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Geltendmachungsschreiben – Zugang des Schreibens

Ordnungsgemäße Aufgabe bei der Post

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 17 Sa 650/19 – Urteil vom 14.08.2019

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Dezember 2018 – 12 Ca 123/18 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung der Weihnachtsgeldzuwendung 2016 in Anspruch.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch ein am 13.12.2018 verkündetes Urteil abgewiesen. Der Rückzahlungsanspruch sei nach § 23 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) verfallen. Die Klägerin habe nicht belegen können, dass sie den Anspruch innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht habe. Es könne nicht angenommen werden, dass den Beklagten die Geltendmachungsschreiben vom 10.01., 28.03. und 10.08.2017 erreicht hätten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 27.02.2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.03.2019 eingelegte Berufung der Klägerin, die sie mit einem am 12.04.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin hält ihre Klage weiterhin für begründet. Der Beklagte sei zur Rückzahlung der Weihnachtsgeldzuwendung 2016 verpflichtet, weil er vor dem 31.03.2017 aus dem Arbeitsverhältnis aus-geschieden sei. Sie habe die genannten Geltendmachungsschreiben auf dem regulären Postweg an den Beklagten ordnungsgemäß adressiert übersandt; die Sendungen seien nicht mit einem Vermerk über die Unzustellbarkeit zurückgekommen. Bei dieser Sachlage spreche ein Anscheinsbeweis für den Zugang der Schreiben; diesen habe der Beklagte nicht erschüttert.

Geltendmachungsschreiben - Zugang des Schreibens
(Symbolfoto: Von Asvolas/Shutterstock.com)

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 13.12.2018 – 12 Ca 123/18 – zu verurteilen, an sie 1.180,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.02.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den geltend gemachten Anspruch weiterhin für verfallen. Die Geltendmachungsschreiben der Klägerin seien ihm nicht zugegangen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 02.04. und 23.04.2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat nicht nachweisen können, dass sie den Anspruch auf Rückzahlung der Weihnachtsgeldzuwendung 2016 innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit in Textform geltend gemacht und deshalb die Ausschlussfrist des § 23 AVR eingehalten hat. Der Anspruch ist deshalb als verfallen anzusehen.

1. Eine Geltendmachung i.S.d. § 23 AVR setzt voraus, dass dem Anspruchsgegner das Geltendmachungsschreiben i.S.d. § 130 Abs. 1 BGB zugeht. Das Schreiben muss deshalb in einer Weise in den Machtbereich des Empfängers gelangen, dass er unter gewöhnlichen Verhältnissen vom Inhalt der Erklärung Kenntnis erlangen kann. Der Erklärende muss im Streitfall die Umstände vortragen und ggf. beweisen, aus denen ein Zugang der Erklärung folgen soll.

2. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass und ggf. auf welche Weise die Geltendmachungsschreiben vom 10.01., 28.03. und 10.08.2017 in den Machtbereich des Beklagten gelangt sind. Sie kann sich dabei nicht darauf berufen, dass sie – einmal unterstellt – die Schreiben ordnungsgemäß adressiert zur Post gegeben hat. Denn aus der Aufgabe zur Post folgt nicht, dass die Sendung den Empfänger auch erreicht. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf einen so genannten „Beweis des ersten Anscheins“ berufen. Ein derartiger Beweis ist nur bei typischen Geschehensabläufen anzunehmen, bei denen nach der Lebenserfahrung regelmäßig von einem bestimmten Ereignis auf einen bestimmten Erfolg geschlossen werden kann und umgekehrt. Einfache Postsendungen gehen jedoch – wenn auch zu einem sehr kleinen Teil – verloren und erreichen den Empfänger trotz ordnungsgemäßer Aufgabe nicht. Dass der Erhalt einer auf-gegebenen Sendung ganz überwiegend wahrscheinlicher ist als deren Verlust, begründet gerade keinen Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die gesetzliche Regelung des § 130 BGB, der im Interesse des Geschäftsverkehrs klare rechtliche Regelungen über die Wirksamkeit von Willenserklärungen aufstellt. Wollte man einen Anscheinsbeweis in der von der Klägerin genannten Art zulassen, würde das vom Absender zu beweisende Erfordernis des Zugangs der Erklärung praktisch durch den bloßen Nachweis der Absendung ersetzt; hierfür fehlt eine rechtliche Grundlage (BGH vom 27.05.1957 – II ZR 132/56 – BGHZ 24, 308 ff.). Es ist deshalb auch ohne Belang, dass die Klägerin drei Geltendmachungsschreiben aufgegeben haben will. Ist die Aufgabe eines Schreibens zur Post nicht geeignet, den Zugang des Schreibens nachzuweisen, ändert sich mit anderen Worten hieran nichts dadurch, dass ich weitere Schreiben absende.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.

 

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