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Kündigung leitender Bankmitarbeiter wegen Aufsichtspflichtverletzungen

Kündigung eines Bankleiters aufgrund von Aufsichtspflichtverletzungen: Eine Analyse des Urteils des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf

In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf verhandelt wurde (Az.: 6 Sa 420/20), wurde ein leitender Bankmitarbeiter aufgrund von Aufsichtspflichtverletzungen entlassen. Der Fall dreht sich um Immobilienfinanzierungen, die von der Stadtsparkasse T. gewährt wurden, und die Rolle des Bankleiters bei der Genehmigung dieser Kredite.

Verstoß gegen Kreditvergaberichtlinien

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 Sa 420/20 >>>

Der Bankleiter wurde beschuldigt, Darlehen entgegen der Kreditvergaberichtlinien bewilligt zu haben. Die Kredite wurden hauptsächlich für den Kauf von Mehrfamilienhäusern und Eigentumswohnungen durch Privatkunden mit unterdurchschnittlicher Bonität verwendet. Es wurde behauptet, dass der Bankleiter die Kreditwürdigkeitsprüfung nichtordnungsgemäß durchgeführt und Kreditvergabegrundsätze grob missachtet hat. Darüber hinaus wurde ihm vorgeworfen, ein grobes Aufsichtsverschulden gegenüber einem anderen Mitarbeiter der Bank, Herrn U., gehabt zu haben.

Hochkritische Kredite und gefälschte Eigenkapitalnachweise

Die Bank behauptete, dass es sich bei den Krediten insgesamt um hochkritische Kredite handelte. In 35 von 60 Fällen seien Eigenkapitalnachweise gefälscht worden. Ein Großteil der finanzierten Objekte befand sich außerhalb des Wohnortes der Kunden. Die Bank argumentierte, dass alle Informationen aus den Kreditbeschlüssen hervorgingen, die dem Bankleiter bei der Bewilligung vorgelegen haben müssten.

Verteidigung des Bankleiters und Urteil des Gerichts

Der Bankleiter verteidigte sich, indem er argumentierte, dass er kein Kontrollorgan gewesen sei und dass die Bank wusste, dass ihr Ein-Voten-Konzept anfällig war. Er behauptete auch, dass es nicht mehr feststellbar sei, wie die Akten zum Zeitpunkt der Kreditbewilligung ausgesehen hätten.

Das Gericht entschied, dass die Kündigung des Bankleiters ungerechtfertigt war. Es argumentierte, dass die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Bankleiters beruhte und dass sein künftiges Verhalten durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden könnte. Das Gericht stellte auch fest, dass die Bank ihrerseits bewusst Risiken eingegangen war, indem sie beispielsweise Begutachtungen der finanzierten Mietobjekte erst nach der Valutierung des Darlehens vornahm.

Schlussbemerkungen

Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung von Kreditvergaberichtlinien und Aufsichtspflichten in Banken. Es zeigt auch, dass Gerichte die Umstände jedes Einzelfalls sorgfältig prüfen, bevor sie eine Entscheidung treffen. In diesem Fall hat das Gericht entschieden, dass die Kündigung des Bankleiters ungerechtfertigt war, da die Bank ihrerseits bewusst Risiken eingegangen war und der Bankleiter sein Verhalten in der Zukunft hätte ändern können.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 6 Sa 420/20 – Urteil vom 11.12.2020

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 26.05.2020 – Az.:2 Ca 1091/19 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte ist eine öffentlich-rechtliche Sparkasse. Der am 30.04.1974 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem Jahr 1993 für die Beklagte tätig. Er absolvierte zunächst ein einjähriges Praktikum, sodann die Ausbildung zum Bankkaufmann und wurde von der Beklagten anschließend als Bankkaufmann beschäftigt. Mit Schreiben vom 12.06.2014 wurde dem Kläger die Position „Teamleiter Wohnungsbaufinanzierungen“ übertragen und seit dem 01.07.2019 wurde er zum „Leiter der Abteilung Wohnungsbaufinanzierung“ ernannt. Zuletzt erhielt er eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von ca. 5.250,- EUR. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für Sparkassen (TVöD-S) Anwendung.

Bezüglich der Aufgaben eines Teamleiters wird auf die von der Beklagten im Rahmen des Anlagenkonvoluts H 25 überreichte „Stellenausschreibung: Teamleiter des Wohnungsbauteams (m/w)“ (Bl. 475 – 476 d.A.) verwiesen. Als Teamleiter waren dem Kläger Mitarbeiter unterstellt, die als Wohnungsbauspezialisten und – Berater fungierten. Hierzu gehörte u.a. U. T.. Vorgesetzter des Klägers war der Abteilungsleiter Immobilien- und Versicherungscenter B. I..

Das Kreditvergabesystem bei der Beklagten war wie folgt strukturiert: Im Rahmen des Neuabschlusses von privaten Baufinanzierungen oblag es den jeweiligen Wohnungsbauspezialisten, die finale Kreditbewilligung durch einen Kreditbeschluss vorzubereiten. Dieser hatte dabei u.a. folgende Schritte vorzunehmen: Auf Basis aller Unterlagen war der Wert der Immobilie überschlägig zu ermitteln (sog. Vortaxe-Verfahren). Zudem waren weitere Indikatoren (insbesondere Eigenmittel und Ziele der Kunden sowie Bonitätsklasse) zu ermitteln. Auf Grundlage der regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben des Kunden war eine sog. Kapitaldienstberechnung durchzuführen, die künftige Entwicklungen zu berücksichtigen hatte. Nach weiteren möglichen Zwischenschritten hatte der Wohnungsbauspezialist eine Stellungnahme zur Kreditbewilligung abzugeben. Wegen der Einzelheiten des Verfahrens wird auf die von der Beklagten überreichte Anlage H 11 (Darstellung des Muster-Ablaufs einer Abwicklung einer Wohnungsbaufinanzierung …), Bl. 238 ff. d.A., Bezug genommen.

Dabei sollte nach den internen Vorgaben der Beklagten der Beleihungsauslauf – der Quotient von Darlehenshöhe zum überschlägig ermittelten Immobilienwert – 143% nicht überschreiten. Mindestens die Kaufnebenkosten sollten grundsätzlich aus Eigenkapital aufgebracht werden.

Die Kompetenz für die anschließende Bewilligung des Kreditbeschlusses war gemäß der OHB-Regelung „Kreditkompetenzen ImmobilienCenter und Verbundabteilung (#1392)“ je nach Bonitätsstufe und Darlehensvolumen unterschiedlich ausgestaltet. Der Wohnungsbauspezialist durfte Bewilligungen in der besten Bonitätsstufe (Klassen 1-3) bis zu einem Darlehen von maximal 450.000,- EUR selbst durchführen. In dieser Bonitätsstufe oblagen dem Kläger als Teamleiter Darlehensbewilligungen von 450.000,- bis 600.000,- EUR. In den Bonitätsklassen 4-9 verringerte sich die Kompetenz des Klägers auf Darlehensvolumen in Höhe von 450.000,- EUR und in den Klassen 10 – 15 auf maximal 150.000,- EUR. Bei noch schlechterer Bonitätsstufe stand ihm keine Bewilligungskompetenz zu. Weitergehende Bewilligungskompetenzen hatte der Abteilungsleiter. Außerhalb der Kompetenzen der Wohnungsbauspezialisten, des Teamleiters und des Abteilungsleiters bestanden Bewilligungskompetenzen des Vorstandes und des Risikoausschusses. Bei Vorstandsbewilligungen hatte zunächst jedoch neben dem Kreditbeschluss des Wohnungsbauspezialisten eine Befürwortung durch den Kläger zu erfolgen.

