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Schadensersatz wegen Arbeitsverweigerung

ArbG Halle (Saale) – Az.: 8 Ca 1743/20 – Urteil vom 18.01.2021

1. Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Widerklage zu tragen.

3. Der Gegenstandswert wird auf 6.380,88 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Arbeitsverweigerung.

Der am … geborene Kläger ist seit dem 01.04.2017 für 10,55 € Stundenlohn bei 40 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit bei der Beklagten beschäftigt – er behauptet, als Hausmeister; die Beklagte behauptet, als …. Seine Frau ist arbeitslos und die von ihm monatlich zu zahlenden Mietkosten belaufen sich auf 455,- €. Hinsichtlich des zwischen ihm und der Beklagten bestehenden Arbeitsvertrags sowie der Änderungsverträge, nach denen das Entgelt für geleistete Arbeit nach dem betrieblichen Abrechnungszeitraum, längstens monatlich zu zahlen ist und nach denen der Lohn spätestens am 15. des Folgemonats fällig wird, wird auf die Bl. 9 ff. d. A. verwiesen.

Nachdem die Beklagte seinen hiernach am 15.09.2020 fällig gewordenen Lohnanspruch für August 2020 bis zum 17.09.2020 nur partiell, nämlich in Form einer Abschlagszahlung in Höhe von 400,- €, erfüllen und keinen genauen Termin für die Zahlung der noch offenen Summe nennen konnte, verweigerte der Beklagte gemeinsam mit mehreren Kollegen (s. Widerklageantrag) die Arbeit.

Die Beklagte behauptet, der hieraus resultierende, vom Kläger als Gesamtschuldner zu ersetzende Schaden belaufe sich auf insgesamt 6.380,88 €. Hinsichtlich der Darlegung der Schadenspositionen (zurückgezogene Angebote, Vertragsstrafe aufgrund von Zeitverzug, Mehraufwendungen in Form von Überstundenvergütung, Umsatz- bzw. Gewinnverluste) wird auf Bl. 55 d. A. verwiesen. Die Beklagte wertet die Arbeitsverweigerung des Klägers als schwerwiegenden Arbeitsvertragsbruch, durch den eine Schadensersatzpflicht begründet worden sei. Unter Berücksichtigung der geringfügigen zeitlichen Verzögerung bei der Auszahlung der Restvergütung für August 2020 am 17.09.2020 habe kein Zurückbehaltungsrecht bestanden. Die Beklagte meint, die widerklagend geltend gemachten Forderungen gelten, da sie nach der ihm gegenüber erfolgten vorprozessualen Geltendmachung vom Kläger weder dem Grunde noch der Höhe nach bestritten worden waren, als zugestanden [sic].

Nachdem sich die Parteien über die ursprünglich klägerseits erhobene Kündigungsschutz- und Zahlungsklage durch einen Teilvergleich gütlich einigen konnten, beantragt die Beklagte nunmehr nur noch widerklagend,

den Kläger zu verurteilen, als Gesamtschuldner mit den Herren …, A-Straße, A-Stadt, …, B-Straße, A-Stadt und …, C-Straße, B-Stadt an sie einen Betrag in Höhe von 6.380,88 € netto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Der Kläger meint, er sei aufgrund eines Zurückbehaltungsrechts zur Arbeitsverweigerung berechtigt gewesen. Folglich habe er auch keine Pflichtverletzung begangen. Überdies hält er den Schadensersatzanspruch für unzureichend substantiiert dargelegt.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die – soweit sie sie sich gegen den Kläger richtet – zulässige Widerklage ist unbegründet.

Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Schadensersatzanspruch – weder aus §§ 280 Abs. 1, 611 Abs. 1 BGB noch aus anderer Anspruchsgrundlage.

