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Verdachtskündigung – Nachschieben von Kündigungsgründen

Landesarbeitsgericht Bremen – Az.: 2 Sa 66/12 – Urteil vom 15.01.2014

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 19.01.2012 – 7 Ca 7039/11 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Für die Beklagte wird die Revision in Bezug auf Ziff. 1 und 2 des Urteils des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven zugelassen.

Tatbestand

Verdachtskündigung - Nachschieben von Kündigungsgründen
Symbolfoto: Von tsyhun/Shutterstock.com

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen, fristgemäßen Kündigung, sowie um seine Weiterbeschäftigung als Leiter des Verkaufsbüros B… bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Zudem verlangt der Kläger die Zahlung von einbehaltenen Entgeltbestandteilen. Dem Kläger wird vorgehalten, im Jahre 2003 ein Geschäft abgeschlossen zu haben, das den Tatbestand der Untreue erfüllen, bzw. einen dringenden Tatverdacht begründen würde und an Kartellabsprachen beteiligt gewesen zu sein.

Die Beklagte vertreibt Schienen und weiteres, für den Gleisbau benötigtes Material für den Schienenoberbau. Sie wird unter anderem für die D. AG und andere Gesellschaften tätig. Sie beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer; bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.

Sie bezieht die von ihr für die jeweiligen Kundenaufträge benötigten Schienen von Dritten wie der T. GmbH & Co. KG (vormals firmierend als Th. GmbH und Co. KG). Die T. gehört zum Vo…-Konzern, der seinen Sitz in Linz hat und auf die Fertigung und Verarbeitung von Stahlprodukten spezialisiert ist. Die T. betreibt ein Schienenwerk in D…. Sie verfügt über keinen eigenen Betrieb für ihre Schienen für den deutschen Markt. Dieser wird vielmehr von der Beklagten versorgt. Ein zentraler Wettbewerber der Beklagten ist die Firma Vo. GmbH. Letztere vertreibt in Deutschland Schienen, die sie von der Vo. GmbH bezieht. Die Vo. GmbH betreibt ein Schienenwerk in L…-Österreich.

Die T. und die Beklagte schlossen im Jahr 2001 einen Vertriebsvertrag, der die Belieferung der Beklagten mit Schienen von der T. regelt. Über diesen Vertriebsvertrag hinaus existierte jedoch zwischen Angestellten der Beklagten und Vertretern der T., der V. und der Vo. ein Absprachesystem betreffend den Vertrieb von Schienen an Nahverkehrskunden, Regionalbahnen, Industriebahnen und Bauunternehmen, die entsprechende Produkte angefragt bzw. eine diesbezügliche Ausschreibung gemacht haben. Bestandteil des Absprachesystems war, dass die T. ihren Vertrieb entgegen dem Wortlaut des Vertriebsvertrages exklusiv über die Beklagte abwickeln und die Beklagte keine Schienen anderer Produzenten vertreiben sollte, mit Ausnahme eines festgelegten Anteils an Schienen aus dem polnischen Werk H.. Zudem war vorgesehen, dass die T. der Beklagten die Verkaufspreise für deren Kunden vorgeben sollte. Gegenstand des Absprachesystems war ferner die jeweilige Entscheidung der Frage, welche Vertriebsgesellschaft nach dem Willen der an der Absprache beteiligten Personen Vertragspartner des jeweiligen Kunden werden sollte. In der täglichen Praxis wurde das Absprachesystem durch eine Abstimmung zwischen T. und Vo. in die Tat umgesetzt, in dem T. im Rahmen Ihres Angebotes die Verkaufspreise an die Kunden vorgab. Verständigten sich T. und Vo. dahingehend, dass eine Kundenanfrage bzw. -ausschreibung durch den Vertriebsweg V. bzw. Vo. bedient werden sollte, bot die T. Schienen für die betreffende Kundenanfrage zu einem überhöhten Preis an, der es für die Beklagte ausschloss, gegenüber dem Kunden ein konkurrenzfähiges Angebot abgeben zu können, da gleichzeitig durch das sichergestellt war, dass V. gegenüber dem Kunden ein entsprechend niedrigeres Angebot abgibt. Die T. versah ihr überteuertes Angebot gegenüber der Beklagten zu dem seit einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Vermerk „Preis nicht verhandelbar“ und gab – absprachegemäß – den Preis vor, zu welchem die Beklagte gegenüber dem Kunden ein Angebot abgeben sollte. Soweit die Beklagte nach dem Willen von T. und Vo. den Kundenauftrag erhalten sollte, ist ebenso verfahren worden. Auch in Bezug auf Weichen oder/und Schwellen und sonstige Oberbaumaterialien kam es zu regionalen Absprachen.

Ob der Kläger entsprechend diesen Absprachen gehandelt hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Der 1950 geborene Kläger ist – mit einem Betriebsübergang – seit dem 01.08.1967 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt seit 1993 als Leiter des Verkaufsbüros B…. Das Arbeitsverhältnis der Parteien beruht auf dem Arbeitsvertrag vom 25.03.1993, (Blatt 3-9 der Akte). Er erzielte als Entgelt durchschnittlich monatlich 15.327,38 Euro brutto. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bestellung von Baumaterialien.

2003 beauftragte die D. AG die Arbeitsgemeinschaft A. (A.) mit Gleisbauarbeiten für die Strecke Hamburg/Berlin. Die A. beauftragte in diesem Zusammenhang die Beklagte, Baumaterialien für dieses Projekt zu liefern. Hierzu gehörten auch sogenannte Zwischenlagen, die beim Schienenbau als Teil eines Befestigungspunktes zur Verbindung der Schiene mit den Schwellen verwendet werden.

Für diese Gleisbauarbeiten bestellte der Kläger 2003 mehrfach zahlreiche Zwischenlagen bei verschiedenen Herstellerfirmen. Eine Bestellung über 80.000 Zwischenlagen tätigte er bei der Firma SC. aus Bukarest in Rumänien. Diese sollten in drei Kontingenten zu verschiedenen Zeitpunkten geliefert werden. Im Zeitpunkt der Bestellung verfügten diese Zwischenlagen nicht über die Zulassung der Deutschen Bahn. Sie waren etwas teurer als die zuvor von deutschen Herstellern bestellten Zwischenlagen.

Ende 2010 stieß die Beklagte bei der Überprüfung ihrer Unterlagen im Zusammenhang mit Recherchen in Bezug auf Gebrauchtschienen auf die Geschäftsvorgänge mit der Firma SC. über den Verkauf von insgesamt 80,000 Zwischenlagen. Die Beklagte erhielt von der Firma SC. drei Rechnungen über insgesamt 74.000,- Euro:

– Rechnung vom 20.08.2003 über 20.000 Zwischenlagen à 1,- Euro (Bl. 68 d. A.),

– Rechnung vom 13.10.2003 über 30.000 Zwischenlagen à 0,90 Euro (Bl. 69 d. A.)

und

– Rechnung vom 10.03.2004 über 30.000 Zwischenlagen à 0,90 Euro (Bl. 70 d. A.).

Es erfolgte 2003 zumindest eine Lieferung von 20.000 Zwischenlagen an die Firma L. und Ti.. Diese Firma lagerte die Baumaterialien für die A.. Von dort aus wurden die Zwischenlagen der A. übergeben, die diese auch bei der Beklagten bezahlte. Es ließ sich nicht mehr aufklären, wo die gelieferten Zwischenlagen verblieben sind. Die A. verbaute sie jedenfalls nicht auf dem Streckenabschnitt Hamburg/Berlin. Die Frage der Lieferung der übrigen 60.000 Zwischenlagen und deren Verbleib ist zwischen den Parteien streitig. Allerdings liegen Einfuhrabgabenbescheide des Hauptzollamtes P… vom 07.10.2003 und vom 19.12.2003 über die Einfuhr von Waren im Werte von 20.000 € bzw. 27.000 € vor. Als Anmelder wird die Niederlassung B… der Beklagten genannt, die durch die Rh. vertreten wird. Von dieser liegt auch eine Rechnung an die Beklagte in Bezug auf verauslagten Zoll vor.

Entsprechend der üblichen Praxis bei der Beklagten erfolgte eine Vorprüfung der Rechnungen im Bremer Verkaufsbüro anhand der Lieferpapiere, woraufhin die Rechnungen abgezeichnet und an die Buchhaltung der Beklagten nach Essen weitergeleitet wurden. Über die Verantwortlichkeit für die Prüfung wird gestritten; allerdings hat der Kläger die Rechnungen nicht persönlich abgezeichnet, sondern seine Sekretärin. Das Rechnungswesen der Beklagten in Essen ist für die endgültige Zahlungsfreigabe von Rechnungen zuständig. Von dort aus wurden letztlich alle drei Rechnungsbeträge in Höhe von insgesamt 74.000,- Euro angewiesen.

