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Schadensersatz wegen Nichteinschreitens des Arbeitgebers bei Benachteiligung im Betrieb

Schutzpflichtverletzung durch Arbeitgeber bei innerbetrieblicher Diskriminierung

Das Arbeitsrecht befasst sich nicht nur mit den reinen Arbeitsbedingungen, sondern auch mit dem Schutz der Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Handlungen des Arbeitgebers. Ein solcher Fall wurde kürzlich vor dem Arbeitsgericht Paderborn verhandelt.

Die Klägerin forderte die Entfernung einer Abmahnung, die der Arbeitgeber gegen sie ausgesprochen hatte, aus ihrer Personalakte. Diese Abmahnung bezog sich auf Vorwürfe, die im Kontext mit einer angeblichen Benachteiligung und Diskriminierung im Betrieb standen. Die Klägerin argumentierte, dass der Arbeitgeber nicht ausreichend gegen die Benachteiligung eingeschritten sei und somit gegen seine gesetzlich normierten Schutzpflichten verstoßen habe.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Ca 968/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Schadensersatzforderung: Klägerin fordert Schadensersatz wegen Nichteinschreitens des Arbeitgebers bei Benachteiligung im Betrieb.
  • Vorwürfe: Klägerin berichtet von sexuellen und rassistischen Belästigungen und Beleidigungen seit 2020.
  • Arbeitgeberreaktion: Klägerin kritisiert, dass der Arbeitgeber nicht ausreichend Schutzmaßnahmen ergriffen hat und gegen gesetzliche Schutzpflichten verstoßen hat.
  • Konsequenzen: Klägerin erleidet psychische Probleme und arbeitet in einem feindlichen Umfeld.
  • Gerichtsentscheidung: Abmahnung vom 13.01.2023 muss aus der Personalakte der Klägerin entfernt werden.
  • Begründung: Abmahnung enthält unzutreffende Tatsachenbehauptungen und rechtliche Bewertungen.
  • Zusätzliche Informationen: Klägerin ist seit 2009 bei der Beklagten beschäftigt.

Die Rolle des Arbeitgebers

Schutzpflichtverletzung durch Arbeitgeber
Arbeitnehmerrechte im Fokus: Schutz vor Diskriminierung und Benachteiligung im Betrieb. (Symbolfoto: Dusan Petkovic /Shutterstock.com)

Die Klägerin war der Ansicht, dass der Arbeitgeber nicht genug unternommen habe, um den wahren Sachverhalt bezüglich der Vorwürfe gegen einen bestimmten Mitarbeiter, Herrn A., herauszufinden. Dieser Mitarbeiter wurde beschuldigt, diskriminierende und rassistische Äußerungen getätigt zu haben. Trotz Kenntnis dieser Vorfälle durch den Arbeitgeber wurden keine Konsequenzen gezogen. Dies führte zu einem feindlichen Umfeld für die Klägerin, die unter psychischen Problemen litt und sich in einem feindlichen Arbeitsumfeld befand.

Die rechtliche Bewertung

Das Gericht stellte fest, dass Arbeitnehmer das Recht haben, eine zu Unrecht erteilte Abmahnung aus ihrer Personalakte entfernen zu lassen. Dies gilt insbesondere, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht. Im vorliegenden Fall wurde entschieden, dass die Abmahnung eine unzutreffende Tatsachenbehauptung sowie eine unzutreffende rechtliche Bewertung des Verhaltens der Klägerin enthielt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht entschied, dass die Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen sei. Es wurde jedoch betont, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Entfernung des anwaltlichen Schreibens vom 23.01.2023 aus der Personalakte habe, da von diesem keine arbeitsrechtlichen Folgen abhingen. Die Kosten des Verfahrens wurden so verteilt, dass die Klägerin 60% und die Beklagte 40% tragen müssen.

Bedeutung und Tragweite

Dieses Urteil unterstreicht die Wichtigkeit der Arbeitnehmerrechte und die Pflicht des Arbeitgebers, für ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu sorgen. Es zeigt auch, dass Arbeitnehmer nicht schutzlos sind, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit für Arbeitgeber, aktiv gegen Mobbing und Ungleichbehandlung im Betrieb vorzugehen und ihre Schutzpflichten ernst zu nehmen.

➨ Schutzpflichten des Arbeitgebers: Was tun bei Diskriminierung im Betrieb?

Diskriminierung am Arbeitsplatz kann schwerwiegende Folgen für das Wohlbefinden und die Karriere eines Arbeitnehmers haben. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Rechte als Arbeitnehmer verletzt wurden oder Sie in einem feindlichen Arbeitsumfeld sind, ist es wichtig, rechtzeitig zu handeln. Eine fundierte Ersteinschätzung kann Ihnen Klarheit über Ihre Situation und Ihre rechtlichen Optionen verschaffen. Im Anschluss bieten wir Ihnen eine umfassende Beratung, um sicherzustellen, dass Ihre Interessen bestmöglich vertreten werden. Nehmen Sie Kontakt auf und lassen Sie uns gemeinsam eine Lösung finden.

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Schutzpflichtverletzung durch Arbeitgeber – kurz erklärt


In Deutschland ist der Arbeitgeber durch die Fürsorgepflicht verpflichtet, die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Angestellten zu schützen. Dies umfasst sowohl körperliche als auch seelische Aspekte. Wenn der Arbeitgeber diese Pflicht schuldhaft verletzt, kann der Arbeitnehmer ihn auf Schadensersatz verklagen. Je nach Art und Schwere der Pflichtverletzung kann auch Schmerzensgeld geltend gemacht werden. Die Schutzpflicht des Arbeitgebers beinhaltet Maßnahmen, um Gefährdungen der Mitarbeiter abzuwehren, und erstreckt sich beispielsweise auf den Schutz vor Unfällen, die Bereitstellung eines gut ausgestatteten Arbeitsplatzes und einen fairen Umgang miteinander.