Ungeachtet der Frage, ob ein ersatzfähiger Schaden überhaupt hinreichend substantiiert dargetan worden ist, ist es der – insoweit beweisbelasteten (Seichter in jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 280, Rn. 172 m. w. N.) – Beklagten schon nicht gelungen, eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Klägers darzulegen. Dessen Arbeitsverweigerung war nicht rechtswidrig, da er sich berechtigterweise auf sein Zurückbehaltungsrecht berufen hat.

1. An einer rechtswidrigen Arbeitsverweigerung fehlt es immer dann, wenn der Arbeitnehmer berechtigterweise ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seiner Arbeitskraft geltend macht, insbesondere, weil er einen fälligen Gegenanspruch hat. Zu beachten ist, dass dieses stets nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeübt werden muss, also mit Rücksicht auf die vertraglichen Interessen des Arbeitgebers nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eingedenk dessen steht dem Arbeitnehmer im Falle eines Lohnrückstandes ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung nur dann zu, wenn der Arbeitgeber seine Lohnzahlungspflicht in mehr als nur geringfügigem Umfang nicht erfüllt hat. Ferner darf es dann nicht ausgeübt werden, wenn nur eine kurzfristige Zahlungsverzögerung zu erwarten ist und wenn dem Arbeitgeber ein unverhältnismäßig hoher Schaden entstehen kann (Vossen in Ascheid/Preis/Schmidt, KündR, 6. Aufl., § 626 BGB, Rn. 200, 200d, 207 mit Verweis auf BAG, Urt. v. 19.01.2016 – 2 AZR 449/15).

2. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Kläger berechtigterweise ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB geltend gemacht. Mangels Synallagma bestand kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB (Bittner/Kolbe in Staudinger [2019], § 273 BGB, Rn. 2).

Schadensersatz wegen Arbeitsverweigerung
(Symbolfoto: A StockStudio/Shutterstock.com)

Durch die Abschlagszahlung wurde der sich auf 1.828,67 € brutto belaufende Vergütungsanspruch nur in Höhe von ca. einem Viertel erfüllt. Demnach hatte der Arbeitgeber seine Lohnzahlungspflicht in einem mehr als nur geringfügigen Umfang verletzt. Auch hat der Kläger zutreffend dargelegt, dass er trotz der geleisteten Abschlagszahlung keinen Anlass hatte, von einer nur kurzfristigen Zahlungsverzögerung auszugehen. Insoweit rekurriert das Gericht primär auf den Umstand, dass die Beklagte ihn zwar eine baldige Restzahlung in Aussicht gestellt hat, ihm jedoch kein konkretes Zahlungsdatum genannt hat. Zusätzlich sind die wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse des Klägers mitsamt seinem regulären Bruttogehalt zu berücksichtigen, die es verbieten, ihm die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts durch die Statuierung überbordender Wartepflichten zu erschweren. Schließlich ist ein unverhältnismäßig hoher Schaden der Beklagten weder dargetan noch ersichtlich, sodass auch nicht abschließend geklärt werden braucht, in welcher Funktion der Kläger für diese tätig geworden ist.

3. Soweit die Beklagte meint, ihre Forderungen gelten, da sie nach der ihm gegenüber erfolgten vorprozessualen Geltendmachung vom Kläger weder dem Grunde noch der Höhe nach bestritten worden waren, als „zugestanden“, womit sie einen Versuch zu unternehmen scheint, die streitgegenständlichen Ansprüche auf ein Schuldanerkenntnis zu stützen, ist dem zu erwidern, dass keinerlei Umstände dargetan oder ersichtlich sind, die ein Abweichen von dem allgemeingültigen Grundsatz, dass Schweigen keine Erklärungsbedeutung hat, gebieten.

II.

1. Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG; 92 Abs.1 ZPO.

2. Den gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzten Streitwert bildet die mittels der Widerklage geltend gemachte Hauptforderung. Die ebenfalls geltend gemachten Zinsen entfalten keine streitwerterhöhende Wirkung, § 43 Abs. 1 GKG.

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