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Rechtsmissbrauch bei Befristung von Arbeitsverhältnissen von Vertretungskräften

Befristete Arbeitsverhältnisse von Vertretungskräften: Wann ist es Rechtsmissbrauch?

Die Befristung von Arbeitsverhältnissen ist eine gängige Praxis, die es Arbeitgebern ermöglicht, flexibel auf wechselnde Bedürfnisse zu reagieren. Insbesondere im Bereich der Vertretungskräfte, wo Mitarbeiter oft für eine bestimmte Zeit eingestellt werden, um beispielsweise langfristig beurlaubte Kollegen zu ersetzen, ist diese Praxis weit verbreitet. Dabei stellt sich jedoch die Frage, inwieweit solche Befristungen rechtmäßig sind und wann sie in den Bereich des Rechtsmissbrauchs übergehen.

Das Kernthema dreht sich um die rechtliche Bewertung solcher Befristungen und die Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und den Rechten der Arbeitnehmer. Hierbei spielen Faktoren wie die Dauer und Häufigkeit der Befristungen, der Vertretungsbedarf und die Möglichkeit der Rückkehr der ursprünglichen Mitarbeiter eine Rolle. Urteile in diesem Kontext können weitreichende Auswirkungen auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen und die Praxis der Prozessbeschäftigung haben.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.:10 Ca 257/13 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Gericht entschied, dass die wiederholte Befristung von Arbeitsverträgen einer Lehrerin, die langfristig beurlaubte Lehrkräfte vertrat, trotz eines sachlichen Grundes als Rechtsmissbrauch gewertet wird.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Klägerin, eine Grundschullehrerin, wurde über acht Jahre mit elf befristeten Verträgen beschäftigt, um langfristig beurlaubte Lehrkräfte zu vertreten.
  2. Die Befristungen variierten zwischen einem halben Jahr und einem Jahr, obwohl die vertretenen Lehrkräfte für 13 bzw. 14 Jahre beurlaubt wurden.
  3. Die Klägerin argumentierte, dass diese wiederholten, kurzen Befristungen einen Rechtsmissbrauch darstellen.
  4. Das beklagte Land argumentierte, dass die Befristungen rechtens seien, da jederzeit mit der Rückkehr der vertretenen Lehrerinnen zu rechnen sei.
  5. Das Gericht stellte fest, dass die wiederholten, kurzen Befristungen trotz des Vorliegens eines sachlichen Grundes rechtsmissbräuchlich waren.
  6. Es wurde betont, dass das Rückkehrrecht der beurlaubten Lehrerinnen eingeschränkt und nur im Ausnahmefall gegeben sei.
  7. Das Urteil könnte Präzedenzfall für ähnliche Fälle schaffen, in denen Arbeitnehmer wiederholt und kurzfristig befristet eingestellt werden.
  8. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung von Fairness und Gerechtigkeit im Arbeitsrecht.

Ein komplexer Fall: Rechtsmissbrauch bei Befristung von Arbeitsverhältnissen

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen einer Lehrkraft und dem beklagten Land, die vor dem Arbeitsgericht Gießen unter dem Aktenzeichen 10 Ca 257/13 verhandelt wurde. Die Klägerin, eine Lehrerin, wurde über einen Zeitraum von acht Jahren mit insgesamt elf befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt, um langfristig beurlaubte Lehrkräfte zu vertreten. Die Befristungen variierten zwischen einem halben Jahr und einem Jahr. Die Klägerin argumentierte, dass diese wiederholten, kurzen Befristungen einen Rechtsmissbrauch darstellen, da die vertretenen Lehrkräfte für 13 bzw. 14 Jahre beurlaubt wurden und somit ein langfristiger Vertretungsbedarf bestand.

Die Argumente: Beklagtes Land vs. Klägerin

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Beurteilung, ob die wiederholten und kurzen Befristungen der Arbeitsverhältnisse als Rechtsmissbrauch zu werten sind. Das beklagte Land argumentierte, dass die Befristungen rechtens seien, da jederzeit mit der Rückkehr der vertretenen Lehrerinnen zu rechnen sei und die Stellen dementsprechend freigehalten werden müssten. Die Klägerin hingegen sah in den gehäuften Befristungen eine Schaffung von Unsicherheiten und Beeinträchtigungen, die durch den langjährigen Vertretungsbedarf nicht gerechtfertigt seien.

