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Fristlose Kündigung – Zugang des Kündigungsschreibens

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 8 Sa 251/18 – Urteil vom 05.02.2019

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – 3 Ca 460/18 – vom 03. Juli 2018 abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch eine mündliche Kündigung vom 27.03.2018 noch durch eine schriftliche Kündigung vom 27.03.2018 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens (I. und II. Instanz) zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger war seit 15. Februar 2017 als Hausmeister und in der Spülküche bei der Beklagten, einem Gastronomiebetrieb, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war nach Ziffer 2.1 des Arbeitsvertrags bis 15. Februar 2019 befristet (Bl. 4 ff. d.A.). Ziffer 2.3 des Arbeitsvertrages sieht die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor. Bei einem Stundenlohn von 9,75 Euro erzielte der Kläger ein Bruttomonatsgehalt von 1.648,00 Euro.

Am 27. März 2018 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten statt, bei dem (wenigstens) zwei Zeugen zugegen waren. Dem Kläger sollte ein Schreiben übergeben werden. Er nahm dieses nicht entgegen und verwies auf den an seiner Wohnanschrift vorhandenen Briefkasten. Der Kläger gab den Schlüssel für den Betrieb der Beklagten ab, was ihm quittiert wurde.

Mit seiner am 24. April 2018 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingereichten Klage wandte sich der Kläger zunächst gegen eine mündliche Kündigung vom 27. März 2018.

Der Kläger hat vorgetragen, ihm sei keine Kündigungserklärung vor die Nase gehalten worden. Er habe eine Erklärung, die er nicht gelesen habe, unterzeichnen sollen. Dazu habe er sich geweigert. Er habe darauf hingewiesen, dass für seine Wohnung an seiner Adresse ein Briefkasten angebracht sei (unstreitig). Die Erklärung solle ihm zugeschickt werden. In seinem Briefkasten sei aber nie eine Kündigung gewesen. Die von der Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründe seien unsubstantiiert.

Der Kläger hat beantragt: Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mündliche Kündigung vom 27. März 2018 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe sich geweigert, den Erhalt der Kündigung zu quittieren. Man habe ihm das Kündigungsschreiben (Bl. 34 d.A.) vor die Nase gehalten. Der Kläger habe einen Blick darauf geworfen und gesagt, er werde die Kündigung nicht annehmen. Die Kündigung sei am selben Tag noch in den Briefkasten des Klägers geworfen worden. Der außerordentliche Kündigungsgrund liege darin, dass der Kläger dem Mitarbeiter Z gedroht habe, er werde ihn töten. Ihr Geschäftsführer habe ihn daraufhin abgemahnt. Der Kläger habe sich zwar zunächst beruhigt, aber wenig später den Mitarbeiter Z wieder damit bedroht, ihn umzubringen. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei unzumutbar.

Zur Darstellung der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 3. Juli 2018 (Bl. 60 und 61 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 3. Juli 2018 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die Klage auch gegen eine schriftliche Kündigung gerichtet sei. Das Kündigungsschreiben vom 27. März 2018 sei dem Kläger am 27. März 2018 zugegangen. Der Zugang erfolge unter Anwesenden auch dann, wenn das Kündigungsschreiben zur Übergabe angereicht, aber nicht entgegengenommen werde. Daher habe der Kläger mit der Klageerhebung am 24. April 2018 die Klagefrist von drei Wochen nach § 4 KSchG nicht eingehalten und die Kündigung sei nach § 7 KSchG wirksam. Zur weiteren Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 bis 5 dieses Urteils (Bl. 62 und 63 d.A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 9. Juli 2018 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 20. Juli 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 19. Juli 2018 Berufung eingelegt und diese mit am 5. September 2018 eingegangenem Schriftsatz vom 4. September 2018 begründet.

