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Vergütungsansprüche zwischen Ehegatten – Verjährungshemmung

Ehegattenvereinbarungen: Verjährungshemmung bei Vergütungsansprüchen

Das Landesarbeitsgericht Hamm bestätigte, dass die Vergütungsansprüche eines Ehemanns gegen seine Ehefrau nicht verjährt sind. Trotz getrennter Lebensführung und anstehender Scheidung blieben die Ansprüche aufgrund der noch bestehenden Ehe und der Hemmung der Verjährung aktiv. Der Kläger, der für das Unternehmen der Beklagten arbeitete, hatte Anspruch auf ausstehende Nettovergütungen, deren Nichtauszahlung als Stundung interpretiert wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 9 Sa 738/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung der Nichtverjährung: Vergütungsansprüche des Klägers sind trotz Zeitverlaufs nicht verjährt.
  2. Hemmung durch Ehe: Die Verjährung wurde durch die fortbestehende Ehe zwischen Kläger und Beklagter gehemmt.
  3. Unbezahlte Vergütung: Der Kläger hatte Anspruch auf ausstehende Nettovergütungen für mehrere Monate.
  4. Stundungsannahme: Die Nichtauszahlung der Vergütungen wurde als konkludente Stundungsvereinbarung angesehen.
  5. Bilanzielle Behandlung: Die Nettoentgelte wurden weiterhin als Verbindlichkeiten in der Bilanz der Beklagten geführt.
  6. Zinsansprüche: Der Kläger hatte auch Anspruch auf Zinsen seit dem 1. August 2019.
  7. Ablehnung der Verjährungseinrede: Das Gericht lehnte die Einrede der Verjährung der Beklagten ab.
  8. Rechtskraft des Urteils: Die Berufung der Beklagten wurde abgewiesen und das Urteil somit bestätigt.

Vergütungsansprüche in der Ehe: Eine rechtliche Betrachtung

In der Arbeitswelt treffen oft private und berufliche Interessen aufeinander, besonders wenn Arbeitsbeziehungen innerhalb der Familie bestehen. Ein interessanter und komplexer Aspekt dieser Konstellation sind die Vergütungsansprüche zwischen Ehegatten. Diese Thematik wirft zahlreiche Fragen auf, insbesondere wenn es um die Verjährung solcher Ansprüche geht. Wie werden Vergütungsansprüche rechtlich behandelt, wenn sie innerhalb einer ehelichen Gemeinschaft entstehen? Und welche Rolle spielt die Verjährungshemmung in solchen Fällen?

Die rechtliche Handhabung dieser Situation ist vielschichtig und verlangt eine differenzierte Betrachtung, insbesondere im Hinblick auf das Arbeitsrecht und familienrechtliche Aspekte. Es geht um mehr als nur um die Klärung finanzieller Ansprüche; es geht um die Verbindung zwischen ehelicher Solidarität und rechtlicher Gerechtigkeit. In dem bevorstehenden Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm finden wir einen Fall, der diese Thematik präzise beleuchtet und relevante rechtliche Einsichten bietet.

Begleiten Sie uns auf eine Reise durch das deutsche Arbeitsrecht, in der wir uns detailliert mit den Entscheidungsgründen des Gerichts befassen und die Implikationen dieses Urteils für ähnliche Fälle untersuchen. Lassen Sie uns gemeinsam erkunden, wie das Gericht in diesem speziellen Fall von Vergütungsansprüchen und Verjährungshemmung zwischen Ehegatten entschieden hat.

Zwischen Ehe und Beruf: Vergütungsansprüche im Fokus

Im Mittelpunkt des Verfahrens am Landesarbeitsgericht Hamm stand ein ungewöhnlicher Fall: Ein Ehemann klagte gegen seine Ehefrau auf Auszahlung von Vergütungsansprüchen. Der Kläger, in der Funktion als Arbeitnehmer, war in dem von seiner Ehefrau geführten Unternehmen im Bereich der Gebäudetechnik tätig. Er war zu einem Bruttomonatsgehalt von 7.500,00 EUR angestellt, erhielt jedoch über einen längeren Zeitraum seine Nettoentgelte nicht. Dies führte zu einem Streit über die ausstehenden Zahlungen, welcher schließlich vor Gericht landete. Trotz der Trennung der Eheleute und der bevorstehenden Scheidung, blieb die rechtliche Verbindung durch das Arbeitsverhältnis bestehen.