Das Urteil: Ein Sieg für die Gerechtigkeit im Arbeitsrecht

Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die letzte vereinbarte Befristung beendet worden ist. Es verurteilte das beklagte Land dazu, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten vertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Auswirkungen und Fazit: Ein Präzedenzfall für Arbeitsverhältnisse

Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein, da es Präzedenzfall für ähnliche Fälle schaffen könnte, in denen Arbeitnehmer wiederholt und kurzfristig befristet eingestellt werden, obwohl ein langfristiger Bedarf besteht. Das Urteil betont die Notwendigkeit, die berechtigten Belange der befristet Beschäftigten zu berücksichtigen und stellt klar, dass wiederholte, kurze Befristungen trotz eines langfristigen Vertretungsbedarfs als Rechtsmissbrauch gewertet werden können.

Das Fazit des Urteils ist, dass Arbeitgeber bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen sorgfältig abwägen müssen, um sicherzustellen, dass die Befristungen nicht rechtsmissbräuchlich sind und die Rechte der Arbeitnehmer gewahrt bleiben. Es unterstreicht die Bedeutung von Fairness und Gerechtigkeit im Arbeitsrecht und könnte dazu beitragen, die Praxis der wiederholten Befristung von Arbeitsverhältnissen zu überdenken.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet Rechtsmissbrauch im Kontext von befristeten Arbeitsverträgen?

Rechtsmissbrauch im Kontext von befristeten Arbeitsverträgen bedeutet, dass der Arbeitgeber bei der wiederholten Befristung von Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitnehmer seine Interessen einseitig und auf Kosten des Arbeitnehmerinteresses an einer unbefristeten Beschäftigung durchsetzt. Grundsätzlich erlaubt § 14 Abs. 1 TzBfG den Abschluss aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge in beliebiger Zahl, sofern es jeweils einen sachlichen Grund für die Befristung gibt.

Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass bei mehrfachen aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen eine Prüfung des institutionellen Rechtsmissbrauchs erforderlich ist, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Gesamtdauer und die Anzahl der mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge.

Ein Rechtsmissbrauch kann angenommen werden, wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses acht Jahre überschreitet oder mehr als zwölf Vertragsverlängerungen vereinbart wurden, oder wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses sechs Jahre übersteigt und mehr als neun Vertragsverlängerungen abgeschlossen wurden. In solchen Fällen hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, durch weitere Erklärungen diesen Missbrauch darzulegen und zu beweisen.


Das vorliegende Urteil

ArbG Gießen – Az.: 10 Ca 257/13 – Urteil vom 06.06.2014

Leitsatz

1. Ein Fall des Rechtsmissbrauchs bei der Befristung der Arbeitsverhältnisse von Vertretungskräften kann auch dann vorliegen, wenn einerseits die vertretenen Mitarbeiterinnen langjährig beurlaubt wurden (13 bzw. 14 Jahre), andererseits die Vertretungskräfte aber nur mit kurzen und gehäuften Befristungen (1/2 bis ein Jahresbefristungen) über längere Zeiträume beschäftigt werden.

2. Die kurzen und gehäuften Befristungen schaffen auf Seiten der Vertretungskräfte Unsicherheiten und Beeinträchtigungen, die durch den auf lange Jahre gegebenen Vertretungsbedarf nicht gerechtfertigt sind.

3. Dies gilt vor allem dann, wenn der Arbeitgeber die vorzeitige Rückkehr der langfristig beurlaubten Mitarbeiterinnen aufgrund entgegenstehender dienstlicher oder betrieblicher Belange ablehnen kann.


1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die letzte vereinbarte Befristung vom 5. Dezember 2012 zum 18. August 2013 beendet worden ist.

2. Das beklagte Land wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten vertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.

3. Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 13.347,88 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin ist als Grundschullehrerin beim beklagten Land seit dem 1. November 2005 beschäftigt. Sie ist 38 Jahre alt. Ihr Gehalt hat sich zuletzt auf 3.336,97 EUR brutto monatlich belaufen.

Die Klägerin hat die zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Grundschulen absolviert.

Sie war zuletzt als Grundschullehrerin an der Schule in R. eingesetzt.

Das B. hat mit der Klägerin insgesamt elf befristete Arbeitsverträge abgeschlossen.

Der erste Arbeitsvertrag erstreckte sich auf die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 14. Juli 2006.

