Skip to content

Kein Anspruch aus betrieblicher Übung auf Bezahlung während Raucherpausen

Raucherpausen: Kein Anspruch auf Bezahlung bei eigenmächtigem Verlassen des Arbeitsplatzes

Das Arbeitsrecht bildet den Rahmen für das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und umfasst eine Vielzahl von Regelungen, die den Arbeitsalltag strukturieren. Eine wesentliche Säule dieses Rechtsgebietes ist der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“, der die Vergütungspflicht an die Erbringung der Arbeitsleistung knüpft. Doch wie verhält es sich mit Ansprüchen, die aus regelmäßigen, bisher vom Arbeitgeber geduldeten Praktiken erwachsen? Hier kommt das Konzept der betrieblichen Übung ins Spiel, das besagt, dass kontinuierlich gewährte Vorteile unter bestimmten Voraussetzungen zu verbindlichen Ansprüchen werden können.

Dies wirft Fragen nach der Bedeutung von Betriebsvereinbarungen, dem Gleichheitsgrundsatz und dem Mitbestimmungsrecht auf, die allesamt das komplexe Zusammenspiel von arbeitsrechtlichen Normen und betrieblicher Praxis widerspiegeln. Vor allem in Fällen, in denen es um zusätzliche Vergünstigungen geht, wie etwa bezahlte Raucherpausen, stehen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oft vor der Herausforderung, ihre Rechte und Pflichten präzise abzugrenzen und im Einklang mit der geltenden Rechtslage zu handeln.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 Ca 995/14   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Kein Anspruch auf Bezahlung von Raucherpausen aus betrieblicher Übung, da diese nicht als sanktionierte Arbeitszeit angesehen werden und eine Verletzung der Hauptleistungspflicht darstellen.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Abweisung der Klage: Das Arbeitsgericht hat entschieden, dass kein Rechtsanspruch auf Bezahlung der Raucherpausen besteht.
  2. Hauptleistungspflicht: Die Inanspruchnahme von Raucherpausen ohne Zeiterfassung verstößt gegen die arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht.
  3. Betriebsvereinbarung: Eine neue Betriebsvereinbarung, die das Ein- und Ausstempeln bei Raucherpausen vorsieht, hat den bisherigen Zustand geändert.
  4. Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“: Gemäß § 614 BGB und der Rechtsprechung des BAG besteht eine Vergütungspflicht grundsätzlich nur für geleistete Arbeit.
  5. Betriebliche Übung: Langjährige Gepflogenheiten im Betrieb begründen nicht automatisch einen Rechtsanspruch.
  6. Gleichheitsgrundsatz: Die Ungleichbehandlung von Rauchern und Nichtrauchern durch bezahlte Pausen wurde als problematisch angesehen.
  7. Vertrauenstatbestand: Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nicht erfasste Raucherpausen weiterhin vergütet werden, wurde verneint.
  8. Kosten des Rechtsstreits: Die Kosten wurden dem unterlegenen Kläger auferlegt und eine Berufung wurde zugelassen.

Der Streitfall: Raucherpausen und Arbeitsrecht

In dem vorliegenden Fall geht es um die rechtliche Auseinandersetzung zwischen einem kaufmännischen Angestellten, dem Kläger, und seinem Arbeitgeber, der Beklagten. Kern des Streits ist die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf Bezahlung von Raucherpausen zusteht. Über Jahre hinweg war es in dem Unternehmen üblich, dass die Beschäftigten für Raucherpausen ihren Arbeitsplatz verließen, ohne dass dafür die Arbeitszeit erfasst und ein Lohnabzug vorgenommen wurde. Diese Praxis änderte sich jedoch mit einer Betriebsvereinbarung, die zum 01.01.2013 in Kraft trat und vorsah, dass die Beschäftigten beim Verlassen des Arbeitsplatzes zum Rauchen die Zeiterfassungsgeräte nutzen sollten.

Betriebliche Übung im Fokus

Raucherpause nicht bezahlt
(Symbolfoto: ALPA PROD /Shutterstock.com)

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall liegt in der Beurteilung der betrieblichen Übung, einem Rechtsprinzip im Arbeitsrecht, das besagt, dass regelmäßige, vom Arbeitgeber geduldete Verhaltensweisen zu einem festen Anspruch der Arbeitnehmer werden können. Der Kläger argumentierte, dass die jahrelange Praxis, Raucherpausen nicht von der Arbeitszeit abzuziehen und weiterhin zu vergüten, eine solche betriebliche Übung darstelle.