Kunden wurden der Beklagten u.a. von Darlehensvermittlern und Tippgebern vermittelt. Darlehensvermittler standen anders als Tippgeber in einer festen Vertragsbeziehung zur Beklagten und mussten einen Nachweis nach § 34i GewO erbringen. Die Tippgeber erhielten für einen Tipp, der zu einem Vertragsabschluss führte, eine Provision. Einer dieser Tippgeber war T. B., der dem Wohnungsbauspezialisten U. T. Immobiliendarlehen zugunsten der Beklagten vermittelte und die hieraus erzielten Provisionen über seine Ehefrau abrechnete. Insgesamt vermittelte T. B. in der Zeit von Juni 2017 bis Juli 2019 60 Kreditvorgänge mit einem Gesamtvolumen von ca. 27,6 Millionen EUR. 18 dieser Kredite hat der Kläger bewilligt, 21 weiteren Kreditanträgen wurde auf Grundlage der Kreditbeschlüsse des U. T. und der Befürwortung des Klägers durch höhere Kompetenzträger stattgegeben. In den übrigen Fällen erfolgte die Kreditgewährung unmittelbar durch Wohnungsbauspezialisten, überwiegend durch den Mitarbeiter T..

Im Juni 2019 fiel U. T. auf, weil er hohe Bargeldeinzahlungen auf sein Konto vorgenommen hatte. Nach Durchführung einer internen Revision stellte die Beklagte unter dem Datum des 26.08.2019 eine Strafanzeige, in der es auszugsweise wie folgt heißt:

„Strafanzeige wegen des Verdachtes des bandenmäßigen und gewerbsmäßigen Betruges (…).

Die interne Revision der Stadtsparkasse T. hat mittlerweile 59 Immobiliar-Finanzierungsgeschäfte identifiziert, bei denen Herr T. B. als Tippgeber und in 54 Fällen Herr U. T. als zuständiger Berater für die Wohnungsbaufinanzierung für Privatkunden zum Schaden der Stadtsparkasse T. zusammengewirkt haben, die überwiegend als kritisch einzustufen sind. (…) Bei den in Anlage H1 dargestellten Kreditvergaben handelt es sich durchgehend um Wohnungsbaufinanzierungen, bei denen Privatkunden Mehrfamilienhäuser oder einzelne in Wohnungseigentum aufgeteilte Eigentumswohnungen (…) mit Hilfe einer durch die Stadtsparkasse T. gewährten Immobiliar-Finanzierung erwerben und in der Regel auch zum Teil sanieren wollten. Die jeweiligen Kreditnehmer, die in der Tabelle in Spalte i „Kunde“ beige unterlegt sind, verfügen nach derzeitigen Erkenntnissen über unterdurchschnittliche Bonität, die es bei ordnungsgemäßer Durchführung des Kreditbewilligungsverfahrens ausschlösse, eine Immobiliar-Finanzierung für den Erwerb einer nicht selbst genutzten Immobilie zu erhalten. Über Herrn U. T. wurden Immobiliar-Darlehen gleichwohl zugunsten der jeweiligen Darlehensnehmer bewilligt, wobei nach derzeitigem Erkenntnisstand davon auszugehen ist, dass die jeweils von den Darlehensnehmern in den Immobilienerwerb einzubringenden Eigenkapitalbestandteile überwiegend nicht vorhanden waren und der Stadtsparkasse T. gefälschte Kontoauszüge oder Sparbucheinträge präsentiert wurden bzw. ein Eigenkapitalnachweis auf Konten dadurch fingiert wurde, dass Gelder von Dritten, vermutlich von Verantwortlichen der Objektgesellschaft NRW 5. mbH, den Darlehensnehmern kurzfristig zur Verfügung gestellt und auf deren Konten eingezahlt wurden, um gegenüber der Stadtsparkasse T. das vermeintliche Vorhandensein von Eigenkapital darstellen zu können. (…) In 25 der in Anlage H1 dargestellten Immobiliar-Finanzierungen sind erhebliche Kaufpreisbestandteile – in Summe mehr als sechs Millionen Euro – nicht an die jeweiligen Verkäufer der Immobilien gezahlt oder zur Ablösung von Grundpfand gegenüber Rechtsgläubigern verwendet worden, sondern an eine Objektgesellschaft NRW 5. mbH. Die Objektgesellschaft NRW 5. mbH ist entweder bereits in den notariellen Kaufverträgen ohne nähere Erläuterung als Zahlungsempfängerin für Teile des Kaufpreises benannt oder aber durch Fälligkeitsmitteilung des jeweils beurkundenden Notars Dr. S., T., als Zahlungsempfänger angegeben worden. Ein materieller Grund für den Empfang von erheblichen Anteilen des Kaufpreises zugunsten der Objektgesellschaft NRW 5. mbH ist nicht ersichtlich. Die an die Objektgesellschaft NRW 5. mbH geflossenen Kaufpreisbestandteile lassen deshalb nur den Rückschluss zu, dass ein überhöhter Kaufpreis bezahlt und über die Stadtsparkasse T. auf Grundlage gefälschter Dokumente finanziert wurde. (…)

Herr T. B. ist als Tippgeber für die Stadtsparkasse T. tätig und erhält für jedes von ihm vermittelte Kreditengagement eine Provision in Höhe von 0,5 Prozent der Darlehenssumme. (…) Die Zahlungen der Provisionen erfolgten aufgrund Anweisung von Herrn T. B. auf das Konto seiner Ehefrau I. B. bei der Stadtsparkasse T. Nummer 1621515. Herr T. B. ist nach den gewonnenen Erkenntnissen das Bindeglied zwischen Herrn U. T., der Objektgesellschaft NRW 5. mbH, den jeweiligen Immobilienverkäufern und den von Herrn B. an die Stadtsparkasse vermittelten Darlehensnehmern / Erwerbern. Zuletzt dürfte Herr T. B. auch Bindeglied zu Herrn Notar Dr. U. S., T., sein, der in der überwiegenden Anzahl der als auffällig identifizierten Finanzierungsgeschäfte den Grundstückskaufvertrag beurkundet hat. Aufgrund der Auswertung des Terminkalenders von Herrn U. T. muss darüber hinaus davon ausgegangen werden, dass Herr T. B. Bargeldbeträge in Höhe von mindestens 187.000,00 Euro an Herrn U. T. aushändigte, um damit die Tatbeteiligung von Herrn U. T. zu vergüten. (…) Zusammengefasst geht die Stadtsparkasse T. davon aus, dass über die Vermittlung von Herrn T. B. Immobilienfinanzierungen an die Stadtsparkasse T. herangetragen wurden, bei denen an bonitätsschwache Erwerber überteuerte Immobilien verkauft wurden. Dass jeweils von den Erwerbern behauptete Eigenkapital war tatsächlich in der überwiegenden Anzahl der in Anlage H1 dargestellten Vorgänge nicht gegeben. Wesentliche Kaufpreisbestandteile für die Bezahlung der überteuerten Kaufpreise wurden ohne ersichtlichen Grund an Gesellschaften ausbezahlt, die in keiner ersichtlichen Verbindung zur Immobilientransaktion stehen, insbesondere an die Objektgesellschaft NRW 5. mbH wie auch an die D. T. X. H. Europe B.V., die H. Foundation Europe B.V. und die N. Real Estate Y. UG. Wie oben dargestellt, bestehen personelle Verflechtungen über die Brüder U. und Herrn D. T. X.. Der Mitarbeiter der Stadtsparkasse T., Herr U. T., hat nach den derzeitig vorliegenden Erkenntnissen im Gegenzug für seine Tatbeteiligung eine Vergütung in Höhe von mindestens 187.000,00 Euro erhalten, da er entweder in eigener Kompetenz Darlehen entgegen der Darlehensvergaberichtlinien bewilligt oder aber den übergeordneten Kompetenzträgern manipulierte Entscheidungsgrundlagen vorgelegt hat.

