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Tatverdachtskündigung wegen Körperverletzung – wahrheitswidriger Vortrag Arbeitnehmer

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 11 Sa 378/18 – Urteil vom 21.06.2019

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 24.04.2018 – 3 Ca 3192/18 – wird zurückgewiesen.

2. Das Arbeitsverhältnis wird auf Antrag der Beklagten zum 31.08.2017 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 6.930,00 EUR brutto aufgelöst.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 80 % und der Kläger zu 20 %.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers.

Der am geborene Kläger, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet, ist seit dem 01.01.2014 bei der Beklagten, für die 673 Arbeitnehmer tätig sind, als Operator Hochregallager Palettierung zu einem Monatsverdienst in Höhe von 2.986,50 EUR brutto tätig.

Nach einer körperlichen Auseinandersetzung im Hochregallager mit dem Mitarbeiter K am 27.06.2017 stellte die Beklagte den Kläger am Folgetag von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Der Vorfall wurde mittels Überwachungskamera auf einer Videoaufnahme festgehalten. Die Beklagte hörte den Kläger sowie die Arbeitnehmer D , K und F am 28.06.2017 zu dem Vorfall an. Wegen der Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten unterzeichneten Gesprächsprotokolle verwiesen (Bl. 77 ff. d. A.). Unter dem 07.07.2019 hörte die Beklagte den Betriebsrat schriftlich zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen, Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers wegen des Verdachtes der Körperverletzung des Mitarbeiters K an. Der Kläger habe den Arbeitnehmer K , der auf einem Schnellläufer stehend an ihm vorbei gefahren sei, gepackt, heruntergezogen und am Hals packend hochgehoben, so dass die Beine des Mitarbeiters K in der Luft hingen. Wenig später habe der Kläger den Arbeitnehmer K unverhältnismäßig heftig gegen die rechte Schulter geschlagen. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 84 f. d. A. Bezug genommen.

Am 10.07.2017 bzw. 11.07.2017 erfolgte eine erneute Anhörung des Klägers bzw. des Arbeitnehmers K . Wegen des Inhalts wird auf die entsprechenden Gesprächsprotokolle verwiesen (Bl. 86 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 11.07.2017 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, dass sie nach den genannten Mitarbeitergesprächen an der Anhörung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses festhalte (Bl. 92 d. A.). Der Betriebsrat trat mit Schreiben vom 11.07.2017 und 12.07.2017 (Bl. 11 ff. d. A.) der Kündigungsabsicht entgegen, er bezweifelte u. a. den behaupteten Würgegriff und meinte, die Erteilung einer Abmahnung sei ausreichend.

Mit Schreiben vom 19.07.2017 (Bl. 10 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.08.2017.

Tatverdachtskündigung wegen Körperverletzung - wahrheitswidriger Vortrag Arbeitnehmer
(Symbolfoto: Red Fox studio/Shutterstock.com)

Die Kündigungsschutzklage des Klägers war vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Mit Urteil vom 24.04.2018 stellte das Arbeitsgericht nach Vernehmung des Zeugen K fest, dass die Kündigung vom 19.07.2017 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die durchgeführte Beweisaufnahme habe den Vorwurf einer Körperverletzung nicht bestätigt, dies gelte auch für Annahme eines dringenden Tatverdachts der Körperverletzung. Der Kläger habe nicht beabsichtigt, den Zeugen K zu verletzen und zu schädigen. Vielmehr habe zwischen den beiden Kollegen ein zunächst einvernehmliches Kräftemessen stattgefunden, der Kläger habe nach Aufforderung des Zeugen K nach Eintritt der Atemnot unverzüglich den Arm von dem Hals des Zeugen entfernt. Jedenfalls sei eine Abmahnung ausreichend gewesen, da der Kläger zuvor nicht durch vergleichbare körperliche Aktivitäten aufgefallen sei. Dies gelte auch für den späteren, folgelosen Schlag gegen die Schulter des Zeugen. Denn dieser sei durch einen Schubser des Zeugen K im Zuge wechselseitiger Provokationen ausgelöst worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihr am 30.05.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.06.2018 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 29.08.2018 begründet.

