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Fristlose Verdachtskündigung wegen Konkurrenztätigkeit bei Wettbewerbsverbot

Thüringer Landesarbeitsgericht – Az.: 4 Sa 68/16 – Urteil vom 13.12.2018

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 29.01.2016 (2 Ca 112/14) wird ebenso wie die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 27.02.2014, die Rechtswirksamkeit außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen vom 14.07.2014, 22.07.2014 und vom 29.09.2014 und den Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung.

Die Beklagte, bei der regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt wurden, hat zum Gegenstand Ihrer Unternehmung die „Forschung, Entwicklung, Produktion und den Vertrieb von chemisch-technischen Erzeugnissen, Maschinen und Anlagen“. Herr …… ist alleiniger Gesellschafter und inzwischen alleiniger Geschäftsführer der Beklagten. Herr ….. ist auch Gesellschafter mit einem Anteil von 50 % bei den asiatischen Firmen „……..“. Weiterer Gesellschafter dieser Firmen ist die Firma „……, deren Gesellschafter und Mitglied der Geschäftsführung Herr ….. ist. Hauptgesellschafter und Sprecher dieses Unternehmens ist Herr …… Herr .. . ist dessen Sohn.

Die am 18.06.1970 geborene Klägerin wurde bei der Beklagten zum 01.01.1999 als leitende kaufmännische Angestellte eingestellt. Mit Vertrag vom 01.08.2002 wurde die Klägerin zur Geschäftsführerin neben Herrn ….. bestellt. Als Geschäftsführerin erhielt die Klägerin ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von ca. 7.723,99 € zzgl. Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von jeweils 3.500,00 €. Darüber hinaus stand ihr eine jährliche Tantieme zu. Diesen Anspruch berechnete die Beklagte für das Jahr 2012 mit 13.720,43 €.

Die beiden Geschäftsführer der Beklagten, Herr ….. und die Klägerin, führten ihren jeweiligen Verantwortungsbereich eigenverantwortlich und weisungsfrei. Wesentliche wirtschaftliche und operative Entscheidungen trafen beide Geschäftsführer gemeinsam. Die Klägerin war gänzlich frei in der Einteilung ihrer Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort.

Die Klägerin ist mit Herrn …. verheiratet. Am 21.08.2013 legten die beiden Eheleute in einer Trennungsvereinbarung fest, dass Sie seit dem 23.07.2013 getrennt leben. Die Klägerin und Herr ….. betreiben die Auseinandersetzung ihrer Ehe. In diesem Verfahren wird Herr ….. Rechtsanwälte …. vertreten.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 29.10.2013 wurde die Klägerin als Geschäftsführerin der Beklagten abberufen. Die Abberufung wurde am 11.11.2013 Handelsregister eingetragen. Am 04.12.2013 wurde eine Einzelprokura des Herrn …. ins Handelsregister eingetragen.

Am 20.11.2013 wurden die Mitarbeiter der Beklagten aus dem Bereich der Verwaltung und Führungskräfte aus der Produktion in einer Versammlung darüber informiert, dass trotz der Abberufung der Klägerin als Geschäftsführerin ihr internes Weisungsrecht unverändert weiter gelten solle. Lediglich bei Zweifeln, ob die Klägerin Einzelweisungen erteilen oder Entscheidungen nach außen hin treffen könne oder bei grundlegenden Entscheidungen solle man sich an den Geschäftsführer oder den Prokuristen wenden. Die Klägerin behalte ihre fachliche Zuständigkeit, insbesondere für den Förderbereich und für Forschungsprojekte. Nach der Abberufung als Geschäftsführerin der Beklagten nutzte die Klägerin weiterhin die gleichen Betriebsmittel. Am internen Weisungsrecht und der betrieblichen Eingliederung änderte sich nichts.

Anlässlich der Eheauseinandersetzung wiesen die Prozessbevollmächtigten von Herrn …. den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 28.1.2013 (Bl. 31 der Verfahrensakte 2 Ca 112/14) darauf hin, dass die Klägerin von ihrer Arbeitstätigkeit als Geschäftsführerin der ….. abberufen worden sei und unterbreiteten zur Gestaltung der persönlichen und beruflichen Situation der Eheleute zwei Alternativen, bei denen das „derzeit bestehende Arbeitsverhältnis“ in ein befristetes Arbeitsverhältnis zum 31.12.2015 umgewandelt werden sollte oder das „stehende Arbeitsverhältnis“ ordentlich gekündigt und der Klägerin die ihr zustehende Abfindung ausbezahlt werden sollte.

Am 28.02.2014 überbrachte Herr ….. der Klägerin ein Schreiben der Beklagten vom 27.02.2014 (Bl. 40 der Verfahrensakte 2 Ca 112/14), in welchem die Beklagte das bestehende Dienstverhältnis ordentlich zum 30.04.2014, hilfsweise zum nächst möglichen Zeitpunkt kündigte. Die Beklagte stellte die Klägerin mit sofortiger Wirkung dienstfrei.

Am 14.04.2014 sandte die selbstständige, bis dahin für die Beklagte arbeitende Personalberaterin Frau ….. per E-Mail dem bei der Beklagten beschäftigten Chemiker …. einen Entwurf eines Arbeitsvertrages mit der ….. für die Tätigkeit als „Leiter Forschung und Entwicklung/Leiter des Labors beginnend zum 01.06.2014″ (Bl. 170- 175 der Verfahrensakte 2 Ca 260/14). Zu einem Vertragsabschluss mit der ….. kam es nicht.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 13.03.2014 wurde die Fa. .. ..….. begründet und am 15.05.2014 im Handelsregister eingetragen. Als Geschäftszweck wurde „die Forschung und Entwicklung von Produkten und Verfahren zur optimalen Nutzung von Verbrennungsmotoren, die Entwicklung von Service- und Wartungskonzepten für Kraftfahrzeuge, die Beratung zur Produktionsplanung, die Produktion und der Vertrieb von chemischen Produkten für Kraftstoffe“ angegeben. Alleiniger Gesellschafter war der Lebensgefährte der Klägerin Herr Rechtsanwalt ….. ….. Als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der ….. wurde die Klägerin eingetragen. Die Klägerin erhielt bei der ….. lediglich eine Gewinnbeteiligungszusage und erzielte im Jahr 2014 dort keinerlei Einkommen, da kein Gewinn erzielt wurde.

