am 29.04.2013 zusätzlich für den Zeitraum 02. bis 10.05.2013 Erholungsurlaub. Nach Prüfung dieses Antrages teilte ihm sein zum damaligen Zeitpunkt zuständiger Vorgesetzter, der bereits im Ruhestand befindliche Amtstierarzt L, welcher im Zeitraum 22.04. bis 03.05.2013 vertretungsweise für den planmäßigen Vorgesetzten des Klägers, den Amtstierarzt D im Einsatz war, gegen 13:00 Uhr mit, aus organisatorischen Gründen sei eine Freistellung für den 30.04. und ein sich anschließender Erholungsurlaub nicht möglich. Im Hinblick auf die für ihn anstehende Urlaubsvertretung solle sein Kollege Herr T am 30.04.2013 seinen freien Tag nehmen. Ob Herr L, nachdem der Kläger auf diesen Vorschlag ablehnend reagiert hatte, ihn aufgefordert hat, nach Schichtende zu einer Dienstbesprechung mit seinen Kollegen zu erscheinen, um diese organisatorischen Schwierigkeiten zu besprechen, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger verließ – ohne an der Dienstbesprechung teilzunehmen – nach Schichtende seinen Arbeitsplatz. Zu diesem Zeitpunkt war der freie Tag nach wie vor im Kalender eingetragen und nicht – wie bei Nichtgewährung betriebsüblich – von dem Amtstierarzt gestrichen worden.

Der von Herrn L unterzeichnete und von dem Kläger gegengezeichnete Urlaubsantrag wurde auf jener Dienstbesprechung von einem Kollegen des Klägers Herrn L überreicht.

Der Kläger erschien am 30.04.2013 nicht zum Dienst, hielt sich aber in seiner Wohnung auf und war telefonisch erreichbar. Herr L, der davon ausging, der Kläger sei bereits ortsabwesend, kontaktierte diesen jedoch nicht, sondern beorderte Herrn T zum Dienst, der diesen Dienst auch wahrnahm. Der Kläger wurde wiederum nach seinem Urlaub am (Samstag) 11.05.2013 von Herrn D kurzfristig zum Dienst einbestellt. Dass er sich für diesen Tag in Bereitschaft halten sollte, hatte Herr L ihm anlässlich des Gesprächs am 29.04.2013 bereits avisiert.

Nach Rückkehr aus seinem Urlaub führte der Beklagte mit dem Kläger am 13.05.2013 zu dem Vorfall am 30.04.2013 ein Personalgespräch und entschloss sich sodann, das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich zu kündigen.

Hierzu informierte er den in seiner Dienststelle bestehenden Personalrat mit Schreiben vom 16.05.2013 (Bl. 41 – 43 d.A.), der am 22.05.2013 Stellung nahm (Bl. 44 f d.A.). Er hat der beabsichtigten Kündigung widersprochen und angeregt, dem Kläger hinsichtlich des Vorfalls am 30.04.2013 eine Abmahnung zu erteilen.

Der Beklagte hatte dem Kläger bereits unter dem 03.05.2007 (Bl. 47 f d.A.) eine Ermahnung erteilt, weil dieser nach Ablehnung eines Urlaubsantrages angekündigt hatte, nicht zum Dienst zu erscheinen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der außerordentlichen Kündigung komme keine Rechtswirksamkeit zu. Ein wichtiger Grund hierfür liege nicht vor.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 22. Mai 2013 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der streitgegenständlichen Kündigung komme Rechtswirksamkeit zu. Der Kläger habe durch sein Nichterscheinen am 30.04.2013 eine schwere Pflichtverletzung in Form der sog. Selbstbeurlaubung begangen. Ihm sei in dem Gespräch am 30.04.2013 durch Herrn L eindeutig erklärt worden, er habe am 30.04.2013 zum Dienst zu erscheinen. Nachdem der Kläger die von Herrn L dargetane Lösungsvariante (Verzicht auf freien Tag am 30.04.2013, anschließender Urlaub sowie Bereitschaftsdienst am 11.05.2013) vehement abgelehnt und mit Schadensersatzansprüchen in Form von Stornierungskosten seines Urlaubs gedroht habe, habe Herr L den Kläger aufgefordert, nach Schichtende zu einer Dienstbesprechung mit seinen Kollegen zu erscheinen, was der Kläger – unstreitig – nicht getan habe. Zwar habe er vor Verlassen seines Arbeitsplatzes noch Herrn T gefragt, ob dieser am 30.04.2013 etwas vorhabe, was dieser verneint habe. Eine ausdrückliche Absprache über die Dienstwahrnehmung durch diesen Kollegen, der unstreitig für den 30.04.2013 keinen freien Tag eingetragen hatte, sei jedoch nicht erfolgt.

Durch dieses Verhalten – so hat der Beklagte gemeint – habe der Kläger beharrlich seine Arbeitspflicht verletzt, sodass auch unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sei.