Verjährungshemmung als Dreh- und Angelpunkt

Zentral in diesem Rechtsstreit war die Frage der Verjährung der Vergütungsansprüche. Der Kläger argumentierte, dass die Vergütungen lediglich gestundet worden seien und forderte die Auszahlung der Beträge nebst Zinsen. Die Beklagte hingegen vertrat die Ansicht, dass die Forderungen bereits verjährt seien. Das Landesarbeitsgericht Hamm musste daher prüfen, ob die Verjährung der Ansprüche gemäß §§ 207 Abs. 1 S. 1, 209 BGB aufgrund der bestehenden Ehe gehemmt war. Diese Normen sehen vor, dass die Verjährung von Ansprüchen zwischen Ehegatten gehemmt ist, solange die Ehe besteht.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm

Das Gericht folgte der Argumentation des Klägers und wies die Berufung der Beklagten zurück. Es stellte fest, dass die Verjährung der Ansprüche tatsächlich gehemmt war, da die Ehe zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch bestand. Weiterhin erkannte das Gericht an, dass die Nichtauszahlung der Nettoentgelte als konkludent vereinbarte Stundung zu werten sei. Dies wurde durch die Tatsache gestützt, dass die Entgelte weiterhin als Verbindlichkeiten in der Bilanz der Beklagten aufgeführt waren.

Bedeutung für Arbeitsrecht und Familienverhältnisse

Dieses Urteil wirft ein Schlaglicht auf die komplexen Überschneidungen zwischen Arbeits- und Familienrecht. Es verdeutlicht, wie familiäre Beziehungen die rechtliche Bewertung von Arbeitsverhältnissen beeinflussen können, insbesondere im Hinblick auf die Verjährung von Ansprüchen. Für die Rechtspraxis bedeutet dies, dass die familiären Verhältnisse bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zwischen Ehegatten sorgfältig zu prüfen sind.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm (Az.: 9 Sa 738/22) ist somit nicht nur für die beteiligten Parteien von Bedeutung, sondern auch für die juristische Fachwelt, die sich mit den Schnittstellen von Arbeits- und Familienrecht beschäftigt. Es zeigt auf, wie Gerichte in komplexen Fällen, in denen persönliche und berufliche Interessen verstrickt sind, navigieren und Entscheidungen treffen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt

Was ist unter Verjährungshemmung zu verstehen?

Die „Verjährungshemmung“ ist ein Begriff aus der Rechtswissenschaft und bezeichnet den Zustand, in dem eine Verjährungsfrist nicht mehr weiterläuft. Dies kann durch verschiedene gesetzlich festgelegte Ereignisse oder Umstände ausgelöst werden. Während der Hemmung wird die Verjährungsfrist quasi „eingefroren“ und läuft erst wieder weiter, wenn der Hemmungsgrund wegfällt. Der Zeitraum der Hemmung wird dabei nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet.

Die Verjährungshemmung ist in den §§ 203 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Es gibt verschiedene Gründe, die zu einer Hemmung der Verjährung führen können. Beispielsweise kann die Verjährung durch Verhandlungen zwischen Gläubiger und Schuldner gehemmt werden (§ 203 BGB). Wenn der Schuldner aufgrund einer Einigung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Leistungsverweigerung berechtigt ist, erfolgt gemäß § 205 BGB ebenfalls eine Hemmung der Verjährung. Ein weiterer Grund zur Verjährungshemmung sieht das Gesetz in § 206 BGB vor, wenn der Gläubiger eines Anspruches infolge höherer Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist.

Die Verjährungshemmung dient dazu, dem Gläubiger die Möglichkeit zu geben, seine Rechte geltend zu machen, ohne dass er eine Fristversäumnis befürchten muss. Sie ermöglicht es, die Rechtsverfolgung ohne den Druck einer möglichen Verjährung fortzusetzen.

Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen der Hemmung der Verjährung und dem Neubeginn der Verjährung. Bei einer Hemmung wird die Verjährungsfrist lediglich pausiert und nach Wegfall des Hemmungsgrundes fortgesetzt, während beim Neubeginn der Verjährung die Frist komplett neu startet.

Was bedeutet die Einrede der Verjährung im Rahmen von Entgeltansprüchen?

Die Einrede der Verjährung ist ein rechtliches Instrument, das einem Schuldner ermöglicht, sich gegen die Durchsetzung eines verjährten Anspruchs zu wehren. Im Kontext von Entgeltansprüchen bedeutet dies, dass der Schuldner, wenn der Anspruch verjährt ist, die Einrede der Verjährung erheben und die Leistung verweigern kann.