Das vorliegende Urteil

ArbG Paderborn – Az.: 2 Ca 968/22 – Urteil vom 24.04.2023

1.Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr gegenüber der Klägerin ausgesprochene Abmahnung vom 13.01.2023 sowie das anwaltliche Schreiben vom 23.01.2023 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

2.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 60 % und die Beklagte zu 40 %.

4.Der Streitwert beträgt 10.000,00 EUR.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Entschädigungs- bzw. Schadensersatzanspruch sowie über einen Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung und eines weiteren Schreibens aus der Personalakte der Klägerin.

Die Klägerin ist seit dem 15.06.2009 bei der Beklagten beschäftigt. Sie erzielte zuletzt einen monatlichen Bruttoverdienst iHv. 2.000,00 EUR.

Im Juni 2022 wandte sich die Klägerin wegen – zwischen den Parteien streitiger – sexistischer und rassistischer Äußerungen durch den Mitarbeiter A. an die Gleichstellungsbeauftragte der Beklagten B. . Diese führte wohl sodann Einzelgespräche mit Herrn C. , Herrn D. und Herrn A. . Die Klägerin bat ferner den Vorsitzenden des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats um ein gemeinsames Gespräch mit dem Geschäftsführer. Dieses Gespräch fand am 28.07.2022 im Beisein des Personalchefs E. , der Gleichstellungsbeauftragten B. , des Herrn A. sowie der weiteren Mitarbeiter F. , C. und D. statt. Die Klägerin erläuterte in diesem Gespräch nach entsprechender Aufforderung durch Herrn E. , dass sie sich durch Herrn A. sexuell und rassistisch belästigt fühle und schilderte Situationen, in denen es zu sexistischen und rassistischen Äußerungen seitens von Herrn A. gekommen sein soll. Herr A. bestritt in diesem Gespräch, die von der Klägerin angeführten Aussagen getätigt zu haben. Herr C. bestätigte in diesem Gespräch die von der Klägerin gemachten Angaben nicht. Weitere Einzelheiten des Gesprächs sind zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 29.08.2022 (Bl. 13 f. d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie eine Beschwerdeprüfung nach § 13 AGG durchgeführt habe, jedoch keinen Sachverhalt mit ausreichender Sicherheit habe feststellen können, die Maßnahmen gegen Herrn A. rechtfertigten.

Mit Schreiben ihrer späteren Prozessbevollmächtigten vom 07.09.2022 (Bl. 59 ff. d.A.) ließ die Klägerin mitteilen, dass es bereits seit dem Jahr 2020 zu sexuellen und rassistischen Belästigungen und Beleidigungen gekommen sei, wies auf weitere – im Einzelnen zwischen den Parteien streitige – Fälle hin und setzte der Beklagten unter Hinweis auf § 12 Abs. 4 AGG eine Frist zum Handeln bis zum 12.09.2022.

Mit Schreiben ihres späteren Prozessbevollmächtigten vom 12.09.2022 (Bl. 15 f. d.A.) ließ die Beklagte die Vorwürfe zurückweisen, da Wort gegen Wort stehe. Weiter wurde mitgeteilt, dass die Beklagte keinerlei Veranlassung sehe, einem Mitarbeiter weniger und einem anderen mehr zu glauben. Ein Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot könne nicht festgestellt werden.

Mit weiterem Schreiben ihrer späteren Prozessbevollmächtigten vom 13.09.2022 (Bl. 17 f. d.A.) ließ die Klägerin einen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch iHv. 6.000,00 EUR gegenüber der Beklagten geltend machen.

Hierauf antwortete die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 15.09.2022 (Bl. 19 d.A.), in welchem sie den seitens der Klägerin geltend gemachten Anspruch zurückweisen ließ.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.09.2022 (Bl. 20 f. d.A.) ließ die Klägerin auf ihrer Auffassung nach bestehende Widersprüche in den Aussagen der Mitarbeiter im Gespräch vom 28.07.2022 hinweisen.

Die Beklagte führte am 18.10.2022 ein weiteres Gespräch mit Herrn A. . Hierüber verhält sich ein Gesprächsprotokoll vom 24.10.2022 (Bl. 62 ff. d.A.). Auch in diesem Gespräch bestritt Herr A. die Anschuldigungen der Klägerin.

Mit ihrer bei dem Arbeitsgericht Paderborn am 31.10.2022 eingegangenen und der Beklagten am 04.11.2022 zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung einer Entschädigung bzw. Schadensersatz in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern.

Am 15.12.2022 rief die Klägerin die Gleichstellungsbeauftragte B. an. In diesem Gespräch äußerte sie, der Mitarbeiter G. habe ihr erzählt, dass Herr A. ihn bereits mehrfach aufgefordert habe, mit der Klägerin Sex zu haben. Weitere Einzelheiten hinsichtlich des Gesprächsinhalts sind zwischen den Parteien streitig. Weiter ist zwischen den Parteien die inhaltliche Richtigkeit der vorgenannten Angaben der Klägerin streitig.

