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Verhaltensbedingte Kündigung – eigenmächtige Überweisung von Arbeitsvergütung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 8 Sa 500/11 – Urteil vom 12.01.2012

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 8.6.2011 – 1 Ca 560/10 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.680,00 € brutto abzüglich auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 3.569,70 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 4.420,00 € seit dem 1.4.2010 und dem 3.5.2010, aus 2.605,88 € seit dem 1.6.2010 sowie aus 2.664,40 € seit dem 1.7.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Der Kläger hat 68 % und die Beklagte 32 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit zweier Kündigungen, über Arbeitsentgeltansprüche des Klägers sowie über einen seitens der Beklagten im Wege der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruch.

Der am 12.01.1966 geborene, verheiratete und einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtete Kläger wurde zum 01.04.2008 von der Z Immobilien GmbH & Co KG als Hoteldirektor eingestellt. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 29.03.2008 enthält bezüglich der Vergütung des Klägers u.a. folgende Bestimmung:

„§ 3 Vergütung / Arbeitsentgelt

Zudem erhält der Hoteldirektor ein variabel erfolgsabhängiges Gehalt, das an die Erreichung von Ertrags- bzw. Betriebsergebniszielen gekoppelt ist.

Als Messgröße gilt der Gesamtbetriebsertrag bzw. das Netto-Betriebsergebnis I. (Betriebsumsatz abzüglich der betriebsbedingten Kosten, d.h. vom laufenden Betrieb benötigte Kosten für Ware, Personal, Energie, Betriebsversicherung, Beiträge, Betriebs- und Verwaltungskosten jeweils ohne Einmalkosten durch Investitionen, Instandhaltungen sowie ohne Pacht bzw. Kapitaldienste).

Das erfolgsabhängige Honorar wird monatlich anhand der BWA’s berechnet.

Erreicht der Arbeitnehmer ein positives Betriebsergebnisses I., so wird dies mit 16 % Abschlag vergütet.

Am 05.05.2009 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Z Immobilien GmbH & Co KG beantragt. Nach Erinnerung der Parteien wurde das Insolvenzverfahren am 01.07.2009 eröffnet. Der Insolvenzverwalter verpachtete den Hotelbetrieb zum 01.10.2009 an die Alleingesellschafterin der Beklagten, die Gastronomie Y AG, der er bereits zuvor die Führung des Hotels übertragen hatte. Bereits im September 2009 war im Insolvenzverfahren die Masseunzulänglichkeit eingetreten. Zum 01.01.2010 übernahm schließlich die Beklagte den Hotelbetrieb, wobei zwischen den Parteien unstreitig ist, dass es sich hierbei um einen Betriebsübergang (§ 613 a BGB) handelte.

In den Monaten Mai, Juni, Juli und August 2009 erwirtschaftete der Hotelbetrieb unter Zugrundelegung des Kassenberichtes abzüglich der laufenden monatlichen Kosten ein positives Betriebsergebnis, wobei die Personalkosten von Mai bis Juli 2009 vom Arbeitsamt über das Insolvenzausfallgeld getragen wurden.

Für die Monate Mai – August 2009 errechnete sich der Kläger selbst die in § 3 des Arbeitsvertrages zuzüglich zu seinem monatlichen Festgehalt vereinbarte erfolgsabhängige Vergütung von 16 % des Betriebsergebnisses und überwies die sich hieraus – ebenfalls von ihm selbst errechneten – Nettobeträge vom Geschäftskonto der Gastronomie Y AG, auf das er als Hoteldirektor Zugriff hatte, auf sein Privatkonto. Hierbei handelte es sich um fünf im Zeitraum vom 01.07. bis 17.09.2009 getätigte, jeweils mit dem Begriff „Tantieme“ gekennzeichnete Überweisungen in Höhe von insgesamt 12.178,41 Euro.

Mit zwei undatierten Schreiben, welche dem Kläger am 03.04. bzw. am 06.04.2010 zugingen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung von der Arbeit frei. Für die Zeit ab März 2010 zahlte die Beklagte keine Vergütung mehr an den Kläger.

Gegen die Kündigungen richtet sich die vom Kläger am 20.04.2010 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage. Darüber hinaus macht der Kläger gegenüber der Beklagten weitere Ansprüche geltend, u.a. auf Zahlung von Arbeitsentgelt für den Zeitraum von März 2010 bis einschließlich Februar 2011.

Die Beklagte nimmt den Kläger ihrerseits im Wege der Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 6.000,00 Euro in Anspruch.

Zur weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 08.06.2011 (Bl. 239 – 245 d.A.).