Wir gehen deshalb davon aus, dass die in Anlage H1 dargestellten Darlehen in betrügerischer Weise erlangt wurden, soweit Herr U. T. in eigener Kompetenz Darlehen bewilligen konnte, besteht der Verdacht einer Untreuehandlung zu Lasten der Stadtsparkasse T., da Herr U. T. seine aus seiner Kompetenzträgereigenschaft resultierende Vermögensbetreuungspflicht verletzt hat. Darüber hinaus liegen aufgrund der zum Teil gefälschten Kontoauszüge Urkundenfälschungen vor. (…)“

Im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Straftaten hörte die Beklagte den Kläger in einem ersten Gespräch am 07.08.2019 mündlich an, wobei sie zu diesem Zeitpunkt eine vorsätzliche Beteiligung des Klägers an den Machenschaften zu Lasten der Stadtsparkasse (noch) nicht ausschloss. Am gleichen Tage wurde dem Kläger jegliche Kreditkompetenz entzogen. Mit Anhörungsschreiben vom 28.08.2019 erfolgte eine erneute Anhörung. Auszugsweise heißt es darin wie folgt:

“ … Nach Prüfung von Kreditvorgängen, bei denen Herr U. T. Berater gewesen ist und in vielen Fällen Sie der zuständige Kompetenzträger waren, gehen wir nunmehr davon aus, dass der dringende Verdacht besteht, dass Sie

-Kredite in eigener Kompetenz entschieden oder aber für die nächst höheren Kompetenzträger positiv votiert haben und dabei nicht nur die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht ordnungsgemäß vorgenommen haben, sondern auch Kreditvergabegrundsätze gröblich außer Acht ließen und zu einem erheblichen Teil Kredite für überteuerte Schrottimmobilien bewilligten bzw. votierten und

-Sie ein grobes Aufsichtsverschulden gegenüber Herrn U. T. begangen haben.

…“

Der Kläger nahm mit Schreiben vom 10.09.2019 Stellung.

Mit einem dem Kläger am 23.09.2019 zugegangenen Schreiben vom selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit der streitgegenständlichen Klage vom 24.09.2019, zugestellt am 04.10.2019, zur Wehr gesetzt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei gemäß § 626 BGB unwirksam. Es fehle bereits am Vorliegen eines wichtigen Grundes. Außerdem habe die Beklagte die 2-Wochen-Frist des § 626 BGB nicht eingehalten. Darüber hinaus hat er die ordnungsgemäße Durchführung der Personalratsanhörung bestritten.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23.09.2019, dem Kläger an diesem Tag zugegangen, beendet worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 23.09.2019 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Bankkaufmann weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Kündigung damit begründet, der Kläger habe zum einen seine Überwachungs- und Aufsichtspflichten gegenüber dem Mitarbeiter T. verletzt, zum anderen Kreditprüfungen nicht ordnungsgemäß vorgenommen und Kreditvorgaben missachtet. Dies habe es ermöglicht, dass der Mitarbeiter U. T. kollusiv mit dem Tippgeber B. und primär der Objektgesellschaft NRW 5. GmbH zu Lasten der Beklagten in 60 Fällen in betrügerischer Absicht habe vornehmen können. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von der Beklagten als Anlage H 24 (Bl. 469 – 471 d.A.) überreichte Übersicht Bezug genommen. In den Fällen, in denen der Kläger Kredite selbst bewilligt oder aber befürwortet habe, habe er unsorgfältig gearbeitet. Bezüglich der übrigen Fälle sei er seiner Aufsichtspflicht gegenüber dem Mitarbeiter T. nicht nachgekommen.

Hinsichtlich der im Verantwortungsbereich des Klägers liegenden Kreditbewilligungen seien ihm u.a. Kompetenzüberschreitungen, die Nichteinhaltung von Geschäfts- und Risikostrategien der Sparkasse, die Überschreitung des regelmäßigen Beleihungsauslaufs, die Missachtung von kritischen Expertenhinweisen, das Übersehen einer verzerrten Darstellung in der Beschluss-Stellungnahme, mangelhafte bzw. unsorgfältige Unterlagenauswertungen, eine unzureichende bzw. mangelhafte Sorgfalt bei der Kreditwürdigkeitsprüfung, eine fehlerhafte Genehmigung von Darlehensauszahlungen, eine fehlende oder unzureichende Plausiblilisierung von Mieterträgen der zu finanzierenden Objekte und eine Unsorgfältigkeit bei der Kreditwürdigkeitsprüfung vorzuwerfen.

Die Beklagte hat behauptet, es habe sich insgesamt um hochkritische Kredite gehandelt, wobei in 35 der 60 Fälle Eigenkapitalnachweise gefälscht gewesen seien. Die Echtheit der Eigenkapitalnachweise hätte sich ohne weiteres und schnell überprüfen lassen. So seien zum Nachweis des vorhandenen Eigenkapitals auffällig oft Kontoauszüge vorgelegt worden, bei denen kurzfristig eine hohe Bareinzahlung oder Überweisung erfolgt seien. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 10 – 16 des Schriftsatzes der Beklagten vom 13.05.2020 nebst der Anlage H 29 Bezug genommen. Die Bonität sei schlecht gewesen, was bei sehr oberflächlicher Betrachtung bereits erkennbar gewesen sei. Die Fehlerhäufigkeit sei eklatant, so seien beispielsweise kritische Experten-Hinweise nicht beachtet, besonders dreiste Fälschungen nicht erkannt sowie ein plötzlicher, völlig untypischer Geldsegen und vieles mehr nicht erkannt worden. Am 06.11.2017 sei dem Kläger bereits anlässlich der Einstellung eines neuen Mitarbeiters durch das Vorstandsmitglied H. nochmals ausdrücklich die Aufforderung zugegangen, im Vermittler- und Tippgebergeschäft den Prüf- und Aufsichtspflichten in besonderer Weise nachzukommen. Dem habe der Kläger bezogen auf den Tippgeber B. nicht Folge geleistet. Dies wiege umso schwerer, als dass er in 2016 – unstreitig – an der Aufarbeitung und Überarbeitung des Anweisungswesens bei einem anderen Kreditbetrugsfall mitgeholfen habe, bei dem durch einen Vermittler fünf Neukunden an die Beklagte vermittelt worden seien. Das Strickmuster in den damaligen Vorgängen sei ähnlich den jetzigen Fällen im Zusammenhang mit dem Tippgeber B. gewesen.