Gerichtsurteil zur Vergütung von Pausen

Das Arbeitsgericht Würzburg urteilte jedoch, dass kein Anspruch auf die Bezahlung der Raucherpausen besteht. Die Richter führten aus, dass für die Entstehung eines Anspruches aus betrieblicher Übung nicht nur die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers maßgeblich ist, sondern auch die Frage, wie der Arbeitnehmer diese Verhaltensweisen verstehen musste und durfte. Im vorliegenden Fall konnte nach Auffassung des Gerichts kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen, dass die Raucherpausen auch zukünftig ohne Lohnabzug gewährt werden. Denn die Raucherpausen seien eigenmächtig genommen worden und stellten eine Verletzung der Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis dar. Zudem wurde eine Ungleichbehandlung von Rauchern und Nichtrauchern festgestellt, da Erstere durch die bezahlten Pausen einen vermögenswerten Vorteil erhielten.

Schlussfolgerungen und Auswirkungen des Urteils

Weiterhin betonte das Gericht, dass eine betriebliche Übung an einem erforderlichen Vertrauenstatbestand scheitert, wenn dieser auf einem eigenmächtigen, vertragswidrigen Handeln basiert. Auch der Verweis auf das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG und die Bestimmungen des Mantel- bzw. Lohntarifvertrages stützten die Entscheidung des Gerichts, dass kein Anspruch aus betrieblicher Übung bestehe.

Die Auswirkungen dieses Urteils sind weitreichend, da es klärt, dass Arbeitnehmer nicht automatisch davon ausgehen können, dass eine langjährige Praxis von nicht erfassten Pausen zu einem Rechtsanspruch führt, insbesondere wenn diese Praxis eigenmächtiges Verhalten und eine Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt. Das Urteil hat somit eine Signalwirkung für ähnliche Fälle und unterstreicht die Notwendigkeit klarer betrieblicher Regelungen.

Als Fazit dieses Urteils lässt sich festhalten, dass das Arbeitsgericht einen klaren Standpunkt zum Schutz der Betriebsordnung und des Gleichheitsgrundsatzes einnimmt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden dadurch angehalten, ihre Rechte und Pflichten klar zu definieren und einzuhalten. Darüber hinaus unterstreicht der Fall die Bedeutung des Nichtraucherschutzes und des Mitbestimmungsrechts im Arbeitsumfeld.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was sind die rechtlichen Voraussetzungen einer „betrieblichen Übung“?

Eine „betriebliche Übung“ bezeichnet die regelmäßige Wiederholung bestimmter gleichförmiger Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aufgrund derer die Arbeitnehmer darauf vertrauen können, dass ihnen eine bestimmte Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll. Dies kann beispielsweise eine jährliche Sonderzahlung wie ein Weihnachtsgeld sein, das der Arbeitgeber mehrere Jahre lang in der gleichen Weise gewährt.

Die rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen einer betrieblichen Übung sind:

  • Regelmäßigkeit und Vorbehaltlosigkeit: Der Arbeitgeber muss die Leistung regelmäßig und vorbehaltlos gewähren. Die Rechtsprechung nimmt an, dass nach einer über mindestens drei Jahre lang wiederholten Zahlung in gleichförmiger Weise eine betriebliche Übung entstanden ist.
  • Kein Anspruch außerhalb der betrieblichen Übung: Die Arbeitnehmer haben an sich keinen arbeitsvertraglichen oder aus einem Tarifvertrag folgenden Anspruch auf die Leistung. Die Leistung wird also einfach so gewährt, d.h. ohne diesbezügliche Rechtsgrundlagen oder Vereinbarungen.
  • Kollektiver Bezug: Die Leistung, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gewährt, muss einen kollektiven Bezug haben, sich also auf eine Vielzahl oder doch zumindest abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern beziehen.