Die ….. stellte zum 01.06.2014 Frau …… ein, welche zuvor bis zum 31.03.2014 bei der Beklagten gearbeitet hatte.

Auf entsprechende Anfrage erteilte die Creditreform Wirtschaftsauskunft …. der Beklagten oder ihrem Geschäftsführer am 14.05.2014 die Auskunft, dass die Klägerin bestellte Geschäftsführerin der ….. sei. Am 22.05.2014 holte der Prokurist der Beklagten Herr …. einen Handelsregisterauszug der ….. ein.

Mit Anwaltsschreiben vom 04.06.2014 hörte die Beklagte die Klägerin zu Umständen an, die Ihren dringenden Verdacht begründeten, die Klägerin habe ein Konkurrenzunternehmen gegründet und tätige Vorbereitungen für eine Betriebsaufnahme unter teilweiser Ausnutzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Beklagten. Sie gab der Klägerin Gelegenheit, bis zum 14.6.2014 zu den angeführten Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen (Bl. 178 ff. der Verfahrensakte 2 Ca 260/14).

Mit Schreiben vom 05.06.2014, welches am selben Tage per Fax versandt wurde, baten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Prozessbevollmächtigten der Beklagten um urlaubsbedingte Fristverlängerung bis zum 26.06.2014. Dabei sicherten Sie zu, sich für den Zeitraum der Fristverlängerung ab 15.06.2014 bis 26.06.2014 nicht auf das verstreichen der Ausschlussfrist nach § 626 Abs.2 BGB zu berufen. Dies gelte nicht, wenn bereits zuvor die Ausschlussfrist verstrichen sein sollte (Bl. 183 der Verfahrensakte 2 Ca 260/14).

In der Woche vom 07.07.2014 bis zum 11.07.2014 fand eine Tagung des Vorstandes der asiatischen Unternehmen …..und ….. unter Leitung des Geschäftsführers der Beklagten in ….. statt. Im Besuchsprogramm waren für den 08.07. und 09.07.2014 der Besuch der Herren ……bei der Klägerin in den Geschäftsräumen der …… und in …. vorgesehen und wurden entsprechend durchgeführt. Ob die Herren ….. der Klägerin anboten, die Produkte der … …. mit Billigung des Geschäftsführers der Beklagten zusammen mit den Produkten der Beklagten in Asien zu vertreiben und ob sie vorschlugen, dazu das Messeteam für die bevorstehende Fachmesse Automechanika aufzuteilen und ob dies der Beklagten oder ihrem Geschäftsführer bekannt war und gebilligt wurde, ist zwischen Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 14.07.2014 zeigte Herr Rechtsanwalt ….. die Vertretung der Beklagten und der ….. an. Er erklärte für die jeweiligen Mandanten die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des jeweiligen Vertragsverhältnisses, sollte das jeweilige Vertragsverhältnis noch nicht durch die zuvor ausgesprochene Kündigung vom 27.02.2104 beendet sein. Dieses Schreiben war an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichtet. Ein gleich lautendes Schreiben ging an die Klägerin selbst. Beiden Kündigungen lag jeweils eine Vollmachtsurkunde im Original bei (Bl. 75 ff. der Verfahrensakte 2 Ca 260/14). Die Kündigung ging der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten am 15.07.2015 zu.

Nachdem diese Kündigungen mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 18.07.2014 per Fax mangels ordnungsgemäßer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen worden waren, erklärte mit ansonsten gleich lautenden Schreiben alle fünf in der Vollmacht benannten Anwälte die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 22.07.2014. Die Schreiben ging wiederum sowohl der Klägerin selbst, als auch ihren Prozessbevollmächtigten am 23.07.2014 zu. Diese Kündigungen wurden mit Schreiben vom 25.07.2015 zurückgewiesen (Bl. 93 ff. der Verfahrensakte 2 Ca 260/14).

In der Zeit vom 16.09. bis 20.09.2014 fand die Fachmesse Automechanika in Frankfurt statt. Es handelte sich um eine im zweijährigen Turnus stattfindende Fachmesse für die Bereiche Autoteile, Werkstatt- und Tankstellenausrüstung, IT und Management, Fahrzeugwäsche, Zubehör und Tuning. Die Beklagte ist seit Jahren regelmäßiger Aussteller auf dieser Fachmesse und nahm auch 2014 teil. Spätestens ab Mitte August 2014 erfuhr die Beklagte, dass die ….. auf der Fachmesse „Automechanika“ als Aussteller auftreten wollte und hierzu einen aktuellen Newsletter 01/2014 auf ihrer Homepage präsentierte (Bl. 136 der Verfahrensakte 2 Ca 343/14).

Mit Schreiben vom 28.08.2014 versandte die Beklagte an ihre Geschäftspartner einen Rundbrief und veröffentlichte diesen auf ihrer Homepage, in welchem sie darauf hinwies, dass nach der geschäftlichen Trennung von der Klägerin die ….. ins Leben gerufen worden sei, welche mit ähnlichen Produkten wie die ….. im internationalen Geschäft agieren, jedoch völlig eigenständig sei und in keiner Verbindung zur …… stehe (Bl. 301 der Verfahrensakte 2 Ca 343/14).