Der Kläger führt zur Begründung der Berufung aus, ihm sei am 27. März 2018 seitens des Geschäftsführers der Beklagten ein Schreiben vorgehalten worden mit der Darstellung, dass es sich um eine Kündigung handele. Er habe sich geweigert, dieses Schreiben zu quittieren und es an sich zu nehmen. Er habe dem Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt, das Schreiben solle ihm zugeschickt werden. Tatsächlich sei „unstreitig“ (so der Kläger in der Berufungsbegründung) ein Schreiben der Beklagten bei ihm nie eingegangen.

Fristlose Kündigung - Zugang des Kündigungsschreibens
(Symbolfoto: Von Evgeniia Engkilterra/Shutterstock.com)

Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich aus seiner (des Klägers) Erklärung im Gütetermin ergebe, dass ihm klar gewesen sei, dass ihm eine Kündigung vorgelegt worden sei. Wenn er von einer Kündigung gesprochen habe, habe er nur die Redensart des Geschäftsführers der Beklagten aufgenommen. Dass das Schreiben selbst eine Kündigungserklärung enthielt, habe er jedenfalls nicht zur Kenntnis genommen. Er habe schließlich eine Quittierung des Zugangs des ihm vorgehaltenen Schreibens abgelehnt.

Aus seiner Verweigerung, das ihm vorgehaltene Schreiben entgegenzunehmen und zu quittieren, könne, entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, gerade nicht ohne weiteres auf einen „Zugang unter Anwesenden“ gemäß § 130 BGB geschlossen werden. Ihm sei auch ansonsten eine schriftliche Kündigungserklärung der Beklagten zu keinem Zeitpunkt zugestellt worden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 3. Juli 2018 – 3 Ca 460/18 – abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die mündliche Kündigung vom 27. März 2018 noch durch eine schriftliche Kündigung vom 27. März 2018 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Schon aus der Berufungsbegründung ergebe sich, dass die Kündigungserklärung dem Kläger am 27. März 2018 zugegangen sei. Es ergebe sich jedenfalls, dass der Kläger in der Lage gewesen sei, die schriftliche Kündigungserklärung in Empfang zu nehmen, was für den Zugang im Rechtssinne ausreichend sei. Es seien auch nicht irgendwelche Redensarten ausgetauscht worden, dem Kläger sei bekannt gewesen, dass ihm eine Kündigung zugestellt werden sollte.

Der Zugang sei erfolgt, weil dem Kläger die Kenntnisnahme vom Inhalt des Schreibens möglich gewesen sei.

Erstinstanzlich habe der Kläger auch nicht bestritten, dass ihm das Schreiben vorgehalten und so angereicht wurde, dass er es hätte entgegennehmen können. Die Möglichkeit des Empfangs für den Kläger sei vorhanden gewesen. Da er sich geweigert habe, das Dokument in Besitz zu nehmen, greife die Zugangsfiktion.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.

Die Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsgericht ist in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Kündigungsschreiben vom 27. März 2018 dem Kläger am 27. März 2018 zugegangen sei und die (schriftliche) Kündigung daher wegen der Versäumung der Klagefrist als wirksam gelte.

Das Kündigungsschreiben vom 27. März 2018 ist dem Kläger nicht zugegangen. Es greift auch keine Fiktion, nach der von einem Zugang der Kündigung zu diesem Zeitpunkt ausgegangen werden könnte.

1. Gegenstand der Berufung war nicht (nur) eine (vermeintliche) mündliche Kündigung vom 27. März 2018, sondern auch eine schriftliche Kündigung von diesem Tag, über deren Zugang die Parteien bereits erstinstanzlich im Wesentlichen gestritten haben. Das Arbeitsgericht hat den Antrag aus der Klageschrift dahingehend ausgelegt, dass – über seinen Wortlaut hinaus – auch die Unwirksamkeit einer schriftlichen Kündigung festgestellt werden solle. Der Kläger hat sich dieses Antragsverständnis – spätestens – mit seinem entsprechend formulierten Berufungsantrag zu Eigen gemacht.