Infolge dieses Telefonats befragte die Gleichstellungsbeauftragte B. den Mitarbeiter G. zu den Angaben der Klägerin. Herr G. bestätigte diese gegenüber Frau B. nicht. Er gab an, dass Herr A. ihn nicht dazu aufgefordert habe mit der Klägerin Sex zu haben und dass er dieses auch nie gegenüber der Klägerin geäußert habe. Frau B. informierte sodann die Geschäftsführung der Beklagten hierüber. Weiter informierte die Gleichstellungsbeauftragte Herrn A. von den von der Klägerin in dem Telefonat am 15.12.2022 gemachten Angaben.

Mit Schreiben vom 13.01.2023 (Bl. 81 f. d.A.) erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung. In dieser heißt es auszugsweise:

„In einem Telefonat am 15.12.2022 äußerten Sie gegenüber unserer Gleichstellungsbeauftragten Frau B. , dass der Mitarbeiter Herr G. Ihnen gegenüber angegeben habe, Herr A. habe ihn bereits mehrfach aufgefordert mit Ihnen, sehr geehrte Frau H, Sex zu haben.

Wir haben Herrn G. hinsichtlich ihrer Behauptung befragt. Herr G. teilte uns mit, dass er eine solche oder eine inhaltlich entsprechende Äußerung Ihnen gegenüber zu keinem Zeitpunkt getätigt hat. Ergänzend teilte uns Herr G. ferner mit, dass Herr A. sich ihm gegenüber nie so geäußert hat.

Vor diesem Hintergrund müssen wir davon ausgehen, dass Sie in dem Telefonat mit Frau B. die Unwahrheit gesagt haben und sich Herr G. Ihnen gegenüber nicht wie von Ihnen behauptet geäußert hat. Ihr Verhalten stellt eine massive Störung des Betriebsfriedens dar. Wir fordern Sie daher auf, zukünftig keine Äußerungen von Mitarbeitenden zu behaupten, die diese nicht getätigt haben. Das gilt insbesondere im Kontext mit einem etwaigen AGG-Verstoß.“

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.01.2023 (Bl. 83 f. d.A.) ließ die Klägerin zum Inhalt der Abmahnung Stellung nehmen und deren Entfernung aus der Personalakte verlangen. Das Entfernungsverlangen ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 25.01.2023 (Bl. 85 d.A.) zurückweisen.

Mit ihrer bei Gericht am 30.01.2023 eingegangenen und der Beklagten am 31.01.2023 zugestellten Klageerweiterung begehrt die Klägerin die Entfernung der Abmahnung vom 13.01.2023 sowie des anwaltlichen Schreibens vom 23.01.2023 aus ihrer Personalakte.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche zu. Sie behauptet, es sei in der Vergangenheit zu diversen sexuellen und rassistischen Belästigungen und damit zu Benachteiligungen aufgrund der ethnischen Herkunft sowie des Geschlechts durch Herrn A. gekommen, die sie auch im Schreiben vom 07.09.2022 mitgeteilt habe.

So habe Herr A. zB im November/Dezember 2020 ihr gegenüber geäußert, sie solle mit dem Kollegen C. kopulieren, weil er doch auch Türke sei. Hierbei habe er gegrinst und eine entsprechende Handbewegung getätigt. Dies habe Herr A. mehrmals zu der Klägerin gesagt, auch in Anwesenheit des Herrn C. . Diesen Spruch habe Herr A. nochmals im Sommer 2021 wiederholt.

Auch anderen Mitarbeiterinnen gegenüber habe sich Herr A. in diese Richtung geäußert. Dies habe insb. Herr I. während seiner dreimonatigen Stellung bei der Beklagten als Verkehrsaufseher mit angehört.

Auch gegenüber der Auszubildenden J. habe Herr A. sich sexuell anstößig verhalten. Hierbei sei es zu zahlreichen Übergriffen gekommen. So habe er zB einmal, in deren Anwesenheit einen pornographischen Film in ihrem gemeinsamen Büro geschaut. Frau J. habe dies bereits zweimal der Geschäftsleitung mitgeteilt.

Wenn die Klägerin jemanden auf Türkisch begrüße, habe Herr A. geäußert, dass hier nur Deutsch gesprochen werde. Eine entsprechende betriebliche Regelung sei der Klägerin nicht bekannt.

Über orientalische Kollegen habe Herr A. geäußert, es werde hier nur noch Müll eingestellt.

Des Weiteren habe Herr A. des Öfteren, wenn eine Kollegin vorbeigelaufen sei, Körperbewegungen gemacht, die eindeutig ein sexuelles Verhalten hätten imitieren sollen. Ferner habe er sich in Anwesenheit der Mitarbeiterin über die Hintern und Brüste der Kolleginnen unterhalten. Des Weiteren habe er anrüchige Gespräche über Frauen geführt, wer am besten zum Geschlechtsakt geeignet sei. Mehrmals habe er sich in den Schritt gegriffen, wenn Kolleginnen vorbeigelaufen seien.

Als die Klägerin auf sein Büro zugegangen sei, habe Herr A. beim Essen einer Banane eindeutige Bewegung mit dem Mund gemacht. Jedes Mal, wenn sie etwas vergessen habe, zB einen Schlüssel oder andere Gegenstände und Herrn A. habe ansprechen müssen, habe er eine Bemerkung getätigt, dass sie einen Mann brauche, der es ihr besorge, damit sie wieder frei denken könne. Als sie Herrn A. einmal auf sein Verhalten angesprochen habe, habe er auf das Nebenzimmer gezeigt und gesagt, er könne es ihr zeigen.

Ferner spreche Herr A. – was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet – häufiger den Namen der Klägerin falsch aus.