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die (undatierte) Kündigung seitens der Beklagten, zugegangen am 03.04.2010, aufgelöst worden ist; festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die (undatierte) Kündigung seitens der Beklagten, zugegangen am 06.04.2010, aufgelöst worden ist; die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen; hilfsweise für den Fall der Abweisung der Klageanträge zu Ziffer 1 bis 2, die Beklagte zu verurteilen, ihm ein endgültiges, qualifiziertes Schlusszeugnis, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen; die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen zu Ziffer 1 und zu Ziffer 2 zu den bisherigen Arbeitsbedingungen zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von 4.420,00 € als Hotel-Direktor des „X“, A-Straße, A-Stadt, weiterzubeschäftigen; die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.680,00 € brutto abzüglich auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von 3.569,72 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 4.420,00 € seit dem 01.04.2010 und 03.05.2010, aus 2.605,88 € seit dem 01.06.2010 sowie aus 2.664,40 € seit dem 01.07.2010 zu zahlen; die Beklagte zu verurteilen, weitere 35.360,00 € brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener 14.220,36 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.605,88 € seit dem 01.08.2010, 01.09.2010, 01.11.2010, 01.01.2011 und 01.02.2011, aus jeweils 2.664,40 € seit dem 01.10.2010 und 01.12.2010 sowie aus 2.781,44 € seit dem 01.03.2011 zu zahlen;

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen; den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an sie 6.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 08.06.2011 insgesamt stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 9 – 21 dieses Urteils (= Bl. 245 – 257 d.A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 29.07.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.08.2011 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 29.09.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Überweisung von insgesamt 12.178,41 Euro von dem Geschäftskonto auf das private Konto des Klägers rechtfertige den Ausspruch einer fristlosen, zumindest jedoch den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung. Der Kläger habe durch die Überweisungen, die er entgegen den mit dem Insolvenzverwalter getroffenen Vereinbarungen vorgenommen habe, das seinerzeit finanziell und wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen zusätzlich geschwächt. Dieses Verhalten stelle einen Vertrauensbruch dar. Es treffe nicht zu, dass ihr ehemaliger Geschäftsführer seinerzeit über die betreffenden Zahlungen informiert gewesen sei. Vielmehr habe dieser erst am 31.03.2010 von den Zahlungen erfahren. Aufgrund seines Aufenthaltes in der Schweiz und seiner schweren Erkrankung habe der damalige Geschäftsführer die ihm zugeschickten Kontoauszüge ungelesen an die Steuerberaterin weitergeleitet. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass auf den Kontoauszügen nicht genehmigte Zahlungen ausgewiesen seien. Im Übrigen sei zu bestreiten, dass dem Kläger Tantiemeansprüche in der betreffenden Höhe überhaupt zustünden. Die Zahlungen seien entgegen der Behauptung des Klägers auch nicht mit dem Insolvenzverwalter abgesprochen gewesen. Es habe die ausdrückliche Anweisung bestanden, dass die Grundgehälter ausschließlich über das Insolvenzausfallgeld abgesichert werden sollten und jegliche weiteren Ansprüche erst nach eingehender Prüfung durch die Insolvenzverwaltung zu begleichen seien.

Zur Darstellung aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 20.10.2011 (Bl. 292 – 298 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und wie folgt zu erkennen:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger wird auf die Widerklage hin verurteilt 6.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Beklagte und Berufungsklägerin zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 12.12.2011 (Bl. 339 – 345 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I. Die an sich statthafte Berufung der Beklagten ist zum Teil unzulässig.

Zwar hat die Beklagte ihr Rechtsmittel sowohl fristgerecht eingelegt als auch fristgerecht begründet. Soweit die Beklagte ihre vom Arbeitsgericht abgewiesene Widerklage weiterverfolgt, fehlt es jedoch an einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO gerecht werdenden Berufungsbegründung. Das Arbeitsgericht hat bezüglich der Widerklage in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils ausgeführt, der geltend gemachte Schaden sei weder substantiiert dargetan, die behauptete Abtretung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs von der Gastronomie Y AG an die Beklagte sei nicht unter Beweis gestellt und letztlich sei ein etwaiger Schadensersatzanspruch auch nach § 11 des Arbeitsvertrages verfallen. Mit keiner dieser, die Abweisung der Widerklage jeweils selbständig tragenden Begründungen setzt sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung auch nur ansatzweise auseinander.

Die Berufung war daher insoweit als unzulässig zu verwerfen, ohne dass dies im Urteilstenor gesondert zum Ausdruck zu bringen war.

II. Die im Übrigen insgesamt zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Die gegen die dem Kläger am 03.04. und am 06.04.2010 zugegangenen Kündigungen gerichteten Kündigungsschutzanträge sind unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist bereits durch die dem Kläger am 03.04.2010 zugegangene Kündigungserklärung mit Ablauf der in § 2 des Arbeitsvertrages vereinbarten ordentlichen Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende, mithin zum 30.06.2010 aufgelöst worden.

