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Voraussetzungen für verhaltensbedingte Kündigung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 3 Sa 1/19 – Urteil vom 04.11.2019

1. Auf die Berufung des Klägers wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die vorsorglich erklärte ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 14.11.2016 aufgehoben worden ist.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge einschließlich der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten im (erneuten) Berufungsverfahren (nur noch) darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung zum nächstmöglichen Termin aufgelöst worden ist, oder aber nicht, sowie (erstmals) darüber, ob das Arbeitsverhältnis auf Antrag der Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen ist.

Der Kläger ist seit dem 01.02.2004 zunächst als Aushilfsfahrer auf Abruf mit einer Wochenarbeitszeit von 17 Stunden bei der Beklagten eingestellt worden. Sein Arbeitsentgelt dafür betrug pauschal 646,00 EUR im Monat. Der Arbeitsvertrag, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 5-7 d. A. Bezug genommen wird, wurde vom Vater des Klägers, der zum damaligen Zeitpunkt geschäftsführender Gesellschafter war, unterzeichnet.

Am 29.03.2004 haben die Parteien in Form der gleichen handelnden Personen den Arbeitsvertrag dahingehend geändert, dass der Kläger als kaufmännischer Angestellter der Lohngruppe 300 mit 38,5 Wochenstunden ab dem 01.04.2004 zu einem Gehalt von 1.830,71 EUR brutto beschäftigt wird. Daneben wurde ihm bis 31.03.2005 ein Fahrgeld von monatlich 270,00 EUR zugebilligt.

Ab 01.12.2004 wurde der Kläger in die Lohngruppe 400 hochgestuft. Das Fahrgeld wurde verlängert bis zum 31.03.2006 und schließlich weiterhin bis zum 31.03.2007.

Am 28.12.2006 hat der Kläger mit seinem Arbeitgeber, wiederum vertreten durch seinen Vater als geschäftsführender Gesellschafter, eine Provisionsregelung vereinbart, wonach dem Kläger 0,7 % Provision für den vermittelten „Neukunden-Nettoumsatz“ gewährt wurde.

Mit Änderungsvertrag vom 03.01.2007 haben die Parteien das Fahrgeld ab dem 01.01.07 auf 189,00 EUR reduziert. Mit Änderungsvertrag vom 17.01.2007 erhielt der Kläger eine Zulage von 10 % der Lohngruppe 40/ Gruppenalterszulage in Höhe von 144,60 EUR. Mit Änderungsvertrag vom 31.12.2007 haben die Parteien das Fahrgeld bis zum 31.12.2008 auf 189,00 EUR festgeschrieben. Mit Änderungsvertrag vom 30.09.2008 wurde der Kläger in die Lohngruppe 600/40 mit einem Monatsgehalt von 2.681,77 EUR eingruppiert. Mit einem Nachtrag vom 05.07.2010 erhielt der Kläger weitere 400,00 EUR Aufstockung zum Grundgehalt. Schließlich erhielt er mit Änderungsvertrag vom 15.01.2016 eine monatliche Leistungszulage von 200,00 EUR brutto. Seit dem 01.01.2009 hat die Beklagte dem Kläger monatlich Fahrgeld in Höhe von 150,00 EUR bezahlt.

Voraussetzungen für verhaltensbedingte Kündigung
(Symbolfoto: Wolfgang Zwanzger/Shutterstock.com)

Die Beklagte hat am 14.11.2016 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, vorsorglich ordentlich zum nächstmöglichen Termin gekündigt. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – zunächst durch Urteil vom 22.06.2017 – 6 Ca 887/16 – abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 238 – 249 d.A. Bezug genommen. Auf die Berufung des Klägers hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz sodann durch Urteil vom 07.05.2018 – 3 Sa 343/17 – festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2016 weder außerordentlich fristlos noch ordentlich zum nächstmöglichen Termin aufgelöst wird. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird insoweit auf Bl. 528 – 571 d.A. Bezug genommen. Auf die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat das Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 13.12.2018 – 2 AZN 689/18 – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 07.05.2018 – 3 Sa 343/17 – im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.11.2016 nicht aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat es die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 07.05.2018 – 3 Sa 343/17 – zurückgewiesen und im Umfang der Aufhebung den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Hinsichtlich des Inhalts der Begründung der Entscheidung wird auf Bl. 604 ff. d.A. Bezug genommen.

Soweit für das erneute Berufungsverfahren von Belang, hat das BAG (a.a.O.) ausgeführt:

„1. Die Beklagte macht zu Recht geltend (S 6 f. zu II 7 und S. 10, zweiter Absatz der Beschwerdebegründung), das Landesarbeitsgericht habe ihr Vorbringen auf Seite 9 zu Ziff. 5 der Berufungserwiderung – unter Bezugnahme auf Ausführungen in den erstinstanzlichen Schriftsätzen – übergangen, der Kläger habe versucht, seinen Nachfolger zum Nachteil des Unternehmens zur Schlechtleistung anzustiften. Zwar hat es das Vorbringen im Tatbestand der anzufechtenden Entscheidung wiedergegeben und damit zur Kenntnis genommen (S. 16 des amtlichen Umdrucks). Es ist aber nicht ersichtlich, dass es dieses auch in Erwägung gezogen hat. Das Landesarbeitsgericht geht auch darauf weder unmittelbar bei der Würdigung der ordentlichen Kündigung ein (S. 41, vierter Absatz bis S. 44, zweiter Absatz des amtlichen Umdrucks) noch im Rahmen der von ihm dort in Bezug genommenen Ausführungen zum wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB (S. 27, letzter Absatz bis S. 41, dritter Absatz des amtlichen Umdrucks). Dessen hätte es aber bedurft, da es sich um einen der Vorwürfe handelte, auf den die Beklagte die Kündigung gestützt hatte, und damit um einen zentralen Teil ihres Verteidigungsvorbringens. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, hätte es das Vorbringen mit erwogen.“

Das Beklagtenvorbringen in der Berufungserwiderungsschrift vom 07.11.2017 (S. 9, V 5) (Bl. 333 d.A.), auf das insoweit Bezug genommen wurde, lautet:

„5.

Der Beklagte hat, worauf das Arbeitsgericht auch aufgrund der Aussage des Betriebsratsvorsitzenden abgehoben hat, versucht, seinen Nachfolger, Herrn Z. zum Nachteil des Unternehmens zur Schlechtleistung anzustiften (Schriftsatz 07.02.2017, S. 6; Schriftsatz 01.12.2016, S.3).“

Im Schriftsatz vom 01.12.2016, S. 3 (Bl. 35 d.A.) hat die Beklagte vorgetragen:

„Der Kläger seinerseits reagierte mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, was ihn nicht daran hinderte, seinen Vertreter, Herrn Z., mehrfach täglich anzurufen und zu versuchen, diesen zu beeinflussen: So wurde Herr Z. vom Kläger gebeten, doch möglichst seine „Tourenpläne“ nicht abzuändern, weil dann womöglich herauskäme, dass der Kläger diese Tourenpläne nicht so ganz vorteilhaft für das Unternehmen abgewickelt haben würde. Herr Z. wurde vom Kläger aufgefordert, in der Zeit während er, der Kläger, arbeitsunfähig sei, doch möglicherweise auch eigene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einzureichen, wobei dabei ganz offensichtlich die Absicht des Klägers dahinterstand, der Beklagten Schaden zuzufügen und zu zeigen, „wie sehr er gebraucht werde“.