Sobald eine betriebliche Übung entstanden ist, können die Arbeitnehmer ab dem vierten Jahr eine den vorherigen Zahlungen entsprechende Leistung rechtlich beanspruchen. Der aus einer betrieblichen Übung entstandene vertragliche Anspruch kann nicht mehr durch einseitigen Widerruf der Vereinbarung abgeändert und damit aufgehoben werden; notwendig ist eine Änderungsvereinbarung zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages oder eine durch den Arbeitgeber auszusprechende Änderungskündigung.

Es ist zu erwähnen, dass eine betriebliche Übung zuungunsten des Arbeitnehmers auf der Grundlage der rechtsgeschäftlichen Konstruktion der Rechtsprechung regelmäßig ausscheidet.


Das vorliegende Urteil

Arbeitsgericht Würzburg – Az.: 10 Ca 995/14 – Endurteil vom 03.03.2015

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf € 183,09 festgesetzt.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger weiterhin ein Anspruch auf Bezahlung der von ihm in Anspruch genommenen Raucherpausen zusteht.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 01.01.1980 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt.

Bereits seit Jahren hat es sich im Betrieb der Beklagten in … eingebürgert, dass die Beschäftigten zum Rauchen ihren Arbeitsplatz verlassen. Ein Ein- bzw. Ausstempeln am Zeiterfassungsgerät erfolgte nicht. Dementsprechend wurde für diese Raucherpausen auch kein Lohnabzug vorgenommen.

Seit 01.01.2013 gilt im Betrieb der Beklagte in … die Betriebsvereinbarung über das Rauchen im Betrieb (vgl. Anlage 3 = Blatt 46, 47 der Akte). Deren Ziffer 3 sieht vor, dass beim Entfernen vom Arbeitsplatz zum Rauchen die nächstgelegenen Zeiterfassungsgeräte zum Ein- und Ausstempeln zu benutzen sind.

Für den Monat Januar 2013 wurden dem Kläger 111 Minuten für Raucherpausen von der Arbeitszeit abgezogen und nicht vergütet. Der Kläger errechnet insoweit, ausgehend von seinem Tarifentgelt von € 2.983,00 brutto, einen „Fehlbetrag“ in Höhe von € 33,05 brutto.

Für den Monat Februar wurden dem Kläger 251 Minuten für Raucherpausen abgezogen; insoweit bringt der Kläger einen Fehlbetrag von € 74,72 brutto in Ansatz.

Für den Monat März wurden dem Kläger 253 Minuten für Raucherpausen von der Arbeitszeit abgezogen und nicht vergütet. Insoweit errechnet der Kläger einen „Fehlbetrag“ in Höhe von € 75,32 brutto.

Der Kläger meint, ihm stehe ein Anspruch auf Bezahlung der Raucherpausen nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung zu. Er meint, die Beklagte habe ein Verhalten an den Tag gelegt, aus dem er schließen konnte, dass die Raucherpausen auch zukünftig weiter bezahlt werden. Bislang seien zu keinem Zeitpunkt Lohnabzüge wegen Raucherpausen vorgenommen worden. Über Jahre hinweg sei die Handhabung der Raucherpausen im Umfang von durchschnittlich 60–80 Minuten pro Arbeitnehmer und Tag durch Fortzahlung der Vergütung gebilligt worden. Der Entstehung einer betrieblichen Übung könne auch nicht entgegen gehalten werden, dass die Arbeitnehmer bei der in Rede stehenden Handhabung eine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzen. Ohne Erfolg berufe sich die Beklagte auch auf die Entscheidungen des LAG Hessen vom 11.08.2000, 2 Sa 1000/99 sowie des LAG Schleswig-Holstein vom 21.06.2007, 4 Ta BV 12/07. Im ersteren Fall sei es nicht um die Bezahlung von Raucherpausen, sondern um einen Anspruch auf Rauchen am Arbeitsplatz gegangen. Bei der zuletzt genannten Entscheidung liege eine vom vorliegenden Fall grundlegend anders gestaltete Konstellation vor.