Mit E-Mails vom 04.09. und 05.09.2014 wurde zwischen Herrn ….., der Klägerin und der Mitarbeiterin Frau ….. ein Memory of Understanding (MOU) zur gemeinsamen Zusammenarbeit insbesondere für die Betreuung der Messe Automechanika angekündigt (Bl. 383 ff. der Verfahrensakte 2 Ca 112/14). Es wurden auch Messeausweise vorbereitet und zugesandt.

Mit E-Mail vom 10.09.2014 an die Klägerin stellte Herr ….. als Lösungsansatz hinsichtlich der familienrechtlichen Konflikte eine Belieferung der ….. in Aussicht (Bl. 318 der Verfahrensakte 2 Ca 343/14). Die Klägerin lehnte diesen Vorschlag mit E-Mail vom 10.09.2014 als Missverständnis hinsichtlich einer Belieferungsanfrage und hinsichtlich einer geschäftlichen Kooperation mangels eines Vorschlags zu zentralen Scheidungsthemen ab (Bl. 320 der Verfahrensakte 2 Ca 343/14).

Die ….. trat entsprechend Ihrer Ankündigung auf der Messe als Aussteller auf. Dabei war die Klägerin als deren Geschäftsführerin am Stand präsent und führte Gespräche mit Interessenten und Kunden. Die ….. präsentierte Produkte, die dem Portfolio der Beklagten entsprechen (vgl. Gegenüberstellung Bl. 16 bis 18 der Verfahrensakte 2 Ca 343/14).

Mit Schreiben vom 29.09.2014 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zur Klägerin vorsorglich nochmals außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.10.2014, hilfsweise zum 31.03.2015, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt (Bl. 67 der Verfahrensakte 2 Ca 343/14). Diese Kündigung ging der Klägerin am 01.10.2014 zu.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass bei Zugang der Kündigung vom 27.02.2014 zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die Kündigung vom 27.02.2014 sei ebenso wie die weiteren Kündigungen vom 14.07. und 22.07.2014 rechtsunwirksam. Zum einen fehle es an Kündigungsgründen, die die Beklagte zum Ausspruch von Kündigungen berechtige und zum andern sei für die außerordentlichen Kündigungen die Kündigungserklärungsfrist nicht eingehalten. Darüber hinaus folge die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 14.07.2014 und 22.07.2014 aus der unverzüglichen Zurückweisung aufgrund nicht ordnungsgemäß beigefügter Vollmacht. Auch für die Kündigung vom 29.09.2014 gebe es keinen Grund. Ihre Teilnahme an der Messe Automechanika sei von der Beklagten akzeptiert und geduldet gewesen. Im Einverständnis mit dem Geschäftsführer der Beklagten habe ihr Herr …. im Juli 2014 angeboten, die Produkte der ….. neben Produkten der Beklagten zu vertreiben. Noch am 14.09.2014 habe Herr …. auf Nachfrage versichert, dass die angebotene Zusammenarbeit des Vertriebs der Produkte der …. und der Produkte der Beklagten im Einverständnis mit dem Geschäftsführer der Beklagten erfolge. So habe Herr …. den Messestand der Beklagten betreut und Herr …. den Messestand der ….. Absprachegemäß habe Herr … über Gespräche mit asiatischen Kunden am Stand der …… auch an Herrn …. Berichte übersandt.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass nur ein Dienstverhältnis zwischen den Parteien bestanden habe, dass durch die Kündigung vom 27.02.2014 zum 30.04.2014 wirksam beendet worden sei. Bei den Kündigungen vom 14.07.2014 und 22.07.2014 handle es sich um vorsorgliche Kündigungen, die auf den Verdacht einer von der Klägerin bei der …. ausgeübten Konkurrenztätigkeit gestützt würden. So habe es einen Versuch gegeben, den bei der Beklagten beschäftigten Chemiker Herrn … für die ….. zu werben. Hierzu habe die Klägerin der Personalberaterin Frau … eine Lohnkostenübersicht auch bezogen auf Herrn …. per E-Mail zugesandt. Die weitere Kündigung vom 29.09.2014 hat die Beklagte auf eine aktive Konkurrenztätigkeit der Klägerin für die …. durch ihren werbenden Auftritt auf der Fachmesse Automechanika gestützt. Erst durch diesen Messeauftritt habe die Beklagte erkennen können, dass die Beklagte öffentlich mit Produkten, die denen der Beklagten entsprechen, auftritt. Alle vorangegangenen Aktivitäten habe man als Vorbereitungshandlungen eingestuft. Über die geschäftlichen Kontakte von Herrn … und Herrn … zur …… in Vorbereitung der Messe Automechanika sei die Beklagte nicht informiert gewesen.