Beweis: Zeugnis des Herrn Z., zu laden über die Beklagte.“

Im Schriftsatz vom 07.02.2017, S. 6 (= Bl. 89 d.A.) hat die Beklagte vorgetragen:

„Die Telefonate des Klägers mit Herrn Z. waren Gegenstand des Versuchs der Anrede der Ehefrau des Klägers an Herrn Z. vor dem Gerichtstermin. Es hat so stattgefunden, wie von hier aus dargelegt, was wir durch den Zeugen Z. unter Beweis stellen. Es wird nicht in Abrede gestellt, dass der Zeuge Z. auch die Ehefrau des Klägers in ihrer Eigenschaft als Heilpraktikerin anrief. Unrichtig ist, dass der Zeuge Z. die Ehefrau des Klägers mehrfach darauf hingewiesen habe, dass es ihm äußerst schlecht gehe. Unrichtig ist, dass es jetzt die Ehefrau des Klägers ist, die den Zeugen Z. aufgrund eine angeblich geäußerten Krankheitsbildes geraten haben soll, zum Arzt zu gehen.

Beweis: Zeuge Z., b.b.

Wir überreichen in der Anlage die Verbindungsübersicht hinsichtlich des Dienst-Handys des Klägers. In der Zeit vom 08.09.2016 bis zum 29.09.2016 sind dort die Verbindungen aufgeführt, die der Kläger angewählt hat. Dabei ergibt sich, dass der Kläger regelmäßig mehrfach am Tag den Zeugen Z. und den Zeugen Sch. der Beklagten angerufen hat. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt. Einen Anlass für seine Anrufe, außer den dargelegten Gründen, gab es nicht. Der Zeuge Z. hatte auch nicht um Rückruf gebeten.

Beweis:

1.Verbindungsübersicht des Diensthandys des Klägers.

2. Zeuge Z., b.b.

Unrichtig ist, dass der Zeuge Z. mit der Tourenplanung überfordert gewesen sei, weil dies ein äußerst komplizierter Vorgang ist und auch enge Abstimmungen mit den jeweiligen Kunden stattzufinden haben, die dem Zeugen Z. bis dato nicht hatten bekannt sein können. Bemerkenswert an diesem Vortrag ist lediglich, dass seit der Arbeitsunfähigkeit des Klägers und dessen Ausscheiden der Zeuge Z. alle erforderlichen Tätigkeiten optimiert für die Beklagte durchführt und Tourenplanungen und Nachweiswesen beanstandungslos abgewickelt hat.

Beweis: Zeuge Z., b.b.

Der Zeuge Z. hat bereits vor der Arbeitsunfähigkeit des Klägers (weil dieser dies nicht konnte) die Tourenplanung gemacht.

Beweis: Wie vor.“

Die Beklagte trägt im weiteren Berufungsverfahren vor,

der Kläger habe versucht, seinen Nachfolger, Herrn Z., zum Nachteil des Unternehmens anzustiften. Als der Zeuge seine Tätigkeit als stellvertretender Personalleiter übernommen habe, habe er festgestellt, dass die vom Kläger aufgestellten Tourenpläne zum Nachteil der Fahrer – was die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten anbelange -, aber auch zum Nachteil des Unternehmens, was die Tourenoptimierung anbelange – aufgestellt gewesen seien. So seien LKW teilweise „in die gleiche Richtung“ gefahren, um in gleichen Gebieten Kundenwäsche auszuliefern bzw. dort Wäsche abzuholen. Der Zeuge habe den Kläger daraufhin angesprochen, der Kläger habe diese unvorteilhaften Pläne aber nicht geändert. Dem Kläger sei es bei den Telefonaten während seiner Arbeitsunfähigkeit ab dem 20.09.2016 zunächst darum gegangen, den Zeugen zu motivieren, die bisherigen Tourenpläne nicht zu verändern. Dies deshalb, „damit nicht auffallen sollte, dass die Tourenplanung zum Nachteil der Beklagten und der Fahrer vom Kläger aufgestellt worden war“. Gegenstand der Telefonate, was die Beklagte erst am 13.02.2019 herausbekommen habe, sei auch gewesen, dass der Kläger den Zeugen versucht habe, anzustiften, in erheblichem Umfang Daten (Fahr-, Lenk- und Ruhezeiten) zu manipulieren, damit nicht festgestellt werden könne, dass der Kläger als Fahrpersonalleiter seinen Aufgaben nicht nachgekommen sei. Nachdem der Zeuge das Ansinnen des Klägers zurückgewiesen habe, habe der Kläger den Zeugen aufgefordert, dann solle er sich „krankschreiben lassen“. Der Zeuge habe sich durch die mehreren täglichen und an mehreren Tagen hintereinander durchgeführten Telefonate vom 19.09. bis 04.10.2016 vom Kläger so bedrängt gefühlt, dass er dem Kläger schließlich, nachdem dieser sich mit der Frau des Zeugen ebenfalls in Verbindung gesetzt hatte, sie solle den Zeugen motivieren, „krank zu machen“, gegenüber dem Kläger erklärt habe, er habe sich krankschreiben lassen und sei nicht mehr im Betrieb. Bereits während des Prozesses im erstinstanzlichen Rechtszug habe der Kläger ebenso wie seine Ehefrau versucht, den Zeugen bezüglich seiner Zeugenaussage zu beeinflussen und die hier dargestellten Abläufe nicht zu bekunden. Nach dem Unterliegen des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug sei der Kläger unmittelbar nach Erhalt des Urteils die Betriebsratsvorsitzende, aber auch den Zeugen und Frau E. per Whats-App angegangen mit Äußerungen, wie „Frau K. schnappe er nach dem Frühstück“ und habe dabei nach den Schilderungen dieser Mitarbeiter diese beleidigt und bedroht, weil diese „gegen ihn ausgesagt habe oder aussagen wolle“.

Der Kläger habe faktisch ab dem 19.09.2016 massiv versucht, den Zeugen zu beeinflussen, die Tourenpläne nicht zu verändern, die Fahr-, Lenk- und Ruhezeiten zu fälschen und, als dieser sich geweigert habe, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, obwohl er nicht krank gewesen sei.