Weiter hat die Beklagte behauptet, der Personalrat sei am 18.09.2019 mit dem als Anlage H 8 (Bl. 194 ff. d.A.) vorgelegten Schreiben zum Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung angehört worden. Der Personalrat habe am 19.09.2019 getagt und der Beklagten anschließend mitgeteilt, der fristlosen Kündigung werde nicht zugestimmt.

Der Kläger hat zu den Kündigungsvorwürfen vorgetragen, es sei zunächst einmal zu beachten, dass in seinem Bereich jährlich ca. 900 bis 1000 Kreditfälle angefallen seien, bei deren Bearbeitung ihm neun Berater und zwei Back-Office Mitarbeiter zur Verfügung gestanden hätten. Aufgrund der Vielzahl an Vorgängen könne er sich unmöglich an Einzelheiten erinnern. Er bestreite mit Nichtwissen, dass in 35 Fällen Eigenkapitalnachweise gefälscht worden seien. Der Kläger habe diese jedenfalls nicht erkennen können. Die angeblich fehlende Bonität der aufgeführten Kunden habe er im Rahmen der ihm obliegenden Schlüssigkeitsprüfung nicht feststellen können. Zudem seien immerhin 16 der von der Beklagten aufgeführten Kreditentscheidungen – unstreitig – vom Vorstandsmitglied H. bzw. dessen Vertreter C. erfolgt. Spätestens bei der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass selbst diese für den Vorstand handelnden Personen nicht erkannt hätten, dass Dritte mit Schädigungsabsicht unvollständige oder gefälschte Unterlagen eingereicht hätten. Auch die Kritik, es hätte beachtet werden müssen, dass Finanzierungen von Kapitalanlagen außerhalb der Ausleihbezirke erfolgt seien, sei nicht plausibel. Auch derartige Kredite seien im nicht risikorelevanten Geschäftsbereich unter 750.000,- EUR im Ein-Voten-System gewünscht gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 26.05.2020 – AZ: 2 Ca 1091/19 – stattgegeben. Gegen dieses Urteil, welches der Beklagten am 26.06.2020 zugestellt worden ist, hat sie mit einem am 09.07.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach einer Fristverlängerung bis zum 28.09.2020 – mit einem am 25.09.2020 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe sich mit Argumenten der Beklagten und dem konkreten Sachverhalt nicht auseinandergesetzt. Bei zutreffender Würdigung des Sachverhalts hätte es zum Ergebnis kommen müssen, dass ein wichtiger Grund für den Ausspruch der Kündigung vorgelegen habe und der Beklagten bei Abwägung der wechselseitigen Interessen nicht zugemutet werden könne, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. So wären dem Kläger in 34 Kreditbewilligungen in fremder Kreditkompetenz (13 von Herrn T. und 21 Vorgänge, in denen der Kläger eine positive Bewertung für höhere Kompetenzträger abgegeben habe) Unregelmäßigkeiten aufgefallen, wenn er den ihm obliegenden Prüfungs- und Aufsichtspflichten ordnungsgemäß nachgekommen wäre. Erst recht gelte dies für die Kredite, welche der Kläger selbst bewilligt habe.

Bezüglich U. T. führt die Beklagte weiter aus: Dem Kläger habe als Teamleiter eine stichprobenartige Überprüfung der Arbeitsergebnisse des Herrn T. oblegen. Außerdem hätten besondere Umstände bestanden, die den Kläger zu einer Prüfung hätten veranlassen müssen. Da U. T. besonders erfolgreich gewesen sei, hätte der Kläger bei diesem sowohl aus risikorelevanten als auch vertriebstechnischen Überlegungen näher hinschauen müssen.

Bezüglich T. B. sei der Kläger jedenfalls seit dem 01.10.2018 wiederholt vom Vorstandsmitglied H. darauf hingewiesen worden, auf die von diesem vermittelten Kreditvorgänge zu achten. Da Herr B. nicht nur – wie bei Tippgebern üblich – Kontakte vermittelt, sondern auch Kunden zu Gesprächen begleitet und für diese Unterlagen eingereicht habe, hätte er nicht mehr als Tippgeber geführt werden dürfen. Stattdessen hätte ein Vermittlervertrag geschlossen und eine Gewerbeerlaubnis nach § 34i GewO eingeholt werden müssen. Da Herr B. sich laut der staatsanwaltlichen Ermittlungen in ungeordneten Vermögensverhältnissen befinde, wäre ihm die Gewerbeerlaubnis nicht erteilt worden. Zudem sei auffällig gewesen, dass die Rechnungen über die Ehefrau des T. B. liefen, obwohl dieser selbst tätig geworden sei. Auch die Erkenntnisse aus den Vermittlerreports, in denen B. als Top-Vermittler erkennbar gewesen sei, hätten beim Kläger zu einer erhöhten Aufmerksamkeit führen müssen.

Weiter trägt die Beklagte vor, der Kläger habe seine eigenen Kreditbeschlüsse offenkundig nicht oder nicht ordnungsgemäß bearbeitet. Dies lasse sich bereits anhand der Kreditbeschlüsse ersehen. Daraus ließen sich in sämtlichen Fällen zahlreiche Auffälligkeiten entnehmen, die dazu hätten führen müssen, dass die Kredite nicht hätten bewilligt werden dürfen. So habe in 16 der 18 Fälle der Beleihungsauslauf oberhalb der 143% gelegen. Die Einkommenshöhe der Kunden habe durchgehend weder zur Höhe der Gesamtverschuldung noch zum Vorhaben an sich, dem Kauf eines Renditeobjektes, gepasst. So seien beispielsweise Kredite an Busfahrer, Maurer, Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes, Lagergehilfen oder einer Bürokauffrau mit einem Nettoentgelt von jeweils nicht mehr als 2.000,- EUR (Fälle Nr. 4, 6, 8, 11, 54 gemäß der Anlage H 24) oder bei Mehrpersonenhaushalten zusammen nicht mehr als 3.500,- EUR (Nr. 5, Nr.12, 24, 29, 34, 59) bewilligt worden. Die Kundin D. (Fall Nr. 53) sei sogar erwerbslos mit zwei Kindern; ihr Einkommen beziehe sie aus den Mieteinnahmen des Mehrfamilienhauses, in dem sie auch wohne. In erheblicher Größenordnung (220.000,- EUR) habe das Darlehen zur Bereitstellung von Liquidität für die private Lebenshaltung dienen sollen, was nicht hinterfragt worden sei. Mehrfach habe ein auffälliger Widerspruch darin gelegen, dass die Kunden ein hohes Eigenkapital hätten einbringen können, gleichzeitig aber Konsumentenkredite aufgenommen hätten (Fälle Nr. 2, 4, 5, 8, 12, 23, 24, 29, 33, 59). Ein Großteil der finanzierten Objekte habe sich außerhalb des Wohnortes der Kunden befunden (Fälle Nr. 2, 4, 5, 8, 12, 23, 29, 33, 34, 54 und 59).