Im Anschluss an das Gespräch am 28.07.2022 habe Herr A. – was die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet – die Klägerin angesprochen und wortwörtlich zu ihr gesagt: „H., wir haben uns doch immer gut verstanden, wieso dramatisierst Du das!“. Ferner habe er geäußert, so etwas würden doch alle tun. Damit habe er sein Fehlverhalten im Nachhinein selbst zugegeben.

Auch gegenüber Frau K. und Frau M. habe Herr A. abwertende Bemerkungen über Frauen bzw. sexuell belästigende Sprüche getätigt.

Am 20.12.2022 sei Frau M. ferner im Büro der Verkehrsaufseher von Herrn N. und einem anderen anwesenden Verkehrsaufseher ausgefragt worden, während Herr A. sich derweil hinter der Tür versteckt habe. Hierbei habe Herr N. Frau M. gefragt, ob sie sich durch Herrn A. sexuell belästigt fühle. Hierauf habe Frau M. geäußert, ja er habe sie sexuell belästigt, jetzt würde er das aber nicht mehr tun.

Ein weiterer Vorfall habe sich im Dezember 2022 ereignet, als sich Herr O. , der in einem Subunternehmen der Beklagten tätig sei, gebückt habe, woraufhin Herr A. geäußert habe, er brauche sich nicht zu bücken, an ihn würde er nicht herangehen.

Die Beklagte habe bereits seit geraumer Zeit Kenntnis von den sexuellen und rassistischen Belästigungen ihres Arbeitsnehmers A. , nicht nur gegenüber der Klägerin, sondern gegenüber mehreren Arbeitnehmern gehabt, hiergegen jedoch nichts unternommen. Sie habe damit in Bezug auf die Klägerin als benachteiligte Arbeitnehmerin keine ausreichenden Schutzmaßnahmen getroffen und damit gegen die gesetzlich normierten Schutzpflichten verstoßen.

Die Vorwürfe gegen Herrn A. seien gerade nicht durch ein Gespräch beseitigt worden, da das Gespräch nur bedingt mit der Zielrichtung geführt worden sei, den wahren Sachverhalt herauszufinden.

Durch das Verhalten der Beklagten sei der Klägerin auch ein Schaden entstanden. Sie habe mit psychischen Problemen zu kämpfen und arbeite permanent in einem feindlichen Umfeld. Die gesamte Situation habe dazu geführt, dass sie sich aufgrund der Gesamtsituation mit Herrn A. und des Wegsehens der Beklagten in psychische Behandlung habe begeben müssen und sie auch körperliche gesundheitliche Probleme habe. Bereits seit einiger Zeit plagten sie vermehrte Migräneattacken.

Sie habe sich bereits im Zuge eines BEM-Gesprächs am 30.03.2021, bei dem Frau C. anwesend gewesen sei, über ein Gespräch beschwert, welches Herr A. und Herr P. in der Raucherecke geführt hätten. Hierbei hätten sich die beiden über Homosexuelle lustig gemacht. Herr P. habe behauptet, Homosexuelle seien krank, pädophil und man müsse schwule Männer erschießen. Die Klägerin habe mit beiden darüber diskutiert, dass man so etwas nicht sagen könne. Sie habe in dem BEM-Gespräch auch mitgeteilt, dass es sie störe und belaste. Auch im Zuge dessen sei nichts passiert; dieser Teil des Gesprächs sei nicht einmal in das Protokoll aufgenommen worden.

Dies zeige deutlich, dass bei der Beklagten trotz Kenntnis von diversen Vorfällen keinerlei Konsequenzen für diskriminierende und rassistische Äußerungen zu fürchten seien.

Bei der Bemessung der Entschädigungs- bzw. Schadenshöhe sei erschwerend zu berücksichtigen, dass die Schwere des Verstoßes des Herrn A. gegen das Benachteiligungsverbot erheblich sei und die Arbeitgeberin bereits in mehrfachen Anläufen aufgefordert worden sei, einzuschreiten. Gleichwohl seien nach dem Gespräch am 28.07.2022 – trotz widersprechender Aussagen und trotz Kenntnis des Sachverhalts – zwischen Frau J. und Herrn A. keine Konsequenzen für Herrn A. gezogen worden.

Die Beklagte sei auch ihren gesetzlichen Verpflichtungen aus § 12 AGG nicht nachgekommen. Sie habe insb. – was die Beklagte nicht in Abrede stellt – zu keinem Zeitpunkt über die Regelungen des AGG informiert und keinerlei präventive Schutzmaßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung und sexueller Belästigung ergriffen. Solche hätte sie jedoch spätestens nach dem Gespräch am 28.07.2022 ergreifen müssen.

Auch die ihr erteilte Abmahnung sei unberechtigt. Die darin erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend und auch geeignet, eine gewisse Drohung auszusprechen. Die Klägerin habe das Gespräch mit der Gleichstellungsbeauftragten C. im Vertrauen gesucht und ihr ebenso im Vertrauen mitgeteilt, dass sich viele Mitarbeiter nicht trauten, gegen Herrn A. auszusagen bzw. sich gegen ihn zu stellen. Hierzu zähle auch Herr G. , der die ihr gegenüber weitergegebene Äußerung getätigt habe, sich jedoch ebenfalls nicht traue, auszusagen. Sie habe weiter mitgeteilt, dass dies keine Beschwerde darstelle und angeregt, dass die Gleichstellungsbeauftragte evtl. ein vertrauliches Gespräch mit Herrn G. suchen könne, um herauszufinden, ob Herr G. die Angaben ihr gegenüber evtl. bestätige.

Zur vollständigen Erfüllung des Abmahnungsentfernungsanspruchs seien auch sämtliche Rückstände der Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, mithin auch das anwaltliche Schreiben vom 23.01.2023.