Vorsorglich müsse davon ausgegangen werden, dass vorliegend Gründe gegeben seien, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten ließen; die gesetzlichen Voraussetzungen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung seien gegeben. Der Kläger habe durch die Handhabung der Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten sowohl die ihm unterstellten Mitarbeiter wegen der Verletzung der Lenk- und Ruhezeiten über längere Zeiträume hinweg gefährdet, er habe die eindeutigen Vorschriften über die Dokumentation und deren Einhaltung bewusst und vorsätzlich verletzt und so die ihm unterstellten Mitarbeiter gefährdet, aber auch erreicht, dass im Falle einer Überprüfung die Beklagte nicht in der Lage sei, die ohne größeren Aufwand durchzuführenden Dokumentationen der Lenk- und Ruhezeiten gegenüber der zuständigen Behörde nachzuweisen. Er habe sich in besonderem Maße als ungeeignet erwiesen, die Rolle als Fahrdienstleiter wahrzunehmen. Er habe in Kauf genommen, dass die Beklagte mit Bußgeldern in 6-stelliger Höhe immer noch belegt werden könne. Der Kläger, der Fahrer selbstständig eingestellt und entlassen habe, sei als leitender Mitarbeiter anzusehen. Der Kläger habe eigennützig weiter die Beklagte geschädigt, um eigene Shell-Clubsmart-Punkte und Payback-Punkte bei Aral zu erzielen. Er habe dafür die Fahrer zu den Tankstellen geschickt, bei denen die auf ihn laufenden Karten hinterlegt gewesen seien, obwohl diese am teuersten gewesen seien und die Beklagte somit Schaden erlitten habe. Während des Prozesses habe der Kläger die Betriebsratsvorsitzende Frau K. und Herrn Z. mehrfach angerufen und diesen gedroht, dass sie nicht gegen ihn aussagen sollten. Insbesondere den Zeugen Z. habe der Kläger versucht, „zu überreden“, statt wahrheitsgemäß für ihn auszusagen. Auch habe der Kläger den Zeugen Z. aufgefordert, sich zu Lasten der Beklagten arbeitsunfähig zu melden. auch dies dokumentiere, dass der Kläger die leitende Funktion, die er wahrgenommen habe, nicht weiter wahrnehmen dürfe. Der Kläger habe zudem während seiner Tätigkeit für die Beklagte in Kenntnis des damaligen geschäftsführenden Gesellschafters der Beklagten, seines Vaters, mehr Videospiele gespielt, als täglich zu arbeiten. Die Personalverantwortlichkeit des Klägers lasse sich belegen durch zwei Protokolle von Einstellungsgesprächen, die der Kläger geführt habe, nachdem er den Bewerbern eine Note gegeben und entschieden habe, dass diese eingestellt würden. Auch habe der Kläger über die Entlassung von Fahrern entschieden. Des Weiteren habe der Kläger zu Lasten der Beklagten Elektroschalter bestellen lassen, die er in sein Privathaus eingebaut habe. In den Jahren 2012, 2013, 2014 habe der Kläger zudem wöchentlich einen Korb Bügelwäsche von der Beklagten bügeln lassen, was nie berechnet worden sei, habe doch auch der Vater des Klägers sich dort bügeln lassen. 2014 habe der Kläger schlussendlich veranlasst, dass einer von drei seltenen Bäumen, die sein Vater aus Italien habe heranschaffen lassen, um sie auf dem Firmengelände pflanzen zu lassen, bei seinem Neubau eingepflanzt worden sei. Es habe auf dem Firmengelände daraufhin zwar einen lautstarken Streit gegeben, der Vater habe jedoch nichts unternommen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im weiteren Berufungsverfahren wird auf ihre Schriftsätze vom 14.02.2019 (Bl. 657 – 667 d.A.), sowie vom 15.02.2019 (Bl. 684 – 686 d.A.), vom 24.04.2019 (Bl. 723 – 726 d.A.), vom 10.05.2019 (Bl. 740 – 743 d.A.), vom 10.07.2019 (Bl. 774 – 782 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 783, 784 d.A.) und schließlich vom 31.10.2019 (Bl. 807, 808 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.06.2017, Az.: 6 Ca 887/16, wird zurückgewiesen, soweit die Sache zur Überprüfung des Landesarbeitsgerichtes steht,

2. hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

1. auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.08.2017, Az.: 6 Ca 887/16, abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2016 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht, Az.: 2 AZN 689/18.

3. Den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger trägt im weiteren Berufungsverfahren vor, er, der Kläger, habe zu keinem Zeitpunkt versucht, den Zeugen Z. zum Nachteil des Unternehmens zur Schlechtleistung anzustiften. Auch bei den von der Beklagten insoweit in Bezug genommenen Telefonaten, bei denen es um betriebliche aber auch um private Inhalte gegangen sei, habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt den Zeugen zu Handlungen angestiftet, die zum Nachteil des Unternehmens der Beklagten hätten führen sollen. Richtig sei lediglich, dass der Zeuge das ein oder andere Mal wegen gesundheitlicher Probleme im Gespräch mit dem Kläger und dessen Ehefrau gestanden habe, und diese dem Zeugen den gut gemeinten Rat gegeben habe, doch zum Arzt zu gehen. Die Tätigkeit des Zeugen als Leiharbeiter sei am 31.07.2016 beendet worden; er habe ab dem 01.08.2016 eine Festanstellung als stellvertretender Fahrpersonalleiter und Fahrer erhalten. Der Zeuge habe den Kläger keineswegs darauf hingewiesen, dass die Tourenpläne nachteilig seien. Die von dem Kläger erstellten Tourenpläne hätten allesamt dem Umstand Rechnung getragen, dass es hinsichtlich der Fahrzeuge sowie der Fahrer einen Engpass bei der Beklagten gegeben habe. Die Tourenpläne seien in Bezug auf die bestehenden Resourcen und die Kostenplanung optimal ausgestaltet gewesen. In Bezug auf vermeintliche Lenkzeitenverstöße habe er, der Kläger, in einzelnen Fällen, in denen er Kenntnis darüber erlangt habe, dass aufgrund von Verzögerungen in der Tourenabwicklung einzelne Fahrer Gefahr liefen, Ruhezeiten nicht mehr einhalten zu können, diese Fahrer nach Hause geschickt und teilweise die Touren selbst zu Ende gefahren. In der Zeit seiner Tätigkeit sei es weder zu einer Beanstandung noch gar zu einem förmlichen Verfahren seitens des Bundesamtes für Güterfernverkehr gekommen. Fahrzeiten oder Ruhezeiten seien in keinem Fall beanstandet worden. Er, der Kläger, habe ein Interesse daran, dass seine Arbeitgeberin erfolgreich am Markt tätig sei. Jedenfalls im Zeitraum der hier vorgeworfenen Verstöße im Spätsommer 2016 habe er auch aufgrund seiner familiären Verbundenheit ein Interesse daran gehabt, das „Familienunternehmen“ zu erhalten und weiter zu entwickeln, wie er es die letzten Jahre davor auch getan habe. Er habe zu keinem Zeitpunkt Druck auf den Zeugen Z. ausgeübt. Auch habe er per Whats-App Mitarbeiter der Beklagten nicht „angegangen“. Der Zeuge Z. habe vielmehr nach Beginn des Klageverfahrens deutlich gemacht, dass er sich nicht wohlfühle als Zeuge in der Angelegenheit, da er, so habe er erklärt, damit nichts zu tun haben wolle. Die Ehefrau des Klägers sei es, die ihm daraufhin erklärt habe, er solle einfach immer bei der Wahrheit bleiben. Es sei der Zeuge Z. gewesen, der sich darüber ereifert habe, wie mit dem Kläger umgegangen werde, obwohl er doch Familie habe, für die er verantwortlich sei. Den Zeugen Z. sei seitens der Beklagten gesagt worden, dass er erst einen Arbeitsvertrag erhalten werde, wenn er etwas Verwertbares gegen den Kläger im Rahmen seiner Arbeitsleistungserbringung finde. Diese Aussage stamme von Herrn B. und sei zu einer Zeit erfolgt, als dieser vertretungsweise insoweit zuständig gewesen sei. Bei den Telefonaten mit Herrn Z. sei es um verschiedene Themen gegangen, unter anderem auch darüber, dass er ab dem 01.08.2016 einstweilen keinen Arbeitsvertrag hatte und dieser von einer Spitzeltätigkeit gegenüber dem Kläger abhängig gemacht worden sei. Daher sei er auch, jedenfalls bis Oktober 2016, nicht krankenversichert gewesen. Eine Bedrohung per Whats-App von Frau K. und Frau E. sei nicht erfolgt. Dies gelte insbesondere im Zusammenhang oder im Nachgang zu einer gerichtlichen Verhandlung. Der Kläger habe zum Zeitpunkt der Verhandlung das Diensthandy bereits abgegeben und habe dies folglich nicht für irgendwelche Datenübertragungen verwenden können. Die Rückgabe sei am 14.11.2016 erfolgt. Insgesamt sei es das Ziel des Herrn B., die Familie A. schlecht darzustellen; dies habe er unter anderem auch bei Betriebsversammlungen eindeutig zum Ausdruck gebracht des Inhalts, dass wer nicht gegen die Familie A. sei, sei nicht für die Firma und umgekehrt.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses seien nicht gegeben. Die von der Beklagten pauschal und ohne Tatsachenbezug benannten „Gründe“ seien ebenso unsubstantiiert wie unzutreffend. Insbesondere lasse sich aus dem Vorbringen der Beklagten keine Prognose rechtfertigen, dass eine zweckdienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten sei. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt Mitarbeiter der Beklagten gefährdet, auch nicht im Zusammenhang mit Lenk- und Ruhezeiten. Verstöße gegen entsprechende Vorschriften seien nicht gegeben. Behördliche Beanstandungen gebe es nicht. Die Dokumentation über die Fahrzeiten werde zudem jeweils durch die Fahrer selbst erstellt; Unterlassungen des Klägers insoweit gebe es nicht. Der Kläger habe den Zeugen Z. zu keinem Zeitpunkt aufgefordert, sich arbeitsunfähig zu melden. Es gebe keine Gründe, warum der Kläger die Beklagte schädigen solle. Im Gegenteil, er habe, dies belege die Entwicklung des Betriebes zweifelsohne, an dem erheblichen Wachstum der Beklagten mitgewirkt und die Marktposition in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Es treffe nicht zu, dass er pflichtwidrig während der Arbeitszeit Videospiele gespielt habe. Dieses Vorbringen sei unsubstantiiert; eine Abmahnung sei zudem nicht erteilt worden.