2. Eine Kündigungsschutzklage ist unbegründet, wenn sie verspätet erhoben wurde, §§ 4 Satz 1, 7 KSchG. Die dreiwöchige Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage beginnt mit Zugang der schriftlichen Kündigung. Zugleich setzt die Wirksamkeit einer Kündigung als einseitiger empfangsbedürftiger Willenserklärung nach § 130 BGB ihren Zugang beim Kündigungsgegner voraus (vgl. Schaub ArbR-HdB/Linck, 17. Auflage § 123 Rn. 30). Daran fehlt es vorliegend.

Das Kündigungsschreiben vom 27. März 2018 ist dem Kläger nicht zugegangen. Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Anwesenden zu – und wird damit entsprechend § 130 Abs 1 Satz 1 BGB wirksam -, wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt. Es kommt nicht darauf an, ob der Empfänger die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft erlangt. Es genügt die Aushändigung und Übergabe, so dass er in der Lage ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (BAG 26. März 2015 – 2 AZR 483/14 – Rn. 20). Es kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts also sowohl auf die – jedenfalls vorrübergehende – Verfügungsgewalt des Empfängers, als auch auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme an. Dies verkennt die Beklagte, wenn sie – v.a. in der Berufungsbegründung – allein darauf abstellen will, dass der Kläger die Möglichkeit hatte, den Inhalt des „vor die Nase gehaltenen“ Schreibens zur Kenntnis zu nehmen. Auch wenn man diesen Vortrag als zutreffend unterstellt, reicht dies nicht aus. Auch das Arbeitsgericht hat insoweit nur eine verkürzte Prüfung der Zugangsvoraussetzungen vorgenommen. Es ist zwar zutreffend, dass ein Schreiben unter Anwesenden zugegangen sein kann, wenn es zur Übergabe angereicht, aber nicht entgegengenommen wird. Der Zugang setzt in diesem Fall aber weiter voraus, dass die verkörperte Willenserklärung – zumindest zeitweise – in die tatsächliche Herrschaftsgewalt des Erklärungsempfängers gelangt. Das Bundesarbeitsgericht formuliert insoweit ausdrücklich, der Zugang sei in diesem Fall dann bewirkt, wenn das Schriftstück dem Empfänger mit der für ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu übergeben, angereicht und, falls er die Entgegennahme ablehnt, so in seiner unmittelbaren Nähe abgelegt wird, dass er es ohne Weiteres an sich nehmen und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann (BAG 26. März 2015 – 2 AZR 483/14 – Rn. 20).

Diese Voraussetzungen waren vorliegend während des Gesprächs am 27. März 2018 nicht erfüllt. Dass nämlich das Kündigungsschreiben in der Nähe des Klägers abgelegt wurde, so dass er es ohne Weiteres hätte an sich nehmen können, hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt behauptet. Der Kläger erlangte nach dem Vortrag beider Parteien demnach zu keinem Zeitpunkt die tatsächliche Herrschaftsgewalt über das Kündigungsschreiben. Dies unterscheidet den Fall auch von der vom Arbeitsgericht herangezogenen, in einer Kommentierung beschriebenen Fallgestaltung, in der ein Kündigungsschreiben in einem verschlossenen Umschlag vom Kündigungsgegner entgegengenommen und dann – nach der Möglichkeit, den Umschlag zu öffnen – zurückgegeben wird. In diesem Fall befand sich die Kündigungserklärung, wenn auch im ungeöffneten Umschlag, jedenfalls zeitweilig in der tatsächliche Herrschaftsgewalt des Erklärungsempfängers.

3. Der Kläger kann sich vorliegend auch darauf berufen, dass ihm das Kündigungsschreiben nicht zugegangen ist. Die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Voraussetzungen dafür, nach Treu und Glauben den Zugang des Kündigungsschreibens zu fingieren, sind nicht erfüllt.