Die Klägerin beantragt

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.09.2022 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, die von ihr gegenüber der Klägerin ausgesprochene Abmahnung vom 13.01.2023 sowie das anwaltliche Schreiben vom 23.01.2023 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

Die Beklagte habe die erstmalig in dem Gespräch am 28.07.2022 erhobenen Vorwürfe der Klägerin betreffend das Verhalten des Herrn A. aufgeklärt und anschließend mit allen Beteiligten, einschließlich der Klägerin, besprochen. Nach dem Gespräch am 28.07.2022 habe es – insoweit unstreitig – seitens des Herrn A. keine (weiteren) Benachteiligungen zu Lasten der Klägerin gegeben. Man könne der Beklagten mithin nicht vorwerfen, solche pflichtwidrig nicht durch geeignete Maßnahmen unterbunden zu haben.

Obwohl es seitens der Klägerin keinerlei substantiierten Vortrag zu entsprechenden Handlungen ihr gegenüber durch Herrn A. für die Zeit nach dem 28.07.2022 gebe, habe die Beklagte alles unternommen, um die weiteren Vorwürfe, die die Klägerin nach dem Gespräch am 28.07.2022 erhoben habe, aufzuklären. Dabei hätten die befragten Zeugen die Behauptungen der Klägerin in keinem Fall bestätigt. Die Beschuldigungen der Klägerin seien im Übrigen so ungenau, dass keine weitere Aufklärung betrieben werden könne. Es bestehe daher keine Pflichtverletzung der Beklagten.

Es sei die Privatsache des Herrn A. , welche digitalen Inhalte er während seiner Freizeit und in den Pausenzeiten bei der Arbeit konsumiere. Es seien nach der Aussage des Herrn A. keine dritten Personen betroffen gewesen. Die Betriebssprache der Beklagten sei deutsch, sodass ein Hinweis darauf, während der Arbeitszeit deutsch zu sprechen, keine Benachteiligung darstelle.

Frau M. sei noch einmal zu einem Gespräch gebeten und noch einmal explizit gefragt worden, ob sie sich durch Herrn A. belästigt gefühlt habe oder fühle. Sie habe beide Fragen verneint.

Es handele sich bei dem Busfahrer des Subunternehmens nicht um einen Mitarbeiter der Beklagten. Auch habe es keine Beschwerde durch den Busfahrer oder durch das Subunternehmen gegeben. Die Beklagte sei daher nicht gehalten gewesen, weitere Nachforschungen anzustellen.

Frau J. sei seit ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb im Jahr 2019 nicht mehr im Betrieb in Erscheinung getreten. Es könne der Beklagten nicht zugemutet werden, vermeintliche Belästigungen gegenüber einer ehemaligen Mitarbeiterin aufzuklären. Wobei zu betonen ist, dass sich Frau J. weder während ihrer Zeit bei der Beklagten noch danach über das Verhalten des Herrn A. beschwerte. Auch sei die Verbindung zwischen einer angeblichen Belästigung von Frau J. und der streitigen Benachteiligung der Klägerin unklar.

Auch die Abmahnung sei zu Recht ausgesprochen worden. Ausgehend von der glaubwürdigen Aussage des Herrn G. gehe die Beklagte davon aus, dass Herr A. weder die behauptete Äußerung – Aufforderung zum Sex mit der Klägerin – gegenüber Herrn G. getätigt habe, noch dass Herr G. dieses gegenüber der Klägerin geäußert habe. Die Klägerin habe Frau C. angelogen.

Die falschen Anschuldigungen der Klägerin und die dadurch notwendigerweise durchgeführte (weitere) Befragung des Herrn G. zu dem gesamten Themenkomplex seien geeignet, den Betriebsfrieden zu stören.

Die Klägerin habe den Kollegen A. gegenüber der Gleichstellungsbeauftragte der Beklagten einer sexuellen Belästigung bezichtigt, die es nicht gegeben habe. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf zurückziehen, dass ihr dies von Herrn G. falsch mitgeteilt worden sei, da Herr G. sich nicht entsprechend gegenüber der Klägerin geäußert habe. Die Klägerin schrecke also auch nicht davor zurück, einen zweiten Mitarbeitenden in ihr Lügengeflecht einzubeziehen. Die Beklagte bemühe sich nach Kräften allen Vorwürfen der Klägerin nachzugehen. Die Beklagte treffe jedoch auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Mitarbeitenden, die sie vor haltlosen Anschuldigungen schützen müsse. Daher sei die Beklagte dazu gehalten gewesen, sich bei Herrn G. hinsichtlich des von der Klägerin angezeigten Sachverhalts zu erkundigen. Hierdurch habe Herr G. wiederum zum einen von den unberechtigten Anschuldigungen gegenüber Herrn A. und zum anderen auch davon erfahren, dass er von der Klägerin diesbezüglich instrumentalisiert worden sei. Die Beklagte sei auch gehalten gewesen, Herrn A. über die Vorwürfe der Klägerin zu unterrichten. Beiden Mitarbeitenden sei es nicht zumutbar, sich zukünftig weiteren unwahren Behauptungen der Klägerin auszusetzen. Der Klägerin müsse daher aufgezeigt werden, dass sie keine Anschuldigungen „ins Blaue hinein“ oder sogar bewusst wahrheitswidrig treffen könne, die geeignet seien, andere Mitarbeitende zu verunglimpfen.

Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf die Entfernung des anwaltlichen Schreibens vom 23.01.2023 aus der Personalakte zu. Von diesem hingen keine arbeitsrechtlichen Folgen ab. Jedenfalls scheitere der Anspruch an der Rechtmäßigkeit der Abmahnung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie Protokollerklärungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I.

