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Verhaltensbedingte Änderungskündigung

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 5 Sa 87/17 – Urteil vom 07.11.2017

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 26.04.2017 – 4 Ca 1800/16 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Änderungskündigung.

Der 1965 geborene Kläger nahm am 01.09.1996 bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Beschäftigung als Omnibusfahrer auf. Ab dem 01.07.2012 war er zusätzlich mit Einsatzleitertätigkeiten betraut. Am 07.09.2012 begann er eine berufsbegleitende Ausbildung zum Kraftverkehrsmeister (IHK). Zum 01.06.2013 schloss er mit der … Bus & Reisen GmbH A-Stadt, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, einen Arbeitsvertrag als Verkehrsmeister und übernahm die Aufgabe des Fahrdienstleiters der Betriebsstelle A-Stadt. Die berufsbegleitende Ausbildung zum Kraftverkehrsmeister schloss er am 26.01.2015 erfolgreich ab. Zum 02.07.2015 wurde er zum Betriebsleiter im Sinne des § 4 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr vom 21.06.1975 (BOKraft) für die Betriebsstelle A-Stadt einschließlich der Außenstelle C. bestellt.

Die Beklagte, auf die das Arbeitsverhältnis des Klägers in der Folgezeit überging, betreibt von mehreren Betriebsstellen aus mit etwa 200 Bussen den öffentlichen Personennahverkehr im Landkreis Ludwigslust-Parchim sowie angrenzenden Gebieten und beschäftigt rund 260 Mitarbeiter.

Der Kläger bezog zuletzt das Gehalt der Tarifgruppe 9 des für die Beklagte maßgeblichen Tarifvertrages, was einem monatlichen Bruttobetrag von rund € 3.250,- entspricht. Sein Dienst als Fahrdienstleiter der Betriebsstelle A-Stadt begann morgens regelmäßig um 08:45 Uhr. Für die Frühschicht ab 04:30 Uhr war sein Stellvertreter, der Disponent S. K., zuständig.

Am 25.04.2016 erhielt der Kläger einen Hinweis auf technische Probleme an der Nachlaufachse (3. Achse) des Busses mit dem Kennzeichen … 131. Der Kläger sah es nicht als erforderlich an, den Bus aus dem Verkehr zu nehmen und technisch untersuchen bzw. reparieren zu lassen. Der Bus war noch bis zum 28.04.2016 im Einsatz, bis schließlich der dem Kläger vorgesetzte Abteilungsleiter Verkehr, Herr A., ihn vorläufig stilllegte. Es stellte sich heraus, dass die Lenkung der Nachlaufachse infolge eines Druckverlustes in der Lenkhydraulik beeinträchtigt war und der Bus wegen fehlender Verkehrssicherheit nicht mehr im Fahrbetrieb hätte eingesetzt werden dürfen. Die Beklagte setzte eine Untersuchungskommission ein und erteilte dem Kläger schließlich mit Schreiben vom 13.07.2016 eine Abmahnung wegen dieses Fehlverhaltens.

Am 07.09.2016 meldete der Busfahrer W. nach der Vormittagstour Geräusche an der Vorderachse seines Busses, Kennzeichen … 243. Er erhielt daraufhin für die weiteren Touren dieses Tages einen Ersatzbus. Der Fahrzeugtausch ist unter dem 07.09.2016 im Situationsbuch der Betriebsstelle vermerkt. In dem Situationsbuch werden u. a. Werkstattbesuche, Rufbusse, Fundsachen, Mitteilungen von Mitarbeitern und für Mitarbeiter, Hinweise des Klägers an seinen Stellvertreter und umgekehrt eingetragen.

Am nächsten Tag, dem 08.09.2016, bestritt Herr W. die Vormittagstour wiederum mit dem Bus … 243. Die entsprechende Anweisung ergab sich aus dem für die Fahrer maßgeblichen Einsatzbuch. Der Kläger hatte dort bei Herrn W. handschriftlich eingetragen:

„SG 243 Fahrzeugtausch um 10:00 Uhr gegen LV 147“.