Der Kläger sei kein leitender Angestellter gewesen. Er sei zu keinem Zeitpunkt zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt gewesen. Nachvollziehbares tatsächliches Vorbringen der Beklagten insoweit fehle. Nicht ohne Grund lege die Beklagte keine Stellenbeschreibung oder ein Organigramm vor, aus dem sich die behauptete Funktion Fahrpersonaldienstleiter ergebe, gleiches gelte für Arbeitsverträge, die der Kläger auf Seiten der Beklagten habe unterschreiben müssen. Nichts Anderes gelte für Dienstanweisungen des Klägers im Rahmen der Einstellung oder Entlassung einzelner Mitarbeiter; eine entsprechende Kompetenz habe der Kläger insoweit zu keinem Zeitpunkt gehabt. Soweit die Beklagte Protokolle über Bewerbungsgespräche vorlege, habe der Kläger gleichwohl nicht über Einstellungen oder Kündigungen von Arbeitnehmern entschieden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im weiteren Berufungsverfahren wird auf seine Schriftsätze vom 13.02.2019 (Bl. 629 – 631 d.A.), sowie vom 14.03.2019 (Bl. 703 – 717 d.A.), vom 09.05.2019 (Bl. 734 – 738 d.A.), vom 17.06.2019 (Bl. 760 – 765 d.A.), vom 29.10.2019 (Bl. 793, 794 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 795 – 805 d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle zur mündlichen Verhandlung vom13.05.2019, und 04.11.2019.

Entscheidungsgründe

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten auf Seite 9 zu Ziffer 5 der Berufungserwiderung – unter Bezugnahme auf Ausführungen in erstinstanzlichen Schriftsätzen – erweist sich die im weiteren Berufungsverfahren (nur noch) streitgegenständliche ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.11.2016 als rechtsunwirksam, da sozial ungerechtfertigt (§ 1 KSchG). Der im weiteren Berufungsverfahren von der Beklagten erstmals gestellte Auflösungsantrag nach Maßgabe der §§ 9, 10 KSchG war zurückzuweisen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegend dafür nicht gegeben sind.

Die streitgegenständliche Arbeitgeberkündigung von 14.11.2016 zum nächstzulässigen Termin ist rechtsunwirksam, da sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG.

Was als verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu verstehen ist, wird im KSchG zwar nicht definiert. Allerdings kommen verhaltensbedingte Umstände, die grundsätzlich dazu geeignet sind, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, ebenso als verhaltensbedingte Gründe i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG in Betracht. Im Übrigen ist eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 S 1 Alt. 2 KSchG dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint. Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag. Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen (BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607; s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 10).

Eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung ist grundsätzlich nur dann sozial gerechtfertigt (vgl. BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG, Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65, 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607; s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 15. Aufl. 2020, Kap. 4, Rn. 2282 ff.) wenn

  • ein (i. d. R. schuldhaftes) Fehlverhalten des Arbeitnehmers als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gegeben ist, der Arbeitnehmer also seine vertraglichen haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat;
  • dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat;
  • (i. d. R. zumindest) eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist;
  • danach weiteres einschlägiges schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt und
  • eine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung und des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt.

Es gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (BAG 19.04.2007 NZA-RR 2007, 571; LAG RhPf 26.02.2010 NZA-RR 2010, 297).

Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung, wie bereits dargelegt, regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 – 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 – 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).

Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 – 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen.

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt folgendes:

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).

Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassungswegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann so weit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).

Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit: eine „Notwehrsituation“, vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. i; Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).

Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.

Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 – 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).

Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 – 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).

Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.

In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).

Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung unwirksam.

In Anwendung dieser Grundsätze hat die Kammer im Urteil vom 07.05.2018 – 3 Sa 343/17 – das tatsächliche Vorbringen der Beklagten betreffend die Gründe für die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung wie folgt beurteilt:

“ Zwar sind Vermögensdelikte jedenfalls in dem von der Beklagten vorliegend behaupteten Ausmaß ohne Weiteres geeignet, einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand in diesem Sinne darzustellen. Allerdings ist vorliegend aufgrund der Besonderheiten des hier zu beurteilenden Einzelfalles davon auszugehen, dass die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen hat, dass der Kläger durch vertragswidriges Verhalten die wirtschaftliche Schädigung der Beklagten verursacht hat. Selbst wenn man anderer Auffassung wäre, wäre die Beklagte vorliegend aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles gehalten gewesen, die als unzuträglich empfundenen Umstände durch einvernehmliche Vertragsänderung mit dem Kläger für die Zukunft abzustellen, im Weigerungsfalle durch einseitige Weisungen nach Maßgabe des Direktionsrechts und/oder Ausspruchs einer Änderungskündigung.