Da sich sämtliche Angaben den Kreditbeschlüssen entnehmen ließen, die dem Kläger bei der Bewilligung vorgelegen haben müssten, komme es auf den Einwand des Arbeitsgerichts, es sei nicht nachzuvollziehen, welche Unterlagen sich zum Zeitpunkt der Kreditbewilligung in den Akten befunden hätten, nicht an. Dieser Einwand sei aber auch deshalb nicht tragfähig, da eine solche Argumentationslinie darauf hinausliefe, es hätten dem Kläger ursprünglich Unterlagen vorgelegen, die ohne Auffälligkeiten eine Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer bescheinigt hätten. Diese Unterlagen wären dann im Nachgang von Herrn T. gegen die nun bekannten (gefälschten) Unterlagen ausgetauscht worden. Der Sinn eines solchen Vorgehens erschließe sich aber nicht einmal ansatzweise. Sofern die Argumentation des Arbeitsgerichts hingegen so zu verstehen sei, dass dem Kläger die gefälschten Unterlagen überhaupt nicht vorgelegen haben sollten, dann hätte der Kläger seine Entscheidungen auf Grundlage unvollständiger Unterlagen getroffen, worin wiederum eine nicht zu rechtfertigende Pflichtverletzung läge.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 26.05.2020 – AZ: 2 Ca 1091/19 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvorbringens.

Er meint, es fehle bereits an einem wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Auch aus der Berufungsbegründung ergebe sich nicht, woher er im Zeitpunkt der Kreditbewilligungen die Umstände hätte erkennen können, welche die Beklagte im Nachhinein in wochenlangen Recherchen habe feststellen können. Auffällig sei zudem, dass eine größere Anzahl an Kreditbewilligungen in die Entscheidungskompetenz des Vorstandsmitglieds H. gefallen sei, dem die Mängel nicht aufgefallen seien, obwohl er den Kläger angeblich mehrfach bezüglich B. gewarnt haben wolle.

Weiter sei die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden. Zudem sei er unzureichend angehört worden. Auch die Anhörung des Personalrats sei nicht ordnungsgemäß gewesen. Es sei der falsche Eindruck erweckt worden, der Kläger habe eine ordnungsgemäße Möglichkeit erhalten, sich ausreichend mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen. Die Interessenabwägung falle zu seinen Gunsten aus. Er habe – unstreitig – mehr als 25 Jahre ohne irgendeine Beanstandung für die Beklagte gearbeitet.

Der Kläger trägt vor, als Teamleiter habe er Vorgänge, die in die Entscheidungskompetenz der Wohnungsbauspezialisten fielen, nicht auf ihre Schlüssigkeit überprüfen müssen. Zu seinen Aufgaben habe es laut Stellenausschreibung lediglich gehört, sein Team zu führen, Arbeitsabläufe zu koordinieren, Mitarbeitergespräche zu führen, Strukturen zu optimieren und eigene Beratungen durchzuführen. Kontrollorgan sei er nicht gewesen. Der Beklagten sei zudem bekannt gewesen, dass ihr Ein-Voten-Konzept anfällig sei. Nach den Vorgaben der Bafin (Mindestanforderungen an das Risikomanagement [MaRisk]) wäre ein zweites Votum erforderlich gewesen. Der Verzicht der Beklagten auf eine Umstellung auf ein Zwei-Voten-Konzept könne dem Kläger nicht angelastet werden. Des Weiteren lasse sich überhaupt nicht mehr feststellen, wie die Akten zum Zeitpunkt der Kreditbewilligung ausgesehen hätten, wie die Beklagte in einem Parallelverfahren habe einräumen müssen. Es sei naheliegend, dass Herr T. sämtliche erdenklichen Mittel angewendet habe, um seine Ziele zu erreichen, und im Zuge dessen gegebenenfalls dem Kläger unzureichende Unterlagen untergeschoben bzw. solche im Nachhinein manipuliert habe.

Bezüglich der Vorgaben für Beleihungsausläufe habe es sich nur um eine „Sollvorschrift“ gehandelt.

Bezogen auf Herrn B. habe es weder Hinweise des Vorstandsmitglieds H. noch Verdachtsmomente gegeben. Die Abrechnung sei offen über dessen Ehefrau erfolgt. Es sei nicht ungewöhnlich, dass ein Tippgeber nicht mit dem Rechnungsempfänger identisch sei. Die Einstufung von B. als Tippgeber oder Vermittler habe nicht zum Aufgabenbereich des Klägers gehört. Aus den monatlichen Vermittlungsreports, adressiert an den Vorstand, sei – unstreitig – zu entnehmen gewesen, dass B. Tippgeber war.

Schließlich sei zu bedenken, dass die Beklagte, obwohl ihre Kontrollmechanismen versagt hätten, neben U. T. ausschließlich dem Kläger und seinem Vorgesetzten I. gekündigt habe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts, auf die Sitzungsniederschriften beider Instanzen sowie ergänzend auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

I. Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die elektronisch übersandten Schriftsätze erfüllen die Voraussetzungen des § 130a ZPO nebst den dazu ergangenen Verordnungen. Die Berufung ist auch statthaft gemäß § 64 Abs. 1, 2 Ziffer b und c ArbGG.

II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23.09.2019 nicht beendet worden. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist ebenfalls begründet.

1. Die fristlose Kündigung vom 23.09.2019 ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

a) Gemäß § 626 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung, ob danach im konkreten Fall ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt, hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in zwei Schritten zu erfolgen. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Dabei muss auch festgestellt werden, ob der an sich zur außerordentlichen Kündigung geeignete Sachverhalt im Streitfall zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. In einer zweiten Stufe ist zu untersuchen, ob nach Abwägung der in Betracht kommenden Interessen der Parteien des Arbeitsverhältnisses die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist (vgl. nur BAG v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 15; BAG v. 16.07.2015 – 2 AZR 85/15 – Rn. 21; BAG v. 08.05.2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 16; BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11 -).

Die Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände des wichtigen Grundes gem. § 626 BGB trifft den Arbeitgeber. Dies umfasst auch die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen (ständige Rspr., vgl. nur BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14 – Rn. 23; BAG v. 17.06.2003 – 2 AZR 123/02 -).

b) Schlechtleistungen als Vertragspflichtverletzungen können ausnahmsweise eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer bewusst (vorsätzlich) seine Arbeitskraft zurückhält und nicht unter angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fähigkeiten arbeitet (vgl. BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/06 -, BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02 -) oder wenn es sich um einen besonders schweren Fehler handelt (BAG v. 15.11.2001 – 2 AZR 380/00 – [der Krankenpfleger auf einer Intensivstation schaltet aus Versehen das Beatmungsgerät für einen Patienten ab]) oder infolge der Fehlleistungen ein nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht und bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ähnliche Fehlleistungen des Arbeitnehmers zu befürchten sind (BAG v. 20.3.1969 – 2 AZR 283/68 -; LAG Niedersachsen v. 16.9.2011 – 16 Sa 1827/10 -; vgl. zur Problematik insgesamt: Vossen in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 6. Auflage 2021, BGB § 626 Rn. 258 m.w.N.).

c) Danach gilt hier Folgendes:

aa) Hinsichtlich eines Teils der Vorwürfe fehlt es schon an einem Fehlverhalten, welches „an sich“ die Kündigung rechtfertigen könnte.

