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Ordentliche Kündigung Ausbildungsverhältnis – vertragliche Kündigungsmöglichkeit

ArbG Berlin – Az.: 17 Ca 15895/20 – Urteil vom 04.05.2021

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstandes (Beschwerdewert) wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Ausbildungsverhältnisses zur psychologischen Psychotherapeutin.

Der Beklagte bildete die Klägerin im Anschluss an deren Studium der Psychologie seit dem 05.10.2015 zur psychologischen Psychotherapeutin aus. Zu den Aufgaben der Klägerin im Rahmen der kostenpflichtigen Ausbildung zählen neben der Behandlung von Patienten die Teilnahme an Supervisionssitzungen sowie an einer Lehranalyse.

In dem schriftlichen „Vertrag zur Postgraduierten-Weiterbildung“ der Parteien (Kopie Anlage 1; Bl. 24 ff. d. A.) heißt es unter anderem:

6. Kündigung

(1) Der Vertrag kann vom/von der Ausbildungsteilnehmerin/in und der Ausbildungsstätte jeweils 3 Monate vor Beginn des nächsten Semester[s] schriftlich gekündigt werden. Voraussetzung dafür ist eine persönliche Unterredung mit dem Ausbildungsleiter.

(2) Die Ausbildungsstätte kann den Vertrag außerordentlich kündigen, wenn sich im Laufe der Ausbildung die fachliche und persönliche Eignung des/der Ausbildungsteilnehmer/s/in nicht erwiesen hat. Diese außerordentliche Kündigung muss schriftlich unter Angabe der Gründe erfolgen. Der/die Ausbildungsteilnehmer/in kann daraus keine finanziellen Ansprüche gegenüber der Ausbildungsstätte ableiten.

(3) […]

Mit Schreiben vom 17.11.2020 sprach der Beklagte gegenüber der Klägerin in Bezug auf den Ausbildungsvertrag die „Außerordentliche Kündigung und (hilfsweise) fristgemäße Kündigung zum 24.02.2021 (Beginn des nächsten Semesters)“ aus. Wegen des weiteren Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf die als Anlage 3 eingereichte Kopie (Bl. 31 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat mit einem am 07.12.2020 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht, wobei wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens auf den Inhalt der Klageschrift (Bl. 18 ff. d. A.) sowie ihren Schriftsatz vom 25.03.2021 (Bl. 81 ff. d. A.) Bezug genommen wird.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungsverhältnis nicht durch die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung des Beklagten vom 17.11.2020 aufgelöst ist;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 24.02.2021 weiter fortbesteht;

3. festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende Vertrag zur Postgraduierten-Weiterbildung nicht durch die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung des Beklagten vom 17.11.2020 aufgelöst ist;

4. festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende Vertrag zur Postgraduierten-Weiterbildung auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 24.02.2021 weiter fortbesteht.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf seine Schriftsätze vom 11.01.2021 (Bl. 47 ff. d. A.) und 27.04.2021 (Bl. 109 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist dabei nach § 2 Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) eröffnet. Zwar ist Gegenstand des Verfahrens keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Dem gleichzusetzen ist jedoch der Streit zwischen Auszubildenden und Ausbildern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Ausbildungsverhältnisses. Zu den zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten im Sinne von § 5 Absatz 1 Satz 1 ArbGG zählen dabei auch Psychotherapeuten in Ausbildung (BAG, Beschluss vom 15. April 2015 – 9 AZB 10/15 –, juris, Rn. 10 ff.).

II. Die zulässigen Klageanträge sind unbegründet.

1. Dies gilt zunächst für die als Kündigungsschutzanträge im Sinne von § 4 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gefassten Anträge zu 1 und 3, da das KSchG auf das Vertragsverhältnis der Parteien keine Anwendung findet. So macht auch die Klägerin in rechtlicher Hinsicht nicht geltend, beim Beklagten auf Grundlage eines Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 611a Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beschäftigt gewesen zu sein. Die Vorschriften des KSchG gelten für das eine Ausbildung beinhaltende Vertragsverhältnis der Parteien auch nicht infolge der Regelung in § 10 Absatz 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG). Denn nach § 7 Psychotherapeutengesetz (PsychThG) früherer Fassung, die hier aufgrund des Ausbildungsbeginns vor dem 01.09.2020 nach § 27 Absatz 1 Satz 1 PsychThG neuer Fassung maßgeblich ist, findet das BBiG auf Ausbildungen nach dem PsychThG keine Anwendung (vgl. dazu auch BAG, a.a.O., Rn. 13).