Von der weitergehenden Darstellung des Tatbestandes und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 69 Abs.2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 29.01.2016 teilweise stattgegeben, die Rechtsunwirksamkeit der Kündigungen vom 27.02.2014 sowie vom 14.07.2014 und 22.07.2014 festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass zwischen den Parteien bei Zugang der streitgegenständlichen Kündigungen ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Zwar sei das zunächst zum 01.01.1999 begründete Arbeitsverhältnis durch Abschluss des schriftlichen Geschäftsführeranstellungsvertrages vom 01.08.2002 und die Bestellung der Klägerin zu Geschäftsführerin aufgehoben worden, so dass ab diesem Zeitpunkt nur noch ein Dienstverhältnis zwischen den Parteien bestanden habe, jedoch sei mit der Abberufung der Klägerin als Geschäftsführerin durch den Gesellschafterbeschluss vom 29.10.2013 durch konkludente Willenserklärungen das Dienstverhältnis in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt worden, in dem die Klägerin als leitende kaufmännische Angestellte bei unverändertem Entgelt für die Beklagte weiter tätig sein sollte. Dabei berücksichtigt das Arbeitsgericht sowohl die Bezeichnung des Rechtsverhältnisses im familienrechtlichen Schriftverkehr, als auch die Mitteilung an die Mitarbeiter der Beklagten über den Status der Klägerin nach ihrer Abberufung als Geschäftsführerin auf der Mitarbeiterversammlung am 20.11.2013, sowie eine Weisungsgebundenheit der Klägerin. Die Kündigung vom 27.02.2014 hält das Arbeitsgericht für sozial nicht gerechtfertigt. Das Kündigungsschutzgesetz finde auf das Arbeitsverhältnis zur Beklagten, die kein Kleinbetrieb sei, Anwendung, da hinsichtlich der Wartezeit aus § 1 Abs. 1 KSchG von einer Vereinbarung über die Anrechnung der Zeiten der Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin auszugehen sei. Es berücksichtigt bei der Annahme einer entsprechenden Parteivereinbarung, dass eine Weiterbeschäftigung nach der Abberufung der Klägerin als Geschäftsführerin ohne wesentliche Änderungen eine Fortführung der Arbeitsaufgaben mit der Klägerin vereinbart worden sei. Für die Annahme eines anderen Parteiwillens, die frühere Zeit als Geschäftsführerin auf die Wartezeit nicht anzurechnen, hätte es bei dieser Konstellation einer deutlichen Vereinbarung Arbeitsvertrag bedurft.

Die Kündigung vom 27.02.2014 sei weder durch verhaltensbedingte noch betriebsbedingte Gründe gerechtfertigt. Die Klägerin sei fachlich in der Lage die geschuldete Tätigkeit zu erbringen und Pflichtverletzungen vor Zugang der Kündigung seien nicht vorgetragen. Eine Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses aufgrund der familienrechtlichen Streitigkeiten genüge nicht.

Die Kündigungen vom 14.07.2014 und 22.07.2014 seien als außerordentliche Kündigung wegen Nichteinhaltung der Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Dies gelte auch soweit man dem Kündigungsberechtigten zubillige, sich durch weitere Ermittlungen zuverlässige Kenntnisse über einen ihm bisher unbekannten Kündigungssachverhalts zu verschaffen. Kündigungsberechtigt sei neben dem Geschäftsführer auch der mit unbeschränkter Vertretungsmacht im Handelsregister eingetragene Prokurist Herr …… Die den Verdacht einer Konkurrenztätigkeit stützenden Umstände seien der Beklagten länger als zwei Wochen vor Zugang der Kündigung vom 14.07.2014 bekannt gewesen. Informationen über Kontakte der Klägerin zur Firma …. habe es bereits im Januar 2014 gegeben. Die der Klägerin vorgeworfene Preisabfrage für einen Kunden der Beklagten sowie weitere Vertragsgespräche mit der Firma …. lägen im Februar 2014. Der behauptete Abwerbeversuch des bei der Beklagten beschäftigten Chemikers Herrn …. durch die Personalberaterin Frau ….., bei dem die Klägerin beratende Funktion ausgeübt haben soll, sei im März 2014 erfolgt, ebenso die Gründung der …., über die die Beklagte mit der Auskunft der Creditreform vom 14.05.2014 Kenntnis erlangt habe. Der von der Beklagten eingeholte Handelsregisterauszug der ….. habe dem Prokuristen Herrn …. am 22.05.2014 vorgelegen. Damit hätten der Beklagten alle wesentlichen Informationen vorgelegen, die den Verdacht, die Klägern beteilige sich an der Errichtung eines Konkurrenzunternehmens ….. vorgelegen. Die Kündigungserklärungsfrist sei durch das Anhörungsschreiben vom 04.06.2014 auch nicht gehemmt worden, da die Anhörung der Klägerin nicht mit der gebotenen Eile eingeleitet worden sei. Die Klägerin habe schließlich auch nicht auf den Einwand der Kündigungserklärungsfrist verzichtet. Aussagen hierzu im Fristverlängerungsantrag Ihres Anwaltes vom 05.06.2014 hätten sich nur den Zeitraum der beantragen Fristverlängerung betroffen. Auch die spätere Kündigung von 22.07.2014 sei, da sie auf den gleichen Kündigungssachverhalt gestützt werde, wegen Versäumung der Kündigungserklärungsfrist als außerordentliche Kündigung unwirksam.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei jedoch durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.9.2014 mit deren Zugang aufgelöst worden. Die Klägerin habe in unzulässiger Weise eine Konkurrenztätigkeit durch ihr Auftreten als Geschäftsführerin der ….. auf der Messe Automechanika in Frankfurt vom 16.09.2014 bis 20.09.2014 ausgeübt. Es sei  von einer massiven Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Treuepflicht durch die Klägerin auszugehen. Die ….. stehe in unmittelbarer Konkurrenz zu Beklagten. Dies ergebe sich insbesondere aus der Ähnlichkeit der vermarkteten Produkte. Einen derartigen werbenden Auftritt der Klägerin für die …… habe die Beklagte weder verabredet noch gebilligt. Aus den von der Klägerin behaupteten Abreden mit den Herren …. und …. könne nicht auf eine Billigung durch den Geschäftsführer der Beklagten geschlossen werden, da diese Herrn nicht Vertreter der Beklagten gewesen seien, sondern eigenständige Unternehmen vertreten hätten. Es fehle an der Kenntnis der Beklagten von dem behaupteten Abreden mit Herrn … und …., um von einer Billigung ausgehen zu können. Anhaltspunkte für eine Billigung eines gemeinsamen Messeauftritts ergäben sich auch nicht aus dem E-Mail Verkehr mit Herrn …, denn deren Weiterleitung an die Beklagte sei nicht ersichtlich. Einer Billigung bereits im Juli 2014 stünden auch die im Juli wegen des Verdachts pflichtwidrigen Wettbewerbs ausgesprochenen Kündigungen entgegen. Ebenso könne keine Billigung aus dem Kooperationsangebot in der E-Mail des Geschäftsführers der Beklagten vom 10.09.2014 hergeleitet werden, denn dieses Angebot habe die Klägerin abgelehnt. Bei dem Messeauftritt handele es sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot, bei dem die Klägerin aus den Anhörungen zur Verdachtskündigung sowie den Erörterungen anlässlich der arbeitsgerichtlichen Verfahren habe erkennen können, dass ein derartiges Konkurrenzverhalten nicht geduldet werde, so dass es einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht bedurfte. Auch sei eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und unter Abwägung beider Interessen bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar. Die Kündigungserklärungsfrist sei eingehalten, da die Pflichtverletzung mit jedem Tag des Messeauftritts von der Klägern erneut verwirklicht worden sei. Auf die weitergehenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen (Bl. 451 ff. der Akte) wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil, welches ihr am 25.02.2016 zugestellte wurde, am 09.03.2016 Berufung beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingelegt und diese, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.05.2016 verlängert worden war, am 25.05.2016 begründet.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil, welches ihr am 26.02.2016 zugestellte wurde, am 18.3.2016 Berufung beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingelegt und diese, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.06.2016 (Montag) verlängert worden war, am 27.06.2016 begründet.