Zwar ist im Hinblick auf die Bonuspunkte usw. davon auszugehen, dass wirtschaftliche Vorteile, die mit Erwerbsgeschäften für den Arbeitgeber anfallen (Tankvorgänge), dem Arbeitgeber zustehen, nicht aber dem Arbeitnehmer. Vorliegend hat der Kläger allerdings im Berufungsverfahren substantiiert vorgetragen, dass seine Vorgehensweise im Einvernehmen mit seinem Vater als geschäftsführendem Gesellschafter erfolgt ist. Das Vorbringen hat die Beklagte nicht substantiiert bestritten. Ein geschäftsführender Gesellschafter ist zudem weder gesellschaftsrechtlich noch arbeitsrechtlich grundsätzlich daran gehindert, im Rahmen seiner Zuständigkeiten vertragliche Regelungen zu treffen, die einen Arbeitnehmer begünstigen. Dass der Vater des Klägers eine entsprechende Regelungsbefugnis gesellschaftsrechtlich in einer für den Kläger erkennbaren Weise nicht gehabt haben könnte, hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen. Soweit die Beklagte behauptet hat, der Kläger habe nach Anwachsen der Fahrzeugflotte der Beklagten, die Mitarbeiter mehr oder weniger zum Aufsuchen der zwei Tankstellen genötigt, um sich dadurch einen entsprechenden Vermögensvorteil zu verschaffen, obwohl dies wirtschaftlich für die Beklagte aus verschiedenen Gründen ungünstig gewesen sei, ist darauf hinzuweisen, dass unklar bleibt, inwieweit der Kläger nicht bereits aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Funktion zu derartigen Weisungen befugt war. Auch existieren mangels entsprechendem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten offensichtlich keinerlei anderweitige Handlungsanweisungen im Betrieb der Beklagten für die fortgesetzt erforderlich werdenden Betankungsvorgänge der betrieblich genutzten Fahrzeuge. Insoweit lässt sich also nicht einmal eindeutig feststellen, dass der Kläger durch sein Verhalten nach Darstellung der Beklagten, diese als zutreffend unterstellt, den Rahmen des im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zustehenden Entscheidungsspielraums überschritten hätte. Auch lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen, dass zu irgendeinem Zeitpunkt auch nur der Versuch unternommen worden wäre, diese Umstände aufzuklären und für die Zukunft durch betriebliche Regelungen zu unterbinden. Warum dies nicht ohne weiteres möglich gewesen sein könnte, erschließt sich nicht. Insbesondere für einen verständigen Arbeitgeber, von dem als maßgeblich auszugehen ist, wäre zu erwarten gewesen, den Sachverhalt aufzuklären, entsprechende inhaltliche Regelungen für die Zukunft zu vereinbaren bzw. durchzusetzen und, falls erforderlich, unter Beachtung insbesondere des Verhältnismäßigkeitsprinzips durchaus auch Sanktionen vorzusehen, wie Einzelweisungen, Ermahnungen, Abmahnungen, Änderungskündigungen und erst in letzter Konsequenz die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Diese Überlegungen gelten auch, soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, nach Maßgabe der mit seinem Vater abgeschlossenen Verträge einen beachtlichen beruflichen Aufstieg erreicht zu haben. Warum dies zu beanstanden sein soll, erschließt sich nicht. Nichts Anderes gilt für die weiteren Vorwürfe der Beklagten betreffend das Fahrtgeld, das vertraglich zwischen den Parteien ebenso vereinbart wurde, wie die zu leistenden Provisionen. Soweit die Beklagte darüber hinaus behauptet, auch nach Maßgabe der Provisionsregelung seien die Provisionen jedenfalls nicht in der gezahlten Höhe geschuldet gewesen, ist ihr Vorbringen in besonderem Maße widersprüchlich, weil sie selbst darlegt, dass die Provisionsabrechnungen jeweils einmal jährlich für das jeweils vergangene Kalenderjahr zwischen dem Kläger und seinem Vater, einem der Geschäftsführer der Beklagten, besprochen und letztlich vereinbart worden sind. Worin insoweit und insgesamt ein kollusives Zusammenwirken zum Nachteil der Beklagten zu sehen sein soll, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Die hier maßgeblichen Umstände vollzogen sich keineswegs „hinter dem Rücken“ der Beklagten, sondern wurden durchweg schriftlich vereinbart und damit im Betrieb der Beklagten zur allseitigen Kenntnis; damit war auch mangels substantiiertem gegenteiligem Vorbringen die Kenntnis aller Geschäftsführer der Beklagten vorhanden.

Soweit die Beklagte die von ihr erklärte außerordentliche Kündigung auf die fehlende bzw. bewusst unrichtige Dokumentation der Lenk- und Ruhezeiten der bei der Beklagten angestellten Fahrer stützt, ist darauf hinzuweisen, dass derartige Leistungsmängel grundsätzlich nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips in erster Linie abzumahnen sind, sodass eine – regelmäßig – ordentliche Kündigung erst dann in Betracht kommt, wenn der Arbeitnehmer das insoweit maßgebliche Leistungsverhalten nicht vertragsgerecht umstellt.“

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich keineswegs eine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts, wenn ihr schriftsätzliches Vorbringen in der Berufungserwiderung vom 07.11.2017, (VIII 5, S. 9 = Bl. 333 d.A.) in Verbindung mit S. 6 ihres Schriftsatzes vom 07.02.2017 und S. 3 ihres Schriftsatzes vom 01.12.2016 gesondert berücksichtigt wird.

Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungserwiderungsschrift vom 07.11.2017 (VIII 5 = Bl. 333 d.A.) enthält die dort im Text nicht näher erläuterte Behauptung, der Kläger habe versucht, seinen Nachfolger Herrn Z. zum Nachteil des Unternehmens zur Schlechtleistung anzustiften und nimmt Bezug auf die Beklagtenschriftsätze vom 01.12.2016, S. 3 und vom 07.02.2017, S. 6. Eigenständig zu würdigendes substantiiertes tatsächliches Vorbringen der Beklagten enthält ihre Berufungserwiderung folglich insoweit nicht, denn die zuvor wiedergegebene Behauptung der Beklagten ist nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen derart unsubstantiiert, dass sie nicht einmal einem substantiierten Bestreiten der Gegenseite zugänglich ist.

