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Spesenauszahlung Kraftfahrer

ArbG Paderborn – Az.: 3 Ca 173/18 – Urteil vom 13.07.2018

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.704,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.01.2018 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 1.704,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Spesen.

Der Kläger war vom 15.11.2007 bis zum 30.06.2017 bei dem Beklagten als Kraftfahrer auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 15.11.2007 (Bl. 4 ff. GA) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

„§ 10 Vergütung/Sonstige Leistungen

….

(5) Spesen werden gemäß der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen monatlich und nur nach Erhalt der lückenlosen und unterschriebenen Nachweise in der Abrechnung nach Prüfung gezahlt.

……

(7) Die freiwillige Zahlung der Gratifikationen, Prämien, Spesen oder sonstigen Leistungen, auch soweit sie durch diese Bestimmungen gewährt werden, liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet auch bei wiederholter vorbehaltloser Zahlung keinen Rechtsanspruch.

§ 17 Verfallfristen

(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.

(2) Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab, oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs dagegen, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

(3) Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche, des/der Arbeitnehmers/in, die während eines Kündigungsprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von drei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.“

Neben dem monatlichen Gehalt erhielt der Kläger für seine Tätigkeit Spesen. Er erstellte für jeden Monat einen Spesenbericht und gab diesen am Monatsende bei dem Beklagten ab. Im Laufe des Arbeitsverhältnisses zahlte der Beklagte dem Kläger Spesen häufig nicht im darauffolgenden Monat, sondern mit mehreren Monaten Verspätung. Häufig wurden Spesen erst mehr als drei Monate nach ihrer Fälligkeit von dem Beklagen bezahlt. Ergänzend wird auf die diesbezügliche Aufstellung des Klägers im Schriftsatz vom 04.06.2018 (Bl. 51f. GA) verwiesen.

Die Spesen für die Monate März, August und Dezember 2016 sowie die Monate Februar bis Juni 2017 in Höhe von insgesamt 1.704,00 EUR zahlte der Beklagte an den Kläger nicht aus. Der Kläger hatte auch für diese Monate Spesenberichte bei dem Beklagten eingereicht.

Mit Schreiben vom 12.07.2017 (Bl. 19 GA) erklärte der Beklagte dem Kläger, dass er aufgrund der Firmenauflösung am 30.06.2017 gezwungen sei, die dem Kläger noch nicht ausgezahlten Spesen aus der Vergangenheit an diesen zurück zu geben. Er wurde gebeten, die Spesen bei der nächsten Steuerklärung beim Finanzamt mit einzureichen.

Mit Schreiben vom 11.01.2018 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Zahlung der Spesen für die Monate März, August und Dezember 2016 sowie Februar bis Juni 2017 geltend. Mit Schreiben vom 23.11.2018 verweigerte der Beklagte die Zahlung.

Mit seiner am 31.01.2018 bei Gericht eingegangenen Klageschrift begehrt der Kläger die Zahlung der ausstehenden Spesen für die Monate März, August und Dezember 2016 sowie die Monate Februar bis Juni 2017 in Höhe von insgesamt 1.704,00 EUR. Er ist der Auffassung, dass die Ansprüche nicht gemäß § 17 des Arbeitsvertrages verfallen seien. Die Regelung sei bereits unwirksam, weil sie keine Ausnahme für Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn enthalte. Darüber hinaus es treuwidrig, wenn sich der Beklagte auf die Ausschlussfrist berufe.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.704,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.01.2018 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass sämtliche Ansprüche des Klägers aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen seien. Zudem sei der Betrieb des Beklagten von Herrn E übernommen worden. Eine Haftung des Beklagten komme daher nicht mehr in Betracht.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2018, 18.05.2018 und 13.07.2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Spesenauszahlung Kraftfahrer
(Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com)

I.   Die Klage ist zulässig und begründet.

1.  Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Spesen für die Monate März, August und Dezember 2016 sowie Februar bis Juni 2017 in Höhe von insgesamt 1.704,00 EUR. Der Anspruch folgt aus § 10 Abs. 5 des Arbeitsvertrages.