Der Klageantrag zu 1. ist unbegründet. Ein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 6.000,00 EUR steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG beanspruchen.

a) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt – ungeachtet der weiteren Voraussetzungen – einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wobei § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG) verbietet (vgl. BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 23).

b) Schon unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin liegt diese Anspruchsvoraussetzung nicht vor.

aa) Unstreitig hat nicht die Beklagte (bzw. ihr gesetzlicher Vertreter) selbst durch ein Handeln oder Unterlassen gegenüber der Klägerin gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen.

bb) Es ist auch weder erkennbar noch von der Klägerin vorgetragen, dass das von ihr behauptete Verhalten des Herrn A. der Beklagten zuzurechnen wäre (vgl. allg. zu den Anforderungen an die Zurechnung einer Benachteiligung durch Dritte, insb. Mitarbeiter etwa BeckOK/Roloff Stand 1.3.2023 § 3 AGG Rn. 37 mwN; vgl. ferner Stoffels RdA 2009, 204, 207 f.).

cc) Soweit die Klägerin ein Fehlverhalten der Beklagten darin sieht, dass diese (in mehrfacher Hinsicht) gegen ihre Pflichten aus § 12 AGG verstoßen habe und zwar sowohl in präventiver wie auch in repressiver Hinsicht, vermag ein solcher Verstoß, selbst wenn die Beklagte einen solchen begangen haben sollte, nicht einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu begründen.

Dies ergibt sich bereits aus dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut sowie aus der Gesetzessystematik: § 15 Abs. 1 AGG als „Ausgangsnorm“ für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG (vgl. hierzu etwa ErfK/Schlachter 23. Aufl. § 15 AGG Rn. 7 mwN; im Ergebnis auch Stoffels RdA 2009, 204, 208; Simon/Greßlin, BB 2007, 1782, 1784), fordert ausdrücklich einen Verstoß „gegen das Benachteiligungsverbot“. Dieses ist jedoch ausschließlich in § 7 AGG geregelt, was bereits dessen Überschrift („Benachteiligungsverbot“) zeigt.

§ 12 AGG regelt demgegenüber „Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers“. Die Norm befindet sich auch in einem anderen Unterabschnitt als § 7 AGG, welcher in dem mit „Verbot der Benachteiligung“ überschriebenen Unterabschnitt 1 angesiedelt ist, nämlich in dem mit „Organisationspflichten des Arbeitgebers“ überschriebenen Unterabschnitt 2. Ein Verstoß gegen die sich aus § 12 AGG ergebenden Verpflichtungen des Arbeitgebers stellt mithin keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot iSv. § 7 Abs. 1 AGG und damit auch nicht iSv. § 15 Abs. 1 AGG dar (so im Ergebnis auch Simon/Greßlin, BB 2007, 1782, 1784).

dd) Vor diesem Hintergrund ist auch der Hinweis der Klägerin auf § 22 AGG unbehelflich.

2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB iVm. § 12 AGG zu.

a) Dabei kann zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass die Schutzpflichten des Arbeitgebers aus § 12 AGG Nebenpflichten zum Arbeitsvertrag darstellen (so etwa Simon/Greßlin, BB 2007, 1782, 1784 mwN) und die Beklagte diese verletzt hat und zwar sowohl die präventiven aus § 12 Abs. 1 und Abs. 2 AGG als auch diejenigen aus § 12 Abs. 3 AGG.

b) Es fehlt nämlich jeweils an der (substantiierten) Darlegung eines adäquat kausal durch eine Verletzung dieser Schutzpflichten eingetretenen Schadens bei der Klägerin, die für dessen Eintritt sowie für die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und einem etwaigen Schaden nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet ist (vgl. MüKo-BGB/Ernst 9. Aufl. § 280 Rn. 34).

aa) Es ist weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst erkennbar, dass das von ihr behauptete Verhalten des Herrn A. unterblieben wäre, wenn die Beklagten ihren Pflichten aus § 12 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Abs. 3 AGG nachgekommen wäre.

(1) Der ursächliche Zusammenhang besteht bei einem Unterlassen von vorgeschriebenen Handlungen nur dann, wenn pflichtgemäßes Verhalten den Eintritt des Schadens mit Sicherheit verhindert hätte. Eine bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit reicht nicht, die Verhinderung des Erfolges muss praktisch sicher sein (zum Ganzen Simon/Greßlin, BB 2007, 1782, 1784 mwN). Hierfür ist im Streitfall nichts ersichtlich. Es besteht insb. auch kein Anscheinsbeweis dafür, dass ein gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßender Arbeitnehmer durch bestimmte Maßnahmen – wie zB eine Schulung oder den Ausspruch einer Abmahnung – sein Verhalten ändert (vgl. Simon/Greßlin, BB 2007, 1782, 1784 mwN).

(2) Ungeachtet dessen behauptet die Klägerin selbst nicht, dass es, nachdem die Beklagte Kenntnis von den Vorwürfen gegen Herrn A. erlangt hatte, zu einem erneuten Fehlverhalten von diesem gekommen wäre.

Dies gilt sowohl für das Gespräch am 28.07.2022 als auch für die Behauptung der Klägerin, sie habe sich bereits im Rahmen eines BEM-Gesprächs am 30.03.2021 u.a. über homophobe Äußerungen des Herrn A. beschwert. Hinsichtlich Letzterem ist nicht erkennbar, welchen Personen diese Beschwerde zur Kenntnis gebracht worden sein soll, deren Kenntnis der Beklagten zuzurechnen wäre. Die Klägerin benennt insoweit lediglich die Gleichstellungsbeauftragte C. , wobei nicht erkennbar ist, warum deren Wissen der Beklagten ohne Weiteres zuzurechnen sein sollte.

bb) Darüber hinaus hat die Klägerin auch nicht einen konkret durch das behauptete Verhalten von Herrn A. eingetretenen Schaden dargelegt.