Im Schriftsatz vom 01.12.2016 (S. 3 = Bl. 35 d.A.) behauptet die Beklagte, der Kläger habe seinen Vertreter, Herrn Z., mehrfach täglich angerufen und versucht, diesen zu beeinflussen. Er habe ihn gebeten, möglichst seine „Tourenpläne“ nicht abzuändern, weil dann womöglich herauskäme, dass der Kläger diese Tourenpläne nicht ganz so vorteilhaft für das Unternehmen abgewickelt haben würde. Dieses Vorbringen ist zum einen inhaltlich schon nicht nachvollziehbar, zum anderen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen völlig unsubstantiiert. Weder wird erläutert, inwieweit denn diese Tourenpläne „nicht so ganz vorteilhaft für das Unternehmen“ sein könnten, was sich aus sich heraus im Hinblick auf die langjährige Tätigkeit des Klägers nicht erschließt. Noch unverständlicher ist dieses Vorbringen insoweit, als dann, wenn der Kläger, was die Beklagte unterschwellig behauptet, gewusst haben sollte, dass die Tourenpläne nicht vorteilhaft sind, ihn wohl gehindert hätte haben sollen, diese Tourenpläne in Kenntnis ihrer Unvorteilhaftigkeit zum Vorteilhaften zu ändern, sei es unter Mithilfe von Herr Z., oder aber nicht. Hinzu kommt, dass nicht nachvollziehbar ist, welche Veranlassung der Kläger hätte haben sollen, unvorteilhafte Tourenpläne zu entwickeln und vollziehen zu lassen, zumal er damit letztlich nicht nur sich selbst, seiner Reputation, sondern aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden konkreten Lebenssachverhalts ebenso mittelbar auch seinen Vater und Bruder geschädigt hätte. Soweit die Beklagte des Weiteren behauptet, der Kläger habe Herrn Z. aufgefordert, doch möglicherweise auch eigene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einzureichen in der Zeit, während der er, der Kläger, arbeitsunfähig sei, gilt nichts Anderes. Hinzu kommt, dass dann, wenn sowohl der Kläger, als auch Herr Z. arbeitsunfähig gewesen wären, eine Drittperson die Arbeit hätte verrichten müssen, so dass das zuvor von der Beklagten behauptete „Verdeckungsziel“ gar nicht hätte erreicht werden können. Wie der Kläger damit zudem die Absicht verfolgt haben soll, der Beklagten Schaden zuzufügen und zu zeigen, „wie sehr er gebraucht werde“, erschließt sich nicht einmal im Ansatz. Auch insoweit ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Kläger sich damit nicht nur selbst, sondern eben auch seinem Vater und seinem Bruder geschadet hätte. Demgegenüber hat der Kläger wesentlich näherliegend dargelegt, dass der Zeuge zum Beispiel bei ihm angerufen hat und in diesem Zusammenhang auch mit der Ehefrau des Klägers telefoniert hat, da diese als Heilpraktikerin tätig ist. Danach hat der Zeuge gegenüber der Ehefrau des Klägers mitgeteilt, dass er sehr gestresst sei und die Ehefrau des Klägers in diesem Zusammenhang auch gefragt, ob sie ihm diesbezüglich behilflich sein könne. Im Rahmen dieses Telefonats habe der Zeuge mehrfach darauf hingewiesen, dass es ihm äußerst schlecht gehe, dass er nach seinen eigenen Bekundungen mit den Tourenplanungen überfordert sei, weil es sich um einen äußerst komplizierten Vorgang handele und auch enge Abstimmungen mit dem jeweiligen Kunden stattzufinden hätten, die ihm, dem Zeugen, bis dato nicht bekannt hätten gewesen sein können. In diesem Zusammenhang, so das Vorbringen des Klägers, möge gegebenenfalls gefallen sein, dass er sodann eben zum Arzt gehen müsse. Insgesamt lässt sich folglich Seite 3 des Schriftsatzes der Beklagten vom 01.12.2016 kein substantiiertes tatsächliches Vorbringen der Beklagten entnehmen, aus dem auf eine schuldhafte Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers zum Nachteil der Beklagten geschlossen werden könnte.

Im Schriftsatz vom 07.12.2017, Seite 6 (= Bl. 89 d.A.) räumt die Beklagte zunächst ein, dass der Zeuge die Ehefrau des Klägers im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Heilpraktikerin angerufen hat. Soweit die Beklagte sodann in Abrede stellt, der Zeuge habe diese mehrfach darauf hingewiesen, dass es ihm äußerst schlecht gehe und die Ehefrau des Klägers habe dem Zeugen aufgrund eines angeblich geäußerten Krankheitsbildes geraten, zum Arzt zu gehen, ist das schon deshalb unbehelflich, weil die Beklagte keinerlei Tatsachen dazu vorträgt, warum denn dann der Zeuge die Ehefrau des Klägers in ihrer Eigenschaft als Heilpraktikerin angerufen haben soll. Soweit die Beklagte im Nachgang unter Bezugnahme auf die Verbindungsübersicht des Diensthandys des Klägers ausführt, der Kläger habe mehrfach am Tag den Zeugen Z. und den Zeugen Sch. der Beklagten angerufen, ist schon nicht nachvollziehbar, was die Beklagte damit zum Ausdruck bringen will. Tatsächliches Vorbringen der Beklagten, um was es bei diesen Telefonaten mit Bezug zum vorliegenden Streitgegenstand gegangen sein soll, fehlt. Der Hinweis einen Anlass für die Anrufe des Klägers habe es nicht gegeben, außer den „dargelegten vertragswidrigen Gründen“ genügt den an nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiertes tatsächliches Vorbringen zu stellenden Anforderungen ersichtlich nicht. Es ist nicht einlassungsfähig. Substantiiertes tatsächliches Vorbringen der Beklagten betreffend arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen des Klägers kann aus diesem Vorbringen nicht abgeleitet werden. Das gilt auch für das weitere Vorbringen der Beklagten, es treffe nicht zu, dass der Zeuge mit der Tourenplanung überfordert gewesen sei. Soweit die Beklagte sodann behauptet, der Zeuge führe seit der Arbeitsunfähigkeit des Klägers und seinem Ausscheiden alle erforderlichen Tätigkeiten optimiert für die Beklagte durch und Tourenplanung und Nachweiswesen würden beanstandungslos abgewickelt, so ist dies zum einen kein substantiiertes tatsächliches Vorbringen betreffend eine schuldhafte arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Klägers, zum anderen enthält das Vorbringen der Beklagten keinerlei substantiierte tatsächliche Angaben dazu, was denn nun der Zeuge „optimiert“ durchführt und betreffend Tourenplanung und Nachweiswesen verändert haben soll, was zuvor dem Kläger nicht gelungen sein könnte. Soweit die Beklagte anschließend ausführt, der Zeuge habe bereits vor der Arbeitsunfähigkeit des Klägers („weil dieser dies nicht konnte“) die Tourenplanung gemacht, trägt die Beklagte zum einen keinerlei substantiierte Tatsachen vor, warum der Kläger „dies nicht konnte“, zum anderen entzieht sie zudem ihrem – ohnehin unsubstantiierten – Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 01.12.2016, S. 3 (= Bl. 35 d.A.) jede Grundlage. Denn wenn der Zeuge ohnehin bereits vor der Arbeitsunfähigkeit des Klägers die Tourenpläne gemacht hatte, hatte der Kläger doch gar keine Veranlassung, den Zeugen mehrfach täglich anzurufen und zu versuchen, diesen zu beeinflussen. Wenn der Zeuge bereits die Tourenpläne gemacht hatte, dann gab es gar keine Tourenpläne des Klägers mehr, die nicht abzuändern sein sollten, so dass das Vorbringen der Beklagten insoweit auch in besonderem Maße widersprüchlich ist.