Herr W. quittierte diese Anweisung mit seiner Unterschrift. Der Kläger beabsichtigte zunächst, den Bus … 243 durch den Fahrer R. im Rahmen einer regulären Linienfahrt zur Werkstatt an der Betriebsstelle S. bringen zu lassen, sah später aber davon ab, nachdem sich Herr R. nach Rücksprache mit Herrn W. geweigert hatte, den Bus zu fahren. Das Situationsbuch enthält unter dem 08.09.2016 fünf bis sechs handschriftliche Einträge von Herrn K. und dem Kläger. Die letzten Einträge lauten wie folgt:

Der Bus wurde letztlich außerhalb des Linienverkehrs, jedoch „auf der Achse“ zur Werkstatt in S. überführt. Die Werkstatt stellte eine Beschädigung an der Lenkhydraulik fest. Eine Hydraulikleitung war durch Scheuerbewegungen undicht geworden, wodurch Hydrauliköl ausgetreten war. Die Werkstatt reparierte den Schaden noch am selben Tag.

Mit einem gemeinsamen Schreiben vom 12.09.2016, der Beklagten zugegangen am 21.09.2016, beschwerten sich insgesamt 20 Mitarbeiter bei der Geschäftsführung über das unkollegiale Verhalten des Klägers wegen seiner ehrverletzenden, diskriminierenden und zynischen Äußerungen. Zudem verwiesen sie auf die wiederholte Gefährdung von Mitarbeitern, Fahrgästen und anderen Verkehrsteilnehmern durch das Ignorieren eines gemeldeten Fehlers an der Lenkung.

Mit Schreiben vom 15.11.2016, dem Kläger zugegangen am 16.11.2016, kündigte die Beklagte nach Anhörung des Betriebsrats das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 30.06.2017 bzw. zum nächstmöglichen Termin. Zugleich bot sie ihm an, das Arbeitsverhältnis als Omnibusfahrer mit der entsprechenden tarifvertraglichen Vergütung nach Gruppe 6 zu im Übrigen unveränderten Bedingungen fortzusetzen. Dieses Angebot nahm der Kläger mit Schreiben vom 21.11.2016 unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und hat mit Schriftsatz vom selben Tag beim Arbeitsgericht Schwerin, dort eingegangen am 25.11.2016, Änderungsschutzklage erhoben.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ebenso wie die außerordentliche sei auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Änderungskündigung unwirksam, da es keine verhaltensbedingten Gründe gebe. Der Busfahrer W. habe am 08.09.2016 wieder den nach eigenen Erkenntnissen defekten Bus genommen, obwohl zwei Ersatzbusse

in der Abstellhalle verfügbar gewesen seien. Herr W. hätte sich an den Disponenten K. wenden und um eine anderes Fahrzeug bitten müssen. Der Bus mit dem Kennzeichen … 243 sei ebenso wie der Bus … 242 ein IVECO Crossway, bei denen in der Vergangenheit immer mal wieder Geräusche an der Vorderachse aufgetreten seien, ohne dass die Verkehrssicherheit beeinträchtigt gewesen sei. Als er Herrn R. beauftragt habe, mit dem Bus nach S. zu fahren, sei er noch davon ausgegangen, dass es nur um Geräusche an der Vorderachse gehe, nicht aber um die Lenkung. Die Probleme mit der Lenkung habe Herr W. erst später gegenüber Herrn R. erwähnt, weshalb dieser es dann abgelehnt habe, den Bus zu fahren. Nach einer Probefahrt mit dem Bus habe der Kläger Herrn R. sodann einen anderen Bus zugewiesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche Änderungskündigung vom 15.11.2016 (Tätigkeit als Omnibusfahrer mit Arbeitsort A-Stadt) sozial ungerechtfertigt ist und dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

2. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen auch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Änderungskündigung vom 15.11.2016 (Tätigkeit als Omnibusfahrer mit Arbeitsort A-Stadt) sozial ungerechtfertigt ist und dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe wenige Wochen nach dem Ausspruch der Abmahnung wiederum einen defekten Bus nicht aus dem Verkehr genommen. Zwar könne es bei Bussen in unregelmäßigen Abständen aus verschiedenen Gründen zu Geräuschen, ggf. auch harmlosen Geräuschen, im Bereich der Vorderachse kommen. Solange aber nicht feststehe, ob die Verkehrssicherheit beeinträchtigt sei, habe der Kläger als Betriebsleiter im Sinne des § 4 BOKraft die Pflicht, den Bus aus dem Verkehr zu nehmen und in der Fachwerkstatt überprüfen zu lassen. Die Sicherheit der Fahrgäste und der Mitarbeiter habe absolute Priorität.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die ordentliche Änderungskündigung sei sozial gerechtfertigt, weil der Kläger trotz vorangegangener Abmahnung wiederum seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Erneut habe er ein vom Fahrer als defekt gemeldetes Fahrzeug nicht unverzüglich für den weiteren Betrieb gesperrt. Das Interesse der Beklagten, den Kläger als Fahrdienstleiter abzulösen, überwiege das Interesse des Klägers an einer Beibehaltung dieser Position mit der entsprechenden Vergütung. Das Verhalten des Klägers könne Leib und Leben Dritter gefährden. Die durchaus erheblichen Gehaltseinbußen seien vom Kläger hinzunehmen, da es keine anderen geeigneten Arbeitsplätze gebe.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er habe zwar einen Fehler gemacht, indem er im Einsatzbuch bei den Eintragungen für den 08.09.2016 in der Zeile für Herrn W. den Bus … 243 nicht ausradiert und durch einen anderen Bus ersetzt habe. Dieser Fehler rechtfertige aber selbst unter Berücksichtigung der Abmahnung vom 13.07.2016 keine ordentliche Änderungskündigung. Der Kläger habe den Defekt des Busses am 07.09.2016 im Situationsbuch für den 08.09.2016 dokumentiert. Aus dem Situationsbuch ergebe sich, dass Herr W. nicht den defekten Bus habe nehmen sollen. Das sei für den im Frühdienst eingesetzten Disponenten K. erkennbar gewesen. Herr W. habe, nachdem zunächst nur von Geräuschen an der Vorderachse („Knarzen“) die Rede gewesen sei, erst bei seiner Rückkehr von der Vormittagstour am 08.09.2016 von Problemen an der Lenkung berichtet. Der Kläger habe daraufhin eine Probefahrt mit dem Bus unternommen und, nachdem er ebenfalls Probleme mit der Lenkung festgestellt habe, den Bus aus dem Verkehr genommen. Eine Gefahr für Leib und Leben von Fahrgästen oder Busfahrern habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 26.04.2016 – 4 Ca 1800/16 – abzuändern und festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die ordentliche Änderungskündigung vom 15.11.2016 (Tätigkeit als Omnibusfahrer mit Arbeitsort A-Stadt) sozial ungerechtfertigt ist und dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2017 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden. Der Kläger habe den Bus pflichtwidrig nicht aus dem Verkehr gezogen. Stattdessen habe er Herrn W. am 08.09.2016 per Einsatzbuch angewiesen, für die Vormittagstour wiederum den defekten Bus zu nutzen. Auch habe der Kläger dem Disponenten der Frühschicht nicht über das Situationsbuch mitgeteilt, dass der Bus nicht mehr eingesetzt werden solle. Derartige Eintragungen im Situationsbuch habe der Kläger ansonsten stets eindeutig formuliert und mit einer persönlichen Ansprache verbunden, wie z. B. „Guten Morgen S., an der LV 147 leuchtet die Rote ABS Lampe. Fahrzeug nicht einsetzen!“ Den Defekt des Busses habe der Kläger vielmehr erst im Laufe des 08.09.2016 im Situationsbuch vermerkt, nachdem es bei der Vormittagstour wiederum Probleme gegeben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Änderungskündigung zu Recht und mit der zutreffenden Begründung abgewiesen. Das Berufungsgericht schließt sich den Ausführungen der Vorinstanz an.

Die ordentliche Änderungskündigung vom 15.11.2016, zugegangen am 16.11.2016, zum 30.06.2017 ist wirksam. Sie ist durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt und deshalb sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2, § 2 KSchG).

