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Kündigung im Kleinbetrieb – Verstoß gegen das Maßregelungsverbot

Kündigungsschutz in Kleinbetrieben: Komplexe Abwägungen im Arbeitsrecht

Im Falle einer Kündigung in einem Kleinbetrieb wurde entschieden, dass diese nicht gegen das Maßregelungsverbot verstößt, da sie nicht vornehmlich wegen der Ausübung eines Rechts durch die Arbeitnehmerin, sondern aufgrund von Teamkonflikten ausgesprochen wurde. Das Landesarbeitsgericht Köln wies die Berufung der Klägerin zurück, betonte die Bedeutung zwischenmenschlicher Harmonie in kleinen Teams und sah keine Verletzung des Maßregelungsverbots als gegeben.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Sa 389/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 23.01.2024 (Az.: 4 Sa 389/23) die Berufung einer Zahnmedizinischen Fachangestellten gegen die Kündigung in einem Kleinbetrieb zurückgewiesen.
  • Die Kündigung verstieß nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, da sie nicht hauptsächlich wegen der krankheitsbedingten Abwesenheit der Klägerin, sondern aufgrund andauernder Teamkonflikte ausgesprochen wurde.
  • Im Kleinbetrieb können Kündigungen auch zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden Teamstruktur ausgesprochen werden.
  • Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht betonten, dass nicht das Fernbleiben wegen Krankheit, sondern die zwischenmenschlichen Unstimmigkeiten im Betrieb das wesentliche Motiv für die Kündigung waren.
  • Ein direkter Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Ausübung eines Rechts durch die Klägerin, speziell ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit, wurde nicht festgestellt.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen und des Betriebsfriedens in Kleinbetrieben.
  • Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen, wodurch die Entscheidung rechtskräftig ist.

Maßregelungsverbot im Arbeitsrecht

Im Arbeitsrecht gibt es wichtige Schutzrechte für Arbeitnehmer. Eines davon ist das Maßregelungsverbot. Dieses soll Angestellte davor schützen, vom Arbeitgeber benachteiligt zu werden, wenn sie ihre Rechte in zulässiger Weise ausüben. Beispielsweise darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht kündigen, nur weil dieser krankheitsbedingt der Arbeit ferngeblieben ist.

Das Maßregelungsverbot gilt in allen Betrieben – ob Großunternehmen oder Kleinbetrieb. Gerade in Letzteren spielen oft zwischenmenschliche Konflikte und das Betriebsklima eine große Rolle. Die Gerichte haben hier einen Interessenausgleich zwischen Kündigungsschutz und den Bedürfnissen des Arbeitgebers nach funktionierenden Teams zu finden.

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➜ Der Fall im Detail


Kündigungsschutz im Kleinbetrieb unter der Lupe

Die Auseinandersetzung zwischen einer Zahnmedizinischen Fachangestellten und ihrem Arbeitgeber, einer Zahnarztpraxis, die nicht mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt, bringt ein bedeutsames arbeitsrechtliches Problemfeld zur Diskussion: den Kündigungsschutz in Kleinbetrieben.

Zahnarztpraxis Kündigung Mitarbeiter
Kündigung im Kleinbetrieb: Unrechtmäßige Maßregelung? (Symbolfoto: gpointstudio /Shutterstock.com)

Die Klägerin wurde nach einer Phase der Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Krankheit entlassen. Sie argumentierte, dass ihre Kündigung einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot darstelle, da sie lediglich ihr Recht auf Arbeitsunfähigkeit in Anspruch genommen habe. Die Auseinandersetzung eskalierte weiter, als die Klägerin behauptete, die Kündigung sei primär aufgrund ihres krankheitsbedingten Fehlens erfolgt, was die Arbeitgeberseite allerdings bestritt und stattdessen auf anhaltende Konflikte im Team verwies, die bereits vor der Krankheitsperiode bestanden.

Die juristische Entscheidungsfindung des Landesarbeitsgerichts Köln

Das Landesarbeitsgericht Köln wies die Berufung der Klägerin ab und bestätigte somit die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln. Die Richter urteilten, dass die Kündigung nicht gegen das Maßregelungsverbot verstoße. Entscheidend war hierbei die Interpretation des § 612a BGB, wonach ein Arbeitnehmer nicht benachteiligt werden darf, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Gericht argumentierte, dass das bloße „Kranksein“ und das daraus resultierende Fernbleiben von der Arbeit nicht als aktive Rechtsausübung im Sinne des Maßregelungsverbots angesehen werden kann. Vielmehr handelt es sich um eine durch den Gesundheitszustand bedingte Unmöglichkeit, die Arbeit zu verrichten. Die Kündigung sei also nicht primär auf die Krankmeldung zurückzuführen, sondern auf die langfristigen Teamkonflikte, für die die Klägerin mitverantwortlich gesehen wurde.