Die Befristungszeiträume beliefen sich vom ersten bis zum siebten Arbeitsvertrag zunächst auf jeweils ca. ein Jahr.

Vom achten bis zum elften Arbeitsvertrag betrugen die Befristungszeiträume jeweils ca. ein halbes Jahr.

In allen Arbeitsverträgen war die Vertretung von jeweils konkret benannten Lehrkräften vereinbart worden.

Im zehnten Arbeitsvertrag vom 17. Juli 2012, der sich vom 13. August 2012 bis zum 28. Januar 2013 erstreckte war die Vertretung der Lehrerinnen K und A vereinbart.

Ebenso war im elften und damit letzten Arbeitsvertrag vom 5. Dezember 2012 für die Zeit vom 29. Januar 2013 bis zum 18. August 2013 die Vertretung der Lehrerinnen K und A vereinbart.

Mit Verfügung vom 23. November 2012 hat das beklagte Land der beamteten Lehrerin K eine befristete Teilzeitbeschäftigung gemäß § 85 a Abs. 4 HBG für die Zeit vom 29. Januar 2013 bis zum 31. Juli 2025 im Umfang von 51,72 Prozent der regelmäßigen wöchentlichen Pflichtstundenzahl bewilligt.

In der Verfügung vom 9. Oktober 2007 hat das beklagte Land der beamteten Lehrerin A die befristete Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit gemäß § 85 a Abs. 1 HBG für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis zum 31. Juli 2021 bewilligt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die letzte Befristung ihres Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam sei.

Aus der Sicht der Klägerin waren die letzten Befristungen rechtsmissbräuchlich.

Die Klägerin geht davon aus, dass die in § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG aufgeführte Grenze von fünf Jahren auch für ihre Befristungen gelte. Eine längere Befristung sei bedenklich.

Spätestens ab dieser Zeit finde eine umgekehrte Beweislast statt. Wenn mehr als vier oder fünf Jahre befristet sei, müsse von einem Rechtsmissbrauch durch das beklagte Land ausgegangen werden.

Die Klägerin habe in acht Jahren insgesamt acht Lehrkräfte vertreten. Dies zeige, dass ein entsprechender Vertretungsbedarf vorhanden sei. Auch die ihr angebotene Prozessbeschäftigung zeige den Bedarf an Lehrkräften.

Im Übrigen bestreitet die Klägerin, dass es sich bei den Reduzierungen der Arbeitszeit der Lehrkräfte K und A um jeweils eine befristete Teilzeit handele. Es wird von der Klägerin auch die unmittelbare Vertretung der beiden Lehrerinnen durch die Klägerin bestritten.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 5. Dezember 2012 vereinbarten Befristung am 18. August 2013 beendet worden ist.

2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lehrkraft weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land ist der Ansicht, dass die Befristungen der Klägerin in den verschiedenen Arbeitsverhältnissen, insbesondere die letzte Befristung rechtswirksam seien. Dadurch sei das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum beklagten Land zum 18. August 2013 beendet worden.

Das B legt dar, dass die Klägerin für die beamtete Lehrerin K zu 48,28 Prozent und für die beamtete Lehrerin A zu 50 Prozent befristet eingesetzt worden sei.

Die Befristungen seien auch nicht aufgrund von Rechtsmissbrauch rechtsunwirksam. Vielmehr sei ein entsprechender Vertretungsbedarf vorhanden durch die befristete Arbeitszeitreduzierung der beiden vertretenen Lehrerinnen.

Es finde eine unmittelbare Vertretung der beiden Lehrkräfte durch die Klägerin statt.

Die Rechtfertigung der Befristung ergebe sich auch daraus, dass das beklagte Land jederzeit mit der Rückkehr der vertretenen Lehrerinnen K und A rechnen müsse. Nach § 85 a Abs. 3 HBG bestehe eine entsprechende rechtliche Möglichkeit zur vorzeitigen Rückkehr der vertretenen Lehrkräfte. Aus diesem Grunde müssten die entsprechenden Stellen für die Rückkehrerinnen freigehalten werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 17. September 2013 (Bl. 51 d. A.) und vom 6. Juni 2014 (Bl. 72 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

A.

An der Zulässigkeit des Feststellungsantrages wie auch des hilfsweisen Beschäftigungsantrages bestehen keine Bedenken.

Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung darüber, ob sie sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land befindet oder ob das Arbeitsverhältnis durch Befristung beendet worden ist.