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeits-verhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

Eine Änderungskündigung im Sinne von § 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn das Änderungsangebot des Arbeitgebers durch Gründe gemäß § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 2 AZR 550/14 – Rn. 23, juris = NZA-RR 2016, 243; BAG, Urteil vom 10. April 2014 – 2 AZR 812/12 – Rn. 24, juris = NZA 2014, 653). Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle vorgesehenen Änderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich von deren Inhalt nicht weiter entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG, Urteil vom 18. Mai 2017 – 2 AZR 606/16 – Rn. 11, juris; BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 2 AZR 550/14 – Rn. 23, juris = NZA-RR 2016, 243).

Eine Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers – wie etwa eine Abmahnung – geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 2 AZR 42/16 – Rn. 11, juris = NJW 2017, 1833; BAG, Urteil vom 19. November 2015 – 2 AZR 217/15 – Rn. 24, juris = NZA 2016, 540).

Die Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist anhand der zum Zeitpunkt des Zugangs gegebenen objektiven Verhältnissen zu beurteilen (BAG, Urteil vom 17. Februar 2016 – 2 AZR 613/14 – Rn. 26, juris = ZTR 2016, 418; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 644/13 – Rn. 21, juris = NJW 2015, 1403).

Der Kläger hat am 07.09.2016 schuldhaft seine Pflichten verletzt, indem er den Bus … 243 trotz des gemeldeten Mangels ohne vorherige technische Prüfung erneut für die Vormittagstour des nächsten Tages eingeplant hat.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BOKraft hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass sich die Fahrzeuge in vorschriftsmäßigem Zustand befinden. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben kann er unbeschadet seiner eigenen Verantwortlichkeit einen Betriebsleiter bestellen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BOKraft). Die Bestellung des Betriebsleiters bedarf der Bestätigung durch die Genehmigungsbehörde. Diese ist zu erteilen, wenn die Zuverlässigkeit gegeben ist, insbesondere wenn die für die technische Leitung des Betriebs und die für die Verwaltung erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen nachgewiesen sind (§ 4 Abs. 4 BOKraft).

Der Betriebsleiter hat für die Verkehrssicherheit der Busse zu sorgen und ist deshalb verpflichtet, jeglichen Hinweisen der Fahrer nachzugehen. Soweit er nicht selbst in der Lage ist, die technische Prüfung durchzuführen, sind fachkundige Mitarbeiter hinzuzuziehen bzw. Werkstätten zu beauftragen. Eine technische Prüfung ist nur dann verzichtbar, wenn der Betriebsleiter eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit endgültig und sicher ausschließen kann. Bei Zweifeln ist im Interesse der Verkehrssicherheit eine technische Prüfung geboten. Dabei kann weder von den Fahrern noch von dem Betriebsleiter eine konkrete technische Fehleranalyse erwartet werden. Ob und ggf. welcher Schaden vorliegt, ist in der Werkstatt festzustellen. Ein Bus ist bereits dann aus dem Verkehr zu nehmen, wenn aufgrund von Hinweisen des Fahrers die Verkehrssicherheit beeinträchtigt sein kann.

Nachdem der Busfahrer W. am 07.09.2016 Geräusche an der Vorderachse seines Busses gemeldet hatte, hätte der Kläger diesen Bus bis zur endgültigen Abklärung, ob ein erheblicher Fehler vorliegt, umgehend für den weiteren Betrieb sperren müssen. Die Fehlermeldung war jedenfalls so deutlich und nachdrücklich formuliert, dass Herr W. bereits für die Nachmittagstour einen Ersatzbus erhielt, ob vom Kläger oder einem anderen Mitarbeiter, kann hier offen bleiben. Der Kläger wusste jedenfalls von dem Fahrzeugwechsel. Er durfte sich nicht darauf verlassen, dass es sich bei den gemeldeten Geräuschen um eine gelegentlich bei den Bussen dieses Typs auftretende harmlose Erscheinung handelte. Herr W. mag zwar nicht auf ein Problem mit der Lenkung hingewiesen haben. Die Lenkung ist jedoch ein Bestandteil der Vorderachse und kann deshalb durch dort festgestellte Geräusche beeinträchtigt sein. Das hat sich bei der Reparatur des Busses in der Werkstatt bestätigt.