Die Verjährung bezieht sich auf den Ablauf einer bestimmten Zeitspanne (der Verjährungsfrist), nach der der Schuldner gemäß § 214 Abs. 1 BGB das Recht hat, die Leistung zu verweigern. Die Verjährung bezieht sich nur auf einzelne Ansprüche eines Rechtsverhältnisses und muss vom Schuldner geltend gemacht werden. Dies kann auch noch im laufenden arbeitsgerichtlichen Verfahren erfolgen.

Die Erhebung der Verjährungseinrede gibt dem Schuldner ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht gegen den vom Gläubiger geltend gemachten Anspruch. Um die Einrede der Verjährung geltend zu machen, muss der Schuldner sie ausdrücklich gegenüber dem Gläubiger erheben. Dies kann sowohl außergerichtlich, beispielsweise in einer schriftlichen Erklärung oder auch mündlich, als auch gerichtlich im Prozess erfolgen.

Es ist zu beachten, dass das Gericht die Verjährung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Schuldners prüft. Das bedeutet, dass der Schuldner aktiv werden und die Verjährungseinrede erheben muss, um sich auf sie berufen zu können.

Die erfolgreiche Erhebung der Verjährungseinrede stellt für den Schuldner einen Befreiungsgrund dar, der ihn von der Verpflichtung zur Erfüllung des Anspruchs entbindet. Die Verjährung führt dabei nicht zum vollkommenen Anspruchsverlust – der Anspruch kann z. B. im Fall einer Gegenforderung zur Aufrechnung gestellt werden.

Die Voraussetzungen der Verjährung, insbesondere Beginn und Ablauf der Verjährungsfrist, muss der sich auf die Verjährungseinrede berufende Schuldner darlegen und beweisen. Die Regelverjährung dauert gemäß § 195 BGB drei Jahre.

Wie wirkt sich der Hemmungsgrund gemäß § 207 BGB auf einen Rechtsfall aus?

Gemäß § 207 BGB wird die Verjährung von Ansprüchen zwischen Ehegatten gehemmt, solange die Ehe besteht. Dies bedeutet, dass während der Dauer der Ehe die Verjährungsfrist für Ansprüche, die ein Ehepartner gegen den anderen hat, nicht weiterläuft. Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird gemäß § 209 BGB nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet.

Die Regelung des § 207 BGB beruht auf der Erwägung, dass in familiären Beziehungen die Einschaltung der Gerichte untunlich und unzumutbar ist. Sie dient dem Schutz des familiären Friedens und soll verhindern, dass innerhalb der Ehe rechtliche Auseinandersetzungen geführt werden müssen.

In einem Rechtsfall wirkt sich der Hemmungsgrund gemäß § 207 BGB so aus, dass ein Ehepartner, der einen Anspruch gegen den anderen hat, diesen Anspruch auch nach Ablauf der regulären Verjährungsfrist noch geltend machen kann, solange die Ehe besteht. Erst mit der Beendigung der Ehe läuft die Verjährungsfrist weiter.

Ein Beispiel für die Anwendung des § 207 BGB ist das Ehegatten-Arbeitsverhältnis. In einem solchen Fall wäre die Verjährung der Entgeltansprüche des einen Ehepartners gegen den anderen gemäß §§ 207 Abs. 1 S. 1, 209 BGB gehemmt, solange die Ehe besteht.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 9 Sa 738/22 – Urteil vom 25.01.2023

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 21. Juni 2022 – 4 Ca 1476/21 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte.

Der Kläger ist der Ehemann der Beklagten. Er führte aufgrund einer notariellen Generalvollmacht unter Befreiung der Beschränkung gemäß § 181 BGB die Geschäfte des Unternehmens der Beklagten und war hierfür zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 7.500,00 EUR bei der Beklagten als Arbeitnehmer angestellt. Die Vergütungsansprüche waren jeweils am Ersten der Folgemonate zur Zahlung fällig.

Das Unternehmen der Beklagten ist im Bereich der Gebäudetechnik tätig (AG Arnsberg HRA XXXX). Die Beklagte selbst war nicht mit dem operativen Geschäft ihres Unternehmens befasst.