Kernargumente und rechtliche Bewertung

Die rechtliche Feinheit, dass die Ausübung eines Rechts eine aktive Handlung erfordert und nicht bereits durch den Zustand der Arbeitsunfähigkeit erfüllt wird, stand im Zentrum der Entscheidung. Zudem wurde betont, dass in einem Kleinbetrieb, wo das Kündigungsschutzgesetz nur eingeschränkt Anwendung findet, die zwischenmenschliche Harmonie und die Funktionsfähigkeit des Teams ein legitimer Grund für eine Kündigung sein können. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Kündigung aufgrund eines Bündels von Motiven erfolgte, wobei die Teamkonflikte als Hauptgrund identifiziert wurden.

Die Rolle der Beweislast und der gerichtlichen Bewertung

Interessant ist auch der Aspekt der Beweislast, der in diesem Fall eine entscheidende Rolle spielte. Die Klägerin konnte nicht überzeugend darlegen, dass ihre Krankmeldung und das daraus resultierende Fernbleiben von der Arbeit das primäre Motiv für die Kündigung waren. Die rechtliche Auseinandersetzung beleuchtet somit die Komplexität arbeitsrechtlicher Verfahren, in denen die Beweisführung und die Interpretation der Motivlage des Arbeitgebers zentrale Herausforderungen darstellen.

Rechtliche Rahmenbedingungen und ihre praktische Anwendung

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln (Az.: 4 Sa 389/23) illustriert die Schwierigkeiten, die bei der Anwendung arbeitsrechtlicher Normen in der Praxis entstehen können. Insbesondere zeigt es, dass die rechtliche Beurteilung von Kündigungen in Kleinbetrieben eine differenzierte Betrachtung erfordert, die sowohl die spezifischen Umstände des Einzelfalls als auch die allgemeinen Grundsätze des Kündigungsschutzes berücksichtigt.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was bedeutet das Maßregelungsverbot im Arbeitsrecht?

Das Maßregelungsverbot ist eine wichtige Schutzvorschrift für Arbeitnehmer im deutschen Arbeitsrecht. Es besagt, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen darf, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt (§ 612a BGB).

Das Maßregelungsverbot soll die Willensfreiheit des Arbeitnehmers schützen, wenn er seine Rechte wahrnimmt. Er soll dies ohne Furcht vor wirtschaftlichen oder sonstigen Repressalien des Arbeitgebers tun können.

Geschützt sind alle Rechte, die der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber hat, sowohl aus dem Arbeitsverhältnis als auch private Rechte mit Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis. Beispiele sind:

  • Bemühungen einen Betriebsrat zu gründen
  • Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik
  • Beharren auf Ansprüchen wie Urlaub, Gehalt, Überstunden
  • Inanspruchnahme von Elternzeit oder Pflegezeit
  • Meldung der Arbeitsunfähigkeit
  • Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung von Ansprüchen

Eine Benachteiligung liegt vor, wenn der Arbeitgeber Maßnahmen wie Kündigung, Abmahnung, Versetzung oder Gehaltskürzung verhängt, weil der Arbeitnehmer seine Rechte in Anspruch nimmt. Entscheidend ist, dass die Rechtsausübung der tragende Grund für die Benachteiligung ist.

Verstößt der Arbeitgeber gegen das Maßregelungsverbot, ist die benachteiligende Maßnahme unwirksam. Der Arbeitnehmer kann auch Schadensersatz verlangen. Vor Gericht muss er darlegen, dass die Benachteiligung wegen der Rechtsausübung erfolgte.

Das Maßregelungsverbot ist damit ein wichtiges Instrument, um Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Sanktionen zu schützen, wenn sie von ihren Rechten Gebrauch machen. Es stellt sicher, dass sie dies ohne Angst vor Repressalien tun können.

Wie wird der Kündigungsschutz in Kleinbetrieben definiert?

In Kleinbetrieben gelten besondere Regelungen für den Kündigungsschutz der Arbeitnehmer. Grundsätzlich findet das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Betrieben mit 10 oder weniger Arbeitnehmern keine Anwendung (§ 23 Abs. 1 KSchG). Das bedeutet, dass viele der Schutzvorschriften des KSchG, die eine Kündigung erschweren, in Kleinbetrieben nicht greifen.