Die Klägerin vertritt in der Berufung zunächst weiterhin die Auffassung, dass die Kündigungen vom 14.07.2014 bereits deshalb unwirksam seien, da die von Herrn Rechtsanwalt ….. unterzeichneten Kündigungserklärungen bereits am 18.07.2014 wegen nicht ordnungsgemäß beigefügter Vollmachtsurkunde gemäß § 174 BGB zurückgewiesen worden seien. In der Vollmacht seien fünf Rechtsanwälte aufgeführt und die Vollmacht lasse nicht erkennen, dass sie von einer Person in der Funktion des Geschäftsführers der …. für diese erteilt wurde. Gleiches gelte auch für die Kündigung vom 22.07.2014, die aus gleichem Grund nach § 174 BGB zurückgewiesen worden sei.

Für diese fristlosen Kündigungen sei des Weiteren die Frist aus § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Sowohl die von der Beklagten behaupteten Kontakte zur Firma …. als auch hinsichtlich der Firma …. lägen die Vorgänge aus denen die Beklagte Verdachtsmomente herleite im Januar und Februar 2014. Der Vorgang um den Vertragsentwurf für den Chemiker Herrn …. sei dem Prokuristen …. bereits im April bekannt gewesen. Von der Bestellung der Klägerin zu Geschäftsführern der Firma …. habe die Beklagte vor dem 14.05.2014 Kenntnis durch eine Anfrage bei der Creditreform Wirtschaftsauskunft …. erhalten. Auf die weitere Ausführung im Schriftsatz vom 25.05.2016 (Bl. 697 d. A.) wird Bezug genommen. Hinsichtlich der Kündigung vom 29.09.2014 verweist die Beklagte zunächst darauf, dass die Kündigung im Hinblick auf ihren Zugang am 01.10.2014 die ordentliche Kündigungsfrist nicht einhalten, soweit sie zum Ausdruck bringe zum 31.03.2015 zu wirken. Die Beklagte habe vollumfänglich nicht nur ab Mai 2014 Kenntnis davon gehabt, dass sie Geschäftsführerin der ….. gewesen sei, sondern auch Kenntnis von deren Produkten. Die Klägerin nimmt Bezug auf einen Rundbrief der Beklagten vom 28.08.2014 an ihre Geschäftspartner mit Informationen zur Firma ……, der auch auf der Homepage der Beklagten eingestellt worden sei. Die Beklagte habe auch bereits vor dem 28.08.2014 Kenntnis davon gehabt, dass und mit welchen Produkten die ….. auf der Fachmesse in Frankfurt vertreten sein würde. Auf die weitergehenden Ausführungen im Schriftsatz vom 25.05.2016 (Bl. 703 d. A.) wird Bezug genommen. Damit habe die Beklagte nicht erst am 16.09.2014 Kenntnis aller Umstände über eine vermeintliche Konkurrenztätigkeit erlangt. Ihr Auftreten auf der Messe in Frankfurt habe die Beklagte auch gebilligt. Die Klägerin nimmt Bezug auf die E-Mail vom 10.09.2014, in der sich der Geschäftsführer der Beklagten zur Frage einer Belieferung der ….. unter bestimmten Bedingungen eine Zusammenarbeit habe vorstellen können. Die Information über die Fachmesse in Frankfurt sei auch an die Fa. ……. gelangt, deren Inhaber und Eigner der Geschäftsführer der Beklagten sei. Damit sei die Kündigungserklärungsfrist für die ihr am 01.10.2014 zugegangene Kündigung nicht eingehalten. Auch aus der Messeanmeldung sei zu entnehmen gewesen, mit welchen Marken und Produkten die ….. teilnehmen. Die Messeanmeldung sei vom anwaltlichen Vertreter des Geschäftsführers der Beklagten bereits vor dem 28.08.2014 eingesehen worden. Die Klägerin bleibt auch im Berufungsverfahren dabei, dass die Beklagte ihre Zustimmung zum Auftritt auf der Messe Frankfurt gegeben habe. Bei den Gesprächen mit Herrn …. habe dieser im Auftrag und im Interesse des Geschäftsführers der Beklagten gehandelt. Herr …. habe in beiden Gesprächsterminen geäußert, dass ihn Herr …. schicke, der an seinen Unternehmen beteiligt sei. Auf die weitergehenden Ausführungen im Schriftsatz vom 25.05.2016 (Bl. 710 d. A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin verweist schließlich darauf, dass es sich bei der Kündigung vom 27.02.2014 um eine Kündigung handle, die in den Anwendungsbereich des § 612 a BGB falle, da diese Kündigung lediglich erfolgt sei, nachdem sie die Ehewohnung entgegen der Aufforderung des Geschäftsführers der Beklagten nicht geräumt habe. Bei den nachfolgenden Kündigungen aus Juli und September 2014 handelt sich daher um Trotzkündigungen, die wegen § 134 BGB nichtig seien.