Auch in unter gesonderter Berücksichtigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Beklagten nach Ziffer VIII 5 der Berufungserwiderungsschrift vom 07.11.2017 (Bl. 333 d.A.) in Verbindung mit dem Vorbringen der Beklagten aus den Schriftsätzen vom 01.12.2016, S. 3 (= Bl. 35 d.A.) und vom 07.02.2017, S. 6 (= Bl. 89 d.A.) bestehen folglich keine hinreichenden konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte für eine schuldhafte Arbeitsvertragspflichtverletzung des Klägers. Insbesondere bestehen keinerlei substantiiert dargelegte tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger versucht haben soll, seinen Nachfolger, Herrn Z., zum Nachteil des Unternehmens anzustiften.

Auch das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Beklagten im weiteren Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des insoweit maßgeblichen Lebenssachverhalts.

Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 14.02.2019 (Bl. 657 f. d.A.) wiederum auf die Telefonate mit dem Zeugen Z. rekurriert, sind weitere Ausführungen nicht veranlasst. Soweit die Beklagte insoweit allerdings wiederum behauptet, das Ansinnen des Klägers habe darin bestanden, dass der Zeuge Z. nicht in die bisherige Tourenplanung eingreifen solle, damit nicht auffallen solle, dass die Tourenplanung zum Nachteil der Beklagten und der Fahrer vom Kläger aufgestellt worden sei, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen in unauflöslichem Widerspruch zur Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 07.12.2017, S. 6 (= 89 d.A.) steht, wonach der Zeuge bereits vor der Arbeitsunfähigkeit des Klägers, weil dieser „dies nicht konnte“, die Tourenpläne gemacht hatte. Dann stammte aber die bisherige Tourenplanung gar nicht vom Kläger, sondern bereits von dem Zeugen, so dass nichts für den Kläger Nachteiliges „auffallen“ konnte. Soweit die Beklagte darüber hinaus behauptet, der Kläger habe von dem Zeugen verlangt, dieser möge doch die Daten, die in den Fahrzeugen fünf Jahre lang gespeichert seien, in gehöriger Form auslesen und die Auslesedaten so vervollständigen, dass nicht auffiele, dass er diesen Pflichten nicht nachgekommen sei (Bl. 660 d.A.), handelt es sich um tatsächliches Vorbringen, das vom nur eingeschränkten Prüfungsauftrag des weiteren Berufungsverfahrens nicht erfasst ist. Dergleichen hat die Beklagte zuvor zu keinem Zeitpunkt behauptet. Nichts Anderes gilt für die insoweit behaupteten weiteren angeblichen Pflichtverletzungen des Klägers (Beleidigung und Bedrohung von Frau K., Frau E., Herrn Z., Fehlverhalten bei der Tourenplanung und den aktuellen Lenkbescheinigungen, Kundenbetreuung, Reklamationsabwicklung). Soweit die Beklagte des Weiteren meint, die insgesamt dem Kläger zur Last gelegten Vertragsverstöße seien, selbst wenn sie nicht eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten, nicht „verbraucht“, sondern müssten in die Gesamtschau und die Prognose einbezogen werden, inwieweit bei objektiver Betrachtung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar sei, trifft das so nicht zu. Denn das im ersten Berufungsurteil der Kammer vom 07.05.2018 – 3 Sa 343/17 – (Bl. 527 f. d.A.) gewürdigte Vorbringen der Beklagten rechtfertigte weder eine außerordentliche, noch eine ordentliche Arbeitgeberkündigung, und zwar deshalb, weil es insgesamt nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen vollständig unsubstantiiert war. Wenn zu derart unsubstantiiertem tatsächlichen Vorbringen weiteres unsubstantiiertes tatsächliches Vorbringen hinzukommt, wie vorliegend im weiteren Berufungsverfahren, ist kein Raum für eine Gesamtschau.

Folglich ist nach alledem, auch nach dem weiteren Berufungsverfahren davon auszugehen, dass die streitgegenständliche ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 14.11.2016 rechtsunwirksam, da sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ist.

Des Weiteren ist der in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer im weiteren Berufungsverfahren erstmals gestellte Auflösungsantrag der Beklagten gemäß § 9 KSchG unbegründet und folglich zurückzuweisen.

Zwar konnte der Antrag entgegen der Auffassung des Klägers in dieser mündlichen Verhandlung zulässigerweise noch gestellt werden. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG können Arbeitnehmer und Arbeitgeber den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen. Das war vorliegend die Berufungsverhandlung vom 04.11.2019; dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung lässt sich nicht entnehmen, dass die vorliegend gegebene besondere Situation der Aufhebung und Zurückverweisung eines Berufungsurteils durch das Revisionsgericht zur erneuten Entscheidung über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung gemäß § 1 KSchG davon nicht erfasst sein könnte.

Vorliegend kann entgegen der Auffassung der Beklagten insoweit nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger als leitender Angestellter anzusehen ist, so dass der Auflösungsantrag keiner Begründung bedurfte.

Gemäß § 14 Abs. 2 KSchG bedarf zwar der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Leitenden Angestellten keiner Begründung. Das Arbeitsgericht hat dann dem Auflösungsantrag stattzugeben, auch wenn keinerlei Auflösungsgründe vorliegen (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O., 15. Aufl. 2020, Kap. 4, Rn. 3339 ff.).