Der Kläger hat nicht massiv seine Aufsichtspflichten gegenüber dem Mitarbeiter T. verletzt. Eine Verpflichtung, Kreditbewilligungen ohne Anlass zu kontrollieren, welche U. T. in eigener Kompetenz vorgenommen hat, lässt sich weder der Stellenausschreibung eines Teamleiters noch den Organisationsanweisungen der Beklagten entnehmen. Eine solche Verpflichtung wäre widersinnig, da es dem nach Bonitäten und Darlehenshöhe gestaffelten System von Kompetenzen zuwiderliefe. Es gab auch keine konkreten Verdachtsmomente, die den Kläger dazu hätten bewegen müssen, die Kreditbewilligungen des U. T. zu überprüfen. Allein die Tatsache, dass dieser zu den erfolgreichsten Wohnungsbauspezialisten gehörte, reicht hierfür nicht aus. Es liegt in der Natur der Sache, dass innerhalb von Vergleichsgruppen einzelne am besten und andere Mitarbeiter am schlechtesten abschneiden. Ob die Auffassung der Beklagten zutreffend ist, es sei aus vertrieblichen Gründen geboten gewesen, zu überprüfen, worauf die Vertriebserfolge des Mitarbeiters T. beruhten, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls lässt sich hieraus nicht ableiten, dass es hierfür einer Überprüfung der Kreditbewilligungen bedurft hätte. Diese sind das Ergebnis erfolgreicher Vertriebsbemühungen, nicht deren Grundlage.

Auch bezogen auf B. liegt keine Vertragspflichtverletzung des Klägers vor. Für ihre Behauptung, das Vorstandsmitglied H. habe den Kläger wiederholt darauf hingewiesen, er möge auf die vom Tippgeber B. vermittelten Vorgänge achten, hat die Beklagte keinen zulässigen Beweis angeboten. Dem angebotenen Beweis durch Vernehmung des Vorstandsmitglieds H. als Partei war nicht nachzukommen. Eine Parteivernehmung gemäß § 447 ZPO kam nicht in Betracht, da der Kläger der Vernehmung nicht zugestimmt hat. Die Voraussetzungen einer Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO lagen ebenfalls nicht vor. Hierfür müsste zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Beweisergebnis bestehen, sog. Anfangsbeweis (vgl. Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2020, § 448 ZPO Rn. 4). Daran fehlt es. Auf den Vorwurf, der Kläger hätte veranlassen müssen, dass für B. ein Gewerbeschein als Vermittler beantragt werde, kann die Kündigung schon deshalb nicht gestützt werden, weil dies nicht Gegenstand der Personalratsanhörung war. Zudem vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass diese Verpflichtung zu den Aufgaben des Klägers gehörte. Im Übrigen scheint selbst das Vorstandsmitglied H. eine solche Beantragung nicht für erforderlich gehalten zu haben, denn – die Richtigkeit des Vortrages der Beklagten unterstellt – will er den Kläger zwar angewiesen haben, auf die vom Tippgeber B. vermittelten Vorgänge zu achten, nicht aber dafür zu sorgen, dass dieser als Vermittler geführt werde. Herr H. mag zwar keine Kenntnis davon gehabt haben, dass B. weitergehende Tätigkeiten wie die Beibringung von Unterlagen erbrachte, ihm waren aber die für einen Tippgeber offensichtlich atypischen erheblichen Vermittlungszahlen des B. aus den monatlichen Reports bekannt.

bb) Hingegen hat der Kläger seine ihm arbeitsvertraglich obliegenden Sorgfaltspflichten bei der Bewilligung von Krediten in eigener Kompetenz und der Befürwortung von Kreditbewilligungen für höhere Kompetenzgeber verletzt.

aaa) Bei den Kreditbewilligungen in eigener Kompetenz geht aus den Kreditbeschlüssen, welche dem Kläger bei der Beschlussfassung unzweifelhaft vorgelegen haben müssen, in zahlreichen Fällen hervor, dass der Kläger seiner Prüfungspflicht nicht oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Dabei wird zu seinen Gunsten unterstellt, dass er sich grundsätzlich auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränken durfte. Tatsächlich weisen aber eine Reihe von Kreditbeschlüssen Auffälligkeiten auf, die zu einer näheren Prüfung hätten führen müssen. Diese Prüfung hat der Kläger aber nicht vorgenommen, sondern die Kredite jeweils bewilligt.

So ist es auffällig, dass gehäuft Kunden mit sehr geringem Einkommen – oftmals unter 2.000,- EUR netto monatlich – hochpreisige Mietobjekte erworben haben. Auch wenn dies natürlich nicht per se ausgeschlossen ist, handelt es sich insoweit jedenfalls nicht um die typischen Investoren von Miet-Immobilien, insbesondere, da sie Mieteigentum erwarben, obwohl sie selbst unverändert in anderen Mietwohnungen wohnen bleiben wollten. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Mietobjekte weit vom Wohnort der Käufer entfernt lag, was Fragen hätte aufwerfen müssen: Welches Motiv haben diese Menschen, Mietobjekte zu erwerben, deren Verwaltung sie wegen der räumlichen Entfernung nur schwer selbst übernehmen können? Wie sind diese Kunden an die Objekte gekommen? Weiter fällt auf, dass viele der Kunden, zwar angeblich über beträchtliches Eigenkapital verfügten, zugleich aber Verbraucherkredite aufgenommen hatten. Auch das ist zwar nicht ausgeschlossen, hätte aber – wenn der Kläger tatsächlich eine Schlüssigkeitsprüfung vorgenommen hätte – zumindest einmal eine nähere Überprüfung der Eigenkapitalnachweise zur Folge haben müssen. Schließlich ist die Überschreitung des Beleihungsauslaufs in 16 von 18 Fällen zu nennen. Zwar handelte es sich bei der Vorgabe, dass der Beleihungsauslauf 143% nicht überschreiten solle, nicht um eine zwingende Vorschrift. Das bedeutet aber nicht, dass sie – wie vom Kläger gehandhabt – ins Gegenteil verkehrt und eine Überschreitung – jedenfalls in den hier zu beurteilenden Fällen – zum Regelfall hätte werden können. Vielmehr hätte es dem Kläger oblegen, jeweils im Einzelnen zu überprüfen, ob eine Überschreitung notwendig und das Risiko angesichts der Bonität der Kunden vertretbar ist. Insbesondere bei den sehr einkommensschwachen Kunden hätte dann keine Kreditbewilligung erfolgen dürfen.