Die Beklagte greift die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts an. Der Zeuge K sei eindeutig Opfer der tätlichen Angriffe des Klägers. Der Kläger sei am Tag des Vorfalls in einer aggressiven Grundstimmung gewesen. Aus dem zur Verfügung gestellten Videomaterial ergebe sich, mit welchem Kraftaufwand der Kläger auf den Zeugen eingewirkt habe. Jedenfalls sei die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt. Der Auflösungsantrag werde darauf gestützt, dass der Kläger im Gerichtssaal nach Schluss der mündlichen Verhandlung geäußert habe, der Zeuge K sei von ganz oben gesteuert worden, die Geschäftsführung wolle den Kläger loswerden. Der Zeuge sei zu der Aussage gezwungen worden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 24.04.2018, Az. 3 Ca 3192/17, abzuändern und die Klage abzuweisen;

hilfsweise, das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 24.04.2018 abzuändern und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 31.08.2017 aufzulösen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen und den Auflösungsantrag abzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Beweiswürdigung und die rechtlichen Schlussfolgerungen des Arbeitsgerichts. Er habe lediglich geäußert, dass der Zeuge K vom Gruppenleiter Kö , dessen rechtsradikale Gesinnung belegt sei, gesteuert werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 29.08.2018 und 08.10.2018, die Sitzungsniederschriften vom 27.02.2019 und 21.06.2019 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen. Das Landesarbeitsgericht hat Beweis über die streitigen Äußerungen des Klägers anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 24.04.2018 durch Vernehmung der Zeugen B , Ka und W erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21.06.2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.  Die Berufung der Beklagten ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2c) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II.   Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Ihr Auslösungsantrag war erfolgreich.

1.  Die Kündigung vom 19.07.2017 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Das hat das Arbeitsgericht mit überzeugender Begründung, der sich die Berufungskammer anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, festgestellt. Die Angriffe der Berufung der Beklagten überzeugen nicht. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Arbeitsgericht aus der Aussage des Zeugen K keine falschen Schlüsse gezogen. Weder ist die Tatsachenfeststellung noch die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts aus Rechtsgründen zu beanstanden.

a)  Das Arbeitsgericht hat mit vertretbaren Gründen die Annahme einer aggressiven Grundstimmung des Klägers zum Zeitpunkt der körperlichen Auseinandersetzung mit dem Zeugen K abgelehnt. Es hat zur Begründung auf den Zeitablauf zwischen morgendlicher Schichtbesprechung bzw. der laut Zeugenaussage später am Vormittag gefallenen Äußerung des Klägers gegenüber dem Zeugen, dass der Zeuge K richtig frech geworden sei, abgestellt. Dieser sachlich nachvollziehbaren Begründung setzt die Berufung zwar eine gegenteilige Würdigung entgegen, legt aber nicht dar, aus welchen Gründen die plausible Annahme des Arbeitsgerichts unzutreffend sein soll.

b)  Wenn die Beklagte dem Arbeitsgericht vorhält, es habe nicht gewürdigt, dass sämtliche Aktionen vom Kläger ausgegangen seien, verkennt sie das Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz. Hinsichtlich des streitigen Würgegriffs hat das Arbeitsgericht den Geschehensablauf nach den Bekundungen des Zeugen detailliert analysiert und zugunsten der Beklagten unterstellt. Dies betrifft zum einen das gegenseitige verbale Hochschaukeln im Vorfeld und das anschließende Kräftemessen. Das Arbeitsgericht hat allerdings bei der Würdigung des Geschehens nicht nur auf den ersten Einsatz körperlicher Kräfte abgestellt, sondern dies zu Recht in den Kontext des vorherigen beidseitigen verbalen Aufheizens gestellt. Zum anderen hat es auf der Grundlage der Aussage des K zutreffend festgestellt, dass hinsichtlich der späteren verbalen Auseinandersetzung zunächst der Zeuge K körperlich auf den Kläger einwirkte, indem er ihn gegen die Schulter schubste.

c)  Soweit die Beklagte dem Arbeitsgericht vorhält, es habe das zur Verfügung gestellte Videomaterial nicht gesichtet, ist zu bemerken, dass das Arbeitsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe darauf verzichtet hat, weil unstreitig der angebliche Würgegriff wegen einer Sichtblende in der Lagerhalle nicht erkennbar ist. Wenn die Beklagte meint, anhand des Videomaterials zeige sich, mit welchem Kraftaufwand der Kläger zugange war, folgt daraus nicht, dass das Arbeitsgericht den Krafteinsatz des Klägers unzutreffend gewürdigt hat. Es hat vielmehr sämtliche Bekundungen des betroffenen Zeugen K seiner Beweiswürdigung zugrunde gelegt, aus denen sich hinreichend klar die körperlichen Aktionen und der damit verbundene Kraftaufwand ergibt. Die Beklagte legt auch an keiner Stelle dar, dass der Zeuge K das Geschehen verharmlosend wiedergegeben habe. Es fehlt zudem jeder konkrete Anhaltspunkt dafür, dass das Videomaterial zusätzliche Belastungselemente enthält, die das Geschehen in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten.