Zutreffend geht der Kläger davon aus, dass die ihm am 03.04.2010 zugegangene, ebenso wie die am 06.04.2010 zugegangene Kündigungserklärung keine außerordentliche bzw. fristlose Kündigung sondern vielmehr eine ordentliche Kündigung beinhaltet. Dies ergibt sich aus der insoweit eindeutigen, in beiden Schreiben enthaltenen Formulierung, wonach das Arbeitsverhältnis „fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ gekündigt werden sollte.

Die ordentliche Kündigung ist aus verhaltensbedingten Gründen i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt und daher in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe rechtwirksam.

Im Unterschied zur außerordentlichen Kündigung müssen die verhaltensbedingten Gründe bei einer ordentlichen Kündigung nicht so schwerwiegend sein, dass sie für den Arbeitgeber die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Kündigungsfrist begründen. Erforderlich ist ein Verhalten des Arbeitnehmers, durch welches er eine Vertragspflicht verletzt und durch die das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird. Dabei ist nicht vom Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers auszugehen; es gilt vielmehr ein objektiver Maßstab. Als verhaltensbedingter Kündigungsgrund kommt daher ein Umstand in Betracht, der geeignet ist, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung zu bestimmen (BAG v. 17.06.2003 – 2 AZR 62/02 – EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59; KR-Griebeling, 8. Aufl., § 1 KSchG, Rz. 98 m.w.N.).

Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt, indem er zur Durchsetzung seines vertraglichen Anspruchs auf Zahlung einer erfolgsabhängigen Tantieme selbst eine Berechnung des Betriebsergebnisses vornahm, hieraus seine Tantieme errechnete und den sich daraus ergebenden, ebenfalls von ihm selbst errechneten Nettobetrag vom Geschäftskonto seiner Arbeitgeberin auf sein Privatkonto überwies. Hierzu war der Kläger ungeachtet des Umstandes, dass ihm ein vertraglicher Anspruch auf Auszahlung einer Tantieme zustand, nicht berechtigt. Dies folgt bereits daraus, dass die Errechnung des Betriebsergebnisses ebenso wie die Errechnung einer sich daraus ergebenden Tantieme grundsätzlich Sache des Arbeitgebers ist, dem es auch obliegt, die sich aus der Brutto-Tantieme ergebenden Steuern und Sozialbeiträge abzuführen. Der Arbeitnehmer ist hingegen in keiner Weise berechtigt, sich etwaige ihm zustehende Entgeltansprüche quasi im Wege der Selbsthilfe unter Zugriff auf das Geschäftskonto zu begleichen, wobei vorliegend offen bleiben kann, ob das Verhaltend des Klägers einen Straftatbestand erfüllt.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger die betreffenden Überweisungen während des laufenden Insolvenzverfahrens getätigt hat, und dass – worauf bereits das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils hingewiesen hat – die vom Kläger durchgeführte Berechnung der für die Höhe der Tantieme maßgeblichen Betriebsergebnisse der Monate Mai bis Juli insoweit offensichtlich fehlerhaft ist, als die auf die Agentur für Arbeit in Folge des gezahlten Insolvenzausfallgeldes übergegangenen Arbeitsentgeltansprüche als Personalkosten unberücksichtigt blieben. Letztlich hat sich der Kläger – unter Zugrundelegung seines Vorbringens – zwar lediglich die sich aus den Brutto-Tantiemen ergebenden Nettobeträge überwiesen, gleichwohl jedoch die Verpflichtung zur Abführung von Steuern und Sozialbeiträgen völlig außer Acht gelassen und dadurch seine Arbeitgeberin wohl Nachforderungen des Finanzamtes und der Sozialversicherungsträger ausgesetzt.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe die betreffenden Überweisungen im Einverständnis mit dem Insolvenzverwalter getätigt. Der Kläger hat diesbezüglich vielmehr selbst in seinem Schriftsatz vom 14.12.2010 (dort Seite 9 = Bl. 116 d.A.) vorgetragen, dass ein Mitarbeiter des Insolvenzverwalters ihm gegenüber im Mai 2009 erklärte, dass er „noch nicht abschätzen“ könne, was mit den Tantiemen sei und erst einmal abgewartet werden müsse, in welcher Höhe Tantiemeansprüche überhaupt bestünden. Selbst wenn der Mitarbeiter des Insolvenzverwalters in diesem Zusammenhang gegenüber dem Kläger auch geäußert haben sollte, dass dieser durch die Insolvenz nicht schlechter stehen solle und diesbezügliche Zahlungen unmittelbar vom Betriebskonto vornehmen könne, so ergibt sich hieraus keinesfalls ein Einverständnis mit der Vorgehensweise des Klägers, sich von ihm selbst ohne Mitwirkung des Arbeitgebers bzw. des Insolvenzverwalters errechnete Tantiemeansprüche zu begleichen.