Hätte der Kläger die oben dargelegten Auffälligkeiten zum Anlass genommen, beigefügte Unterlagen näher anzusehen, so wäre ihm aufgefallen, dass in einer Reihe von Fällen offensichtlich gefakte Eigenkapitalnachweise vorgelegt wurden. So lässt sich der von der Beklagten überreichten Anlage B 29 entnehmen, dass in den nachstehend aufgeführten Fällen Kontoauszüge mit auffällig hohen Überweisungen zum Zwecke des Eigenkapitalnachweises überreicht wurden (im Folgenden wird die Nummerierung gemäß der Anlage H 24 übernommen):

  • Fall Nr. 4 (I. N.): 60.000,- EUR Bargeldeinzahlung
  • Fall Nr. 5 (D. ×.): Girokonto mit Guthaben 40.960,03 EUR bei einem Paar mit einem gemeinsamen monatlichen Nettoeinkommen von 3.500,- EUR, erhebliche Bareinzahlungen von 6.500,- EUR, 5.000,- EUR, 8.000,- EUR, 2.000,- EUR und noch einmal 5.000,- EUR.
  • Fall Nr. 6 (L. C.)Bargeldeinzahlung von 42.000,- EUR
  • Fall Nr. 8 (T. T.)Bargeldeinzahlung von 41.500,- EUR
  • Fall Nr. 12 (H. H.) Bargeldeinzahlung von 35.000,- EUR
  • Fall Nr. 23 (E. L.)Auffälliger Guthabenanstieg:

28.09.2018 Saldo – 2.758,11 EUR

12.10.2018 Saldo + 44.578,70 EUR

Fall Nr. 29 (N. L.)Bargeldeinzahlung 35.000,- EUR

Soweit der Kläger und ihm folgend das Arbeitsgericht ausgeführt haben, es könne nicht nachvollzogen werden, in welcher Form die Kreditakten dem Kläger vorgelegt worden seien, vermag die Kammer dem für die Eigenkapitalnachweise nicht zu folgen. Zwar mag es sein, dass U. T., der insgesamt eine hohe kriminelle Energie an den Tag gelegt hat, im Nachhinein noch Kreditakten manipuliert hat. Es kann aber ausgeschlossen werden, dass er nachträglich gute durch schlechte Eigenkapitalnachweise ersetzt hat. Aus diesem Grund kommt die Kammer im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu dem Ergebnis, dass dem Kläger zum Zeitpunkt der Kreditbewilligung entweder die oben dargestellten oder aber überhaupt keine Eigenkapitalnachweise vorgelegen haben. In beiden Fallkonstellationen hätte eine Kreditbewilligung nicht erfolgen dürfen.

bbb) Auch bei den Krediten, die von einer höheren Kompetenzebene nach einer Befürwortung durch den Kläger genehmigt wurden, hat der Kläger vergleichbare Fehler begangen. Dies betrifft etwa die Fälle Nr. 1 (N. T.), 7 (B. H.), 13 (O. T.), 14 (B. I.), 27 (T. B.), 28 (F. ×.) und 45 (D. C.).

d) Ob noch weitergehende Pflichtverletzungen vorliegen, ob und in welchem Umfang hierdurch eine Vermögensgefährdung der Beklagten eingetreten ist und ob die genannten Vorwürfe geeignet sind, eine fristlose Kündigung „an sich“ zu rechtfertigen, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben. Auch wenn man dies alles zugunsten der Beklagten unterstellt, scheitert die fristlose Kündigung an der vorzunehmenden Interessenabwägung.

aa) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen (BAG v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 29; BAG v. 23.08.2018 – 2 AZR 235/18 – Rn. 40). Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese (BAG v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 29; BAG v. 16.08.1991 – 2 AZR 604/90 – zu III 3e bb der Gründe).

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 30; BAG v. 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 28). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 186/11 – Rn. 22; BAG v. 09.06.2011 – 2 AZR 381/10 – Rn. 18).

Aber selbst dann, wenn eine Abmahnung entbehrlich ist, kommt eine außerordentliche Kündigung nur in Betracht, wenn selbst eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wäre (BAG v. 07.05.2020 – 2 AZR 678/19 – Rn. 16; BAG v. 09.06.2011 – 2 AZR 284/10 – Rn. 30). Dieser Maßstab gilt ebenso, wenn ein Arbeitnehmer ordentlich unkündbar ist (BAG v. 07.05.2020 – 2 AZR 678/19 – Rn. 16). Es spielt keine Rolle, ob die Kündigungsfrist „real“ (ordentliche Kündbarkeit) oder „fiktiv“ (ordentliche Unkündbarkeit) ist (BAG v. 07.05.2020 – 2 AZR 678/19 – Rn.16).

bb) Danach ist die außerordentliche Kündigung unwirksam. Als milderes Mittel hätte vorrangig eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen. Jedenfalls aber wäre der Beklagten die Einhaltung der (fiktiven) Kündigungsfrist zumutbar gewesen.

aaa) Eine Abmahnung war nicht ausnahmsweise entbehrlich.

Zwar ist insoweit zugunsten eines sofortigen Beendigungsinteresses der Beklagten anzuführen, dass durch feststehende und etwaige weitere Pflichtverletzungen des Klägers eine Vermögensgefährdung eingetreten ist. Es steht zu befürchten, dass eine nicht unerhebliche Zahl der Kredite während der Laufzeit notleidend wird. Insoweit wird zugunsten der Beklagten ein Schaden in Millionenhöhe unterstellt.

Dem steht allerdings eine – unter Einschluss des Praktikums und der Ausbildung – über 25-jährige beanstandungsfreie Beschäftigungszeit gegenüber. Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört (BAG v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 47). Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der jeweils anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist (BAG v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 47).

Die Beklagte hatte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung keinen Anlass für die Annahme, der Kläger werde sein Verhalten nach einer entsprechenden Abmahnung nicht ändern. Er hat der Beklagten nicht vorsätzlich Schaden zugefügt, sondern schlicht Schlechtleistungen erbracht. Im Wesentlichen bestand sein Fehler darin, dass er „blind“ dem ihm unterstellten Mitarbeiter U. T. vertraut und deshalb die ihm obliegenden Schlüssigkeitsprüfungen nicht oder nicht sorgfältig erbracht hat. Fehlende Sorgfalt lässt sich aber ohne weiteres in der Zukunft abstellen.

Es handelte sich auch nicht um derart schwerwiegende Pflichtverletzungen, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten erkennbar nicht zumutbar gewesen wäre. Zwar ist insoweit wiederum zugunsten der Beklagten anzuführen, dass durch die fehlerhaft erfolgten Kreditgewährungen Schäden entstanden sind bzw. zumindest eine erhebliche Vermögensgefährdung eingetreten ist. Es steht zu erwarten, dass eine nicht unerhebliche Anzahl der Kredite im Laufe der Zeit notleidend werden könnte. Zugunsten des Klägers ist aber anzuführen, dass nicht nur die Beklagte, sondern er selbst Opfer von Betrügern geworden ist. Soweit die Beklagte anführt, der Kläger habe aufgrund der Aufarbeitung eines vergleichbaren Falles vor einigen Jahren vorgewarnt sein müssen, ist dies zwar zutreffend, es macht aber einen entscheidenden Unterschied, ob man nur im Nachhinein – quasi von außen – mit einem derartigen Betrug konfrontiert oder aber selbst von einem eigenen Mitarbeiter getäuscht wird. Allein daraus, dass der Kläger die Aufarbeitung des Falles vor einigen Jahren nicht zum Anlass für mehr Vorsicht genommen hat, kann nicht gefolgert werden, dass er nicht in der Lage sein wird, aus den jetzigen – ihn unmittelbar betreffenden – Erfahrungen zu lernen.