Zur Feststellung, ob es sich um einen Kleinbetrieb handelt, wird die Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer herangezogen. Teilzeitbeschäftigte werden dabei anteilig berücksichtigt:

  • bis 20 Wochenstunden mit Faktor 0,5
  • bis 30 Wochenstunden mit Faktor 0,75

Auszubildende zählen nicht mit.

Für Arbeitsverhältnisse, die bereits vor dem 01.01.2004 bestanden, gilt noch die alte Grenze von 5 Arbeitnehmern. Hier besteht also für Altarbeitnehmer weiterhin Kündigungsschutz nach dem KSchG, auch wenn der Betrieb mittlerweile auf bis zu 10 Mitarbeiter gewachsen ist.

Folgen der Nichtanwendbarkeit des KSchG in Kleinbetrieben sind insbesondere:

  • Der Arbeitgeber benötigt keinen Kündigungsgrund im Sinne des KSchG (betriebsbedingte, verhaltens- oder personenbedingte Gründe). Er kann grundsätzlich ohne Angabe von Gründen ordentlich kündigen.
  • Eine Sozialauswahl unter vergleichbaren Arbeitnehmern ist nicht erforderlich. Der Arbeitgeber muss bei betriebsbedingten Kündigungen nicht vorrangig sozial weniger schutzwürdige Arbeitnehmer entlassen.
  • Abmahnungen sind auch bei verhaltensbedingten Kündigungen nicht zwingend erforderlich.

Trotz der Nichtanwendbarkeit des KSchG sind Arbeitnehmer in Kleinbetrieben aber nicht völlig schutzlos. Es gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, die eine sitten- oder treuwidrige Kündigung verbieten (§§ 138, 242 BGB). Auch im Kleinbetrieb muss der Arbeitgeber daher ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme walten lassen und darf nicht willkürlich oder diskriminierend kündigen.

Zudem gilt der Sonderkündigungsschutz etwa für Schwangere, Schwerbehinderte, Auszubildende oder Arbeitnehmer in Elternzeit uneingeschränkt auch in Kleinbetrieben. Ebenso sind die gesetzlichen Kündigungsfristen einzuhalten.

Zusammengefasst genießen Arbeitnehmer in Kleinbetrieben zwar keinen vollen Kündigungsschutz nach dem KSchG. Sie sind aber durch allgemeine Vorschriften vor willkürlichen, diskriminierenden oder grob unbilligen Kündigungen geschützt. Zudem gelten Sonderkündigungsschutz und Kündigungsfristen uneingeschränkt.

Was zählt als legitimer Kündigungsgrund in einem Kleinbetrieb?

Auch wenn in Kleinbetrieben mit 10 oder weniger Arbeitnehmern das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht gilt, darf der Arbeitgeber nicht völlig willkürlich oder grundlos kündigen. Es gibt einige Kriterien, die eine Kündigung in einem Kleinbetrieb rechtfertigen können:

  • Betriebliche Gründe: Wenn betriebliche Erfordernisse wie Auftragsmangel, Umsatzrückgang oder Umstrukturierungen einen Stellenabbau notwendig machen, kann dies eine Kündigung rechtfertigen. Eine Sozialauswahl ist dabei im Kleinbetrieb aber nicht erforderlich.
  • Personen- oder krankheitsbedingte Gründe: Ist der Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig oder fehlen ihm die notwendigen Fähigkeiten für die Stelle, kann dies eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen. Allerdings muss der Arbeitgeber hier ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme walten lassen.
  • Verhaltensbedingte Gründe: Verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich, z.B. durch Arbeitsverweigerung, Diebstahl oder Beleidigung des Arbeitgebers, kann dies eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. In der Regel ist aber zuvor eine Abmahnung erforderlich.
  • Zwischenmenschliche Konflikte: Beeinträchtigen zwischenmenschliche Spannungen das Betriebsklima in einem Kleinbetrieb erheblich und nachhaltig, kann auch dies u.U. eine Kündigung rechtfertigen. Allerdings muss der Arbeitgeber zuvor versuchen, den Konflikt durch mildere Mittel zu lösen.

Unzulässig sind dagegen Kündigungen, die gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) verstoßen, d.h. weil der Arbeitnehmer zulässige Rechte in Anspruch nimmt. Auch sitten- oder treuwidrige Kündigungen, z.B. aus Rache oder aufgrund von Diskriminierung, sind unwirksam.