Die Klägerin beantragt in der Berufung:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 29. Januar 2016, Aktenzeichen 2 Ca 112/14 wird abgeändert.

II. Zu den bereits erstinstanzlich ausgeurteilten Feststellungen im Tenor zu 1. und 2. hinaus wird beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 30. April 2014 hinaus weiter fortbesteht.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. Juli 2014 auch nicht ordentlich aufgelöst ist.

3. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 14. Juli 2014 hinaus weiter fortbesteht.

4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 22. Juli 2014 auch nicht ordentlich aufgelöst wurde.

5. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 22. Juli 2014 hinaus weiter fortbesteht.

6. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29. September 2014 nicht aufgelöst ist, weder außerordentlich noch ordentlich.

7. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31. März 2015 hinaus weiter fortbesteht.

8. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als leitende kaufmännische Angestellte weiter zu beschäftigen.

III. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 29. Januar 2016 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Beklagte beantragt in der Berufung:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 29.01.2016, 2 Ca 112/14, wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 29.01.2016, Az. 2 Ca 112714, wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Beklagte vertritt in der Berufung weiter die Auffassung, dass es keine Vereinbarung mit der Klägerin über eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis nach ihrer Abberufung als Geschäftsführerin gegeben habe. Dafür, dass nach dem Verlust der Organstellung das Vertragsverhältnis nicht als Dienstverhältnis, sondern als Arbeitsverhältnis fortgesetzt wird, bedürfe es einer entsprechenden Parteivereinbarung, für die die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet sei. Dass eine solche Vereinbarung getroffen worden sei, habe die Klägerin nicht nachweisen können. Auch die vom Arbeitsgericht angeführten Indizien würden die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht stützen. Soweit die anwaltliche Vertreterin von Herrn Urban in der familienrechtlichen Auseinandersetzung ein Arbeitsverhältnis gegenüber der Klägern angesprochen habe, seien dies keine der Beklagten zuzurechnende Erklärung mit Bezug auf das aktuelle Vertragsverhältnis der Klägerin. Nicht berücksichtigt worden sei auch, dass das interne Weisungsrecht der Klägerin weiterhin gegolten habe und die gegenüber den Mitarbeitern kommunizierte Verpflichtung der Klägerin zur Rücksprache mit dem Geschäftsführer oder dem Prokuristen nur auf die Außenvertretung der Beklagten durch die Klägerin bezogen gewesen sei. Auch aus der im Kündigungsschreiben angebotenen Freistellung könne nicht auf ein von der Beklagten ausgeübtes Weisungsrecht geschlossen werden. Die Kündigung vom 27.02.2014 habe daher ein Dienstverhältnis betroffen, so dass es keiner sozialen Rechtfertigung bedurft habe. Auf die weitergehenden Ausführung Schriftsatz vom 07.06.2016 (Bl. 783 d. A.) Bezug genommen.

In Bezug auf den Messeauftritt der Klägerin bestreitet die Beklagte weiterhin, dass es, wie von der Klägerin behauptet, eine Billigung durch den Geschäftsführer der Beklagten gegeben habe. Ebenso wenig sei eine Zusammenarbeit mit der Klägerin und/oder der …… mit den Herren … und/oder …. abgesprochen gewesen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber Herrn …. kundgetan, mit einem Messeauftritt der Klägerin einverstanden zu sein, oder mit einer Zusammenarbeit von Herrn …. mit der Klägerin und/oder der ….. Auch der Messeauftritt von Herrn … und Herrn … sei mit dem Geschäftsführer der Beklagten nicht abgestimmt worden. In dem von der Klägerin zitierten Rundschreiben vom 28.08.2014 habe man sich von der …. deutlich distanziert und durch anwaltlichen Beistand noch versucht ein Auftreten der ….. mit verwechselbaren Konkurrenzprodukten auf der Messe zu verhindern. Auf die weitergehenden Ausführungen im Schriftsatz vom 16.08.2016 (Bl. 899 d. A.) wird Bezug genommen. Auch der von der Klägerin in Bezug genommene E-Mail-Verkehr mit Herrn …. lasse keine Einbeziehung des Geschäftsführers der Beklagten erkennen. Von diesen gesamten Geschäftstätigkeiten habe man keine Kenntnis gehabt.

Für die Kündigung vom 27.02.2014 sei auch nicht § 612 a BGB zu beachten. Unabhängig von den im Zusammenhang mit der Kündigung abgegebenen Erklärung könne dies nicht bedeuten, dass die Klägerin sich jeglichen Pflichtverstoß erlauben könne. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass man auf Seiten der Beklagten von einem Dienstverhältnis ausgegangen sei und daher eine Kündigung keiner sozialen Rechtfertigung bedurft habe. Die Kündigungen aus Juli 2014 seien nicht aufgrund einer fehlenden Einigungsbereitschaft der Klägerin in familienrechtlichen Angelegenheiten, sondern aufgrund dringender Verdachtsmomente, dass sie unter Ausnutzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ein Konkurrenzunternehmen fördere, erfolgt.

