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Versagung der Urlaubsgewährung wegen Anspruch auf Herausgabe eines Diensthandys

ArbG Limburg – Az.: 1 Ga 12/11 – Urteil vom 24.10.2011

1. Der Antragstellerin wird das Fernbleiben von der Arbeit in der Zeit vom 26.10.2011 bis zum 30.11.2011 gestattet.

2. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 1.096,13 € festgesetzt.

4. Soweit die Berufung nicht ohnehin wegen des Werts des Beschwerdegegenstands zulässig ist (§ 64 Abs. 2 b ArbGG), wird die Berufung nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wird vom 01.12.2010 befristet bis zum 30. November 2011 als kaufmännische Angestellte zu einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt 1.900,00 € beschäftigt. Hinsichtlich des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrags wird auf Bl. 4 – 6 d. A. 1 Ca 418/11 verwiesen. Nach dem Arbeitsvertrag beträgt der Jahresurlaubsanspruch 30 Tage. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich am 23.05.2011 zum 30.06.2011 und fristlos am 05.06.2011. Wegen der bei der Klägerin inzwischen festgestellten Schwangerschaft und der fehlenden Zustimmung des Regierungspräsidiums zu den ausgesprochenen Kündigungen einigten die Parteien sich durch gerichtlichen Vergleich vom 23. September 2011 dahingehend, dass diese Kündigungen gegenstandslos sind und das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung zum 30.11.2011 endet (Bl. 41 d. A. 1 Ca 418/11). Die Klägerin ist gegenwärtig bis zum 25.10.2011 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 26.09.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Urlaub für 25 Tage vom 26.10.2011 bis zum 30.11.2011 (Bl. 5 u. 6 d. A.). Dies lehnte die Beklagte mit Fax 12.10.2011 ab (Bl. 7 u. 8 d. A.).

Die Verfügungsklägerin behauptet, dass ihr bislang nach ihrer Erinnerung lediglich 5 Tage Urlaub seit Beginn des Arbeitsverhältnisses gewährt worden seien, so dass noch 25 Tage offen seien.

Die Verfügungsklägerin beantragt: Der Antragstellerin wird das Fernbleiben von der Arbeit in der Zeit vom 26.10.2011 bis zum 30.11.2011 gestattet.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte bestreitet einen Anspruch der Klägerin auf 25 Tage Urlaub. Ihr stehe im übrigen ein Zurückbehaltungsrecht zu.

Entscheidungsgründe

Versagung der Urlaubsgewährung wegen Anspruch auf Herausgabe eines Diensthandys
Symbolfoto: Von Pra Chid/Shutterstock.com

Der Verfügungsklägerin ist im Wege der einstweiligen Verfügung zu gestatten, der Arbeit der Beklagten in der Zeit vom 26.10.2011 bis zum 30.11.2011 Arbeit fernzubleiben.

1. Die Klägerin hat einen Verfügungsanspruch auf Freistellung von der Arbeit für die Dauer ihres mutmaßlichen Urlaubs gemäß § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz.

a) Die Klägerin hat einen Jahresurlaubsanspruch für das eine Jahr ihrer Beschäftigung in Höhe von 30 Tagen. Hiervon sind der Klägerin nach ihrer Behauptung bislang 5 Tage Urlaub gewährt worden, so dass 25 Urlaubstage verbleiben. Soweit die Beklagte dies bestritten hat, hat sie nicht angegeben, wie viel Tage Urlaub der Klägerin nach ihrer Behauptung zustehen. Sie hat sich damit zu den Tatsachenbehauptungen der Verfügungsklägerin nicht hinreichend erklärt, so dass gemäß § 138 Abs. 2 und 3 ZPO die Behauptung der Verfügungsklägerin, sie habe noch 25 Tage Resturlaub zu bekommen, als zugestanden gilt. Dringende betriebliche Belange, die den Urlaubswünschen der Klägerin entgegenstünden, sind nicht ersichtlich – insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte auf die Dienste der Klägerin bereits vorher verzichten wollte, wie aus den ausgesprochenen Kündigungen ersichtlich ist.

b) Soweit die Verfügungsbeklagte ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, hat sie zum einen nicht dargelegt, was welchen Gründen dieses Zurückbehaltungsrecht überhaupt geltend gemacht wird. Soweit sich aus der vorprozessualen Korrespondenz zwischen den Parteien ergibt, dass die Verfügungsbeklagte behauptet, einen Herausgabeanspruch gegenüber der Klägerin wegen eines Dienst-Handys zu haben, würde das Bestehen eines solchen Herausgabeanspruchs ebenfalls nicht zu einem Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers an der Gewährung von Urlaub für die Verfügungsklägerin führen. Es besteht kein innerer und natürlicher wirtschaftlicher Zusammenhang („Konnexität“) zwischen Urlaubsgewährung und Herausgabeanspruch des Arbeitgebers.