Zugunsten des Klägers ist weiter anzuführen, dass die Beklagte anderen verantwortlichen Personen durchaus die entsprechende Lernfähigkeit zugesteht. So hat sie weder bezüglich des Vorstandsmitglieds H. noch hinsichtlich dessen Vertreters C. vertragsrechtliche Konsequenzen gezogen, obwohl auch diese Kredite bewilligt haben, ohne eine ordnungsgemäße Schlüssigkeitsprüfung vorgenommen zu haben. Soweit die Beklagte ausführt, insoweit habe ein anderer Prüfungsmaßstab zu gelten, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die nach Bonität und Darlehenshöhe abgestuften Kreditkompetenzen würden keinen Sinn machen, wenn dem für Kredite mit höheren Risiken zuständigen Vorstandsmitglied keine oder geringere Prüfungspflichten obliegen würden als den Team- oder Abteilungsleitern im Rahmen ihrer eigenen Kreditkompetenzen. Dass insoweit eine weitere Ebene der Prüfung eingeschaltet ist, die darin besteht, dass der Kläger eine Befürwortung (oder Ablehnung) vorzunehmen hatte, soll das Vorstandsmitglied nicht etwa entlasten, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass es sich um Kredite mit höheren Risiken handelt. Die zusätzliche Sicherung im Sinne einer weiteren Prüfungsinstanz würde ausgehebelt, wenn anschließend der eigentliche Entscheider – das Vorstandsmitglied – sich auf die Prüfung „blind“ verlassen könnte. Meint die Beklagte aber, dem Vorstandsmitglied H. und seinem Vertreter zukünftig Kreditbewilligungen anvertrauen zu können, obwohl auch diese Warnzeichen verkannt und gefakte Eigenkapitalnachweise übersehen haben, ist kein Grund ersichtlich, warum ihr dies beim Kläger nicht möglich sein sollte.

Weiter ist zu bedenken, dass die Beklagte ihrerseits bewusst Risiken eingegangen ist. So hat sie sich entschieden, Begutachtungen der finanzierten Mietobjekte erst nach der Valutierung des Darlehens vorzunehmen. Es liegt auf der Hand, dass diese Vorgehensweise zu Risiken führt, weil der Wert der Immobilien im Vorfeld nicht sicher bewertet werden kann. Dementsprechend wird im Rundschreiben 09/2017 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unter BTO 1.2.1 Ziff.3 ausgeführt: „Die Werthaltigkeit und der rechtliche Bestand von Sicherheiten sind grundsätzlich vor der Kreditvergabe zu überprüfen.“ Zwar lässt sich den hierzu ergangenen Erläuterungen entnehmen, dass die Überprüfung der Werthaltigkeit einer Sicherheit durch eine Ortsbesichtigung „ab einer vom Institut unter Risikogesichtsprunkten festzulegenden Grenze“ zu erfolgen hat. Wäre die Beklagte diesbezüglich aber weniger Risiken eingegangen, so wären die über B. vermittelten Finanzierungen von überteuerten Immobilien bzw. Schrottimmobilien (vgl. hierzu die Ausführungen in der Personalratsanhörung, Anlage H 8) nicht erfolgt und der entstandene Schaden geringer gewesen.

Zusätzlich hat die Beklagte hinsichtlich der Votierung Risiken in Kauf genommen. Sie hat sich dafür entschieden, bei den Krediten im nicht risikorelevanten Geschäft kein zweites Votum einzuholen. Dies verstößt zwar – anders als der Kläger meint – nicht gegen die Vorgaben der Bafin, denn dort heißt es unter BTO 1.1 Ziff. 2 des Rundschreibens 09/2017: „Abhängig von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt des Kreditengagements erfordert eine Kreditentscheidung zwei zustimmende Voten der Bereiche Markt und Marktfolge.“ Gemäß den Erläuterungen hierzu gehört das standardisierte Mengengeschäft regelmäßig zu den nicht risikorelevanten Kreditgeschäften. Es kann aber nicht verkannt werden, dass das 2-Voten-System insgesamt sicherer ist. Hätte die Beklagte dementsprechend in den vorliegenden Fallkonstellationen ein zusätzliches Votum der Marktfolge eingeholt, so wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schaden bzw. eine Vermögensgefährdung vermieden worden. Mit dem Verzicht auf ein zusätzliches Votum der Marktfolge ist die Beklagte bewusst das Risiko eingegangen, dass Fehler desjenigen, der Kredite bewilligt – also hier des Klägers – nicht korrigiert werden können und sich unmittelbar schadensrelevant auswirken. Auch dies ist bei der Interessenabwägung und der Frage, ob vorrangig eine Abmahnung hätte erfolgen müssen, zu berücksichtigen.

Insgesamt hätte demnach als milderes Mittel vorrangig eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen.

bbb) Selbst wenn man aber eine Abmahnung entgegen den obigen Ausführungen für entbehrlich halten sollte, wäre es der Beklagten zumutbar gewesen, zumindest die (fiktive) ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten.

Insoweit ist wiederum zugunsten des Klägers seine lange beanstandungsfreie Beschäftigungszugehörigkeit anzuführen. Außerdem sind ihm zwar Schlechtleistungen, nicht aber eine vorsätzliche Schädigung der Beklagten vorzuwerfen. Selbst wenn man im Hinblick auf den Umfang der Sorgfaltspflichtverletzungen und des (potentiell) hierdurch verursachten Schadens davon ausginge, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt wäre, so bedürfte es zumindest keiner sofortigen Beendigung. Dabei ist nämlich zu berücksichtigen, dass eine Wiederholungsgefahr während der Dauer der Kündigungsfrist nicht zu erwarten war. Da das Arbeitsverhältnis mit U. T. und die Zusammenarbeit mit B. beendet worden sind, war es äußerst unwahrscheinlich, dass während der Dauer der Kündigungsfrist weitere Täuschungen erfolgen würden. Auch stand zu erwarten, dass der Kläger für die Dauer der Kündigungsfrist infolge der Ereignisse in Zusammenhang mit T./B. wieder zu der früher gezeigten sorgfältigen Arbeitsweise zurückkehren würde.

Wenn die Beklagte aber – wofür entsprechend den obigen Ausführungen kein Anlass bestünde – das Risiko nicht eingehen wollte, Kreditentscheidungen dem Kläger anzuvertrauen, wäre es ihr zumutbar gewesen, während der Dauer der Kündigungsfrist bezüglich der dem Kläger obliegenden Kreditentscheidungen entweder ein zweites Votum einzuholen oder ihn aber ausschließlich mit den sonstigen einem Teamleiter obliegenden Aufgaben zu beschäftigen.

2. Eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung scheidet aus, da der Kläger gemäß § 34 Abs. 2 TVöD-S ordentlich unkündbar ist.

3. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vom 23.09.2019 zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

In seiner grundlegenden Entscheidung zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch (BAG v. 27.02.1985 – GS 1/84 -) hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt, dass – außer im Fall einer offensichtlich unwirksamen Kündigung – regelmäßig aufgrund der Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses ein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers während des Kündigungsschutzprozesses bestehe. Ergehe jedoch ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil, überwiege in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, es sei denn, es lägen besondere, hiergegen sprechende Umstände vor. Solche gegen eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sprechenden Umstände könnten sich u.a. ergeben, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde. Derartige Umstände, die ausnahmsweise trotz des Obsiegens des Klägers hinsichtlich der Kündigung einer Weiterbeschäftigung entgegenstünden, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

B.

I. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

II. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor.

 

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