Der Sonderkündigungsschutz für bestimmte Personengruppen wie Schwangere, Schwerbehinderte oder Betriebsräte gilt zudem auch im Kleinbetrieb uneingeschränkt.

Insgesamt hat der Arbeitgeber im Kleinbetrieb also mehr Freiheiten bei Kündigungen. Er muss aber stets ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren und darf nicht willkürlich, diskriminierend oder maßregelnd kündigen. Zwischenmenschliche Konflikte können eine Kündigung nur dann rechtfertigen, wenn sie das Arbeitsverhältnis nachhaltig belasten und nicht anders lösbar sind.

Wie wichtig ist die Beweislast bei Streitigkeiten um Kündigungen?

Die Verteilung der Beweislast zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber spielt bei Streitigkeiten um die Wirksamkeit einer Kündigung eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich muss im Arbeitsrecht derjenige die Tatsachen beweisen, der sich darauf beruft (Beweislastverteilung nach Darlegungs- und Beweislast).

Für den Arbeitnehmer bedeutet dies:

  • Er muss die Tatsachen vortragen und beweisen, aus denen sich die Unwirksamkeit der Kündigung ergibt. Das können formelle Fehler wie die Nichteinhaltung der Schriftform oder die fehlende Anhörung des Betriebsrats sein.
  • Bei einer Kündigung wegen Krankheit muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass er nur kurzfristig erkrankt war und seine Prognose positiv ist.
  • Beruft sich der Arbeitnehmer auf Diskriminierung oder Maßregelung, muss er Indizien dafür vortragen. Dann muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Verstoß vorlag.

Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für:

  • Die wirksame Zustellung der Kündigung.
  • Das Vorliegen der Kündigungsgründe, also der betrieblichen Erfordernisse, des vertragswidrigen Verhaltens oder der Negativprognose bei personenbedingter Kündigung.
  • Die ordnungsgemäße Durchführung der Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung.
  • Die Einhaltung der Kündigungsfrist.

Gelingt einer Partei der ihr obliegende Beweis nicht, geht dies zu ihren Lasten. Bleiben also z.B. die Kündigungsgründe unbewiesen, ist die Kündigung unwirksam.

Beweiserleichterungen gibt es zugunsten des Arbeitnehmers bei einer Kündigung wegen Krankheit. Hier muss der Arbeitgeber die Negativprognose beweisen. Auch bei Diskriminierung oder Maßregelung reichen Indizien des Arbeitnehmers, um die Beweislast auf den Arbeitgeber zu verlagern.

Die Verteilung der Beweislast hat große praktische Bedeutung. Sie entscheidet oft darüber, ob eine Kündigungsschutzklage Aussicht auf Erfolg hat. Arbeitnehmer sollten sich nicht darauf verlassen, dass der Arbeitgeber die Wirksamkeit der Kündigung beweisen muss. Sie müssen selbst substantiiert zur Unwirksamkeit vortragen und dies ggf. auch beweisen.

Kann Krankheit als Kündigungsgrund in einem Kleinbetrieb dienen?

Ja, in einem Kleinbetrieb mit 10 oder weniger Arbeitnehmern kann Krankheit durchaus als Kündigungsgrund dienen. Denn in Kleinbetrieben gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht, der Arbeitgeber hat weitgehende Kündigungsfreiheit. Er muss keinen Kündigungsgrund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes haben und auch keine Sozialauswahl treffen.

Das bedeutet, der Arbeitgeber kann einem erkrankten Arbeitnehmer im Kleinbetrieb grundsätzlich ohne weiteres kündigen, auch wenn die Krankheit der Grund für die Kündigung ist. Eine solche Kündigung während oder wegen Krankheit verstößt auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Denn der Eintritt einer Krankheit ist kein Ausüben von Rechten durch den Arbeitnehmer.

Allerdings darf der Arbeitgeber auch im Kleinbetrieb nicht völlig willkürlich kündigen. Er muss ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme walten lassen. Eine Kündigung darf nicht treuwidrig oder sittenwidrig sein, etwa wenn sie aus Rachsucht oder niederen Beweggründen erfolgt.

Auch Diskriminierung wegen einer Behinderung ist unzulässig. Bei Schwerbehinderten muss der Arbeitgeber vor einer Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts einholen, auch im Kleinbetrieb.

Ansonsten aber sind die Hürden für eine krankheitsbedingte Kündigung im Kleinbetrieb deutlich niedriger als in Betrieben, in denen das Kündigungsschutzgesetz gilt. Der Arbeitgeber muss weder eine negative Gesundheitsprognose noch eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Interessen nachweisen. Auch eine Interessenabwägung ist nicht erforderlich.