Beide Ansprüche sind völlig anders geartet (vgl. BGH v. 22.01.1964 – VZR 25/62, BGHZ 41, 33). Der Urlaubsanspruch ist höchstpersönlich und nicht mit einem Herausgabeanspruch vergleichbar. So wird vertreten, dass die Befreiung von der Arbeitspflicht gegenüber einem Herausgabeanspruch von Eigentum des Arbeitgebers keinen gleichartigen Anspruch darstellt, so dass nicht mit ihm aufgerechnet werden könnte (Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 13. Aufl., § 102 Rn. 7). Wegen des höchstpersönlichen Anspruchs auf Befreiung von der Arbeitspflicht wird auch eine Pfändung eines Anspruchs auf Urlaubsgewährung unzulässig angesehen (Pfeiffer, NZA 1996, 738; LAG Nürnberg, 24.07.1998 – 2 (6) Sa 101/96, NZA RR 1999, 402; a.A. Schaub/Linck, § 102 Rn. 7). Ein Zurückbehaltungsrecht an der Gewährung einer Freistellung von der Arbeit zur Gewährung Urlaubs lässt sich auch deshalb nicht begründen, weil dem Arbeitgeber kein Zwangsrecht zur Arbeitserfüllung eingeräumt werden darf. Wie sich aus § 888 ZPO ergibt, kann ein Arbeitgeber die Leistung der Dienste aus dem Arbeitsverhältnis nicht erzwingen (vgl. zum Parallelproblem des fehlenden Zurückbehaltungsrechts bei der Herausgabe von Arbeitspapieren Becker-Schaffner, DB 1983, 1304, 1306).

2. Es besteht auch ein Verfügungsgrund für die einstweilige Leistungsverfügung im Sinne des § 940 ZPO. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Verfügungsklägerin ohne den Erlass einer einstweiligen Verfügung die Gefahr eines endgültigen Rechtsverlustes droht, da das Hauptsacheverfahren bis zum 26.10.2011 nicht mehr durchgeführt werden kann. Soweit in der Literatur vertreten wird, dass bei einem drohenden Rechtsverlust wegen der Nichtgewährung von Urlaub gemäß § 7 Abs. 3 S. 3 Bundesurlaubsgesetz der Arbeitnehmer auf einen Schadensersatzanspruch verwiesen werden könne, der zu einer Naturalrestitution führe, also ebenfalls zu einer Arbeitsfreistellung zur Gewährung von Urlaub und damit kein Verfügungsgrund gegebenen sei (Dunkl/Moeller/Baur/Feldmeier, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Auf., B Rn. 26 c), überzeugt dies nicht (Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, vor § 935 Rn. 69 a). Der Urlaubsgewährungsanspruch soll gerade gewährleisten, dass ein Arbeitnehmer Erholungsurlaub in regelmäßigen Abständen nehmen kann; ein Erfüllungsanspruch ist grundsätzlich etwas anderes als ein Schadensersatzanspruch. Überdies wäre im vorliegenden Fall keine Möglichkeit einer weiteren Urlaubsgewährung gegeben, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien am 30.11.2011 endet und der von der Klägerin beanspruchte Anspruch auf Freistellung von der Arbeit der letzt mögliche Zeitraum für die Klägerin ist, Urlaub gewährt zu bekommen. Gerade bei bevorstehendem Ende des Arbeitsverhältnisses und der damit drohenden Gefahr des Untergangs des Rechtsanspruchs auf Urlaubsgewährung wird allgemein ein Verfügungsgrund bejaht (Dunkl u.a., a.a.O., Rn 26a, Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 1993, Rn. 670). Dabei ist es, wie von der Verfügungsklägerin beantragt, ausreichend, der Klägerin zunächst im Wege der einstweiligen Verfügung die Freistellung von der Arbeit zu gestatten und erst im Hauptsacheverfahren zu klären, ob der Klägerin Urlaubsentgelt für diese Zeit zu zahlen ist. Hier mag auch geklärt werden, ob die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig ist und möglicherweise der Verfügungsbeklagte der Klägerin Entgeltfortzahlung im Rahmen des § 3 EFZG zu zahlen hat.

3. Die Verfügungsbeklagte hat als unterlegene Partei gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 1.096,13 festgesetzt, dies ist die Hälfte des geschätzten Urlaubsentgelts für die Zeit.

Gründe für die Zulassung der Berufung im Sinne des § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht ersichtlich. Im übrigen wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung verwiesen.

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