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Urlaubsabgeltung eines dienstunfähigen Beamten

VG Düsseldorf – Az.: 10 K 1987/11 – Urteil vom 11.08.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der 1967 geborene Kläger stand als Beamter im Dienst der Beklagten; er wurde zuletzt als Posthauptschaffner (BesGr A4) bei der E AG beschäftigt. Mit Erklärung vom 5. November 2010 stufte ihn sein unmittelbarer Dienstvorgesetzter als dauernd dienstunfähig ein. Mit Wirkung ab Jahresbeginn 2011 wurde er in den Ruhestand versetzt. Zu diesem Zeitpunkt standen ihm für das Urlaubsjahr 2009/10 noch 30 Urlaubstage, für das Urlaubsjahr 2010/11 noch 36 Urlaubstage, insgesamt also 66 Urlaubstage zu. Diese Urlaubstage hatte er wegen einer dauernden Erkrankung ab dem 7. Oktober 2009 nicht mehr nehmen können.

Der Kläger beantragte deshalb mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 bei der E AG eine Ausgleichszahlung. Dabei bezog er sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die E AG lehnte den Antrag unter dem 9. Februar 2011 ab: Das EuGH-Urteil sei auf Beamte nicht zu übertragen.

Den Widerspruch des Klägers wies die E AG mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2011 zurück.

Am 21. März 2011 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sinngemäß beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der E AG vom 9. Februar 2011 und deren Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2011 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 20. Dezember 2010 eine Urlaubsabgeltung für 66 Tage Erholungsurlaub unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A4 BBesG zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Personalakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einzelrichter entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid vom 9. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2011 ist rechtmäßig, da der geltend gemachte Anspruch nicht besteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Im nationalen Recht gibt es für Beamte keine Anspruchsgrundlage für die Abgeltung von nicht genommenem Urlaub. § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ist nicht anwendbar. Das BUrlG gilt nur für Arbeitnehmer, d.h. im wesentlichen für Arbeiter und Angestellte (§ 2 BUrlG), nicht aber für Beamte. Es ist wegen der Besonderheiten des insbesondere durch das Alimentationsprinzip geprägten Beamtenverhältnisses auch nicht entsprechend für Beamte heranzuziehen. Im Beamtenrecht fehlt eine dem § 7 Abs. 4 BUrlG entsprechende Vorschrift. Die für Beamten geltende Erholungsurlaubsverordnung (EUrlV) sieht eine Abgeltung in Geld nicht vor, sondern geht im Gegenteil von dem Grundsatz aus, dass nicht in Anspruch genommener Urlaub verfällt (§ 7 EUrlV).

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus Europarecht. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG vom 4. November 2003 (ABl. L 299 vom 18. November 2003, sog. Arbeitszeitrichtlinie, im folgenden: RL) ist nicht erfüllt.

Allerdings stellt die Vorschrift eine unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

Richtlinien der Europäischen Union richten sich zwar grundsätzlich an die Mitgliedstaaten; sie sind vom nationalen Gesetzgeber erst noch in nationales Recht anzusetzen (Art. 288 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ex-Art. 249 EGV). Unmittelbar anwendbar ist regelmäßig erst der nationale Umsetzungsakt. Ausnahmsweise kann sich der einzelne aber zu seinen Gunsten unmittelbar gegenüber dem Staat auf Bestimmungen einer Richtlinie berufen, wenn diese Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind.

Std. Rspr. des EuGH; vgl. schon Urteil vom 19. Januar 1982 – C-8/81 -, Slg. 1982, I-55, 71 – Becker; aus neuerer Zeit etwa Urteil vom 14. Januar 2010 – C-471/07 -, AGIM u.a. (juris) m.w.Nachw.

Diese Voraussetzungen sind bei Art. 7 Abs. 2 RL gegeben. Zwar verbietet die Bestimmung nach ihrem Wortlaut nur die Ersetzung des Mindestjahresurlaubs durch eine finanzielle Vergütung, außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Europäische Gerichtshof hat aber entschieden, dass diese Regelung so auszulegen ist, dass sie „einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte“.

So die Entscheidungsformel des Urteils des EuGH vom 20. Januar 2009 – C-350/06 und C-520/06 -, Schultz-Hoff, NJW 2009, 495.

Daraus ergibt sich inhaltlich unbedingt und hinreichend genau, dass unter den genannten Voraussetzungen ein Anspruch des Arbeitnehmers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub, also Abgeltung seines Urlaubsanspruchs in Geld, vorzusehen ist.

Vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 2. Februar 2009 – 12 Sa 486/06 -, NZA-RR 2009, 242, Rdnrn. 130 ff. (juris).