Zusammengefasst hat der Arbeitgeber im Kleinbetrieb also weitgehende Freiheit, einem erkrankten Arbeitnehmer zu kündigen. Solange er nicht willkürlich, diskriminierend oder rechtsmissbräuchlich handelt, kann er Krankheit durchaus als Kündigungsgrund heranziehen, ohne die strengen Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz erfüllen zu müssen.

Wie wird zwischenmenschlicher Konflikt als Kündigungsgrund bewertet?

Zwischenmenschliche Konflikte können in Kleinbetrieben durchaus ein Grund für eine Kündigung sein. Denn gerade in einem kleinen Team können persönliche Spannungen schnell zu einer Belastung für das gesamte Betriebsklima werden. Allerdings stellt das Arbeitsrecht auch hier gewisse Anforderungen an eine Kündigung.

Grundsätzlich gilt: Auch wenn in Kleinbetrieben mit 10 oder weniger Arbeitnehmern das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist, darf eine Kündigung nicht treuwidrig oder sittenwidrig sein (§§ 242, 138 BGB). Der Arbeitgeber muss ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme walten lassen.

Bei zwischenmenschlichen Konflikten als Kündigungsgrund bedeutet dies:

  • Die Konflikte müssen objektiv geeignet sein, den Betriebsfrieden zu stören und die Zusammenarbeit nachhaltig zu belasten. Bloße persönliche Antipathien oder gelegentliche Streitigkeiten reichen nicht aus.
  • Der Arbeitgeber muss zunächst versuchen, den Konflikt durch mildere Mittel als eine Kündigung zu lösen, z.B. durch Gespräche, Abmahnungen oder Versetzungen. Erst wenn diese Mittel erfolglos bleiben, kommt eine Kündigung in Betracht.
  • Die Kündigung darf nicht einseitig einen Arbeitnehmer herausgreifen. Wenn beide Konfliktparteien zur Eskalation beitragen, müsste der Arbeitgeber konsequenterweise beiden kündigen.
  • Die Kündigung darf nicht auf sachfremden Motiven beruhen. Nutzt der Arbeitgeber einen Konflikt nur als Vorwand, um einen unbequemen Arbeitnehmer loszuwerden, wäre dies treuwidrig.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann ein zwischenmenschlicher Konflikt in einem Kleinbetrieb aber durchaus eine Kündigung rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss dann nicht wie bei einer verhaltensbedingten Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz eine Abmahnung vorausschicken und eine Interessenabwägung vornehmen.

Letztlich kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Je kleiner der Betrieb und je enger die Zusammenarbeit, desto eher können zwischenmenschliche Konflikte eine Kündigung rechtfertigen. Der Arbeitgeber hat hier einen gewissen Beurteilungsspielraum.

Zusammengefasst können zwischenmenschliche Konflikte in Kleinbetrieben also durchaus ein Kündigungsgrund sein. Allerdings darf der Arbeitgeber nicht vorschnell oder willkürlich kündigen. Die Konflikte müssen objektiv schwerwiegend sein, der Arbeitgeber muss sich um mildere Lösungen bemühen und darf nicht unsachlich oder einseitig handeln.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 612a BGB (Maßregelungsverbot): Erklärt, dass Arbeitgeber Arbeitnehmer nicht benachteiligen dürfen, weil sie ihre Rechte ausüben. Dieser Paragraph ist zentral für den Fall, da die Klägerin argumentiert, ihre Kündigung sei eine unzulässige Maßregelung aufgrund ihrer Krankmeldung.
  • § 134 BGB (Nichtigkeit wegen Gesetzesverstoß): Besagt, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig ist. Im Kontext des Urteils relevant, da diskutiert wurde, ob die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot nichtig sei.
  • § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen): Regelung zu den Kündigungsfristen, die bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin beachtet werden mussten. Relevant für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigungsfrist.
  • § 275 Abs. 1 BGB (Unmöglichkeit der Leistung): Erklärt, dass die Pflicht zur Leistung entfällt, wenn diese unmöglich ist. Im Urteil wurde argumentiert, dass Krankheit zu einer solchen Unmöglichkeit führt und somit kein aktives Ausüben eines Rechts darstellt.
  • Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), insbesondere § 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. c und §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 519, 520 ZPO: Diese Gesetzesstellen regeln das Verfahren vor den Arbeitsgerichten, einschließlich der Zulässigkeit von Berufungen und deren Fristen. Relevant für das Verständnis des gerichtlichen Prozesses, der zu dem Urteil führte.
  • Kündigungsschutzgesetz (KSchG), Anwendbarkeit in Kleinbetrieben: Obwohl nicht explizit im Text genannt, ist das Wissen um die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in Kleinbetrieben entscheidend, um die Unterschiede im Kündigungsschutz zwischen Klein- und größeren Betrieben zu verstehen. Im konkreten Fall spielt dies eine Rolle, da besondere Regelungen für Kleinbetriebe gelten.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 4 Sa 389/23 – Urteil vom 23.01.2024