Der Kläger hat hierzu entgegnet, Herr L, zu dem persönliche Differenzen bestehen, habe ihn keineswegs aufgefordert, nach Dienstschluss zu einer Besprechung betreffend die Dienstplanung am 30.04.2013 zu erscheinen. Er habe, nachdem Herr L in dem Gespräch mitgeteilt habe, Herr T wolle am 30.04.2013 einen freien Tag nehmen, diesen am Nachmittag gefragt, ob er am 30.04.2013 tatsächlich frei haben wolle, was Herr T verneint habe. Sein Nichterscheinen am 30.04.2013 sei in erster Linie der fehlenden Organisation des Beklagten bei der Dienstplangestaltung der Fleischkontrolleure zuzuschreiben. Hätte Herr L ihn am 30.04.2013 angerufen und zum Erscheinen aufgefordert, wäre er selbstverständlich zum Dienst erschienen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.09.2013 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist und die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, nach dem sich bietenden Sachverhalt sei nicht von einer, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden beharrlichen Arbeitsverweigerung des Klägers auszugehen. Dem Beklagten sei es zumutbar gewesen, den behaupteten Pflichtverstoß mit einer Abmahnung zu sanktionieren. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 80 – 87 d.A. verwiesen.

Gegen dieses, dem Beklagten am 14.11.2013 zugestellte Urteil hat er am 12.12.2013 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.02.2014 am 07.02.2014 begründet.

Mit seinem Rechtsmittel verfolgt er seinen erstinstanzlich gestellten Klagabweisungsantrag unter Aufrechterhaltung seines Rechtsstandpunktes weiter. Aus dem sich bietenden Sachverhalt sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts eine beharrliche Pflichtverletzung des Klägers in Form der Selbstbeurlaubung abzuleiten. Dies werde auch daraus deutlich, dass der Kläger trotz Aufforderung zu einem Dienstgespräch, das zur Klärung der Situation dienen sollte, nicht erschienen sei. Es sei nicht ausgeschlossen gewesen, dass im Rahmen dieses Gesprächs eine einvernehmliche Lösung hätte gefunden werden können.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 11.09.2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Einen erstmals im Berufungsverfahren angekündigten Weiterbeschäftigungsantrag hat er im Termin am 09.12.2014 wieder zurück genommen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und weist ergänzend darauf hin, Herr T habe für den 01.05.2013 einen freien Tag in den Kalender eingetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der gegen die außerordentliche Kündigung vom 22.05.2013 gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird durch diese Kündigung nicht aufgelöst.

I.

Der außerordentlichen Kündigung kommt keine Rechtswirksamkeit zu, weil die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben sind.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Ein gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist ua. die ordentliche Kündigung (BAG 06.05.2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 16, 17).

Unentschuldigtes Fehlen und eine eigenmächtige Urlaubsnahme eines Arbeitnehmers sind an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB zu begründen (BAG 16.03.2000 – 2 AZR 75/99 – juris Rn. 36).

1. Vorliegend fehlt es nach dem sich bietenden Sachverhalt – auch wenn man das Vorbringen des Beklagten zugrunde legt – bereits an einem wichtigen Grund an sich. Eine eigenmächtige Urlaubsnahme bzw. Freistellung durch den Kläger liegt nicht vor. Nach dem Sachvortrag des Beklagten war dem Kläger in der Unterredung mit dem damals amtierenden Vorgesetzten L am 29.04.2013 gegen 13.00 Uhr gerade nicht definitiv der von ihm im Kalender eingetragene freie Tag am 30.04.2013 verweigert worden. Die Aussage des Herrn L ging vielmehr dahin, dass dem Kläger der weiter beantragte Urlaub nur gewährt werden könne, wenn er am 30.04.2013 seinen Dienst versehen würde. Nach Ablehnung dieser „Lösungsvariante“ (so ausdrücklich der Beklagte im Schriftsatz vom 29.07.2013, Seite 2) durch den Kläger, sollte in einer Dienstbesprechung nach Schichtende die Dienstplanung für den Folgetag erörtert werden. Dabei sei eine „einvernehmliche Lösung“ nicht von vornherein auszuschließen gewesen (Berufungsbegründung, Seite 5). Eine Streichung des von dem Kläger für den 30.04.2013 eingetragenen freien Tages im Kalender erfolgte – Gegenteiliges trägt der Beklagte nicht vor – bis Dienstschluss am 29.04.2013 nicht.

Auch enthielt jener keine Eintragung des Herrn T für den 30.04.2013. Der hatte vielmehr den 01.05.2013 nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers in der Berufungserwiderung (Seite 2) als freien Tag eingetragen. Ebenso wenig hat der Beklagte über den Vorgesetzten des Klägers nach dessen Nichterscheinen zu der nach Feierabend angesetzten Dienstbesprechung am 29. und auch nicht am 30.04.2013, nachdem der Kläger nicht zum Dienst erschienen war, Kontakt aufgenommen.