B.

Die Klage ist begründet. Ihr war deshalb stattzugeben.

1.

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen geht das Gericht davon aus, dass die befristeten Arbeitsverträge der Parteien jeweils mit einem sachlichen Grund nach § 14 Abs. 1 Ziffer 3 TzBfG versehen waren.

In den Arbeitsverträgen selbst ist, auch nach dem Vortrag der Klägerin, jeweils aufgeführt, welche Lehrkraft die Klägerin vertreten hat.

Die Klägerin hat zwar bestritten, dass eine unmittelbare Vertretung der Lehrerinnen K und A stattgefunden habe. Dieses Bestreiten ist jedoch unsubstantiiert.

Die Beklagtenseite hat zum einen die Verfügungen vom 23. November 2012 und vom 9. Oktober 2007 vorgelegt, wonach die Arbeitszeit der Lehrerinnen K und A befristet reduziert worden ist. Zum anderen ist es gerichtsbekannt, dass im Grundschulbereich regelmäßig eine unmittelbare Vertretung der beurlaubten Lehrer stattfindet.

Da die Klägerin seit Jahren an der Schule in R arbeitet und die Verhältnisse an der Grundschule dort kennt, war der Klägerin ein substantiiertes Bestreiten möglich und zumutbar, wenn der vom Land vorgetragene Sachverhalt tatsächlich falsch gewesen wäre.

Da die Klägerin die unmittelbare Vertretung der beiden Kolleginnen, die halbtags nach wie vor beschäftigt sind, nicht substantiiert bestreitet und keine entsprechenden Fakten vorträgt, muss das Gericht davon ausgehen, dass die von der Beklagtenseite vorgetragene unmittelbare Vertretung tatsächlich auch stattgefunden hat.

2.

Gleichwohl ist nach dem Dafürhalten des Gerichts trotz des Vorliegens eines sachlichen Grundes die letzte Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtsmissbräuchlich im Sinne der Rechtsprechung des EUGH im Urteil vom 26. Januar 2012 – C-586/10– (Kücük).

Der EUGH hat in diesem Urteil entschieden, dass die Arbeitgeberseite wiederholte Befristungen auch zur Schließung eines Dauervertretungsbedarfs vereinbaren dürfe. Auch eine Kette von Befristungen ist gerechtfertigt, wenn entsprechende sachliche Gründe vorliegen. Daraus allein folge noch nicht das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs im Sinne der europäischen Vorschriften.

Der EUGH hat allerdings auch ausgeführt, dass die nationalen Gerichte bei der Rechtsprüfung alle mit der Verlängerung der befristeten Verträge verbundenen Umstände berücksichtigen müssen. Sie müssen prüfen, ob ggfs. ein Hinweis auf einen Missbrauch vorhanden ist, der nach § 5 Ziffer 1 der EG-Rahmenvereinbarung vom 28. Juni 1999 verhindert werden soll. Bei der Prüfung dieser Frage könnten sich die Zahl und die Dauer der mit demselben Arbeitgeber geschlossenen, aufeinander folgenden Verträge als relevant erweisen.

Im vorliegenden Falle kann dahingestellt bleiben, ob die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverträge von sieben Jahren 8,5 Monaten wie auch die Zahl der befristeten Arbeitsverträge (elf Verträge) ausreicht, um schon einen Rechtsmissbrauch annehmen zu müssen.

Das Gericht hat Zweifel, ob im vorliegenden Fall schon von einem Rechtsmissbrauch aus diesem Grunde ausgegangen werden kann, da das beklagte Land aufgrund der tariflichen und gesetzlichen Vorschriften gezwungen ist, Elternzeit und Sonderurlaube in einem erheblichen Maße zu gewähren. Dies führt auf der anderen Seite dazu, dass die betroffenen Stellen nur befristet besetzt werden können, da die beurlaubten Stelleninhaberinnen in der Regel wieder auf die Stelle zurückkehren oder jedenfalls ein Rückkehrrecht besitzen.

Als gravierend sie die Kammer jedoch an, dass die von der Klägerin zuletzt vertretenen beamteten Lehrerinnen K und A langfristig beurlaubt wurden bzw. die Arbeitszeitreduzierung langfristig bis zum Jahr 2025 bzw. bis zum Jahr 2021 genehmigt wurde. Es handelt sich dabei um Zeiträume von 13 Jahren bzw. von 14 Jahren.