Soweit in der Rechtsprechung eine Zugangsfiktion geprüft wird, geht es überwiegend (nur) um den Zeitpunkt des Zugangs. So führt das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 26. März 2015 in Zusammenfassung und Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung aus, wenn der Empfänger durch eigenes Verhalten den Zugang einer Willenserklärung verhindere, müsse er sich ggf. so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung bereits zum Zeitpunkt des (ersten) Übermittlungsversuchs zugegangen. Nach Treu und Glauben sei es ihm verwehrt, sich auf den späteren tatsächlichen Zugang zu berufen, wenn er selbst für die Verspätung die alleinige Ursache gesetzt hat (BAG 26. März 2015 – 2 AZR 483/14 – Rn. 21). Voraussetzung hierfür sei weiter, dass der Erklärende seinerseits alles Zumutbare dafür getan habe, dass seine Erklärung den Adressaten erreicht. Nach den Obersätzen der höchstrichterlichen Entscheidungen kommt es in Betracht, auch den Zugang einer Kündigung an sich (und nicht nur einen früheren Zeitpunkt des später tatsächlich erfolgten Zugangs) zu fingieren. Jedoch sind schon die Voraussetzungen dafür, dass der Kläger die Kündigungserklärung (nur) als früher zugegangen gegen sich gelten lassen müsste, nicht erfüllt.

a) Der Kläger wusste zwar – auch nach seinem eigenen Vortrag – dass ihm ein Kündigungsschreiben übergeben werden sollte, als er die Entgegennahme des Schreibens ablehnte. Ob er dies auch aus eigener Kenntnisnahme des „vor die Nase gehaltenen“ Schreibens verifiziert hatte, worauf der Kläger mit seinen Differenzierungen in der Berufungsbegründung wohl abstellen will, ist unerheblich. Es genügt, dass ihm – so der eigene Vortrag des Klägers ebenfalls in der Berufungsbegründung – das Schreiben vorgehalten wurde mit der Darstellung, dass es sich um eine Kündigung handele. Dafür, dass ihm dies mitgeteilt wurde, spricht auch, dass der Kläger Kündigungsschutzklage (zunächst) gegen eine mündliche Kündigung vom 27. März 2018 erhob und in der Klageschrift ausführte, die Beklagte habe ihm am 27. März 2018 erklärt, dass er gekündigt sei. Letztlich ist dieser Punkt aber mangels Erfüllung der weiteren Voraussetzungen für die Annahme einer Zugangsfiktion nicht entscheidungserheblich.

b) Voraussetzung dafür, dass der die Annahme verweigernde Adressat eine Erklärung gegen sich als (früher) zugegangen gelten lassen muss, ist weiterhin, dass der Erklärende seinerseits alles Zumutbare dafür getan hat, dass seine Erklärung den Adressaten erreicht (BAG 26. März 2015 – 2 AZR 483/14 – Rn. 21). Dies kann nach der in der Entscheidung vom 26. März 2015 ausdrücklich hierzu zitierten weiteren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Juni 1985 (auch) bei bewusster Verweigerung der Entgegennahme eines Kündigungsschreibens einen sofortigen erneuten Zustellversuch erfordern (BAG 27. Juni 1985 – 2 AZR 425/84 – zu II 2 b der Gründe, mit Verweis auf BAG 18. Februar 1977 – 2 AZR 770/75 – zu A II 3 d der Gründe, wo es heißt: Ein solcher Fall [der Zugangsfiktion] ist nur dann anzunehmen, wenn das Zugangshindernis dem Empfänger zuzurechnen ist, der Erklärende nicht damit zu rechnen brauchte und er nach Kenntnis von dem noch nicht erfolgten Zugang unverzüglich erneut eine Zustellung vorgenommen hat).