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.11.2022 – 4 Ca 4242/22 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung im Kleinbetrieb.

Die Beklagte betreibt eine Zahnarztpraxis und beschäftigt dort nicht regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.06.2019 als Zahnmedizinische Fachangestellte beschäftigt und erzielte zuletzt eine monatliche Bruttovergütung iHv. 2.700,00 Euro.

Im Team der Zahnarztpraxis gab es Konflikte, insbesondere zwischen der Klägerin und einer anderen Arbeitnehmerin der Beklagten. Die genauen Ursachen hierfür sind zwischen den Parteien streitig.

In der Zeit vom 16.05.2022 bis zum 27.05.2022 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Hierzu reichte die Klägerin eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Beklagten ein. Der letzte Tag der attestierten Arbeitsunfähigkeit fiel auf einen Freitag.

An dem auf das sodann arbeitsfreie Wochenende folgenden Montag dem 30.05.2022 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten erneut krank und übermittelte per WhatsApp ein Foto einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Im Anschluss hieran kam es zu einem Telefongespräch zwischen den Parteien, dessen genauer Inhalt streitig ist.

Mit Schreiben ebenfalls vom 30.05.2022, der Klägerin noch am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2022.

Mit ihrer am 20.06.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung gewendet.

Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, die Kündigung verstoße gegen das in § 612a BGB normierte Maßregelungsverbot und sei damit unwirksam. Die Kündigung sei nur ausgesprochen worden, da sie mit ihrer Krankschreibung ein ihr zustehendes Recht ausgeübt habe. Die Klägerin hat hierzu behauptet, die Beklagte habe sie in dem Telefonat am 30.05.2022 zur Rede gestellt und sie aufgefordert, Auskunft über ihre Erkrankung zu geben. Nach einem Hinweis darauf, dass sie hierzu nicht verpflichtet sei, habe es Streit gegeben. Die Beklagte habe ausgeführt, sie bezweifele, dass die Klägerin arbeitsunfähig sei, und werde sie wegen ihres Fernbleibens von der Arbeit kündigen. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, dass es im Team Konflikte gegeben habe, sei dies zwar zutreffend. Zu beachten sei aber, dass die anderen Beschäftigten bewusst nach Fehlern der Klägerin gesucht hätten und sich die Beklagte nie schützend vor die Klägerin gestellt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.05.2022 zum 30.06.2022 aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.05.2022 zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Krankheit der Klägerin sei nicht ursächlich für die Kündigung gewesen. Vielmehr sei die Kündigung ausgesprochen worden, da es bereits seit 2020 Konflikte im Team der Praxis gegeben habe. Die übrigen Beschäftigten hätten der Klägerin hierbei u.a. eine mangelnde Einhaltung der Hygieneregeln vorgeworfen, da sie den Behandlungsplatz nie ausreichend gereinigt habe. Sie (die Beklagte) habe immer versucht zu vermitteln und sich schützend vor die Klägerin zu stellen. Auch Anpassungen von Arbeitszeiten der Klägerin und eine Gehaltserhöhung seien erfolgt. Zuletzt habe die Klägerin zur Vermeidung von Konflikten lediglich noch Zahnreinigungen durchgeführt, um nicht mehr im Team mit anderen Kolleginnen arbeiten zu müssen. Die Konflikte hätten jedoch fortgedauert. In dem Telefonat am 30.05.2022 habe sie die Klägerin nicht aufgefordert, zu ihrer konkreten Erkrankung Auskunft zu geben. Sie habe lediglich gefragt, was denn los sei. Hintergrund der Nachfrage sei auch ein vorheriger Gesprächswunsch der Klägerin gewesen. Das Gespräch sei dann leider tatsächlich eskaliert und die Klägerin habe der Beklagten unberechtigte Vorwürfe zu angeblichen betrügerischen Abrechnungsvorgängen gemacht. Daher habe sie sich zur Kündigung entschlossen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2022 abgewiesen. Die Kündigung verstoße nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB mit der Folge der Nichtigkeit nach § 134 BGB. Allein die unstreitige Tatsache, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung und bereits zuvor arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, führe nicht zu einem Verstoß gegen § 612a BGB. Allein das Fernbleiben von der Arbeit wegen einer Erkrankung stelle keine Rechtsausübung nach § 612a BGB dar. Wenn ein Arbeitnehmer erkranke, mache