Ein arbeitgeberseitiges Einverständnis mit der Vorgehensweise des Klägers kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass dem seinerzeit in der Schweiz lebenden früheren Geschäftsführer der Beklagten und damaligen Vorstand der Gastronomie Y AG jeweils die Kontoauszüge übersandt wurden, aus denen die betreffenden Überweisungen unter dem Betreff „Tantieme“ ersichtlich waren. Selbst wenn dieser von den betreffenden Überweisungen positiv Kenntnis erlangt hat, wogegen im Hinblick auf die Vielzahl der jeweiligen Kontoauszüge und der darin enthaltenen Einzelpositionen jedoch Zweifel bestehen, kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten bewusst war, dass den entsprechenden Beträgen weder eine arbeitgeberseitige Feststellung des Betriebsergebnisses noch eine ordnungsgemäße Abrechnung zugrunde lag. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger geltend macht, die Tantiemezahlungen seien Inhalt von zwischen ihm und dem damaligen Geschäftsführer im Oktober 2009 und danach geführten Gesprächen gewesen. Zum einen fanden die betreffenden Gespräche erst nach den betreffenden Überweisungen statt; zum anderen ergibt sich hieraus nicht, dass der damalige Geschäftsführer bereits seinerzeit Kenntnis von der eigenmächtigen Vorgehensweise des Klägers erlangt hatte. Letztlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sein Verhalten seitens des Steuerberaters unbeanstandet blieb.

Im Hinblick auf die Schwere des Fehlverhaltens des Klägers bedurfte es vor Kündigungsausspruch auch keiner Abmahnung. Der Kläger konnte von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen und musste sich bewusst sein, dass er durch sein Verhalten den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet.

Auch das Ergebnis der durchzuführenden Interessenabwägung steht der sozialen Rechtfertigung der streitbefangenen Kündigung nicht entgegen. Zwar spricht für den Kläger der Umstand, dass er die betreffenden Überweisungen jeweils mit dem Begriff „Tantieme“ kennzeichnete und daher nicht von einer Heimlichkeit seines Vorgehens ausgegangen werden kann. Auch die gegenüber seiner Ehefrau und einem Kind bestehenden Unterhaltsverpflichtungen sind zu berücksichtigen. Allerdings hatte der Kläger bei Kündigungsausspruch erst eine Betriebszugehörigkeit von lediglich zwei Jahren vorzuweisen und befand sich mit 44 Jahren noch nicht in einem solch fortgeschrittenen Lebensalter, welches sich nachteilig auf seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt auswirken könnte. Zu Gunsten der Beklagten spricht demgegenüber, dass das arbeitgeberseitige Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers und dessen Zuverlässigkeit – insbesondere bezogen auf dessen hervorgehobene Position als Hoteldirektor – nachhaltig erschüttert ist. Die Beklagte muss befürchten, dass der Kläger, wie geschehen, auch zukünftig die Vermögensinteressen seines Arbeitgebers zur Durchsetzung eigener Interessen außer Acht lässt und beschädigt. Insgesamt überwiegt das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers an dessen Fortsetzung.

2. Über den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers war nicht mehr zu befinden, da dieser ausdrücklich als unechter Hilfsantrag gestellt wurde für den Fall, dass den Kündigungsschutzanträgen stattgegeben wird.

3. Die Zahlungsklage ist bezogen auf den Zeitraum von März bis einschließlich Juni 2010, mithin in Höhe des in Ziffer 5. des erstinstanzlichen Urteilstenors ausgeurteilten Betrages begründet.

Für die Zeit vom 01.03. bis einschließlich 03.04.2010 ergibt sich der Arbeitsentgeltanspruch des Klägers aus § 611 Abs. 1 BGB. Für den Zeitraum danach, nämlich vom 04.04. bis einschließlich 30.06.2010 folgt der Anspruch aus § 615 BGB, da sich die Beklagte infolge der Freistellung des Klägers in Annahmeverzug befand (vgl. Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl., § 611 Rz. 571 m.w.N.). Bezüglich der Höhe des vom Kläger für diesen Zeitraum eingeklagten Arbeitsentgelts sowie der in Abzug gebrachten Leistungen der Agentur für Arbeit bestehen keine Bedenken. Insoweit folgt das Berufungsgericht uneingeschränkt den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter IV. der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Die weitergehende, auf den Zeitraum Juli 2010 bis Februar 2011 bezogene Zahlungsklage ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis der Parteien – wie bereits ausgeführt – zum 30.06.2010 geendet hat.

4. Infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erweist sich auch der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses als unbegründet.

Den hilfsweise gestellten Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses hat der Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

III. Nach alledem war das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

 

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