Am 24.01.2011 fand ein erstes Gespräch der Beklagten mit dem Kläger über diese Vorgänge statt, am 04.02.2011 ein Zweites. Auch mithilfe der vom Kläger vorgelegten Unterlagen konnte dieser nicht angeben, wo die umstrittenen 80.000 Zwischenlagen verwendet wurden, in einem dritten Gespräch am 09.02.2011 erläuterte die Beklagte dem Kläger ihre Kündigungsabsicht.

Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 10.02.2011 zu einer außerordentlichen Kündigung des Klägers an, die jedoch nicht ausgesprochen wurde da zwischenzeitlich zwischen dem Kläger und der Beklagten Verhandlungen über eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses stattfanden. Wegen der Einzelheiten der Anhörung des Betriebsrates wird auf die Anlage B5 zum Schriftsatz der Beklagten vom 24.06.2011 (Blatt 72 der Akte) verwiesen. Noch mit Fax vom 18.02.2011 bestätigte der Kläger gegenüber dem vormaligen Geschäftsführer der Beklagten Bo. seine Bitte, um Auflösung seines Vertrages zum 31.03.2011. Die Beklagte nahm daraufhin Abstand, die fristlose Kündigung des Klägers einzuleiten. Nachdem ein schriftlicher Auflösungsvertrag letztlich nicht zustande kam, stellte die Beklagte den Kläger von seiner Arbeit frei und hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 03.03.2011, die bisherige Anhörung ergänzend zu einer ordentlichen Kündigung des Klägers an (Blatt 91, 92 der Akte).

Mit Schreiben vom 09.03.2011 sprach die Beklagte dem Kläger eine ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2011 aus, wegen erwiesener Untreue, hilfsweise als Verdachtskündigung. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage vom 29.03.2011, eingegangen beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven am selben Tag.

Ab Juli 2011 behielt die Beklagte monatlich jeweils 3.355,28 netto vom Gehalt des Klägers ein. Sie erklärte diesbezüglich die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Kläger.

Mit Schriftsätzen vom 25.08.2011, eingegangen bei Gericht am 26.08.2011, und vom 20.10.2011, eingegangen bei Gericht am 21.10.2011, erweiterte der Kläger seine Klage um die einbehaltenen Gehaltsanteile für die Monate Juli bis November 2011.

Die Beklagte kündigte den Kläger, nachdem der vorliegende Rechtsstreit in 2. Instanz anhängig geworden war, erneut, und zwar fristlos am 25.09.2012. Hiergegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven erhoben. Das Verfahren hat das Arbeitsgericht im Hinblick auf das vorliegende ausgesetzt. Die weitere Kündigung begründet die Beklagte damit, dass der Kläger an illegalen Preisabsprachen mit der V. GmbH bezogen auf ein Projekt im Jahr 2006 in N… beteiligt war. Die Beklagte hat in 2. Instanz das zur Begründung der außerordentlichen Kündigung Herangezogene zur Begründung der vorliegenden ordentlichen Kündigung nachgeschoben. Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 12.09.2012 über Ihre Verdachtsgründe informiert und Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat für diesen die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 21.09.2012 hat die Beklagte den Betriebsrat darüber informiert, dass der Kläger im 1. Halbjahr 2006 ein Gespräch in Bezug auf Preisabsprachen für ein Projekt A…/G… unter anderem mit Vertretern der V. GmbH gegeben habe und sie den Verdacht hege, dass der Kläger an weiteren erheblichen Kartellverstößen beteiligt gewesen sei. Der Kläger sei zum Sachverhalt angehört worden und habe mit seiner Einlassung den dringenden Verdacht nicht entkräften können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 12.09.2012 (Anlage BK 2, Bl. 351 ff.), auf das Schreiben des Klägervertreters vom 21.09.2012 (Anlage BK 3, Blatt 354 f.) und die Anhörung des Betriebsrates vom 31.09.2012 (BK 4, Blatt 346 ff.) der Akte verwiesen.

Gegen die Beklagte werden Ermittlungen des Bundeskartellamtes im Zusammenhang mit kartellrechtswidrigem Verhalten von Mitarbeitern und Organen der Gesellschaft geführt. Insbesondere auf dem sogenannten Privatmarkt für Schienen, Schwellen und Weichen sowie unter anderem beim Vertrieb von Schienen und Holzschwellen an die D. AG kam es zu wettbewerbswidrigen Absprachen. Daraus resultierend ist die Beklagte mit erheblichen Forderungen konfrontiert, die insbesondere aus einem vom Bundeskartellamt unter dem 05.07.2012 verfügten ersten Bußgeldbescheid in Hinblick auf den Sachverhaltskomplex DB Schiene in Höhe von 103.000,000 € sowie aus Schadensersatzansprüchen Dritter abgeleitet werden. Ein weiterer Bußgeldbescheid erging am 18.07.2013 über 88.000.000 €. Wegen der Einzelheiten dieses Bescheides, in dem der Kläger als Beteiligter an der Absprache als Leiter des Verkaufsbüros B… namentlich benannt wird, wird auf die Anlage BK 10 (Bl. 520 ff, insbesondere Blatt 528 der Akte) verwiesen.

Gegen den Kläger wurde durch die Staatsanwaltschaft Bochum ein Ermittlungsverfahren unter dem Az.: 48 JS3/11 eingeleitet. Akteneinsicht hat der Kläger bislang nicht erhalten.

Der Kläger hat die Kündigung der Beklagten für unwirksam gehalten. Der Beklagten stehe auch kein Anspruch zu, der zu einer Aufrechnung mit seinem Gehalt führen könnte.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Kündigung mit Schreiben vom 09.03.2011 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wird.

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter des Verkaufsbüros B… bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 16.776,40 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf

3.355.28 € netto seit dem 01.08.2011,

3.355.28 € netto seit dem 01.09.2011,

3.355.28 € netto seit dem 01.10.2011,

3.355.28 € netto seit dem 01.11.2011,

3.355.28 € netto seit dem 01.12.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Kündigung für wirksam gehalten. Sie hat behauptet, der Kläger habe mit der Bestellung der 80.000 Zwischenlagen das Vermögen der Beklagten bewusst schädigen wollen. Sie habe daher eine Tatkündigung wegen erwiesener Untreue sowie eine entsprechende Verdachtskündigung ausgesprochen. Die 80.000 Zwischenlagen, die der Kläger bestellt habe, seien quantitativ nicht benötigt und qualitativ unbrauchbar gewesen. Sie spricht von einer kriminellen Vorgehensweise des Klägers und behauptet, der Kläger habe von der rumänischen Gesellschaft einen Teilbetrag der durch ihn rechtswidrig veranlassten Zahlung als Schmiergeld zurückerhalten. Auf diesen Vorwurf wolle sich die Beklagte in ihrer Kündigungsbegründung allerdings nicht stützen.

Die Beklagte hat weiter behauptet, die 80.000 Zwischenlagen aus Rumänien seien quantitativ nicht für die Bauarbeiten an der Strecke Hamburg/Berlin erforderlich gewesen. Qualitativ seien sie wegen der fehlenden Zulassung zudem nicht verwertbar gewesen. Die Zwischenlagen bedürften – wie der Kläger sehr wohl wisse – einer speziellen Zulassung durch die D..

Der Kläger hätte eine solche Bestellung nicht tätigen dürfen, da ihm diese Punkte bekannt gewesen seien. Es entspreche daneben nicht einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang, teurere Materialien als üblich einzukaufen. Damit habe der Kläger gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die restlichen 60.000 Zwischenlagen seien nicht geliefert worden, obwohl eine Bezahlung durch sie erfolgte. Damit sei ihr ein Schaden von 54.0000,- Euro entstanden, den der Kläger zu verantworten habe.

Der Kläger hat erwidert, er habe keinen Vertragsverstoß begangen. Soweit die Beklagte ihm die Bezahlung einer Bestellung vorwerfe, verweist der Kläger darauf, dass diese durch ihn nicht erfolgt sei. Die Zahlung sei immer von seiner Sekretärin bzw. in der Zentrale veranlasst worden.

Der Kläger hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates gerügt und darauf verwiesen, dass er nur eine Bestellung über den gesamten Umfang von 80.000 vorgenommen habe, die Beklagte in der Anhörung sich aber nur auf die Verwerflichkeit der Bestellung von 60.000 Zwischenlagen und deren Bezahlung im Umfang von 54.000,00 € stütze.

Dem Kläger stehe sein Gehalt in voller Höhe zu. Der Beklagten stünden keine Schadensersatzansprüche zu. Sie sei daher auch nicht zur Aufrechnung berechtigt.