Insbesondere in den Jahren 2016 und 2017, aber auch in der Folgezeit verfügte das Unternehmen der Beklagten zwar über Vermögen, nicht hingegen immer in ausreichendem Maße über Liquidität. Dies hatte seine Ursache darin, dass aufgrund hoher Gewinne in der vorhergehenden Zeit erhebliche Steuerforderungen bestanden. Zudem sollten Investitionen getätigt werden, dies auch über einen längeren Zeitraum. Aus diesem Grunde wurde dem Unternehmen der Beklagten Liquidität zugeführt. Dies erfolgte zum einen durch die Gewährung von Darlehen, aber auch durch unterbleibende Auszahlung der Nettovergütung des Klägers. Die Arbeitsvergütung des Klägers wurde zwar ordnungsgemäß abgerechnet. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge wurden abgeführt. Eine Auszahlung der Nettoentgelte erfolgte hingegen nicht. Auch die auf den Abrechnungen vereinzelt aufgeführten Vorschüsse sind nicht zur Auszahlung gelangt. Im Einzelnen wurden die Nettoentgelte des Klägers wie folgt nicht ausgezahlt:

Monat Nettobetrag

  • Juni 2016 4.722,14 EUR
  • Juli 2016 4.710,14 EUR
  • August 2016 4.734,14 EUR
  • September 2016 4.722,14 EUR
  • Oktober 2016 4.710,14 EUR
  • November 2016 4.710,14 EUR
  • Dezember 2016 4.710,14 EUR
  • April 2017 4.724,01 EUR
  • November 2017 4.724,01 EUR
  • Dezember 2017 4.724,01 EUR
  • Februar 2018 4.848,45 EUR
  • Summe 52.039,46 EUR

Die seinerzeit einbehaltenden Nettovergütungen sind nach wie vor nicht ausgezahlt worden.

Inzwischen leben die Parteien getrennt und streben die Scheidung der Ehe an, welche jedoch noch nicht erfolgt ist.

Mit seiner Klage vom 27. Dezember 2021, beim Arbeitsgericht am selben Tage eingegangen und der Beklagten am 20. Januar 2022 zugestellt, hat der Kläger die Auszahlung der vorbenannten Nettoentgelte nebst Zinsen begehrt.

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, die Beklagte habe die Nettoentgelte lediglich gestundet. Es sei vereinbart gewesen, dass die Auszahlung erfolge, wenn die Beklagte wieder liquide sei. Die Liquidität der Beklagten sei aufgrund der Veräußerung einer Immobilie frühestens seit dem 1. August 2019 wiederhergestellt gewesen. Er selbst habe im Rahmen der zu seinen Gunsten eingeräumten Generalvollmacht die Stundung seiner Vergütungsansprüche mangels Liquidität im Zeitpunkt der Fälligkeit konkludent vereinbart. Dass es sich lediglich um eine Stundung handele, ergebe sich daraus, dass unstreitig zum einen die Gehaltsabrechnungen erfolgt und auch Steuern sowie Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Zum anderen spreche die Tatsache, dass die streitgegenständlichen Nettoentgelte weiterhin als Verbindlichkeiten in der Bilanz der Beklagten aufgeführt seien, für die behauptete Stundungsvereinbarung. Ohne eine solche Vereinbarung wären die Verbindlichkeiten längst wegen Verjährung ausgebucht worden.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 52.039,46 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat sinngemäß beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht gewesen, die Forderungen des Klägers seien verjährt. Eine Stundungsabrede sei nicht getroffen worden. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, sich die Forderungen selbst zu stunden.

Mit Urteil vom 21. Juni 2022 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Es sei davon auszugehen, dass die im Übrigen unstreitig bestehenden Forderungen des Klägers gestundet worden und mithin nicht verjährt seien.

Gegen das der Beklagten am 1. Juli 2022 zugestellte Urteil richtet sich deren am 7. Juli 2022 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 4. Oktober 2022 am 23. September 2022 begründete Berufung.

Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass keine Stundungsvereinbarung getroffen worden sei.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 21. Juni 2022 – 4 Ca 1476/21 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, das Arbeitsgericht sei zutreffend von einer Stundungsvereinbarung ausgegangen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG am 7. Juli 2022 gegen das am 1. Juli 2022 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt sowie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 4. Oktober 2022 innerhalb dieser gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 und 5 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG am 23. September 2022 begründet worden.

II. Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet, denn die zulässige Klage ist begründet. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 611 Abs. 1, 2. Hs., 611 a Abs. 2 BGB Anspruch auf Zahlung eines Betrags in Höhe von insgesamt 52.039,46 EUR.

a) Die anspruchsbegründenden Umstände stehen zwischen den Parteien außer Streit. Die Beklagte schuldet dem Kläger dem Grunde und der geltend gemachten Höhe nach die Nettoarbeitsvergütung für die Monate Juni 2016 bis einschließlich Dezember 2016, April 2017, November 2017, Dezember 2017 und Februar 2018.

b) Die Beklagte kann sich gegen die Entgeltansprüche des Klägers nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen.

aa) Grundsätzlich wären zumindest die Entgeltansprüche aus den Jahren 2016 und 2017 gemäß §§ 195, 199 Abs.1 BGB mit Ablauf der Kalenderjahre 2019 bzw. 2020 verjährt gewesen.

bb) Die Verjährung der Entgeltansprüche des Klägers war jedoch gemäß §§ 207 Abs. 1 S. 1, 209 BGB gehemmt.