er mit dem „Kranksein“ kein Recht geltend, sondern sei wegen der infolge Krankheit bestehenden Arbeitsunfähigkeit außerstande, seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Der faktische Zustand „Kranksein“ sei keine Ausübung eines Rechts, sondern vermittele nur ein „Recht zum Fernbleiben“ wegen subjektiver Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB. Anknüpfungspunkt für eine nach § 612a BGB zu beurteilende Kündigung wegen „Krankseins“ könne daher erst die Negation der sich aus diesem Zustand ergebenden Rechte durch den Arbeitgeber in einem zweiten Schritt sein, welches dann wiederum mit einer entsprechenden „Ausübung“ durch den Arbeitnehmer beantwortet werden müsse, um durch die weitere Reaktion des Arbeitgebers in den Anwendungsbereich des § 612a BGB zu kommen. Die Kündigung der Beklagten verstoße auch nicht deshalb gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, weil sie während der Erkrankung der Klägerin erklärt worden sei. Es verstoße nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, wenn einem Arbeitnehmer, für den das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar sei, während (oder gar wegen) einer Erkrankung gekündigt werde. Eine Kündigung aus Anlass einer Krankmeldung sei nur dann eine unzulässige Maßregelung, wenn gerade das zulässige Fernbleiben von der Arbeit sanktioniert werden solle. Wolle der Arbeitgeber dagegen für die Zukunft erwarteten Folgen weiterer Arbeitsunfähigkeit, insbesondere (neuerlichen) Betriebsablaufstörungen, vorbeugen, fehle es an einem unlauteren Motiv für die Kündigung. Danach könne ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot vorliegend nicht angenommen werden. Zum einen habe die Klägerin nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, dass die Kündigung gerade deshalb ausgesprochen worden sei, weil die Beklagte sie aufgefordert habe, trotz Arbeitsunfähigkeit zur Arbeit zu erscheinen. Vielmehr habe die Klägerin lediglich behauptet, die Kündigung sei wegen ihres Fernbleibens von der Arbeit ausgesprochen worden. Damit habe die Klägerin gerade keinen Sachverhalt geltend gemacht, wie er von der oben zitierten Rechtsprechung als Fall der Ausübung eines Rechtes und der unzulässigen Maßregelung angesehen werde. Zudem sei zu beachten, dass es unstreitig Unstimmigkeiten und Streitigkeiten zwischen der Klägerin und den übrigen Beschäftigten gegeben habe. Da die Beklagte dies als Kündigungsgrund herangezogen habe und entsprechende Streitigkeiten im Team von der Klägerin nicht in Abrede gestellt worden seien, sei auch nicht erkennbar, dass das krankheitsbedingte Fernbleiben von der Arbeit das wesentliche Motiv für die Kündigung gewesen sei. Es sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber im Kleinbetrieb eine Kündigung auf Unstimmigkeiten und Probleme im zwischenmenschlichen Umgang im Betrieb stütze. Aufgrund der geringen Anzahl von Beschäftigten in einer Arztpraxis und der Tatsache, dass man sich dort auch nicht aus dem Weg gehen könne, rechtfertige es – anders als im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes – Kündigungen auch zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden Teamstruktur auszusprechen. Die ausgesprochene Kündigung verstoße daher auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB.

Gegen das ihr am 24.11.2022 zugestellte Urteil vom 08.11.2022 hat die Klägerin am 23.12.2022 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.02.2023 am 23.02.2023 begründet.

Die Klägerin meint, dass das Arbeitsgericht ihren Vortrag übergangen habe, wonach die Beklagte ihr angekündigt habe, dass sie das Arbeitsverhältnis „vornehmlich“ wegen des Fernbleibens von der Arbeit trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit kündigen müsse. Die Klägerin habe damit ausreichend substantiiert vorgetragen, dass die Kündigung im Wesentlichen nur erfolgt sei, weil sie von ihrem Recht, der Arbeit am 30.05.2022 wegen bestehender Arbeitsunfähigkeit fernzubleiben, Gebrauch gemacht habe. Das Arbeitsgericht habe die Anforderungen an die Substantiierung überspannt; es hätte über die Behauptung Beweis erheben müssen. Auch sei es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich auffordern müsse, trotz Arbeitsunfähigkeit zur Arbeit zu erscheinen, um einen Verstoß gegen § 612a BGB annehmen zu können. Das Fernbleiberecht entstehe bereits mit der festgestellten Arbeitsunfähigkeit.