Der Kläger hat weiter behauptet, er habe bei der Bestellung von einer baldigen Zulassung der Zwischenlagen ausgehen können und habe damit gerechnet. Bei den Vertragsverhandlungen habe das rumänische Unternehmen schriftlich bestätigt, dass es die Zulassung gemäß UIC-Kodex besäße und darüber hinaus die DB-Zulassung als Q1-Lieferant der DB-AG bei Beantragung sofort erhielte, da das Werk seit Jahren die rumänischen und viele internationale Staatsbahnen beliefere. Diese Vorgehensweise sei im Übrigen durchaus üblich gewesen. Auf Dauer wären die Zwischenlagen des rumänischen Herstellers günstiger gewesen als die von deutschen Herstellern.

Der Kläger bestreitet ausdrücklich, dass die bestellten Zwischenlagen nicht geliefert worden seien. Dieser Umstand wäre bei der Beklagten bei der Prüfung der Papiere auch aufgefallen. In den Lieferpapieren werde nicht in jedem Fall die Beklagte als Empfängerin angegeben, sondern die Firma, die das Material tatsächlich lagere oder verbaue. Richtig sei lediglich, dass ein Teil der bestellten Zwischenlagen nicht verbaut, weil nicht zertifiziert worden sei. Dies habe aber mit den geänderten Anforderungen der DB-AG zu tun und sei zum Zeitpunkt der Bestellung nicht erkennbar gewesen.

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat am 19.01.2012 folgendes Urteil verkündet:

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 09.03.2011 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter des Verkaufsbüros B… bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 16.776,40 € netto abzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf

3355.28 € netto seit dem 01.08.2011,

3355.28 € netto seit dem 01.09.2011,

3355.28 € netto seit dem 01.10.2011,

3355.28 € netto seit dem 01.11.2011,

3355.28 € netto seit dem 01.12.2011 zu zahlen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf Euro 78.085,92 festgesetzt.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, eine Untreuehandlung des Klägers sei nicht zu erkennen. Der Beklagten sei es nicht gelungen, substantiiert darzustellen und nachzuweisen, dass der Kläger die Zahlung der bestellten Zwischenlagen tatsächlich veranlasst habe. Es sei nach der unbestrittenen Darstellung des Klägers davon auszugehen, dass die Bezahlung durch Dritte und nicht durch den Kläger erfolgt sei. Sollte die Beklagte die weiteren Zwischenlagen bezahlt haben, obwohl diese nicht geliefert worden seien, so sei für diesen Fehler nicht der Kläger verantwortlich. Es sei nicht seine Aufgabe gewesen zu überprüfen, ob die in Rechnung gestellte Ware tatsächlich geliefert worden sei. Er habe daher nicht vorsätzlich eine Zahlung anweisen können, für die sein Arbeitgeber keinen Gegenwert erhalten habe. Die Beklagte habe weiter auch nicht dA. legt, dass die rumänischen Zwischenlagen offensichtlich nicht benötigt worden seien und dies bereits zum Zeitpunkt der Bestellung 2003 für den Kläger offenkundig gewesen sei. Dagegen spreche bereits, dass unstreitig 20.000 Zwischenlagen an den Kunden übergeben und von diesem bezahlt worden seien. Soweit die Beklagte meine, der Kläger habe keine Waren bestellen dürfen, für die eine Zertifizierung durch die DB-AG fehle, bleibe sie die Substantiierung auf den Einwand des Klägers schuldig, diese habe regelmäßig auch im Nachhinein erfolgen können. Im Übrigen sei der subjektive Tatbestand der Untreue nicht erfüllt. Die Beklagte stützte ihren Vortrag lediglich auf Indizien, aus denen sie auf die subjektiven Handlungsmotive des Klägers schließe. Die rumänischen Zwischenlagen seien zwar unstreitig teurer gewesen als die zuvor bei deutschen Herstellern georderten. Es möge nicht wirtschaftlich sein, nicht das günstigste Material zu bestellen. Ein solches Vorgehen bedeute aber nicht automatisch einen Nachteil für den Arbeitgeber. Hier habe die A. letztlich die Zwischenlagen bezahlt. Einem Schädigungswillen des Klägers stünde auch entgegen, dass das rumänische Material auf lange Sicht günstiger gewesen wäre, sobald sich die Kosten für die Fertigung der Schablonen amortisiert hätten. Anweisungen, aus denen sich eine Verpflichtung des Klägers hätte ergeben können, derartige Geschäfte nicht zu tätigen, habe die Beklagte nicht erteilt. Der Beklagten stehe deshalb auch kein Schadensersatzanspruch zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Bl. 237-240 der Akte) verwiesen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven wurde der Beklagten am 19.04.2012 zugestellt. Deren Berufung ging am 07.05.2012, die Berufungsbegründung am 18.06.2012 beim Landesarbeitsgericht Bremen ein.

Die Beklagte greift die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrages mit Rechtsausführungen an.

Einer Anhörung des Betriebsrates habe es angesichts der herausgehobenen Stellung des Klägers ohnehin nicht bedurft. Die Anhörung sei rein vorsorglich erfolgt. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe wichtige Aspekte des entscheidungsrelevanten Sachverhalts ausgeblendet. Der Kläger trage die Verantwortung dafür, ob die bestellten Waren tatsächlich geliefert worden seien. Weiter gehe das Arbeitsgericht unzutreffenderweise davon aus, dass die Zahlung an die Firma C. nicht ohne vorherige Lieferung erfolgt sei. Tatsächlich habe kein Bedarf für die rumänischen Zwischenlagen bestanden, was der Kläger mit seinem Vortrag zur Entsorgung der Materialien auch einräume. Die Beklagte habe ausreichend durch Vorlage von Rechnungen und unter Angebot von Zeugenbeweis dA. legt, dass bereits bei einem deutschen Hersteller eine mehr als ausreichende Menge an Zwischenlagen bestellt worden sei. Die Behauptung des Klägers, die Bestellung sei zum Zwecke einer Qualitätsprüfung erfolgt, sei erkennbar eine Schutzbehauptung. Das Arbeitsgericht gehe auch fehlerhaft davon aus, dass die fehlende Möglichkeit einer späteren Zertifizierung durch die D. nicht ersichtlich sei. Der Kläger habe die hohen technischen Anforderungen der D. gekannt. Eine Zertifizierung sei tatsächlich nicht möglich. Der Kläger habe auch keine Bestätigung der Firma C. im Hinblick auf eine nachträgliche Zertifizierung vorgelegt. Wären die rumänischen Zwischenlagen eingebaut worden, hätte dies die fatale Konsequenz gehabt, dass diese wieder hätten ausgebaut werden müssen. Eine tatsächliche Lieferung ergebe sich auch nicht aus den vorgelegten Einfuhrabgabenbescheiden. Die Zollbelege seien allerdings dazu geeignet gewesen, die Sekretärin des Klägers über eine vermeintliche tatsächliche Lieferung zu täuschen. Die Annahme des Arbeitsgerichts, der Beklagten sei durch die Bestellung der Zwischenlagen kein Vermögensnachteil entstanden, weil sie Anspruch auf Lieferung und Übereignung der Ware gehabt habe, sei unzutreffend. Die rumänischen Zwischenlagen seien ohne Zertifizierung nicht marktgängig und seien nach Angaben des Klägers ohnehin vernichtet worden. Es sei daher nicht ersichtlich, welcher Wert sich aus dem Kauf unsinnigen Materials ergeben solle, das darüber hinaus auch noch teurer gewesen sei, als das deutscher, zertifizierter Hersteller.

Dem Kläger sei auch bewusst gewesen, dass das Rechnungswesen der Zentrale der Beklagten in Essen eine inhaltliche Prüfung der eingehenden Rechnungen nicht habe leisten können, demgemäß auch nicht geleistet habe und sich anlässlich der Zahlungsanweisungen auf die vom Kläger mitverantworteten Freigaben von dessen Sekretärin, Frau Bu. verlassen habe. Frau Bu. habe gegenüber der Beklagten bestätigt, dass der Kläger regelmäßig Rechnungen vor der Freigabe durch sie auf deren Ordnungsgemäßheit überprüft und die von ihr bereits freigegebenen Rechnungen im Nachhinein mit derselben Zielsetzung gesichtet habe.

Die Beklagte habe zahlreiche Indizien genannt, die bereits für sich genommen den Schluss auf eine Untreue des Klägers zuließen. So gebe es keine Unterlagen über die Bestellung bei der Firma C., objektiv sei die Bestellung unnötig und darüber hinaus teurer gewesen als deutsches Material. Nach dem Vortrag des Klägers sei unklar, wer denn tatsächlich für wen die Bestellung ausgelöst habe. Die Bestellung von 80.000 Zwischenlagen zu Prüfzwecken sei absurd. Für die Prüfung sei der Kläger auch nicht zuständig gewesen. Für die Vernichtung der Zwischenlagen gebe es auch keine Nachweise. Ebenfalls lägen keine Nachweise für die vom Kläger behaupteten Verhandlungen mit der Firma C. über eine Rücklage der Zwischenlagen vor. Weiter könne nicht davon ausgegangen werden, dass mehr als 20.000 Zwischenlagen geliefert worden seien, weil keine entsprechenden Lieferscheine vorlägen. Die Behauptung des Klägers, es habe nur eine einzige Bestellung über 80.000 Zwischenlagen gegeben, widerspreche einer weiteren aufgefundenen Rechnung vom September 2003 über weitere 20.000 Zwischenlagen, was darauf hindeute, dass es entweder eine Bestellung über 100.000 Zwischenlagen gegeben habe oder mindestens 2 Bestellungen. Die A. habe schon die 80.000 Zwischenlagen nicht benötigt, schon gar nicht aber weitere 20.000.