Durch die ab 01.01.2013 in Kraft getretene Betriebsvereinbarung sei der arbeitsvertragliche Anspruch aus betrieblicher Übung nicht wirksam abgeändert worden. Möglich wäre dies allenfalls aufgrund eines Günstigkeitsvergleichs. Die diesbezüglichen Voraussetzungen wären vorliegend aber nicht gegeben, da eine positive Veränderung für die Arbeitnehmer aufgrund der Pflicht zum Ein- und Ausstempeln nicht angenommen werden könne. Im Übrigen regele die Betriebsvereinbarung vom 04.12.2012 lediglich die Pflicht der Arbeitnehmer, die örtlichen Zeiterfassungsgeräte zu nutzen. Die Frage nach einer Entgeltzahlungspflicht für diesen Zeitraum sei davon nicht betroffen.

Der Kläger beantragt:

1.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 33,05 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sei dem 01.02.2013 zu zahlen.

2.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 74,72 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2013 zu zahlen.

3.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 75,32 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2013 zu zahlen.

4.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Dem gegenüber beantragt die Beklagte die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Ein Anspruch nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung bestehe nicht.

Ein solcher scheitere schon an der Existenz des Mitbestimmungsrechtes aus § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG. Hiernach stehe dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung des Nichtraucherschutzes zu. Damit müsse jeder Arbeitnehmer zu jedem Zeitpunkt mit einer Veränderung des ursprünglichen Verhaltens des Arbeitgebers rechnen.

Hinzu komme, dass für den Betrieb die Bestimmungen des Mantel- bzw. Lohntarifvertrages des genossenschaftlichen Großhandels gelten. Eine Regelung, die eine Vergütung auch für die Abwesenheit des Arbeitnehmers, gleich aus welchen Gründen, vorsehe, sei dort nicht enthalten. Die Vergütung gelte danach nicht für die Pausen. Für die Raucherpausen könne nichts anderes gelten.

Schließlich liege eine Ungleichbehandlung zu Lasten der Nichtraucher vor, wenn es den Rauchern gestattet wäre, neben ihren regulären Pausen zusätzlich eine den Nichtrauchern nicht gewährte bezahlte Raucherpause in Anspruch zu nehmen. Dies führe zu einer Besserstellung der rauchenden Mitarbeiter gegenüber der Gruppe der Nichtraucher.

Insgesamt scheitere ein Anspruch auf betriebliche Übung an dem hierfür erforderlichen Vertrauenstatbestand. Verwiesen werde auf die Entscheidung des LAG Hessen vom 11.08.2000, AZ. 2 Sa 1000/99 sowie des LAG Schleswig Holstein vom 21.06.2007, AZ. 4 Ta BV 12/07. Dort sei ebenfalls festgestellt worden, dass der Arbeitnehmer nicht darauf habe vertrauen können, dass ein entsprechendes rechtsbegründendes Verhalten des Arbeitgebers auch in Zukunft stattfinden werde.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Rechtsweg zum Arbeitsgericht ist nach § 2 Absatz 1 Nr. 3 a ArbGG eröffnet.

Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, des Arbeitsgerichts Würzburg, folgt aus § 46 Absatz 2 ArbGG in Verbindung mit §§ 12, 17 ZPO.

II.

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist der Klageantrag ausreichend bestimmt, § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO.

III.

In der Sache selbst erweist sich die Klage jedoch als unbegründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Bezahlung der „Raucherpausen“ nicht zu. Eine Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht gegeben.

1. Unstreitig hat der Kläger in den von ihm in Anspruch genommenen Raucherpausen keine Arbeitsleistung erbracht.

Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts in Verbindung mit § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“.

Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen hat er deshalb darzulegen, und im Bestreitens Falle zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (vgl. BAG vom 15.05.2013, 10 AZR 325/12 Rn 33 mit weiteren Nachweisen).

Auf einen solchen Fall (z.B. § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz) stützt sich der Kläger erkennbar nicht.

2. Doch auch auf die Grundsätze der sogenannten betrieblichen Übung kann sich der Kläger mit Erfolg nicht berufen.

a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen der Arbeitnehmer schließen kann, ihm solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Dieses als Vertragsangebot zu wertende Verhalten des Arbeitgebers wird vom Arbeitnehmer durch widerspruchslose Inanspruchnahme der Leistung angenommen. Der Zugang der Annahmeerklärung ist dabei gemäß § 151 Satz 1 BGB entbehrlich (vgl. Erfurter Kommentar/Preis, 14. Auflage, § 611 BGB Rn Nr. 220 a mit weiteren Nachweisen).