Vor Ausspruch der Kündigung September 2014 habe es auch keiner Abmahnung bedurft, denn die Klägerin sei nicht zuletzt durch die Kündigungen im Juli 2014 von der Beklagten deutlich gemacht worden, dass eine Konkurrenztätigkeit von der Beklagten nicht hingenommen werde. Auch sei die öffentliche Präsentation von Produkten, die auch zur Produktpalette der Beklagten gehörten, ein besonders schwerwiegender Wettbewerbsverstoß. Bei der Interessenabwägung sei zutreffend berücksichtigt worden, dass die Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin der ….. auf Dauer angelegt gewesen sei. Die Kündigungserklärungsfrist für die Kündigung im September 2014 sei eingehalten, denn erst ab dem Zeitpunkt des Messebeginns habe die Beklagte vom dortigen Auftritt der Klägerin Kenntnis erhalten. Auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 16.08.2016 (Bl. 806 d. A.) wird Bezug.

Abschließend wird für den weitergehend Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gem. § 64 Abs. 2 c ArbGG statthaften Berufungen wurde form- und fristgerecht sowohl von der Klägerin als auch von der Beklagten eingelegt und sind damit zulässig. Die Berufungen sind jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten vom 27.02.2014 rechtsunwirksam ist, die Kündigungen vom 14.07.2014 und 22.07.2014 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht außerordentlich fristlos beendet haben, sondern erst durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 29.09.2014 eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist, so dass ab diesem Zeitpunkt auch kein Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin besteht. Auf die zutreffende und überzeugende Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung, der die Kammer folgt, kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Darüber hinaus gibt die Berufung Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen.

1. Soweit sich die Beklagte auch in der Berufung gegen ein vom Arbeitsgericht angenommene Arbeitsverhältnis wendet, welches nach der Abberufung der Klägerin als Geschäftsführerin die Grundlage für die Fortsetzung ihrer Tätigkeit bei der Beklagten als leitende kaufmännische Angestellte bildet, greifen diese Einwendungen nicht durch. Zwar trifft es zu, dass nicht automatisch jede Fortsetzung einer Tätigkeit nach Verlust einer Organstellung dazu führt, dass eine solche fortgesetzte Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgt, jedoch steht es den Vertragsparteien frei, die rechtliche Grundlage auszugestalten. Die Klägerin, die für sich in Anspruch nimmt, es habe ein Arbeitsverhältnis vorgelegen, trägt dabei nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die zur Annahme eines vereinbarten Arbeitsverhältnisses führen. Nach dem von den Parteien weder eine schriftliche Vereinbarung hierzu getroffen noch konkrete mündliche Absprachen zwischen den Parteien ersichtlich sind, ist es zulässig, den Willen der Parteien über die Rechtsform in der die Klägerin ihre Tätigkeit fortführen sollte, aus Indizien abzuleiten. Für die Berufungskammer nicht zu beanstanden ist daher, dass das Arbeitsgericht neben den Mitteilungen zur Fortsetzung der Tätigkeit der Klägerin als leitende kaufmännische Angestellte nach ihrer Abberufung als Geschäftsführerin gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten auch das Verständnis der Parteien von diesem Vertragsverhältnis, wie es in der Korrespondenz der familienrechtlichen Auseinandersetzung zum Ausdruck kommt, berücksichtigt hat. Diese Indizien sprechen, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses.

2. Auch der Einwand der Beklagten, dass die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 S. 1 BGB in Bezug auf die Kündigungen im Juli 2014 eingehalten wurden, greift nicht durch. Zutreffend ist zwar, dass für einen Kündigungsberechtigten die Kündigungserklärungsfrist erst dann zu laufen beginnt, wenn er zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis von den für seine Kündigungsentscheidung maßgeblichen Tatsachen erhält. Ihm muss daher die Möglichkeit gegeben werden weitere Ermittlungen anzustellen und soweit es wie vorliegend um eine Verdachtskündigung geht, den Betroffenen anzuhören, ohne dass die Frist aus § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt. Allerdings müssen derartige Ermittlungen bzw. eine Anhörung mit der gebotenen Eile erfolgen, um die zeitliche Begrenzung für die Möglichkeit eine außerordentliche Kündigung auszusprechen nicht auszuhöhlen. Dass die Beklagte, wie sie in der Berufung vorträgt, erst mit der Kenntnisnahme des Handelsregisterauszuges der ….. durch den Geschäftsführer der Beklagten und der sich aus der Gesamtschau aller Vorgänge seit Anfang 2014 die für eine mögliche Kündigung der Klägerin wegen des Verdachts der Beteiligung am Aufbau eines konkurrierenden Unternehmens notwendigen Tatsachen ergeben hätten, um eine Anhörung der Klägerin einzuleiten, ist für die Berufungskammer nicht nachvollziehbar. Es ist schon nicht erkennbar, warum es auf den Handelsregisterauszug ankommen soll. Spätestens mit der Auskunft der Creditreform vom 14.05.2014 erhielt die Beklagte Kenntnis von der Beteiligung der Klägerin an der Gründung der ….., insbesondere von ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin. Ab diesem Zeitpunkt hätte sich die Beklagte an die Klägerin zur Durchführung der für eine Verdachtskündigung notwendigen Anhörung wenden können, denn alle anderen Verdachtsmomente, die sie der Klägerin entgegenhält, waren ihr bekannt. Im Ergebnis zutreffend hat das Arbeitsgericht daher festgestellt, dass die erst am 04.06.2014 eingeleitete Anhörung nicht mehr mit der gebotenen Eile erfolgt ist, denn zu diesem Zeitpunkt war die Kündigungserklärungsfrist bereits abgelaufen. Damit sind die beiden Kündigungen vom 14.07. und 22.07.2014 als außerordentliche Kündigung in Ermangelung der Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist unwirksam.