(1) Im Rahmen des vertraglichen Schadensersatzanspruchs kann auch der mit einer (sexuellen) Belästigung verbundene immaterielle Schaden entschädigt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die (sexuelle) Belästigung zu einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung (§ 253 Abs. 2 BGB) geführt hat. Die Voraussetzungen liegen damit deutlich höher als nach § 15 Abs. 2 AGG, wo keine physische oder psychische Beeinträchtigung vorliegen muss. Nicht jede psychische Beeinträchtigung durch eine (sexuelle) Belästigung stellt eine Gesundheitsverletzung dar. Es muss für eine Gesundheitsverletzung ein pathologischer Zustand vorliegen, bloße Aufregung reicht nicht aus (zum Ganzen Simon/Greßlin, BB 2007, 1782, 1785).

(2) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin nicht. Soweit sie zuletzt behauptet hat, sie habe aufgrund der „Gesamtsituation mit Herrn A. “ sowie des und Unterlassens weiterer Aufklärungsmaßnahmen durch die Beklagte gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten, sich in psychische Behandlung begeben müssen und leide seit einiger Zeit unter Migräneattacken, handelt es sich hierbei um eine lediglich pauschale Behauptung von Gesundheitsschäden ohne nähere zeitliche und inhaltliche Eingrenzung bzw. Konkretisierung.

3. Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB stützen.

Auch insoweit fehlt es an hinreichendem Vortrag zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität sowie zu einem Schadenseintritt an sich.

Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2. verwiesen.

4. Schließlich hat die Klägerin auch keinen aus § 823 Abs. 2 BGB resultierenden Schadensersatzanspruch. Dabei kann dahin stehen, ob § 12 AGG ganz oder in Teilen als Schutzgesetz iSd. Vorschrift zu qualifizieren ist (so wohl die hM, vgl. etwa Simon/Greßlin, BB 2007, 1782, 1785 mwN).

Auch insoweit fehlt es an hinreichenden Darlegungen der Klägerin zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität sowie eines hierdurch verursachten Schadenseintritts.

5. Nach alldem bedurfte die seitens der Beklagten aufgeworfene Frage, ob sämtliche der vorgenannten in Betracht kommenden Ansprüche den gesetzlichen Ausschlussfristen des § 15 Abs. 4 AGG sowie § 61b Abs. 1 ArbGG unterliegen und – wenn ja – jeweils fristgerecht geltend gemacht bzw. eingeklagt wurden, keiner Beantwortung.

6. Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Zinsanspruch.

II.

Der Klageantrag zu 2. ist demgegenüber begründet. Die Klägerin kann sowohl die Entfernung der Abmahnung vom 13.01.2023 sowie des anwaltlichen Schreibens vom 23.01.2023 aus ihrer Personalakte verlangen.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 13.01.2023 aus ihrer Personalakte.

a) Arbeitnehmer können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt (st. Rspr., zB BAG 15. Juni 2021 – 9 AZR 413/19 – Rn. 17; 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 83, BAGE 160, 296; 20. Januar 2015 – 9 AZR 860/13 – Rn. 31; 19. Juli 2012 – 2 AZR 782/11 – Rn. 13 mwN, BAGE 142, 331).

b) Nach den vorgenannten Grundsätzen ist die Abmahnung vom 13.01.2023 bereits deswegen aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, da sie eine unzutreffende Tatsachenbehauptung sowie eine unzutreffende rechtliche Bewertung bzgl. des der Klägerin vorgeworfenen Verhaltens enthält.

aa) So ist der in Abs. 3 der Abmahnung beschriebene Sachverhalt schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht zutreffend dargestellt.

Soweit es dort heißt “ Wir haben Herrn G. hinsichtlich Ihrer Behauptung befragt. Herr G. teilte uns mit, dass …“ suggeriert diese Formulierung, dass die Befragung jemand anderes als die im Absatz davor ausdrücklich benannte Gleichstellungsbeauftragte B vorgenommen hätte. Die Beklagte trägt aber vor und hat dies auf ausdrückliche Nachfrage im Kammertermin auch noch einmal bestätigt, dass die Befragung von Herrn G. durch die Gleichstellungsbeauftragte B. erfolgte und diese sodann die Geschäftsführung über das Ergebnis ihrer Befragung sowie den Inhalt des Telefonats vom 15.12.2022 informierte.

Auch insoweit ist weder erkennbar noch von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten vorgetragen, dass bzw. warum ihr Handlungen der Gleichstellungsbeauftragten zuzurechnen sein sollten.

bb) Darüber hinaus ist die seitens der Beklagten im Abmahnungsschreiben vorgenommene rechtliche Bewertung des behaupteten Verhaltens der Klägerin fehlerhaft. Selbst wenn die Klägerin – wie von der Beklagten ohne eingehende Begründung behauptet – gegenüber der Gleichstellungsbeauftragten B. in dem Telefonat am 15.12.2022 die Unwahrheit gesagt haben sollte, stellte dies keine „Störung des Betriebsfriedens“ dar.