Auf der anderen Seite hat das beklagte Land die befristeten Arbeitsverträge der Klägerin zur Vertretung dieser Mitarbeiterinnen jeweils auf ein halbes Jahr begrenzt. Für diese Begrenzung auf ein halbes Jahr ist ein sachlicher Grund nicht ersichtlich.

Das Gericht hält es für rechtsmissbräuchlich, wenn in den Fällen von langfristigen Beurlaubungen, die als Vertretung eingestellten Mitarbeiterinnen dann jeweils nur mit sehr kurzen und gehäuften Befristungen beschäftigt werden. Diese kurzen Befristungszeiträume schaffen auf Seiten der Vertreterinnen Unsicherheiten und Probleme, die durch den Vertretungsbedarf nicht gerechtfertigt sind.

Das beklagte Land hat zwar eingewandt, dass die vertretenen beamteten Lehrerinnen jederzeit wieder auf den Arbeitsplatz zurückkehren könnten. Dieser Einwand ist jedoch so nicht richtig.

Die Beurlaubung von Frau K folgte gemäß § 85 a Abs. 4 HBG, wohl wegen der Erziehung ihres Kindes bis zum 18. Lebensjahr.

Die Beurlaubung der Lehrerin A erfolgte nach § 85 a Abs. 1 HBG, d. h. aus privaten Gründen.

Zwar besteht nach § 85 a Abs. 3 HBG ein Recht der beurlaubten Beamtinnen auf vorzeitige Rückkehr auf ihren Arbeitsplatz bzw. auf die vorzeitige Aufstockung ihrer Arbeitszeit auf eine volle Stelle.

Im Gegensatz zum Beklagtenvortrag ist dieses Rückkehrrecht der Beamtinnen jedoch massiv eingeschränkt und nur im Ausnahmefall gegeben.

Voraussetzung für das vorzeitige Rückkehrrecht ist zum einen, dass den Beamtinnen die Teilzeitbeschäftigung im bisherigen Umfange nicht mehr zugemutet werden kann. Eine solche Unzumutbarkeit der Fortdauer der Teilzeitbeschäftigung ist jedoch nur in seltenen Fällen gegeben, z. B. wenn sich die finanziellen Verhältnisse der Betroffenen massiv verschlechtert hätten.

Zum anderen aber ist weitere Voraussetzung für das Recht der vorzeitigen Rückkehr, dass dienstliche Belange dieser vorzeitigen Rückkehr nicht entgegenstehen.

Soweit das beklagte Land die Stelle der beurlaubten Beamtinnen mit Vertretungskräften besetzt hat, die auch entsprechend langfristig befristete Verträge mit dem Land abgeschlossen haben, stehen stets dienstliche Belange der vorzeitigen Rückkehr der beurlaubten Beamtinnen entgegen.

Das beklagte Land ist deshalb in einem solchen Fall nicht gezwungen, dem Rückkehrwunsch der beurlaubten Beamtinnen ohne weiteres stattzugeben. Soweit dienstliche Belange entgegenstehen, ist eine vorzeitige Rückkehr der Beamtinnen gesetzlich ausgeschlossen.

Es war deshalb dem beklagten Land durchaus möglich und zumutbar, die Befristungszeiträume der Klägerin so zu gestalten, dass die Klägerin aufgrund der Dauer der Befristung auch ihre privaten Belange entsprechend hätte regeln und gestalten können.

Der Umstand, dass das beklagte Land alleine Rücksicht auf die bereits privilegierten beurlaubten Beamtinnen genommen hat und die berechtigten Belange der Klägerin bei der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses nicht berücksichtigt hat, führt nach Ansicht der Kammer zu dem entsprechenden Rechtsmissbrauch.

Dieser Rechtsmissbrauch führt dazu, dass die letzte Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam ist. Die Klägerin befindet sich damit in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land.

Dem Klageantrag zu 1. war deshalb stattzugeben.

3.

Auch dem Klageantrag zu 2. war stattzugeben. Nach dem erstinstanzlichen Obsiegen hat die Klägerin einen Anspruch auf Prozessbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Prozesses.

C.

Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da es unterlegen ist, § 91 ZPO.

Der Gegenstandswert folgt aus § 42 Abs. 3 GKG und ist an der Höhe von drei Monatsgehältern orientiert.

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