Aus den von der Beklagten vorgetragenen Indizien lasse sich auch auf das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes der Untreue schließen.

Der von der Beklagten geäußerte Verdacht, dass der Kläger einen Teil des Kaufpreises in irgendeiner Weise zurückerhalten habe, könne derzeit nicht weiter belegt werden. Es liege allerdings nahe, dass im Falle von einvernehmlich nicht erfolgten bzw. unbrauchbaren Lieferungen der ersparte Aufwand zu einem gewissen Anteil an den Kläger zurückgeflossen sein dürfte.

Die behaupteten Erwartungen des Klägers, das rumänische Material wäre auf lange Sicht günstiger gewesen, sobald sich die Kosten für die Fertigung der erforderlichen Schablonen amortisiert hätten, sei durch den Kläger nicht weiter belegt worden. Es sei nicht erkennbar, auf welcher Grundlage er zu dieser Erwartung gekommen sein will.

Die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung lägen erst recht vor. Die Beklagte habe den Kläger mehrfach angehört, ohne dass dieser in der Lage gewesen wäre, die Vorwürfe zu entkräften. In dieses Bild füge sich der Umstand, dass der Kläger im Lichte der gewonnenen Erkenntnisse zunächst ausdrücklich mündlich erklärt habe, sein Arbeitsverhältnis selbst auflösen zu wollen und dies dem früheren Geschäftsführer der Beklagten sogar per Telefax ausdrücklich bestätigt habe.

Die Lohnansprüche des Klägers seien durch Aufrechnung erloschen. Der Beklagten sei ein Schaden in Höhe von 70.000 € für die nicht benötigten Zwischenlagen entstanden. Es sei von einer vorsätzlichen Handlung des Klägers auszugehen, sodass auch unter Berücksichtigung der Grundsätze einer Haftungsprivilegierung für Arbeitnehmer Schadensersatz in voller Höhe zu leisten sei.

Die Kündigung sei auch deswegen sozial gerechtfertigt, weil nach Ausspruch der Kündigung Umstände bekannt geworden sein, die diese zusätzlich rechtfertigten. Nach zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnissen sei der Kläger nämlich an Kartellabsprachen beteiligt gewesen und habe damit in ganz erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen.

Die wettbewerbswidrigen Handlungen reichten nach derzeitigem Kenntnisstand mindestens bis in das Jahr 2001 zurück. Dem Kläger seien die Absprachen zwischen der Beklagten und der T. bekannt gewesen. Er habe sich zudem auch selbst absprachegemäß verhalten und die Beklagte nicht über Kartellrechtsverstöße informiert.

Die Beklagte habe am 11.09.2012 Kenntnis davon erhalten, dass die Verteidigerin der Beklagten im Rahmen des Kartellverfahrens einen ehemaligen Mitarbeiter, Herrn M. K., vernommen habe. Dieser habe im Zusammenhang mit dem Vorwurf eigener Kartellverstöße mit Schreiben vom 20.05.2011 auf Veranlassung der Beklagten eine Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen. Dieser habe erklärt, dass es im 1. Halbjahr 2006 ein Gespräch zwischen ihm als Vertreter der V. GmbH, einem weiteren Vertreter dieser Firma und Vertretern der Firmen Ho. GmbH, E. H. GmbH & Co. KG, Sch. GmbH und dem Kläger über ein Projekt in A…/G… gegeben habe. Dort habe V. sinngemäß erklärt, das Projekt nur gegen eine Gewinnbeteiligung nicht machen zu wollen. Es sei um ca. 50.000 € als Kompensation dafür gegangen, dass sich die Firma V. in diesem Zusammenhang als potentielle Auftragnehmerin zurückhalte. Dabei sei als Teil der Absprache von Vertretern der V. gefordert worden, bei dem Projekt auf ein auskömmliches Preisniveau zu achten, um eine entsprechende Gewinnbeteiligung zu gewährleisten. Der Betrag sei später nicht ausgezahlt, sondern bei anderen Geschäften durch entsprechende Unteraufträge oder ähnliche Kompensationen „verrechnet“ worden. Herr K. habe bekundet, dass die Beklagte unter Beteiligung des Klägers das Projekt für sich beansprucht habe. Der Kläger sei demgemäß dringend verdächtig, an erheblichen Kartellverstößen beteiligt gewesen zu sein.

Der Kläger sei als Verkaufsbüro Leiter <!X!>…, einem von seinerzeit 10 Verkaufsbüros in Deutschland, weitgehend selbstständig gewesen. Die Geschäftspolitik in seinem regionalen Zuständigkeitsbereich habe ihm allein oblegen. So habe der Verkaufsbüroleiter im Hinblick auf Kundenanfragen bzw. -ausschreibungen für seinen Einzugsbereich eigenständig und in der Regel ohne die Geschäftsführung informieren zu müssen, entschieden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 19.01.2012, Az. 7 Ca 7039/11, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 19.01.2012 eingelegte Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Der Kläger behauptet, die Firma C. habe entgegen dem Vortrag der Beklagten eine Q-1-Zulassung durch die D. erlangen können. Die von ihr gelieferten Zwischenlagen seien jedoch nicht aufgrund einer fehlenden Q-1-Zulassung nicht verbaut worden, sondern weil die D. AG entschieden habe, andere Zwischenlagen zu verwenden. Dies habe nicht nur die vom Kläger in Rumänien bestellten Zwischenlagen, sondern auch die von der deutschen Firma Wi. gelieferten Zwischenlagen betroffen. Zur Bestellung der rumänischen Zwischenlagen sei es gekommen, weil die A. zunächst den Auftrag für eine geringere Menge von Zwischenlagen erteilt habe, als sie eigentlich für das Bauvorhaben benötigte. Ergänzend habe die Beklagte einen Lieferanten finden sollen, bei dem weitere Mengen mit günstigen Einstandspreisen gekauft werden könnten. Bei den bestellten Lieferungen habe es sich um hochelastische Zwischenlagen gehandelt, die gegen die vorhandenen hätten ausgetauscht werden sollen. In der letzten Bauphase habe sich die Bahn aus Kostengründen entschieden, die alten Zwischenlagen eingebaut zu lassen mit der Folge, dass nicht einmal die ursprünglich bei den deutschen Lieferanten georderten Mengen zur Verwendung gekommen seien.

Die Behauptung der Beklagten, sie verfüge über keine Lieferpapiere, sei unrichtig. Erst nachdem der Kläger 2 Ausfuhrbescheinigungen vorgelegt habe, habe die Beklagte eingeräumt, dass ihr diese Unterlagen bekannt gewesen seien. Tatsächlich hätten bei der Beklagten Verzollungsbelege und Lieferbelege über die gesamte Liefermenge von 80.000 Zwischenlagen vorgelegen und lägen auch noch vor. Diese seien bei der Firma Mo. in L… eingelagert und die restlichen Zwischenlagen entsorgt worden.

Der Kläger selbst habe die Rechnungen der Firma C. nicht geprüft und zur Zahlung freigegeben, dies habe die Beklagte – nach einer Vorprüfung durch die Mitarbeiterin Bu. des Klägers in B… – in der Zentrale in E… getan.

Der Vorwurf, der Kläger habe seine Mitarbeiterin als gutgläubiges Instrument benutzt, um sich irgendwelche Vorteile zu verschaffen, sei geradezu abwegig.