Die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.05.2022 zum 30.06.2022 aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2022 zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle ergänzend Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Berufung hat keinen Erfolg.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. c ArbGG statthaft und form- und fristgerecht nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO am 23.12.2022 gegen das am 24.11.2022 zugestellte Urteil eingelegt und innerhalb der bis zum 23.02.2023 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründet worden.

II. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die ordentliche Kündigung vom 30.05.2022 verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB mit der Folge der Nichtigkeit der Kündigung nach § 134 BGB.

a) Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Benachteiligungsverbot soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob ein Recht ausgeübt wird oder nicht. Die Norm erfasst einen Sonderfall der Sittenwidrigkeit. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet. Handelt der Arbeitgeber aufgrund eines Motivbündels, so ist auf das wesentliche Motiv abzustellen. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann eine Maßnahme iSv. § 612a BGB sein (BAG 30.03.2023 – 2 AZR 309/22 – Rn. 10; 18.11.2021 – 2 AZR 229/21 – Rn. 28 mwN).

b) Der klagende Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung. Er hat einen Sachverhalt vorzutragen, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Maßnahme des Arbeitgebers und einer vorangegangenen zulässigen Ausübung von Rechten hindeutet. Der Arbeitgeber muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu diesem Vortrag erklären. Sind entscheidungserhebliche Behauptungen des Arbeitnehmers streitig, sind grundsätzlich die von ihm angebotenen Beweise zu erheben (BAG 30.03.2023 – 2 AZR 309/22 – Rn. 11).

c) Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Dem Vortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis tatsächlich „vornehmlich“ deswegen gekündigt hätte, weil die Klägerin trotz Arbeitsunfähigkeit nicht zur Arbeit erschienen ist. Dass die Beklagte dies am Ende des Telefonats am 30.05.2022 ausdrücklich so formuliert hätte, vermochte die Klägerin auf Nachfrage der Berufungskammer nicht zu bestätigen. In dem Telefonat war nicht nur die krankheitsbedingte Abwesenheit der Klägerin Thema, sondern auch die Konflikte am Arbeitsplatz mit zumindest einer weiteren Mitarbeiterin sowie von der Klägerin monierte fehlerhafte Abrechnungen, was die Klägerin auf Nachfrage der Berufungskammer eingeräumt hat. Damit ist ein Rückschluss darauf, dass die Beklagte die Kündigung „vornehmlich“ aufgrund des krankheitsbedingten Fernbleibens ausgesprochen hätte, aber nicht möglich. Ebenso gut mag die Kündigung „vornehmlich“ – wie von der Beklagten behauptet – aufgrund der sonstigen Unstimmigkeiten ausgesprochen worden sein. Wie es das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist es vor dem Hintergrund von § 612a BGB nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber im Kleinbetrieb eine Kündigung auf Unstimmigkeiten und Probleme im zwischenmenschlichen Umgang im Betrieb stützt.

d) Ob die Auffassung der Klägerin, dass es einer ausdrücklichen Aufforderung durch den Arbeitgeber an den arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer, zur Arbeit zu erscheinen, nicht bedarf, um einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot annehmen zu können, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund dieses Nichterscheinens eine Kündigung ausspricht, zutreffend ist (aA insoweit LAG Köln 15.05.2020 – 4 Sa 693/19 – Rn. 47; 11.12.2020 – 10 Sa 551/20 – Rn. 44, jeweils zitiert nach juris), bedarf vor diesem Hintergrund keiner erneuten Entscheidung. Selbst wenn dem so sein sollte, verbleibt es dabei, dass die Klägerin eine Kausalität zwischen zulässiger Rechtsausübung und Kündigung nicht hinreichend dargelegt hat.

2. Sonstige Unwirksamkeitsgründe sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.

3. Somit hat die der Klägerin am 30.05.2022 zugegangene Kündigung vom selben Tag das Arbeitsverhältnis nach § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit Ablauf des 30.06.2022 aufgelöst.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Gründe für die Zulassung der Revision iSd. § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.

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