Jedoch sind die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage im Falle von Beamten – wie hier des Klägers – nicht gegeben. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass Beamte unter den Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie fallen (vgl. Art. 1 Abs. 3 RL). Es fehlt nämlich an einer weiteren tatbestandlichen Voraussetzung, und zwar an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Im Unterschied zum privatrechtlichen Arbeitsverhältnis endet das Beamtenverhältnis bei Eintritt des Arbeitnehmers (Beamten) in den Ruhestand nicht, sondern wandelt sich in ein Ruhestandsverhältnis um. Nach dem zugrundeliegenden Alimentationsprinzip bleibt der Dienstherr weiterhin verpflichtet, dem Beamten eine amtsangemessene Lebensführung zu gewährleisten. Dieser erhält also weiterhin Geldzahlungen seines Dienstherrn, so dass ein Anlass für eine abschließende Regelung von Ansprüchen nicht besteht.

Eine solche abschließende Regelung ist auch nicht aus sachlichen Gesichtspunkten geboten, etwa weil der Urlaubsanspruch sonst ungenutzt und ohne Gegenleistung verfällt. Im Beamtenverhältnis stehen Besoldung und Dienstleistung nämlich gerade nicht in einem unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. April 2004 – 2 C 9.03 -, NVwZ 2004, 1255.

Für den Urlaubsanspruch bedeutet dies, dass auch er keine Gegenleistung für die von dem Beamten geleisteten Dienste darstellt. Vielmehr wird er als Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn während der Dauer des aktiven Beamtenverhältnisses gewährt, um dem Beamten Gelegenheit zu geben, seine Arbeitskraft zu erhalten oder wiederherzustellen und privaten Interessen nachzugehen. Diese Zwecke entfallen naturgemäß nach der Umwandlung in ein Ruhestandsverhältnis.

Nach allem gebieten weder der Wortlaut der Richtlinie noch ihr Sinn und Zweck eine Zuerkennung eines Geldzahlungsanspruchs für den verfallenen Urlaubsanspruch des Beamten. Einem solchen Anspruch stehen die Unterschiede zwischen privatem Arbeits- und öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnis (Beamtenverhältnis) durchgreifend entgegen.

Ständige Rspr. der Kammer; vgl. etwa Urteil vom 4. Oktober 2010 – 10 K 5901/10 – mit Hinweis auf OVG Koblenz, Urteil v. 30. März 2010 – 2 A 11321/09.OVG – sowie folgende im Ergebnis übereinstimmende erstinstanzliche Entscheidungen: VG Koblenz, Urteil v. 21. Juli 2009 – 6 K 1253/08.KO -, juris (Vorinstanz zu OVG Koblenz); Urt. v. 3. November 2009 – 2 K 180/09.KO -, juris; VG Hannover, Urt. v. 15. Oktober 2009 – 13 A 2003/09 -, juris; VG München, Urteil v. 17. November 2009 – M 5 K 09.1324 -, ZBR 2010, 140; Urt. vom 11. Juni 2010 – M 21 K 09.3432 -, n.v.; VG Freiburg, Urteil v. 4. Januar 2010 – 5 K 1418/09 -, n.v.; Urteil vom 6. Juli 2010 – 3 K 1985/09 -, juris; VG Stuttgart, Urteil v. 19. März 2010 – 3 K 4777/09 -, n.v. (rechtskräftig durch Beschluss des VGH Mannheim v. 7. Juni 2010 – 4 S 716/10 -, n.v.); VG Düsseldorf, Urteil v. 12. Mai 2010 – 10 K 2864/09 -, n.v.; Urt. v. 4. Juni 2010 – 26 K 3499/09 -, juris; VG Ansbach, Urteil v. 19. Mai 2010 – AN 11 K 10.00486 -, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 20. Mai 2010 – 7 A 238/09 -, n.v.; VG Köln, Urteil v. 16. Juni 2010 – 3 K 8656/09 -, juris. Seitdem sind ferner folgende Entscheidungen mit gleichem Ergebnis ergangen: OVG Koblenz, Urteil vom 13. April 2011 – 2 A 11447/10.OVG -; VG Düsseldorf, Urt. v. 1. Dezember 2010 – 26 K 5205/10 -, juris; VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 8. Februar 2011 – RO 1 K 10.1078 -, n.v.; VG Karlsruhe, Urt. v. 9. Februar 2011 – 4 K 3868/09 -, n.v.; VG München, Urt. v. 30. März 2011 – M 5 K 10.1183 -, juris; VG Saarlouis, Urt. vom 17. Juni 2011 – 2 K 64/10 -, juris. Anders allerdings VG Berlin, Urteil v. 10. Juni 2010 – 5 K 175.09 -, juris; VG Düsseldorf, Urteile vom 25. Juni 2010 – 13 K 5458/09 – und vom 4. August 2010 – 13 K 8443/09 -, juris; Vorlagebeschluss des VG Frankfurt (Main) v. 25. Juni 2010 – 9 K 836/10.F -, juris; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 24. Januar 2011 – 12 K 5288/09 -, juris.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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