Dem Kläger sei nicht bekannt, ob es bei der Beklagten noch irgendwelche Unterlagen über die Bestellung von Zwischenlagen in Rumänien gebe. Der Kläger habe von Anfang an vorgetragen, dass die Bestellung der Zwischenlagen auf initiative der A. erfolgt sei, weil dort die Auffassung vertreten worden sei, wesentlich mehr Zwischenlagen für die Gesamtstrecke von Berlin nach Hamburg würden benötigt. Der Kläger habe die Bestellung bei der rumänischen Firma aufgegeben, weil er davon ausgegangen sei, dass dieses Unternehmen die Bedingungen erfülle, die für die Lieferungen an die D. AG erforderlich seien und dass sich dort kurzfristig ein besserer Preis ergeben würde. Die fehlende Zertifizierung der Zwischenlagen hätte auch noch vor dem Einbau erfolgen können. Die rumänische Firma habe dem Kläger schriftlich erklärt, dass sie ohne Schwierigkeiten eine Zertifizierung erlangen könne. Der entsprechende Schriftwechsel befinde sich bei der Bestellakte. Der Kläger habe keine Anhaltspunkte dafür gehabt, dass ein seriöses Unternehmen dies ins Blaue hinein behaupten werde und nicht erfüllen könne. Immerhin sei das rumänische Unternehmen an einer langfristigen Vertragsbeziehung zur Beklagten interessiert gewesen und hätte wohl ernsthaft nicht behauptet, den Q-1-Status erhalten zu können, wenn dies nicht möglich gewesen wäre. Dies hätte sicherlich eine weitere Zusammenarbeit der rumänischen Firma mit der Beklagten infrage gestellt, was nicht in deren Interesse gelegen habe.

Die Behauptung der Beklagten, die Lieferung von 20.000 Zwischenlagen sei nicht von der A. abgenommen und bezahlt worden, sei unrichtig. Diese Lieferung sei nachweisbar auf ein Lager erfolgt, von dem aus die Baustelle bedient wurde.

Der Kläger habe die insgesamt 80.000 Zwischenlagen nicht bestellt, um zunächst eine Prüfung vorzunehmen. Vielmehr habe er die alsbaldige Lieferung für erforderlich gehalten, um die Baustelle zeitgerecht zu versorgen. Für eine langwierige Prüfung habe keine Zeit bestanden. Sein Vortrag zur Bestellung von Materialprüfungszwecke habe sich nicht auf den vorliegenden Sachverhalt bezogen, sondern ganz allgemein die Praxis beschrieben.

Die tatsächliche Lieferung ergebe sich auch aus den Einfuhrabgabenbescheiden. Das Zollamt stelle entsprechende Bescheinigungen nicht aus, ohne dass die entsprechenden Waren vorlägen. Sie seien hinreichender Beleg für die Lieferung, sodass sie auch von der Sekretärin des Klägers bei ihrer rechnerischen Überprüfung hätten zugrunde gelegt werden können.

In den Gesprächen am 24.01.2011 und am 02.02.2011 habe die Beklagte den Kläger aufgefordert, Dokumente vorzulegen, obwohl sie selber über entsprechende Unterlagen verfügt habe. Damit habe sie offensichtlich beim Kläger den Eindruck erwecken wollen, er befinde sich in Beweisnot und müsse daher eine Aufhebung des Arbeitsvertrages zustimmen.

Wenn die Beklagte behaupten wolle, dass die entsprechenden Unterlagen nicht mehr vorgelegen, dann sei dies zweifelhaft und könne dem Kläger nicht angelastet werden.

Der Kläger habe sich nicht an Kartellabsprachen beteiligt. Der Vorwurf sei schon deshalb abwegig, weil sich die Kartellabsprachen und wettbewerbswidrigen Handlungen auf Geschäfte von Th. mit der D. AG bezögen. Diese Geschäfte und Vertragsbeziehungen hätten aber niemals zum Zuständigkeitsbereich des Klägers im B… gehört. Der Kläger könne sich nicht erinnern, an einem Gespräch, wie dem von der Beklagten geschilderten, im 1. Halbjahr 2006 teilgenommen zu haben. Er habe weder veranlasst, noch Kenntnis darüber halten, dass die V. GmbH direkt oder indirekt Zahlungen erhalten habe. An das Projekt A… könne er sich erinnern. Er habe eine Anfrage bekommen und sie an die Zentrale – Abteilung für Gebrauchtschienen – geschickt. Dort seien ihm die Preise vorgegeben worden. Auf dieser Grundlage habe er ein Angebot abgegeben. Im Übrigen sei festzustellen, dass das Verkaufsbüro der Beklagten überhaupt nicht berechtigt oder zuständig gewesen sei, eigenständig mit gebrauchten Material, Gebrauchtschienen und Gebrauchtschwellen zu handeln. Alle Anfragen wegen gebrauchten Materials seien von der Zentrale der Beklagten in Essen bearbeitet worden. Frei erfunden sei die Behauptung, der Kläger habe das Projekt für die Beklagte beansprucht. Der Vortrag der Beklagten sei im Übrigen gänzlich unsubstantiiert. Im Übrigen sei das Projekt A…/… erst gegen Ende des Jahres 2006 ausgeschrieben worden.

Der Kläger behauptet, von einer Absprache zwischen der Beklagten, der T. und den weiteren zum Vo…-Konzern gehörenden Gesellschaften sei ihm nichts bekannt gewesen. Die Absprachen beträfen ohnehin nur die Lieferung von neuen Schienen. Damit sei der Kläger überhaupt nicht befasst gewesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in 2. Instanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Berufungsgericht hat gemäß Beschluss vom 12.06.2013 Beweis darüber erhoben, ob es zwischen den Vertretern der T., der VAK und der VAS und der Beklagten ein Absprachesystem betreffend den Vertrieb von Schienen an Nahverkehrskunden, Regionalbahnen, Industriebahnen und Bauunternehmungen, die solche Produkte angefragt bzw. diesbezügliche Ausschreibung gemacht haben und ob den Niederlassungsleitern die von der Beklagten behauptete Absprache bekannt gewesen sei, durch Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen Bo.. Des weiteren wurde Beweis darüber erhoben, ob sich der Kläger im 1. Halbjahr 2006 an einem Gespräch beteiligt hat, in dem zwischen ihm und dem Zeugen K. eine kartellamtliche Absprache in Bezug auf das Projekt „A…/G…“ getroffen worden ist, durch Vernehmung des Zeugen K. und gegenbeweislich des Zeugen W.. Letzterer hat unter Berufung auf § 384 Nr. 2 ZPO die Aussage verweigert. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist nach § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist allerdings unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen.

1. Soweit sich die Beklagte zur Begründung ihrer fristgerechten Kündigung auf den Komplex C. bezieht, konnte die Berufungskammer weder feststellen, dass die dem Kläger gegenüber erhobenen Vorwürfe nachgewiesen sind, noch dass aus den von der Beklagten mitgeteilten Umständen ein dringender Verdacht, der Kläger habe eine schwerwiegende Vertragsverletzung begangen, die geeignet ist, eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen, abzuleiten ist.

a) Die Beklagte wirft dem Kläger vor, kriminell vorgegangen zu sein, indem er nicht benötigte Zwischenlagen bestellt habe, die ohnehin nicht hätten verbaut werden dürfen und darüber hinaus auch noch teurer gewesen sein, als die mit Zulassung versehenen Produkte deutscher Hersteller. Der Kläger habe damit die Beklagte vorsätzlich geschädigt und habe sich der Untreue – § 266 StGB – schuldig gemacht. Sie vermutet weiter, der Kläger habe von der rumänischen Gesellschaft einen Teilbetrag der durch ihn rechtswidrig veranlassten Zahlung als Schmiergeld zurückerhalten. Allerdings will sie hierauf Ihre Kündigung nicht stützen.

Eine vollendete Tat, die unter den Straftatbestand des § 266 StGB zu subsumieren ist, konnte die Beklagte allerdings nicht vortragen. Geeignete Beweismittel, dass der Kläger den Straftatbestand des § 266 StGB erfüllt hat, hat die Beklagte nicht genannt. Zur Tatbestandsverwirklichung des § 266 StGB gehört, dass die Schädigung desjenigen, dessen Vermögensinteressen zu wahren sind, durch den Handelnden vorsätzlich erfolgt ist. Direkte greifbare Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Schädigung der Beklagten sind jedoch nicht vorgetragen. Ausdrücklich hat die Beklagte auch nicht behauptet, dass der Kläger von der Firma C. Geld für seine Bestellung erhalten hat, sie hat es lediglich vermutet. Damit kommt eine Kündigung wegen erwiesener Tat nicht in Betracht. Letztlich vermutet die Beklagte eine strafbare Handlung des Klägers und will ihre Vermutung mit Indizien stützen, die eine vorsätzliche Schädigungsabsicht des Klägers belegen sollen. Es ist daher allenfalls zu prüfen, ob der Vortrag der Beklagten geeignet ist, eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen.

b) Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines von ihm nicht für sicher gehaltenen oder erwiesenen strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nötige Vertrauen zerstört. Die Beklagte ist nicht durch § 102 BetrVG gehindert, sich auf diesen Kündigungsgrund zu berufen, weil sie hierzu ausdrücklich vor Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat angehört hat.

aa) Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss im Unterschied zur Verdachtskündigung maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (BAG, Urteil vom 12. August 1999 – Az: 2 A2R 923/98 – AP Nr. 28 zu § 626 BGB, Verdacht strafbarer Handlung; Urteil vom 20. August 1997 – 2 AZR 620/96 – AP Nr. 27 zu § 626 BGB, Verdacht strafbarer Handlung).

Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen und insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (KR/Fischermeier § 626 BGB, Rnr. 214; BAG, Urteile vom 26. September 2002 – 2 AZR 424/01 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 6. Dezember 2001 – 2 AZR 496/00 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 36 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 11; 14. September 1994 – 2 AZR 164/94 – BAGE 78, 18). In seinen Entscheidungen betont das BAG ausdrücklich, dass der Verdacht dringend sein müsse (so schon: BAG, 4. Juni 1964 – 2 AZR 310/63 – BAGE 16, 72), es muss für die vermutete Tat eine große Wahrscheinlichkeit bestehen (BAG, 26. September 1990 – 2 AZR 602/89- RzK I 8c Nr. 20; 30.06.1983 – 2 AZR 540/81 -; HaKo-Gallner, 2. Aufl., § 1 KSchG Rn. 575; ErfK/Müller-Glöge, 5. Aufl., BGB § 626 Rn. 212; KR-Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rn. 508; KR-Fischermeier, 7. Aufl., § 626 BGB Rn. 212). In seiner Entscheidung vom 29.11.2007 (Az.: 2 AZR 724/06 – AP Nr. 40 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung) führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass an die Darlegung und Qualität der schwerwiegenden Verdachtsmomente besonders strenge Anforderungen zu stellen seien, weil bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr bestehe, dass ein Unschuldiger betroffen sei. Der notwendige schwerwiegende Verdacht müsse sich aus den Umständen ergeben bzw. objektiv durch Tatsachen begründet sein. Er müsse ferner dringend sein, d.h., bei einer kritischen Prüfung müsse eine auf Beweisanzeichen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für die erhebliche Pflichtverletzung gerade dieses Arbeitnehmers bestehen.

In derselben Entscheidung stellt das Bundesarbeitsgericht eine Verbindung zu den unterschiedlichen Stufen und Qualitäten des Verdachts in der Strafprozessordnung her. Es weist darauf hin, dass für die Einleitung der Strafverfolgung lediglich ein Anfangsverdacht erforderlich (vgl. § 152 Abs. 2 StPO) sei. Ein Ermittlungsverfahren könne bereits bei Vorliegen von ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten eingeleitet werden. Für die Erhebung der Anklage setze die Strafprozessordnung einen genügenden Anlass, für die Eröffnung des Hauptverfahrens einen hinreichenden voraus, aber noch keinen dringenden Tatverdacht (vgl. § 170Abs. 1, § 203 StPO). Für grundrechtsbeschränkende Zwangsmaßnahmen verlangt die Strafprozessordnung unterschiedliche Verdachtsgründe, zum Teil auch einen dringenden Tatverdacht. Das BAG greift damit den in § 112 StPO verwendeten Rechtsbegriff des dringenden Tatverdachts auf, der eine Voraussetzung für die Anordnung der Untersuchungshaft ist. Danach ist ein dringender Tatverdacht gegeben, wenn nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis in seiner Gesamtheit eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer eine Straftat begangen hat (Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., Anm. 6; BVerfG NJW 1996, 1049 f., BGH NJW 1992, 1975 f. = NStZ 1992, 449 m. Anm. Baumann = JZ 1992, 976 m. Anm. Schroeder; OLG Köln StV 1999, 156, 157; OLG Brandenburg StV 1996, 157; Meyer-Goßner RdNr. 5; Pfeiffer RdNr. 2). Bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts hat der Richter im Zeitpunkt seiner Entscheidung aufgrund des ihm vorliegenden Tatsachenmaterials ein auf die Verurteilungschancen bezogenes Wahrscheinlichkeitsurteil abzugeben (OLG Koblenz, StV 1994, 316 f.; OLG Köln, StV 1996, 389 f. u. StV 1999, 156, 157).

Begründen Umstände einen dringenden Tatverdacht, die nach allgemeiner Lebenserfahrung ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sind, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag, kommt eine Verdachtskündigung nicht in Betracht (BAG, Urteil vom 21.06.2012 – Az.: 2 AZR 694/11 – juris).

Der Umstand, dass dem Kläger nicht außerordentlich, sondern ordentlich gekündigt wurde, führt nicht dazu, dass die Maßstäbe, die an die Dringlichkeit des Tatverdachtes zu stellen sind, reduziert werden (BAG, Urteil vom 21.11.2013 – Az.: 2 AZR 797/11 – DB 2014, 367 ff).

bb) Bei Anlegung dieser Maßstäbe lässt sich dem Vortrag der Beklagten ein ausreichender, dringender Tatverdacht, die Beklagte in strafrechtlich relevanter Weise geschädigt zu haben, nicht ableiten.

Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe zu ihrem Nachteil ungeeignete Ware bestellt, die ganz oder zum Teil nicht geliefert wurde, gleichwohl aber habe der Kläger deren Bezahlung veranlasst.

Zunächst ist die Berufungskammer davon ausgegangen, dass die Bezahlung der Rechnungen der Firma C. in den Verantwortungsbereich des Klägers fällt. Ohne sein Wissen wären sie nicht an die Zentrale der Beklagten durch seine Sekretärin verschickt worden mit den entsprechenden Vermerken, die die Zentrale veranlasst hat, sie zu bezahlen. Als Niederlassungsleiter trägt er insoweit die Verantwortung, dass die von ihm getätigten Geschäfte ordnungsgemäß abgewickelt werden.

Die Vorwürfe der Beklagten lassen sich in mehrere Teilaspekte aufgliedern, denen die Beklagte indiziellen Charakter beimisst. Zum einen besteht der Vorwurf darin, dass der Kläger Material – Zwischenlagen für die Schienenmontage – geordert habe, das nach den Vorschriften der Bahn wegen fehlender Zertifizierung nicht habe verbaut werden können. Des Weiteren wird dem Kläger vorgehalten, dass die Zwischenlagen für das Bauvorhaben ohnehin nicht benötigt wurden. Zum anderen wird dem Kläger vorgehalten, die bei der rumänischen Firma bestellten Zwischenlagen seien auch noch teurer gewesen, als die von den bisherigen Lieferanten bezogenen. Des Weiteren seien diese nicht geliefert worden, oder wenn doch, seien sie verschwunden, ohne dass der Kläger sich zuvor um deren Verwertung etwa durch Rückgabe oder Verkauf gekümmert habe.

Der Beklagten ist einzuräumen, dass das vom Kläger als Niederlassungsleiter zu verantwortende Geschäft geeignet ist, Verdachtsmomente gegen ihn zu begründen, er habe unredlich gehandelt Weiter kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Vorwürfe gegen den Kläger, soweit sie erwiesen sind, eignen, eine Kündigung sowohl als außerordentliche als auch als ordentliche ausgesprochen zu rechtfertigen.

Als erwiesen kann die Berufungskammer allerdings lediglich annehmen, dass der Kläger nicht zertifiziertes Material zum Teil zu einem höheren Preis als in Deutschland hätte gezahlt werden müssen, bestellt hat, das für das Bauvorhaben, für das es angeschafft worden ist, nicht verwendbar war und dessen Verbleib ungeklärt blieb. Die Dokumentation für dieses Geschäft und für den Verbleib des Materials ist unvollständig. Sicher davon ausgehen kann man jedenfalls, dass Zwischenlagen in einem Umfang Verkaufswert von 47,000 € – das entspricht 40.000 Stück – die Zollkontrolle in P… passiert haben und der entsprechende Zoll entrichtet worden ist. Den Zollpapieren ist weiter zu entnehmen, dass diese von der Spedition Rh. entgegengenommen, und der anfallende Zoll übernommen worden ist. Der Zoll ist von Rh. entrichtet und der Beklagten in Rechnung gestellt worden. Unstreitig ist letztlich, dass ein Posten von 20.000 Zwischenlagen bei der Firma L… eingetroffen und dort gelagert worden ist. Letztlich blieb aber unklar, ob 80.000 Stück oder 100.000 Stück bestellt worden sind.

Der Kläger hat behauptet, nicht nur 20.000 Stück, sondern alle georderten Zwischenlagen seien für die A. bei der Firma L… angekommen und eingelagert worden. Die Beklagte sagt dazu lediglich, entsprechende Lieferscheine fehlten. Das Fehlen von Lieferscheinen beweist aber nichts. Eigene Nachforschungen bei der L… hat die Beklagte offenbar nicht angestellt, obwohl der Kläger auch hierfür einen Zeugen benannt hat, auf den die Beklagte zur Widerlegung des Vortrages des Klägers hätte zurückgreifen können.

Da im Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber für alle die Kündigung bedingenden Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig ist (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG), ist bei einer Gesamtwertung des Vorgangs die Behauptung der Beklagten, es sei zum großen Teil nicht geliefert worden, nicht zu berücksichtigen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die bezahlte Menge an Zwischenlagen auch tatsächlich an die A. geliefert worden ist.