aa) Vorliegend ist davon auszugehen, dass es der Beklagten zumutbar gewesen wäre, einen weiteren Zustellungsversuch zu unternehmen. Der Kläger hatte unstreitig das Kündigungsschreiben nicht entgegengenommen, er hatte es nie in der Hand, es hatte sich zu keinem Zeitpunkt in seinem tatsächlichen Herrschaftsbereich befunden. Da der Zustellungsversuch im Rahmen eines persönlichen Gesprächs geschah, war dies der Beklagten auch sofort bekannt. Zugleich hatte der Kläger – unstreitig – ausdrücklich auf das Vorhandensein eines Briefkastens an seiner der Beklagten bekannten Adresse verwiesen und sozusagen um eine Zustellung rechtserheblicher Erklärungen auf diesem Weg „gebeten“. Besondere Hindernisse oder Erschwernisse, auf diese Weise mittels eines zweiten Zustellversuchs den tatsächlichen Zugang des Kündigungsschreibens zu bewirken, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ein weiterer Zustellungsversuch, zB postalisch, wäre für die Beklagte auch nicht etwa mit unzumutbarem Aufwand verbunden gewesen.

bb) Dass sie einen weiteren Zustellungsversuch durchgeführt hätte, hat die für den Zugang des Kündigungsschreibens darlegungs- und beweispflichtige Beklagte im Gütetermin zwar behauptet, aber – trotz des ebenfalls im Gütetermin erfolgten Bestreitens des Klägers – nicht näher konkretisiert und insbesondere nicht unter Beweis gestellt. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die ihr zumutbare erneute Zustellung des Kündigungsschreibens tatsächlich versucht hatte.

Ein weiterer gerichtlicher Hinweis oder die (vorsorgliche) Gewährung eines Schriftsatznachlasses hierzu waren im Berufungsverfahren nicht mehr erforderlich. Die Beklagte hätte – so die ausdrückliche Auflage des Arbeitsgerichts – erstinstanzlich bis 6. Juni 2018 schriftsätzlich u.a. „zum Zugang der schriftlichen Kündigung unter vorsorglichen Beweisantritt“ vortragen sollen. In dem darauf eingereichten Schriftsatz vom 4. Juni 2018 finden sich keinerlei Ausführungen der Beklagten zu dem von ihr im Gütetermin behaupteten Einwurf des Kündigungsschreibens in den Briefkasten des Klägers und demzufolge auch kein Beweisantritt hierzu. Auch in ihrer Berufungserwiderung ist die Beklagte auf diesen Punkt nicht eingegangen, obwohl der Kläger in der Berufungsbegründung ausdrücklich behauptet hatte, es sei unstreitig, dass ein Schreiben der Beklagten bei ihm nie eingegangen sei, obwohl er (der Kläger) doch gesagt habe, das Schreiben solle ihm zugeschickt werden. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26. März 2015 hat der Kläger bereits in der Berufungsbegründung ausführlich zitiert; das Gericht hat mit Schreiben vom 18. September 2018 darauf hingewiesen, dass auch der Aspekt Zugangsvereitelung zu prüfen sein dürfte.

Der Beklagtenvertreter hat nach Erörterung der Sach- und Rechtslage und weiteren rechtlichen Hinweisen im Kammertermin beim Landesarbeitsgericht lediglich auf seinen Vortrag im Gütetermin verwiesen, ohne diesen zu konkretisieren, während Geschäftsführer der Beklagten trotz persönlicher Ladung zu diesem Termin nicht erschienen war. Allerdings wäre ergänzender Vortrag und eventueller Beweisantritt nach obigen Ausführungen im Kammtermin beim Landesarbeitsgericht ohnehin verspätet gewesen.

4. Eine mündliche Kündigung lag nach dem (zuletzt) übereinstimmenden Vortrag der Parteien nicht vor. Sie konnte das Arbeitsverhältnis nicht beenden, wäre allerdings ohnehin nach § 623 BGB unwirksam gewesen.

III.

Die Beklagte hat gem. § 91 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

 

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