Der Kläger hat den beschädigten Bus nicht umgehend für den weiteren Betrieb gesperrt, sondern ihn jedenfalls für die Vormittagstour des 08.09.2016 im Einsatz belassen und einen Tausch erst um 10:00 Uhr vorgesehen. Sofern er diese Entscheidung im Verlauf des Tages geändert haben sollte, hat er das weder dem zuständigen Busfahrer noch dem Disponenten der Frühschicht mitgeteilt. Für den Fahrer ist das Einsatzbuch maßgeblich. Dort hatte der Kläger für Herrn W. die Anweisung eingetragen, zunächst den Bus SN 243 zu nehmen und diesen um 10:00 Uhr gegen die LV 147 zu tauschen. Die Anweisungen für den Disponenten finden sich hingegen im Situationsbuch. Dort gibt es aber keinen Hinweis, dass der Bus nicht mehr eingesetzt werden und der Disponent Herrn W. einen anderen Bus zuweisen soll. Selbst wenn der Kläger die Notiz „Ä SG 243 defekt Ä“ schon am 07.09.2016 eingetragen haben sollte, obwohl es unter dem 08.09.2016 der letzte Eintrag ist, so konnte der Disponent dennoch daraus keine Anweisung zum Tausch des Busses herleiten. Hier hätte es einer klaren und eindeutigen Formulierung bedurft, wie sie der Kläger auch in anderen Fällen genutzt hat.

Eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft ist angesichts dieser Pflichtverletzung und einer vorangegangenen abgemahnten gleichartigen Pflichtverletzung nicht mehr zu erwarten. Einer nochmaligen Abmahnung bedurfte es nicht. Die Beklagte hat dem Kläger bereits mit der Abmahnung vom 13.07.2016 unter Androhung von arbeitsrechtlichen Konsequenzen im Wiederholungsfall deutlich vor Augen geführt, dass Fahrzeuge bei Hinweisen auf technische Defekte sofort aus dem Fahrbetrieb zu nehmen sind. Trotz der nur wenige Wochen zurückliegenden Abmahnung hat der Kläger ein weiteres Mal der Verkehrssicherheit nicht die gebotene Priorität eingeräumt.

Der Beklagten ist eine Weiterbeschäftigung des Klägers mit der bisherigen Arbeitsaufgabe als Fahrdienstleiter über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar. Die Beklagte ist für die Sicherheit ihrer Fahrgäste, der Busfahrer und der anderen Verkehrsteilnehmer verantwortlich. Sie muss sich darauf verlassen können, dass ein Fahrdienstleiter dieser Verantwortung gerecht wird. Der Kläger hat in zwei Fällen einen Bus nicht aus dem Verkehr gezogen, obwohl tatsächlich ein sicherheitsrelevanter Schaden im Lenksystem vorlag. Je nach Verkehrssituation und Schadensverlauf hätte es in beiden Fällen zu schweren Unfällen kommen können mit erheblichen Konsequenzen für die Beklagte. Die Beklagte durfte und musste reagieren, bevor durch eine erneute Nachlässigkeit des Klägers schließlich doch noch ein größerer Schaden eintritt. Das Interesse der Beklagten, hier keinerlei Risiko einzugehen, überwiegt das Interesse des Klägers an einer Beibehaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes. Zwar verliert er durch die Änderungskündigung seinen bisherigen Status innerhalb der Betriebshierarchie und einen Teil seiner Vergütung. Der Schutz von Leben und Gesundheit von Fahrgästen, Fahrern und anderen Verkehrsteilnehmern ist demgegenüber jedoch vorrangig.

Die angebotenen Änderungen entfernen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsvertrages, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Andere freie Arbeitsplätze, die zu einer geringeren Gehaltseinbuße führen und für die der Kläger geeignet ist, gibt es nicht. Den Arbeitsort hat die Beklagte beibehalten. Die Vergütung ergibt sich aus dem Tarifvertrag. Die Eingriffe der Beklagten in das Arbeitsverhältnis beschränken sich auf dasjenige, was zum Schutz ihrer Interessen geeignet und erforderlich ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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