2. Soweit die Klägerin mit den Anträgen zu 2 und 4 sinngemäß die Feststellung des Fortbestands ihres durch den Vertrag zur Postgraduierten-Weiterbildung begründeten Ausbildungsverhältnisses begehrt, ist die Klage unbegründet. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung war das Vertragsverhältnis der Parteien bereits beendet.

a) Zwar bestehen Zweifel an der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 17.11.2020, nachdem ein wichtiger Grund im Sinne von § 314 Absatz 1 Satz 2 BGB insoweit wohl nicht vorgelegen haben dürfte. Dabei dürfte insbesondere auch die Regelung in Ziffer 6 Absatz 2 des Ausbildungsvertrages nach § 307 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nr. 1 BGB unwirksam sein, da sie in Abweichung von § 314 Absatz 2 BGB die Möglichkeit der fristlosen Kündigung ohne Abmahnungserfordernis vorsieht. Ob das Vertragsverhältnis hiernach außerordentlich beendet werden konnte, kann letztlich aber dahinstehen.

b) Jedenfalls die hilfsweise ordentliche Kündigung des Beklagten vom 17.11.2020 hat das Vertragsverhältnis der Parteien zum Ablauf des 24.02.2021 aufgelöst. Der Beklagte war nach Ziffer 6 Absatz 1 des Ausbildungsvertrages berechtigt, das Ausbildungsverhältnis zu kündigen.

aa) Bedenken gegen die Wirksamkeit der vertraglichen Regelung bestehen nicht. So ist der Ausspruch einer Kündigung zum Zwecke der Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses Ausdruck der durch Artikel 2 Absatz 1 und 12 Absatz 1 Grundgesetz (GG) geschützten Vertragsfreiheit. Zwar kann die Ausübung dieser Freiheit etwa zum Schutz bestimmter sozialer Gruppen – wie Mieter oder Arbeitnehmer – durch gesetzliche Regelungen beschränkt werden. Besondere Schutzvorschriften sind vorliegend indes nicht zu beachten und insbesondere dem PsychThG nicht zu entnehmen. Die Dispositionsfreiheit eines Kündigungsempfängers und sein Vertrauen in den Fortbestand eines auf Dauer angelegten Vertragsverhältnisses werden im Übrigen hinreichend dadurch geschützt, dass der Kündigende eine Kündigungsfrist einzuhalten hat.

bb) Die Voraussetzungen von Ziffer 6 Absatz 1 des Ausbildungsvertrages sind in tatbestandlicher Hinsicht gegeben. Auch die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass die Kündigung zum 24.02.2021 mit einer Frist von drei Monaten vor Beginn des nächsten Semesters erfolgt ist und der Kündigung eine (letzte) persönliche Unterredung am 16.11.2021 unter anderem im Beisein der Vorstandsvorsitzenden des Beklagten vorausgegangen ist.

cc) Eines Kündigungsgrundes bedarf es im Falle einer ordentlichen Kündigung hingegen grundsätzlich nicht. Auch die Regelung in Ziffer 6 Absatz 1 des Ausbildungsvertrages sieht ein solches Erfordernis nicht vor. Insofern kann dahinstehen, ob die vom Beklagten im Zusammenhang mit der Kündigung erhobenen Vorwürfe bezogen auf das Verhalten der Klägerin im Verlauf der Ausbildung zutreffen oder die erhobenen Zweifel an ihrer persönlichen Eignung berechtigt sind.

dd) Zwar können Verstöße gegen allgemeine bürgerlich-rechtliche Vorschriften wie etwa aus §§ 138, 242 BGB im Einzelfall die Unwirksamkeit einer (ordentlichen) Kündigung zur Folge haben. Dies ist hier aber nicht anzunehmen. Insbesondere wird die Klägerin durch den Ausspruch der Kündigung nicht daran gehindert, ihre Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin abzuschließen. Der Beklagte unterhält insoweit kein „Ausbildungsmonopol“. Vielmehr bringt die Klägerin selbst vor, dass selbst die von ihr gewählte „verklammerte“ Ausbildung mit den Therapieformen Psychoanalyse und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie allein in Berlin von zwei – nach Behauptung des Beklagten sogar von sechs – weiteren Ausbildungsstätten angeboten wird.

III. Hinsichtlich der prozessualen Nebenentscheidungen gilt Folgendes:

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Absatz 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit 91 Absatz 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Der nach § 63 Absatz 2 Gerichtskostengesetz (GKG) gegebenenfalls noch gesondert festzusetzende Kostenstreitwert beläuft sich dabei auf 50.000,00 Euro. Da § 42 Absatz 2 Satz 1 GKG in Ermangelung eines Arbeitsverhältnisses nicht anwendbar ist, war insoweit auf das wirtschaftliche Interesse der Klägerin am Fortbestand des Vertrages abzustellen.

2. Die Entscheidung über die Wertfestsetzung in der Urteilsformel (Beschwerdewert) stützt sich auf § 61 Absatz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 2 ff. ZPO.

3. Die Berufung ist gemäß § 64 Absatz 2 Buchstabe b) ArbGG kraft Gesetzes statthaft.

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