a)  Dass dem Kläger grundsätzlich ein solcher Anspruch zusteht, und die von ihm geforderten Spesen in dieser Höhe auch tatsächlich angefallen sind, stellt auch der Beklagte nicht in Frage.

b)  § 10 Abs. 7 des Arbeitsvertrages steht dem Anspruch nicht entgegen. Die Regelung ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

aa)  Bei den Bestimmungen des Arbeitsvertrages handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von 305 Abs. 1 BGB. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (BAG 17.08.2011 – 5 AZR 406/10 – Rn. 11), der keine der Parteien entgegengetreten ist.

bb)   Durch § 10 Abs. 5 des Arbeitsvertrages wird dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von Spesen gemäß den gesetzlichen Bestimmungen gewährt. Eine Formulierung, nach der vom Arbeitgeber etwas gezahlt wird, ist typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs (BAG 20.02.2013 – 10 AZR 177/12 – Rn. 17). Soweit durch die Regelung in § 10 Abs. 7 des Arbeitsvertrages der Anspruch auf die Zahlung von Spesen ausgeschlossen sein sollte, steht diese Regelung im Widerspruch zu § 10 Abs. 5 des Arbeitsvertrages. § 10 Abs. 7 des Arbeitsvertrages ist daher nicht klar und verständlich im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und damit unwirksam (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation BAG 30.07.2018 – 10 AZR 606/07 – Rn. 45). Gemäß § 306 Abs. 1 BGB fällt die unwirksame Regelung ersatzlos weg, der Vertrag bleibt im Übrigen bestehen (BAG 20.02.2013 – 10 AZR 177/12 – Rn. 20).

c)   Ein etwaiger Übergang des Betriebes auf einen Erwerber steht einem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Der Beklagte behauptet selbst nicht, dass der Betrieb von Herrn E vor dem 01.07.2017 und damit noch während des hier streitgegenständlichen Zeitraumes erworben wurde. Selbst wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Betriebserwerbs noch bestand und im Wege des Betriebsüberganges auf den Erwerber übergegangen sein sollte, haftet der Beklagte somit dennoch gemäß § 613a Abs. 2 BGB für sämtliche streitgegenständlichen Ansprüche, weil diese jedenfalls vor dem Zeitpunkt des angeblichen Betriebsübergangs entstanden sind.

d)  Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist wirksam ist. Jedenfalls kann sich der Beklagte gemäß § 242 BGB nicht auf sie berufen.

aa)   Eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf eine Ausschlussfrist dann dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Arbeitnehmers hinsichtlich der Einhaltung der Verfallsfrist durch ein Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden ist. Der Arbeitgeber muss also den Arbeitnehmer von der Geltendmachung des Anspruchs abgehalten haben. Das wird angenommen, wenn der Arbeitgeber durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Arbeitgeber die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat bzw. an objektiven Maßstäben gemessen den Eindruck erweckt hat, der Arbeitnehmer könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne Wahrung einer Ausschlussfrist erfüllt werde (BAG 22.02.1997 – 10 AZR 459/96 – zu II 1 der Gründe).

bb)   Gemessen an diesen Grundsätzen kann der Beklagte sich gemäß § 242 BGB nicht auf die Ausschlussfrist berufen. Der Beklagte hat Spesen in der Vergangenheit häufig mit mehreren Monaten Verspätungen gezahlt und insbesondere Ansprüche des Klägers auf Spesenzahlungen auch dann noch erfüllt, wenn die Fälligkeit des entsprechenden Anspruchs mehr als drei Monate bestanden hatte und der Anspruch demnach nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen gewesen wäre. Durch dieses dauernde, während des gesamten Arbeitsverhältnisses praktizierte Verhalten hat der Beklagte nach objektiven Maßstäben den Eindruck erweckt, der Kläger könne darauf vertrauen, dass Ansprüche auf Spesenzahlung auch ohne Wahrung der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist erfüllt würden.

2.   Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB.

II.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Als unterliegende Partei hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Als Streitwert wurde der bezifferte Klageantrag in Ansatz gebracht.

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