Einen weiteren verdachtsbegründenden Umstand sieht die Beklagte darin, dass die rumänischen Zwischenlagen für das Bauprojekt nicht benötigt worden seien. Die Berufungskammer kann allerdings auch diesen Aspekt nicht verwerten. Der Kläger hat diesen Umstand nicht bestritten, insofern kann davon ausgegangen werden, dass der Vortrag der Beklagten objektiv zutreffend ist. Der Kläger hat jedoch ausgeführt, er habe die Zwischenlagen in Abstimmung mit der A. bestellt, weil diese dies für notwendig gehalten habe. Der Kläger hat dazu weiter erläutert, es hätten hoch elastische Zwischenlagen verbaut werden sollen, diese seien auch bestellt worden, die Bahn habe sich aber dann dazu entschlossen, andere Zwischenlagen zu verwenden. Hierzu hat die Beklagte lediglich ausgeführt, dies sei unerheblich bzw. eine Schutzbehauptung.

Die Berufungskammer sieht jedoch auch hier die Notwendigkeit, dass die Beklagte sich inhaltlich auf die Einwände des Klägers einlässt. Mit der rechnerischen Darlegung, dass zu viele Zwischenlagen bestellt worden seien, wird nicht ausgeschlossen, dass die A. möglicherweise von weiterem Bedarf ausgegangen ist. Mit wem der Kläger bei der A. zu tun hatte, weiß die Beklagte. Sie hätte von daher Gelegenheit gehabt, hier nach entsprechenden Nachfragen bei der A. weiter vortragen zu können. Dass bei der Ausführung von Groß Projekten stets logisch stringent geplant und gehandelt wird, entspricht ohnehin nicht allgemeiner Lebenserfahrung.

Ungleich gewichtiger ist, dass die bestellten rumänischen Zwischenlagen – unbeschadet ihrer Qualität und Eignung für den vorgesehenen Zweck – nicht hätten eingebaut werden können, da die Zertifizierung durch die Bahn fehlte.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass dem Kläger bekannt war, dass nur solches Material für Projekte der Bahn verwendet werden kann, dass es entsprechende Zulassungsverfahren durchlaufen hat. Objektiv bestand deshalb keine Veranlassung, derartiges Material zu bestellen.

Allerdings erhält dieser Umstand eine Bedeutung für die Begründung eines dringenden Verdachts nur dann, wenn die Berufungskammer zwingend davon ausgehen musste, dass die Außerachtlassung der Notwendigkeit vorheriger Zertifizierung durch den Kläger nicht nur fahrlässig, sondern im Bewusstsein – mithin vorsätzlich – geschehen ist, eine nachträgliche oder schnelle Zertifizierung noch vor dem Einbau des Materials sei nicht möglich. Die Darstellung der Beklagten bezieht sich lediglich auf allgemeine Erfahrungen mit dem Zertifizierungsverfahren. Der Rückschluss, dass dies dem Kläger bewusst gewesen sein muss, ist von daher nicht zwingend. Um den Verschuldensgrad des Klägers in diesem Zusammenhang feststellen zu können, wäre es notwendig gewesen, darzulegen, dass der Kläger über entsprechende einschlägige Erfahrungen mit dem Zertifizierungsverfahren verfügt hat und von daher auf Zusicherungen der rumänischen Firma, es werde keine Schwierigkeiten mit der Zertifizierung geben, nicht hätte vertrauen dürfen.

Der höhere Preis der rumänischen Zwischenlagen wurde vom Kläger damit erklärt, dass der Hersteller eigens hätte Werkzeuge zur Herstellung der bestellten Zwischenlagen fertigen müssen. Den höheren Preis habe er in der Hoffnung auf längerfristige Geschäftsbeziehungen in Kauf genommen und für die Zukunft auf niedrigere Preise gesetzt. Isoliert betrachtet kann dies als Schlechtleistung gewertet werden, die Grundlage für eine Kündigung sein könnte. Allerdings ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass die Beklagte Wert darauf legt, dass der Kläger die Geschäfte in seiner Niederlassung eigenverantwortlich führt. Angesichts dieses Umstandes ist die Einlassung des Klägers nicht ohne weiteres als Schutzbehauptung abzutun. Das Geschäft kann auch in die Kategorie der Risikogeschäfte fallen, die gegebenenfalls zur Auslotung neuer Geschäftsmöglichkeiten sinnvoll sein können. Es mag daher an den Kläger der Vorwurf berechtigt sein, er habe fahrlässig oder gar grob fahrlässig, ohne die Risiken des Geschäfts sorgfältig zu prüfen, gehandelt. Dies allein kann aber angesichts der ihm zugebilligten Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten eine ordentliche Kündigung nicht begründen.

Die Bewertung des Sachvortrages des Klägers, mit der er den Schlussfolgerungen der Beklagten aus dem feststehenden Sachverhalt entgegentritt, begegnet schon deshalb Schwierigkeiten, weil die Vorgänge 8 Jahre zurückliegen. Der Beklagten ist sicherlich zuzugeben, dass die Einlassungen des Klägers nicht widerspruchsfrei sind. Die Berufungskammer kann allerdings nicht ausschließen, dass der Grund für Unschärfen im Vortrag des Klägers nicht nur in dem Umstand liegt, dass der Kläger nicht über die Geschäftsdokumentation verfügt, sondern in verblassender Erinnerung. Der von der Beklagten gehegte Verdacht, der Kläger habe die entsprechenden Akten vor deren Übergabe an die Beklagte nach Auflösung der Niederlassung B… „bereinigt“ findet im Sachverhalt nach Auffassung der Berufungskammer keine ausreichende Stütze. Die Maßstäbe, die an den Vortrag des Klägers, mit dem er sich entlasten will, zu legen sind, haben sich unter anderem auch daran zu orientieren, dass der Gesetzgeber angeordnet hat, dass Untreue nach 5 Jahren verjährt (§ 78 StGB). Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass mit zunehmendem Abstand der Aufklärung von der Tat die Schwierigkeit wächst, den Sachverhalt mit der gebotenen Gründlichkeit sowohl im Hinblick auf belastende, als auch auf entlastende Umstände zu ermitteln.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Vorgänge um die Lieferung von Zwischenlagen an die A. geeignet sind, Misstrauen zu wecken, dass der Kläger sich im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Pflichten bewegt hat. Ein Anfangsverdacht, dass er den Straftatbestand des § 266 StGB zulasten der Beklagten verwirklicht hat, mag bestehen. Dieser mag auch durch die ursprüngliche Bereitschaft des Klägers, das Arbeitsverhältnis aufzulösen sich bei der Beklagten zum hinreichenden Tatverdacht verstärkt haben, weil bei der Beklagten der Eindruck entstehen musste, der Kläger wolle ein Ende weiterer Aufklärungen dieses Komplexes. Allerdings gibt es für das Verhalten des Klägers nicht nur die Erklärung, der Kläger habe sich für schuldig im Sinne der Vorhaltungen der Beklagten gehalten. Sein Verhalten kann auch damit erklärt werden, dass er das – wie sich im Laufe des Verfahrens zeigt – berechtigte Gefühl gehegt hat, dass der Komplex angesichts der vergangenen Zeit zu seinem Nachteil nicht mehr aufklärbar ist. Ein dringender Tatverdacht besteht jedenfalls deshalb nicht, weil die Einlassungen des Klägers, die auf fahrlässige Schlechtleistung hindeuten, durch die Beklagte nicht widerlegt worden sind.

2. Die nachgeschobenen Kündigungsgründe können die Kündigung gleichfalls nicht rechtfertigen.

Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts möglich, dass Tatsachen, die bei Ausspruch der Kündigung nicht bekannt waren, zur Rechtfertigung der Kündigung im Kündigungsschutzprozess nachgeschoben werden können (BAG, Urteil vom 23.05.2013 -. 2 AZR 102/12 – DB 2013, 2805 f.). Dies gilt nach Auffassung der Berufungskammer, jedenfalls dann, wenn, soweit ein Betriebsrat zu beteiligen war, dessen Anhörung nach § 102 BetrVG erfolgt ist.

Die Beklagte hat vorgetragen, es sei ihr nach Ausspruch der Kündigung bekannt geworden, dass der Kläger an einer wettbewerbswidrigen Absprache mitgewirkt hat, in der gegen Zahlung einer Summe von 50.000 € die im Wettbewerb zur Beklagten stehende VA. ein Verhalten zugesagt hat, das erfahrungsgemäß dazu führt, dass die Beklagte einen Auftrag über die Lieferung von Gebrauchtschienen für die Eisenbahnstrecke A…/G… erhält.