d)  Soweit die Beklagte schließlich meint, das Verhalten des Klägers sei, selbst wenn es nur eine geringfügige Tätlichkeit darstelle, im Streitfall geeignet, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen, setzt sie ihre Wertung gegen die des Arbeitsgerichts, ohne jedoch aufzuzeigen, warum die rechtliche Würdigung des Arbeitsgerichts unzutreffend sein soll. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Abmahnung als geeignete mildere Reaktion angezeigt und der Beklagten zumutbar war. Selbst wenn ein Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ als Kündigungsgrund geeignet, bedarf es stets der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (BAG, Urt. v. 17.03.2016 – 2 AZR 110/15 – m. w. N.). Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG, Urt. v. 29.08.2013 – 2 AZR 273/12 – m. w. N.). Folglich ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Arbeitsgericht nicht nur die Auswirkungen auf den Betriebsfrieden berücksichtigt hat, sondern in die Abwägung der Interessen der Parteien auch den tatsächlichen Hergang des Kräftemessens, den eigenen Beitrag des Zeugen K sowie die mangelnde Wiederholungsgefahr – da der Kläger zu keinem Zeitpunkt zuvor, durch ähnliche körperliche Aktionen aufgefallen war – eingestellt hat.

2.  Der Auflösungsantrag der Beklagten ist begründet. Das Arbeitsverhältnis war zum 31.08.2017 gegen Zahlung einer Abfindung von 6.830,00 EUR brutto aufzulösen (§§ 9, 10 KSchG).

a)  Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist. Zu diesem Zeitpunkt können aufgrund der zeitlichen Entwicklung und damit veränderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände länger zurückliegende Umstände ihre Bedeutung für die erforderliche Zukunftsprognose verloren haben (BAG, Urt. v. 19.11.2015- 2 AZR 217/15 – m. w. N.). Auch bewusst wahrheitswidriger Prozessvortrag eines Arbeitnehmers in einem Kündigungsrechtsstreit, den dieser hält, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess zu verlieren, sind geeignet, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der wahrheitswidrige Vortrag letztlich entscheidungserheblich ist. Entscheidend ist, dass der „untaugliche Versuch“ eines „Prozessbetrugs“ das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers irreparabel zerstört (BAG, Urt. v. 24.05.2018 – 2 AZR 73/18 -). Der Arbeitgeber kann eine Auflösung nach § 9 KSchG nur verlangen, wenn die Kündigung lediglich nach § 1 KSchG sozialwidrig ist (BAG, Urt. v. 10.11.2005 – 2 AZR 623/04 – m. w. N.).

b)  Zur Überzeugung der Berufungskammer steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zweiter Instanz fest, dass der Kläger der Geschäftsführung im Gerichtssaal nach Beweisaufnahme und Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 24.04.2018 vorgehalten hat, dass sie den Zeugen K gesteuert hat, um ihn – den Kläger – los zu werden. Diese Einlassung des Klägers beinhaltet den schwerwiegenden Vorwurf der unrechtmäßigen Einflussnahme auf den Inhalt der Zeugenaussage. Dieser durch Tatsachen nicht belegbare Vorwurf rechtfertigt unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles die Annahme, dass eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht zu erwarten ist.