(1) Der Begriff des Betriebsfriedens wird bestimmt durch die Summe derjenigen Faktoren, die – unter Einschluss des Arbeitgebers – das Zusammenleben und Zusammenwirken der in einem Betrieb tätigen Betriebsangehörigen ermöglichen, erleichtern oder auch nur erträglich machen. Der Betriebsfrieden als ein die Gemeinschaft der Betriebsangehörigen betreffender Zustand ist dann gestört, wenn das störende Ereignis einen kollektiven Bezug aufweist. Dazu ist allerdings nicht erforderlich, dass die ganze Belegschaft oder ihre Mehrheit in Unruhe gerät. Vielmehr reicht es auch aus, wenn nur wenige Arbeitnehmer betroffen sind (vgl. zum Ganzen LKB/Krause 16. Aufl. § 1 KSchG Rn. 608 mwN; vgl. ferner MüKoBGB/Hergenröder, 9. Aufl. 2023 § 1 KSchG Rn. 296 mwN). Störungen des Betriebsfriedens können auch durch bewusstes Verbreiten wahrheitswidriger Behauptungen erfolgen (LKB/Krause 16. Aufl. § 1 KSchG Rn. 608), etwa durch Denunzierung von Arbeitskollegen (NK-ArbR/Kerwer, 2. Aufl. 2023, § 1 KSchG Rn. 947).

(2) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze vermag die Kammer in einem beklagtenseitig behaupteten Lügen der Klägerin keine Störung des Betriebsfriedens zu erkennen. Es fehlt insoweit an einem kollektiven Tatbestand.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der von der Klägerin in dem Telefonat mit der Gleichstellungsbeauftragten B. geschilderte Sachverhalt zumindest die weiteren Mitarbeiter G. und A. mit einbezieht.

Die beklagtenseitig als unwahr behauptete Äußerung der Klägerin wurde aber unstreitig im Rahmen eines Telefonats unter zwei Personen abgegeben. Diese Gesprächssituation „unter vier Augen“ führt jedoch dazu, dass es an einem kollektiven Sachverhalt fehlt. Die Klägerin hat ihre Behauptung gerade nicht einem weitergehenden Personenkreis zur Kenntnis gebracht. Dies wäre nach Auffassung der Kammer aber für die Bejahung eines kollektiven Sachverhalts im vorgenannte Sinne erforderlich gewesen. Insoweit kommt es auch nicht streitentscheidend darauf an, ob die Klägerin in dem Telefonat (ausdrücklich oder konkludent) um Vertraulichkeit gebeten hat.

Die weitergehende Maßnahme der Befragung von Herrn G. zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts wurde jedoch nach dem Vorbringen der Beklagten durch die Gleichstellungsbeauftragte selbst initiiert und nicht durch die Klägerin.

Auch wenn die Klägerin ggf. damit rechnen musste, dass die Gleichstellungsbeauftragte weitere Aufklärungsmaßnahmen ergreift und die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag eine (vertrauliche) Befragung von Herrn G. angeregt haben will, ist das weitere Vorgehen der Gleichstellungsbeauftragten der Klägerin nicht dergestalt zuzurechnen, dass die Klägerin bewusst die weitere Involvierung von Herrn G. initiiert hätte.

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang noch anbringt, dass die Gleichstellungsbeauftragte auch Herrn A. von dem weiteren Vorwurf der Klägerin informiert habe, ist dies ebenfalls unbehelflich, da dieser Sachverhalt in der Abmahnung keine Erwähnung gefunden hat.

Im Übrigen behauptet die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte selbst nicht, dass das beanstandete Verhalten der Klägerin seinerseits (unmittelbar) den Betriebsfrieden gestört hätte, sondern lediglich, dass dieses dazu „geeignet“ gewesen sei.

cc) Selbst wenn man entgegen der vorigen Ausführungen das Vorliegen einer Störung des Betriebsfriedens bejahte, wäre ein solches jedoch gerade aufgrund der soeben geschilderten Gesprächssituation jedenfalls nicht „massiv“ im vorgenannten Sinne, da die Klägerin gerade nicht selbst ihre Behauptung einem erweiterten Personenkreis gegenüber kundgetan hat.

2. Da die Abmahnung aus den vorgenannten Gründen aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen ist, war die Beklagte auch zur Entfernung des anwaltlichen Schreibens vom 23.01.2023 aus der Personalakte zu verurteilen. Auch insoweit ergibt sich ein entsprechender Entfernungsanspruch der Klägerin aus §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Sinn und Zweck des Anspruchs auf Entfernung einer Abmahnung ist insb., die Arbeitnehmerin nicht in ihrem weiteren beruflichen Fortkommen zu behindern (vgl. etwa NK-ArbR/Kerwer, 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 838). Um diese Zielsetzung hinreichend verwirklichen zu können, muss die Arbeitnehmerin stets auch – gleichsam als Annex zur Entfernung der Abmahnung – die Entfernung sämtlicher im Kontext mit dem Ausspruch der Abmahnung gefertigten Schreiben, die inhaltlich auf die Abmahnung Bezug nehmen, verlangen können.

Hierzu gehören insb. Schreiben wie das anwaltliche Schreiben vom 23.01.2023, welches inhaltlich auf die Abmahnung Bezug nimmt und sich mit dieser auseinandersetzt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 92 1 Satz 1 ZPO. Die Kosten des Verfahrens waren im Verhältnis ihres jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens zwischen den Parteien aufzuteilen.

IV.

Das Gericht hat den Streitwert gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt. Er setzt sich zusammen aus dem mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten Zahlungsbetrag und zwei Bruttomonatsgehältern der Klägerin für den Antrag zu 2., da sie hierin die Entfernung zweier Schreiben aus ihrer Personalakte begehrt.

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