3. Die Kündigung vom 29.09.2014 ist rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Zugang aufgelöst.

a. Mit dem Arbeitsgericht geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin durch ihre Teilnahme an der Messe in Frankfurt in der Zeit vom 16.09.2014 bis 20.09.2014 mit ihrem werbenden Auftritt als Geschäftsführerin der ….. gegen das für Sie im bestehenden Arbeitsverhältnis zur Beklagten geltende Wettbewerbsverbot verstoßen hat. In der Ausübung von Konkurrenztätigkeit liegt ein Verstoß gegen das in § 241 Abs. 2 BGB verankerte Gebot auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Anders verhält es sich, wenn die Tätigkeit vom Arbeitgeber gebilligt oder mit diesem verabredet wurde, wie von der Klägerin auch in der Berufungsinstanz behauptet. Soweit das Arbeitsgericht hierzu festgestellt hat, dass sich aus dem Vortrag der Klägerin weder nachvollziehen lassen, dass der Auftritt der Klägerin auf der Messe für die ….. von der Beklagten gebilligt, noch dass ein solcher Auftritt mit der Beklagten verabredet worden sei, ist dies nicht zu beanstanden. Maßgeblich kommt es auf eine Kenntnis der Beklagten von derartigen Abreden und ihrer Erklärungen bezüglich eines Einverständnisses an und nicht auf die von der Klägerin dargelegten Bekundungen des Herrn ….., auf die die Klägerin abstellt. Über ihre Behauptung, Herr …. habe im Einvernehmen mit dem Geschäftsführer der Beklagten Gespräche und Abreden mit ihr als Geschäftsführerin der ….. getroffen war auch kein Beweis zu erheben, denn es fehlt ein konkreter Sachvortrag zu den Einzelumständen, unter denen die Beklagte oder deren Vertreter Ihr Einverständnis erklärt oder einer Beauftragung des Herrn …. zum Abschluss von Vereinbarungen erteilt haben sollen. Bei dem Beweisangebot handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Von einem solchen Ausforschungsbeweis ist dann auszugehen, wenn durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlage für eine substantiierte Tatsachenbehauptung gewonnen werden soll (BAG vom 25.03.2015, 5 AZR 368/13, Rn. 23, Juris).

b. Die Kündigung vom 29.09.2014 ist auch nicht aufgrund einer fehlenden der Kündigung vorausgehenden Abmahnung rechtsunwirksam. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei Pflichtverletzungen, die auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers beruhen, eine positive Beeinflussung des zukünftigen Verhaltens des Arbeitnehmers bereits durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Rahmen einer Abmahnung herbeigeführt werden kann, so dass grundsätzlich auch bei einer außerordentlichen Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung eine Abmahnung vorauszusetzen ist (BAG vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227). Die Abmahnung ist dabei zugleich Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und stellt in Abgrenzung zur Kündigung, das mildere Mittel zur Beseitigung einer Vertragsstörung dar. Dies findet auch in der gesetzlichen Regelung des § 314 Abs. 2 BGB i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB seinen Ausdruck. Allerdings gibt es auch Fallkonstellationen, in denen eine Abmahnung entbehrlich ist. So bedarf es auch in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keiner Abmahnung, wenn eine Verhaltensänderung trotz Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten ist und es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist und dies für den Arbeitnehmer auch erkennbar ist (BAG vom 19.04.2012, 2 AZR 258/11, NZA-RR 2012, 567). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass eine Abmahnung der Klägerin vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 29.09.2014 entbehrlich war. Soweit es hierbei davon ausgegangen ist, dass der Klägerin sowohl durch die Anhörung vom 04.06.2014 zu den sich für die Beklagte ergebenden Verdachtsmomenten einer Konkurrenztätigkeit als auch durch die nachfolgenden Kündigungen im Juli 2014 sowie den Erörterungen vor dem Arbeitsgericht Gera habe wissen müssen, das die Beklagte ein wettbewerbswidriges Verhalten in keiner Weise akzeptieren werde, ist dies nicht zu beanstanden.

c. Die Kündigung von 29.09.2014 ist auch nicht als Wiederholungs- bzw. sog. Trotzkündigung nach § 134 BGB rechtsunwirksam. Das Verbot einer Wiederholungskündigung greift in den Fällen, in denen nach rechtskräftiger Feststellung der Unwirksamkeit einer vorangegangenen Kündigung eine erneute Kündigung ausgesprochen wird, die auf denselben Sachverhalt beruht, der bereits bei der vorangegangenen Kündigung einer materiellen Prüfung unterzogen wurde (BAG vom 26.08.1993, 2 AZR 159/93, Rn. 19, Juris). Das Verbot der Wiederholungskündigung findet eine Grundlage in der Rechtskraft der ersten gerichtlichen Entscheidung über die vorangegangene Kündigung. Damit handelt es sich im vorliegenden Streitfall bei der Kündigung vom 29.09.2014 jedoch nicht um eine Wiederholungskündigung. Unabhängig davon, ob man für die erste Kündigung vom 27.02.2014 annimmt, dass, wie die Klägern behauptet, die Kündigung nur erfolgt sei, um Druck auf sie im Rahmen der familienrechtlichen Auseinandersetzung um die Ehewohnung auszuüben, liegt der Kündigung vom 29.09.2014 ein anderer Kündigungssachverhalt zu Grunde. Folgekündigungen, die auf anderen Kündigungssachverhalten beruhen fallen jedoch nicht unter das Verbot der Wiederholungskündigung.

Im Ergebnis blieb den Berufungen gegen die erstinstanzliche Entscheidung daher der Erfolg versagt.

II.

Die Parteien haben die Kosten für ihre erfolglose Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO), so dass die Kosten für das Berufungsverfahren insgesamt gegeneinander aufzuheben waren.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

 

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