Entscheidend für die Entstehung eines Anspruches ist jedoch nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger (Arbeitnehmer) die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte (Erfurter Kommentar/Preis, am angegebenen Ort).

Über die genaue dogmatische Grundlage der betrieblichen Übung besteht Streit. Dabei wird zunehmend die Theorie der Vertrauenshaftung in den Vordergrund gerückt. Entscheidend ist danach, ob ein hinreichender Vertrauenstatbestand seitens des Arbeitsgebers geschaffen worden ist (vgl. Erfurter Kommentar/Preis am angegebenen Ort, Rn. Nr. 220, 220 a mit weiteren Nachweisen).

Auf den Punkt gebracht formuliert Wank (NZA-Beilage 2011, Heft 3, Seite 126): „… worum es geht, ist, gewachsenes Vertrauen nicht zu enttäuschen …“

b) Vorliegend konnte zur Überzeugung der Kammer kein schutzwürdiges Vertrauen seitens der Arbeitnehmer dahingehend entstehen, dass die Beklagte auch zukünftig keine Lohnabzüge wegen der Inanspruchnahme einer Raucherpause vornimmt.

aa) Grund hierfür ist der Umstand, dass sich der Vertrauenstatbestand auf ein Verhalten der Arbeitnehmer stützen würde, welches sich – nach eigenem Vorbringen des Klägers – als vertragswidriges Handeln bzw. Verletzung der Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis darstellt. Die Raucherpausen werden – insoweit ebenfalls unstreitig – von den Arbeitnehmern eigenmächtig genommen. Dabei wird – nach dem eigenen Vorbringen des Klägers – die Arbeitsleistung pro Tag durchschnittlich 60–80 Min. (pro Arbeitnehmer) zurück gehalten. Dass dies sanktionslos erfolgt ist, ändert nichts daran, dass die Inanspruchnahme der Raucherpausen eigenmächtig geschah und eine Verletzung der Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis darstellte.

Hierauf gestützt kann zur Überzeugung der Kammer ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend, dass der Arbeitgeber zukünftig Raucherpausen ohne Lohnabzug weitergewährt, nicht entstehen. Vielmehr musste von Seiten der Arbeitnehmer jederzeit mit einer Änderung der bisherigen Handhabung gerechnet werden. Ein schützenswertes Vertrauen auf die Beibehaltung eines Zustandes, der auf einem eigenmächtigen, vertragswidrigen Handeln basiert, lässt sich zur Überzeugung der Kammer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht begründen.

bb) Hinzu kommt folgendes:

Die Gewährung bezahlter Pausen bei Rauchern stellt sich gegenüber Nichtrauchern des gleichen Betriebes – für jedermann erkennbar – als Ungleichbehandlung dar. So erhalten die Raucher einen vermögenswerten Vorteil gegen über den Nichtrauchern insoweit, als ihre tägliche Arbeitszeit aufgrund der in Anspruch genommenen Raucherpausen durchschnittlich 60–80 Minuten pro Tag geringer ausfällt.

Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung besteht nicht.

Schon auch im Hinblick auf den vom Arbeitgeber zu beachtenden allgemeinen Gleichheitsgrundsatz musste der Kläger daher jederzeit mit einer Änderung dahingehend rechnen, dass die eingeräumte Vergünstigung in Form der Bezahlung der Raucherpausen nicht weitergewährt wird.

Ein schützenswertes Vertrauen dahingehend, dass der bisherige gleichheitswidrige Zustand beibehalten wird, konnte danach nicht entstehen (vgl. auch BAG vom 28.07.1988, 6 AZR 349/87, Rn 33).

Ein Anspruch nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung scheidet danach aus.

Auf die Frage ob, die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes auch im Hinblick auf die von der Beklagtenseite noch weiter vorgetragenen Gründe (u.a.: jederzeitige Änderung möglich: wegen des Nichtraucherschutzes und des Mitbestimmungsrechts insoweit, usw.) scheitert, kam es daher für die Entscheidung des Rechtsstreits gar nicht mehr an.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

IV.

Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, § 3 ZPO.

Das Gericht hat mit Rücksicht auf die von der Klagepartei angeführten zahlreichen weiteren vergleichbaren Fälle im Betrieb der Beklagten (Raucher betreffend) die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!