c)  Sowohl der Zeuge B , Personalleiter der Beklagten, als auch der Zeuge Ka , prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt der Beklagten, haben in ihrer Vernehmung am 21.06.2019 glaubhaft ausgesagt, dass der Kläger der Beklagten an 24.04.2018 die Steuerung des Zeugen vorgehalten hat. Der Zeuge K hatte am 24.04.2018 vor dem Arbeitsgericht ausgesagt. Seine Aussage enthielt auch belastende Momente, die nicht mit dem Vorbringen des Klägers übereinstimmten, wie etwa die Bekundung, der Kläger habe ihn – den Zeugen K – in den Schwitzkasten genommen bis ihm aufgrund Atemnot die Tränen in die Augen gestiegen seien. Der Zeuge B hat bekundet, dass der Kläger geäußert habe, der Zeuge K könne selber nichts dafür – gemeint war der Inhalt der Aussage – er sei von denen da Oben gesteuert. Der Zeuge B hat diese Bekundung aufgrund des Sachzusammenhangs nachvollziehbar auf sich selbst und auf die beiden Geschäftsführer bezogen. Der Zeuge Ka hat dies im Wesentlichen bestätigt. Er hat ausgesagt, der Kläger habe gesagt, der Junge könne nichts dafür, er sei von Oben gesteuert. Die Geschäftsführung wolle ihn – den Kläger – loswerden. Zwar werden die Äußerungen nicht durch die Bekundung des Zeugen W , Betriebsratsmitglied, bestätigt. Dieser gab an, er habe lediglich mitbekommen, dass der Kläger die Vermutung geäußert habe, der Gruppenleiter habe Probleme mit dem Kläger und könne an Entfernung des Klägers aus dem Betrieb interessiert sein. Dies steht jedoch der gewonnenen Überzeugung des Berufungsgerichts nicht entgegen. Es bestehen durchgreifende Zweifel an der Erinnerungsfähigkeit des Zeugen W . Der Zeuge gab zunächst an, er sei sicher relativ sicher alles mitbekommen zu haben und legte sich sodann auf Nachfrage fest, er sei sicher, dass von einer Steuerung des Zeugen K nicht die Rede war. Dies stimmt jedoch nicht mit dem teilweise übereinstimmenden Vortrag der Parteien überein. Auch der Kläger hat auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2019 den Vorhalt der Steuerung des Zeugen nicht in Abrede gestellt, sondern darauf verwiesen, dass er geäußert habe, der Zeuge K werde vom Gruppenleiter Kö gesteuert. Darüber hinaus spricht für die bessere Erinnerungsfähigkeit jedenfalls des Zeugen Ka , dass er nach eigener Bekundung den Vorfall zeitnah unmittelbar im Nachgang zur Sitzung handschriftlich notiert hat, weil ihm klar gewesen sei, dass man das so nicht stehen lassen könne und dies einen Angriff auf die eigene Mandantschaft darstelle. Greifbare Anhaltspunkte die Glaubwürdigkeit der Zeugen B und Ka in Zweifel zu ziehen, bestanden keine. Zwar war zu berücksichtigen, dass sie aufgrund ihrer Funktionen als Personalleiter bzw. Prozessbevollmächtigter durchaus ein eigenes Interesse am Ausgang des Prozesses haben können. Jedoch spricht für ihre Glaubwürdigkeit nicht nur ihr Aussageverhalten, sondern auch der Umstand, dass ihre Aussagen inhaltlich differenziert, wenn auch im Kern im überstimmend, waren. Sie revidierten auch zum Teil den prozessualen Vortrag der Beklagten. Sie bestätigten keine Äußerung des Klägers, der Zeuge K sei zu der Aussage gezwungen worden.

d)  Der Vorwurf, die Beklagte habe den Zeugen K gesteuert, um ihn – den Kläger – loszuwerden –  beinhaltet den Vorhalt unrechtmäßigen Prozessverhaltens, welches in den strafrechtlichen Bereich des Versuchs der Anstiftung zur Falschaussage bzw. Verleitung zur Falschaussage (§§ 159, 169 StGB) bzw. des versuchten Prozessbetrugs (§ 263 Abs. 2 StGB) reicht. Dieser Vorwurf ist nicht durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt (§ 193 StGB). Für die Annahme der Berechtigung des Vorwurfs gibt es keine konkreten, nachvollziehbaren Anhaltspunkte. Der Zeuge K selbst hat den Stein ins Rollen gebracht, indem er sich nach der Auseinandersetzung auf dem Schnellläufer auf dem Leitstand über die Aktion beschwert hatte. Die Beklagte hat sodann versucht, den Sachverhalt durch Befragung der beteiligten Personen aufzuklären, wie den Gesprächsprotokollen vom 28.06.2017, 10.07.2017 und 11.07.2017 zu entnehmen ist. Eine einseitige, auf Trennung vom Kläger gerichtete Zielrichtung der Ermittlungen ist nicht erkennbar. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, die Äußerung 24.04.2018 sei ihm unter dem Eindruck der Beweisaufnahme und einer aufgewühlten innerlichen Verfassung herausgerutscht. Er hat keine Reue gezeigt und wahrheitswidrig, auch auf explizite Nachfrage des Berufungsgerichts, behauptet, er habe von einer Steuerung durch den Gruppenleiter Kö gesprochen. Vor diesem Hintergrund ist die Basis für eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit ist entfallen. Das Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers ist irreparabel zerstört.

e)  Die Kündigung vom 19.07.2017 war – wie dargelegt – sozialwidrig im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Sonstige Unwirksamkeitsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

f)  Hinsichtlich der Höhe der Abfindung war zugunsten des Klägers neben dem monatlichen Gehaltsbetrag seine Beschäftigungsdauer zu berücksichtigen. Ferner hat die Kammer in Rechnung gestellt, dass der Kläger seiner Ehefrau und zwei Kindern Unterhalt schuldet. Besondere Hindernisse im Hinblick auf die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt liegen nicht vor, der Kläger ist in einem Alter, bei dem die Vermittlungschancen eher positiv einzuschätzen sind. Zu seine Lasten war zu berücksichtigen, dass er durch seine ungerechtfertigte vorsätzliche Behauptung selbst den Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gesetzt hat.

III.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

IV.  Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

 

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