(1) Gemäß § 207 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Verjährung von Ansprüchen zwischen Ehegatten gehemmt, solange die Ehe besteht. Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird gemäß § 209 BGB nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet.

Die Vorschrift des § 207 BGB beruht auf der Erwägung, dass in familiären Beziehungen die Einschaltung der Gerichte untunlich und unzumutbar ist. Der Familienfriede wird gestört, wenn ein Familienmitglied zur Vermeidung der Verjährung genötigt ist, einen ihm seiner Meinung nach zustehenden Anspruch in einer zur Hemmung der Verjährung führenden Form, also insbesondere durch Klage, geltend zu machen. Die Norm soll mithin vermeiden, dass die gesetzliche Verjährung die familiären Verhältnisse belastet (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 26. Februar 2007 – 4 Sa 63/06 m.w.N.; BeckOK BGB/Henrich, 64. Ed. 1. November 2022, § 207 Rdn. 1). Unerheblich ist, ob die Verhältnisse der beteiligten Eheleute im konkreten Fall wirklich von Zusammengehörigkeitsgefühl und persönlicher Bindung geprägt werden. Die Vorschrift gelangt auch dann zur Anwendung, wenn die Beziehungen zwischen den Beteiligten – ggf.: inzwischen – zerrüttet und bereits zum Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen geworden sind. Erfasst werden im Übrigen nicht allein familienrechtliche Ansprüche, sondern Ansprüche jedweder Art (OLG Saarbrücken 13. Dezember 2011 − 4 U 456/10.; BeckOK BGB/Henrich, 64. Ed. 1. November 2022, § 207 Rdn. 1), so auch aus einem zwischen den Familienmitgliedern bestehenden Arbeitsverhältnis (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg 26. Februar 2007 – 4 Sa 63/06; NK-ArbR/Burkhard Boemke, BGB, 1. Auflage 2016, § 207 Rdn. 2).

Ob der Hemmungsgrund gemäß § 207 Abs. 1 BGB gegeben ist, hat das Gericht nach Erhebung der Verjährungseinrede von Amts wegen zu prüfen (MüKoBGB/Grothe, BGB, 9. Auflage 2021, § 207, Rdn. 2).

(2) Die Ehe der Parteien bestand bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2023 fort. Dies ist im Rahmen der Kammerverhandlung aufgeklärt worden. Dass die Parteien inzwischen getrennt leben und das Scheidungsverfahren betreiben, ist nicht entscheidungserheblich.

Mithin war und ist die Verjährung der klägerischen Ansprüche gemäß §§ 207 Abs. 1 S. 1, 209 BGB gehemmt.

cc) Auf die Auseinandersetzung der Parteien, ob darüber hinaus seinerzeit gemäß § 205 BGB eine Stundung der Vergütungsansprüche des Klägers erfolgt ist, kommt es daher nicht an.

Hierauf sind die Parteien gemäß § 139 Abs. 2 S. 1 und 2, Abs. 3 ZPO im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2023 hingewiesen worden (vgl. zur Erteilung von Hinweisen: Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 19. Auflage 2022, § 139, Rdn. 19 m.w.N.). Den Parteien ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden.

dd) Inwieweit der vorliegend geltend gemachte Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat Februar 2018 an sich gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2021 verjährt wäre und diesbezüglich durch Erhebung der Klage im vorliegenden Fall unter dem 27. Dezember 2021 und Zustellung derselben am 20. Januar 2022 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 167 ZPO eine Hemmung eintreten konnte (hierzu: Musielak/Voit/Wittschier, ZPO, 19. Auflage 2022, § 167 Rdn. 2a), kommt es schließlich ebenfalls nicht an.

2. Zinsen kann der Kläger in dem durch das Arbeitsgericht zugesprochenen Umfang gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB verlangen. Die Beklagte befand sich – insbesondere ihren eigenen Vortrag zu einer nicht erfolgten Stundung der Vergütungsansprüche unterstellt (vgl. zum Verhältnis von Stundung und Fälligkeit einer Forderung: MüKoBGB/Krüger, BGB, 9. Auflage 2022, § 271, Rdn. 22 m.w.N.) – mit den Vergütungszahlungen spätestens seit dem 1. August 2019 in Verzug.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision liegt nicht vor, § 72 Abs. 2 Ziffer 1 und 2 ArbGG.

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