Die Beklagte hat die behauptete Teilnahme des Klägers an diesem Gespräch in den Gesamtzusammenhang bisheriger Geschäftspraktiken der Beklagten und der zum V. Konzern gehörenden Wettbewerber gestellt, wonach Preisabsprachen in der Weise praktiziert wurden, dass nach einer festgelegten Quotenregelung Angebote durch die Beklagte und die VA. auf Ausschreibungen so gestaltet werden, dass die Firma, die nach der Absprache zurücktreten soll, überhöhte Preise abgibt, um sicherzustellen, dass den Zuschlag derjenige bekommt, der einen geringeren – aber gleichfalls überhöhten – Preis bietet.

Die nachgeschobenen Kündigungsgründe enthalten damit 2 Aspekte, die jeweils eigenständig eine Kündigung begründen können. Zum einen wirft die Beklagte dem Kläger vor, er habe an einem Gespräch teilgenommen, in dem eine Preisabsprache mit einem Konkurrenten im Hinblick auf das Projekt A…/G… getroffen wurde, die unter anderem eine Kompensationszahlung für den Verzicht des „Konkurrenten“, sich erfolgreich an der Ausschreibung zu beteiligen, vorsah. Die behauptete Vereinbarung einer Kompensationszahlung verleiht dem Vorwurf der Beklagten ein besonderes, eigenständig zu wertendes Gewicht, weil es über den Vorwurf wettbewerbswidrigen auch den des korrupten Verhaltens beinhaltet. Zum ändern sieht die Beklagte in diesem Umstand ein Element, das den Verdacht begründet, der Kläger habe sich generell an dem System von Preisabsprachen, dass nach dem Bescheid des Bundeskartellamtes seit 2001 praktiziert wurde, beteiligt.

Die Anhörung des Betriebsrates zu den nachgeschobenen Kündigungsgründen benennt als Vertragsverletzung sowohl die Teilnahme des Klägers an verbotenen Preisabsprachen als auch den Umstand der Absprache in Bezug auf das Schienenprojekt A…/G….

Die Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen K. hat die Berufungskammer nicht davon überzeugt, dass der Kläger mit dem Zeugen K. eine Kompensationszahlung für die Zurückhaltung der konkurrierenden V. vereinbart hat.

Der Zeuge konnte sich an das Gespräch, die Teilnehmer und deren Funktion gut erinnern. Die fehlende Präzision in den Angaben über Ort und Zeit macht die Aussage angesichts der zwischenzeitlich verflossenen 7 Jahre nicht unglaubwürdig. Allerdings war seine Aussage in Bezug auf die Beteiligung des Klägers an der vom Zeugen an sich bestätigten Kompensationsmaßnahme wenig ergiebig. Er sprach von einem Gesprächsergebnis, das einen monetären Betrag betroffen habe, den die V. gefordert habe, wusste aber nichts über die Umsetzung der Vereinbarung. Ebenso unklar blieben Art und Inhalt der Beteiligung des Klägers an diesem Gespräch und konkret an der behaupteten Absprache. Ob der Kläger Partner des „symbolischen Handschlag“ gewesen ist, oder der ebenfalls für die Beklagte anwesende Zeuge W., blieb offen. Ob der Kläger ausdrücklich seine Zustimmung zum Kompensationsgeschäft erklärt hat, wusste der Zeuge K. nicht mehr.

Die Überzeugung, die die Berufungskammer aus der Aussage hat gewinnen können, beschränkt sich somit darauf, dass der Kläger an Treffen, das Preisabsprachen hätten dienen können, teilgenommen hat. Dass der Kläger an dem behaupteten Kompensationsgeschäft aktiv oder überhaupt beteiligt war, hat die Zeugenaussage nicht ergeben. Aus dem vom Kläger erhobenen Einwand, ein Treffen in Bezug auf A…/G… hätte im Sommer gar nicht stattfinden können, weil die Ausschreibung der A. überhaupt erst im Oktober 2006 erstellt worden sei, lässt sich allerdings nicht ableiten, dass die Aussage nicht in dem von der Berufungskammer angenommenen Sinne interpretiert werden kann. Der Zeuge selbst hat, wie bereits ausgeführt, zum Zeitpunkt des Gesprächs nichts sagen können. Insofern kann allenfalls angenommen werden, dass die Beklagte den Zeitpunkt des Gespräches falsch platziert hat und dass das vom Zeugen K. bestätigte Gespräch nicht im Juni, sondern im Herbst 2006 stattgefunden hat.

Die Aussageverweigerung des am Treffen teilgenommen habenden Zeugen W. ergibt bei einer Gesamtwürdigung nach § 286 ZPO für den Kläger nichts Nachteiliges. Die Berufungskammer hatte den vom Kläger gegenbeweislich benannten Zeugen geladen, weil sie sich nach der Aussage des Zeugen K. nicht sicher war, wie weit sie die Behauptungen der Beklagten zu bestätigen in der Lage war. Dass der Zeuge die Aussage zu dem ihm konkret genannten Beweisthema verweigerte mit Bezug auf § 284 Nummer 2 ZPO ist auch bei der Gesamtwürdigung aller für die Entscheidung relevanten Tatsachen nicht eindeutig. Wenn überhaupt, kann sie nur das bestätigen, wovon die Berufungskammer nach der Aussage des Zeugen K. ohnehin überzeugt war: die Teilnahme des Klägers an einem Gespräch mit potentiellen Mitbewerbern um den Auftrag A…/G….

Allerdings kann angenommen werden, dass der Kläger sich generell in seiner Funktion als Niederlassungsleiter in B… nicht anders verhalten hat, als dies bei der Beklagten üblich war. Der von der Beklagten vorgelegte Bescheid des Bundeskartellamtes bestätigt ihren Vortrag zu den wettbewerbswidrigen Absprachen zwischen ihr und der Vo-Gruppe in der Vergangenheit. Das Ergebnis des Verfahrens vor dem Bundeskartellamt ist also durchaus geeignet, den gegen den Kläger bestehenden Verdacht zu verstärken. Die Einleitung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in Bochum allerdings muss unberücksichtigt bleiben, weil die Beklagte keine Angaben über Tatsachen gemacht hat, die Gegenstand der Ermittlungen sind (BAG Urteil vom 29. 11. 2007 – 2 AZR 724/06 – AP Nr. 40 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).

Ob der sich durch die Beweisaufnahme bestätigt habende Verdacht der Beteiligung des Klägers an illegalen Preisabsprachen ausreicht, um eine Verdachtskündigung zu begründen und ob dem Kläger überhaupt vorgehalten werden kann, sich an der gängigen Praxis beteiligt zu haben, kann jedoch dahingestellt bleiben, da davon auszugehen ist, dass die Geschäftsführung der Beklagten hiervon gewusst hat. Die angegriffene Kündigung ist vom Geschäftsführer Bo. ausgesprochen worden, der – wie seine Zeugenaussage belegt – von Absprachen mit der Vo… Gruppe gewusst hat. In seiner Zeugenaussage hat er zwar die detaillierte Schilderung der Beklagten zum System der Absprachen nicht in allen Einzelheiten bestätigt. Der Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes vom 18.07.2013 allerdings legt der Beklagte zur Last, dass ein zu ihrer Vertretung berechtigtes Organ vorsätzlich dem Verbot von Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen zumindest im Zeitraum von 2001 bis Mai 2011 zuwidergehandelt hat. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes waren an der Absprache ein Geschäftsführer der Beklagten, der im Juli 2011 aus der Geschäftsführung ausgeschieden ist, beteiligt. Die Kündigung des Klägers ist im März 2011 ausgesprochen worden, mithin zu einer Zeit, in der die Geschäftsführung zumindest Kenntnis von der Absprachepraxis hatte, von der das Bundeskartellamt annimmt, dass sie flächendeckend praktiziert worden ist. Dass zum Zeitpunkt des Nachschiebens der Kündigungsgründe in 2. Instanz in der Geschäftsführung der Beklagten keine Person mehr vertreten war, die die bisherige Praxis zu verantworten hat, ist nach Auffassung der Berufungskammer rechtlich irrelevant.

Insofern bestand auch kein Anlass für die Berufungskammer, darüber zu entscheiden, ob es der Beklagten prinzipiell versagt werden kann, einen inneren Reinigungsprozess einzuleiten und sich von Mitarbeitern zu trennen, die in einem von der Geschäftsführung gewollten und tolerierten System unzulässiger Preisabsprachen agiert haben.

3. Da es für die Berufungskammer nicht aufklärbar war, ob und in welcher Höhe der Beklagten tatsächlich ein Schaden entstanden ist und ob das Verhalten des Klägers in einem Ausmaß verschuldet war, das ihn zum Schadensersatz verpflichtet, konnte die Beklagte mit Gehaltsansprüchen des Klägers nicht aufrechnen. Auch insoweit war deren Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Im Hinblick auf die Problematik des Nachschiebens von Kündigungsgründen im vorliegenden Fall hat die Berufungskammer für die Beklagte die Revision zugelassen.

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