Aus dieser Sachlage lässt sich nicht ableiten, der Kläger habe trotz eindeutig ihm gegenüber erklärter Verweigerung des freien Tages den Dienst am 30.04.2013 bewusst nicht angetreten. Zwar ist dem Kläger am Mittag des 29.04.2013 im Zusammenhang mit der weiter begehrten Urlaubsnahme erklärt worden, er könne am 30.04.2013 nicht „frei machen“. Angesichts der weiteren Umstände ist diese Erklärung jedoch nicht ausreichend, um dem Kläger deutlich zu machen, damit sei bereits das „letzte Wort“ gesprochen. Hierzu hätte es weiterer Erklärungen des Beklagten, insbesondere nachdem der Kläger nicht an dem nach Dienstschluss anberaumten Gespräch teilgenommen hat, bedurft. So hätte der freie Tag – wie es unbestritten üblich war – aus dem Kalender gestrichen werden müssen. Für den Kläger bestand bei Dienstschluss die Situation, dass zwar sein Vorgesetzter im Rahmen einer Lösungsvariante den freien Tag verweigert hatte, dieser aber andererseits bei Dienstschluss im Kalender stand und auch hinsichtlich des als Urlaubsvertreter angedachten Kollegen T kein diesbezüglicher Eintrag vorlag. Dieser hatte vielmehr gegenüber dem Kläger erklärt, er habe am 30.04.2013 nichts vor. Jedenfalls hätte der Beklagte, um bei dieser unklaren Situation eine „Eigenmacht“ des Klägers herbeizuführen, diesen telefonisch am 30.04.2013 unmissverständlich, aber erfolglos zur Arbeitsleistung auffordern müssen.

2. Darüber hinaus – sofern man einen wichtigen Grund an sich bejaht – wäre aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung im Einzelfall von einer Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist auszugehen.

a. Dabei ist zugunsten des Klägers neben seinem Lebensalter auch die lange Betriebszugehörigkeit von 12 Jahren zu berücksichtigen. Außer einer Differenz zwischen dem Kläger und Herrn L im Jahr 2007 hat der Beklagte keine Störungen des Arbeitsverhältnisses dargelegt. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass – von dem Beklagten nicht bestritten – zwischen dem Kläger und Herrn L, der als Ruheständler nur noch im Vertretungsfalle als Amtstierarzt tätig wird, persönliche Differenzen herrschen, während das Verhältnis zu seinem nunmehrigen planmäßigen Vorgesetzten D – Gegenteiliges ist nicht vorgetragen worden – als unbelastet anzusehen ist. Dass sich im Verlauf der Kündigungsfrist dem streitgegenständlichen Vorfall ähnliche Ereignisse auch nach Beendigung der von Herrn L durchgeführten Vertretung ergeben werden, kann daher nicht ohne Weiteres angenommen werden.

b. Darüber hinaus ergibt sich aufgrund der zu bewertenden Gesamtumstände des Einzelfalles deshalb kein überwiegendes Interesse an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Beklagten, weil es diesem zumutbar gewesen wäre, die Pflichtverletzung mit einer Abmahnung zu sanktionieren.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 37).

Das Fernbleiben des Klägers am 30.04.2013 lässt sich gerade nicht als Ausdruck einer generellen Diensteinstellung dahin werten, er komme hartnäckig Anweisungen seiner Vorgesetzten, die ihm „nicht passen“, regelmäßig nicht nach; er werde sich daher nicht durch eine Abmahnung belehren lassen. Hiergegen spricht der unstreitige Umstand, dass der Kläger – den Vorgaben des Gesprächs am 29.04.2013 entsprechend – nach Abruf durch seinen Vorgesetzten am 11.05.2013 den Dienst versehen hat. Dies macht deutlich, dass der Kläger gerade nicht beharrlich den Arbeitseinsatz verweigert.

Weiter lässt sich angesichts der Gesamtumstände (siehe oben 1.) das Fernbleiben des Klägers am 30.04.2013 nicht als derart schwerwiegend einstufen, dass er nicht schutzwürdig annehmen konnte, der Arbeitgeber werde hierauf jedenfalls nicht sogleich mit einer außerordentlichen Kündigung reagieren.

II.

Der Kündigung vom 22.05.2013 kommt auch nicht als ordentliche Kündigung Rechtswirksamkeit zu. Eine solche hat der Beklagte nicht – auch nicht hilfsweise – erklärt. Eine Umdeutung der Erklärung des Beklagten gemäß § 140 BGB scheitert daran, dass die personalvertretungsrechtlichen Voraussetzungen – Zustimmung des Personalrates gemäß §§ 67 Abs. 1 Nr. 8; 61 Abs. 1 PersVG LSA – nicht vorliegen.

III.

Nach alledem konnte das Rechtsmittel des Beklagten keinen Erfolg haben. Einer Entscheidung über die von dem Kläger eingelegte Anschlussberufung (Weiterbeschäftigungsantrag) bedurfte es nicht, da der Kläger diese im Termin am 09.12.2014 zurückgenommen hat.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

C.

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.

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