Ein Arbeitnehmer ist aber dann kein „ähnlicher leitender Angestellter“ i. S. v. § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG, wenn ihn nur intern, nicht aber auch im Außenverhältnis eine selbständige Entlassungsbefugnis zusteht (BAG 18.11.1999 EzA § 14 KSchG Nr. 4; vgl. auch Thür. LAG 06.07.2000 LAGE § 5 BetrVG 1972 Nr. 22 zu § 5 Abs. 3 BetrVG). Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer nicht zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist oder wenn die Ausübung einer derartigen Befugnis keinen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausmacht und somit seine Stellung nicht prägt (BAG 18.10.2000 EzA § 14 KSchG Nr. 5; LAG Nbg. 13.10.1998 NZA-RR 1999, 238; vgl. auch Diringer NZA 2003, 890 ff). Umgekehrt formuliert: Die Befugnis zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern i. S. d. § 14 Abs. 2 KSchG muss entweder eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer erfassen. Sie muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen und tatsächlich ausgeübt werden. Es kann ausreichend sein, dass sich die personellen Entscheidungskompetenzen des Angestellten auf eine begrenzte Gruppe von Mitarbeitern beziehen, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg, von Bedeutung ist (BAG 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40). Die entsprechende Befugnis muss zudem nicht nur im Innenverhältnis, sondern auch im Außenverhältnis bestehen; der Angestellte muss die Rechtsmacht haben, den Arbeitgeber selbständig zu verpflichten. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Angestellte zwar informellen Einfluss ausüben kann, letztlich aber auf die Befugnis beschränkt ist, Vorschläge zu unterbreiten. Das Gebot der Rechtssicherheit verbietet auch ein über den Wortlaut hinausgehendes Verständnis des § 14 Abs. 2 KSchG, denn die formelle Berechtigung zum Abschluss von Arbeitsverträgen und zum Ausspruch von Kündigungen ist regelmäßig leicht festzustellen, während eine zuverlässige rechtliche Gewichtung informeller Einflüsse auf Personalentscheidungen schwierig sein wird (BAG 14.04.2011 EzA § 14 KSchG Nr. 9; s. Horn NZA 2012, 186 ff.) erstreckt sich die Personalhoheit eines Arbeitnehmers über sechs oder sieben Mitarbeiter, handelt es sich nicht um eine „bedeutende“ Zahl von Mitarbeitern in einem Betrieb, in dem insgesamt über 100 Mitarbeiter beschäftigt sind (LAG Köln 03.06.2003 NZA-RR 2004, 578). Das gilt erst recht für einen als Personalleiter bezeichneten Angestellten. Insgesamt muss die Befugnis zur selbständigen Einstellung und Entlassung eine bedeutende Zahl von Arbeitnehmern erfassen; ein nur eng begrenzter Personenkreis genügt nicht (BAG 24.03.2011 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 62 = NZA-RR 2012, 243). Von einer Berechtigung zur „selbständigen“ Einstellung und Entlassung kann auch dann generell nicht gesprochen werden, wenn die personelle Maßnahme von der Zustimmung einer anderen Person abhängig ist. Andererseits liegt keine Beschränkung der selbständigen Einstellungs- und Entlassungsbefugnis dann vor, wenn der Angestellte lediglich interne Richtlinien bzw. interne Beratungspflichten beachten oder Zweitunterschriften lediglich zur Kontrolle einholen muss (LAG Nds. 08.01.2004 NZA-RR 2004, 524). Die Befugnis darf sich nicht darauf beschränken, intern Vorschläge zu unterbreiten. Der Selbständigkeit der Personalkompetenz steht andererseits nicht entgegen, dass der Angestellte unternehmensinterne Vorgaben wie etwa einen Stellenplan zu beachten hat (BAG 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40).

Vorliegend ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind. Denn der Kläger war nicht zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern nach Maßgabe der zuvor dargestellten Grundsätze befugt; jedenfalls lässt sich dies dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten, dass im hier maßgeblichen Zusammenhang jegliche Einzelheiten vermissen lässt, nicht entnehmen. Die Beklagte hat insoweit lediglich zwei Protokolle von Einstellungsgesprächen vorgelegt, weiterhin behauptet, der Kläger habe über die Entlassung von Fahrern entschieden; Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeutender Arbeitnehmer gehandelt haben könnte, lassen sich dem Vorbringen nicht entnehmen, noch weniger, dass die damit verbundene Tätigkeit einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers ausgemacht hat und tatsächlich ausgeübt wurde. Folglich ist der Beweisantritt Frau E. zu der Behauptung, der Kläger habe Personalverantwortlichkeit gehabt und die Einstellungs- bzw. Entlassungsentscheidung bezüglich der Fahrer getroffen, unerheblich, da dieser das zuvor zu fordernde substantiierte tatsächliche Vorbringen nicht zu ersetzen vermag.

Folglich kommt eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Antrags des Arbeitgebers vorliegend lediglich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG in Betracht, bedarf also einer Begründung.

Gem. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG hat das Arbeitsgericht, wenn es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Arbeitgeberkündigung nicht aufgelöst worden ist, auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen (s. dazu Holthausen/Holthausen NZA-RR 2007, 449 ff.); für die Gewichtung des Interesses des Arbeitgebers an der Auflösung kommt es insbes. auch auf den Umfang der bei Unterlassen der Beendigung zu befürchtenden schweren Störungen an (Prognoseprinzip; BAG 08.10.2009 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 57).

Die Frage der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist zukunftsbezogen zu beantworten. Das schließt es aus, der Dauer der Betriebszugehörigkeit als solcher ohne nähere Betrachtung der mit ihr verbundenen Einschätzungen des künftigen betriebsdienlichen Zusammenwirkens Bedeutung beizumessen. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers setzt die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses voraus (BAG 09.09.2010 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 60). Auflösungsgründe können insbes. solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (BAG 24.03.2011 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 62 = NZA-RR 2012, 243).

Die Gründe, die eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien nicht erwarten lassen, können, müssen aber insgesamt nicht unbedingt im Verhalten, insbes. nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer sei gefährdet (BAG 23.06.2005 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 52; 10.07.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; s. a. BAG 23.02.2010 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 58). Die danach erforderliche Gesamtabwägung aller Umstände, die für oder gegen die Prognose sprechen, muss zu dem Ergebnis führen, eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei nicht mehr zu erwarten (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2020, Kap. 4., Rn. 3326).

Als Auflösungsgrund kommen, wie dargelegt, insbes. Beleidigungen, sonstige verletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Kollegen in Betracht (BAG 24.03.2011 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 62 = NZA-RR 2012, 243; LAG Köln 12.12.2008 – 11 Sa 777/08, AuR 2009, 224 LS; Gravenhorst NZA-RR 2007, 57 ff.). Ehrverletzende Äußerungen anlässlich einer prozessualen Auseinandersetzung der Arbeitsvertragsparteien können durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt sein. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Prozessparteien schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einrede begründender Umstand prozesserheblich sein kann. Das gilt aber nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Insbesondere dürfen nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, deren Unhaltbarkeit ohne weiteres auf der Hand liegt (BAG 24.03.2011 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 62 = NZA-RR 2012, 243).

Als Auflösungsgründe können zwar auch solche Tatsachen herangezogen werden, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigen. Durch eine bloße Bezugnahme auf nicht ausreichende Kündigungsgründe genügt der Arbeitgeber allerdings noch nicht seiner Darlegungslast. Er muss dann vielmehr im Einzelnen vortragen und zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, dass die nicht ausreichenden Kündigungsgründe einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit entgegenstehen sollen, dass der Kündigungssachverhalt so beschaffen ist, dass eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt (BVerfG 22.10.2004, EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 49). Zwar ist es nicht notwendig, dass es sich um neue, erst nach Ausspruch der Kündigung eingetretene Tatsachen handelt; der Arbeitgeber muss aber darlegen, welche der zur Begründung der Kündigung vorgetragenen Tatsachen auch für den Auflösungsantrag herangezogen werden sollen. Denn nach dem Verhandlungsgrundsatz darf das Gericht seine Entscheidung nur solche Auflösungstatsachen zugrunde legen, die der darlegungspflichtige Arbeitgeber vorgebracht hat. Selbst offenkundige Tatsachen darf das Gericht nicht verwerten, wenn es sich nicht auf sie zur Begründung seines Auflösungsantrags berufen hat (BAG 16.05.1984 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 16).

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die danach erforderliche Gesamtabwägung aller Umstände nicht zu dem Ergebnis, eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei nicht mehr zu erwarten. Denn maßgeblich kommt es insoweit nicht auf die subjektive Befindlichkeit einer Prozesspartei, sondern auf die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz an. Bei einem verständigen Arbeitgeber kann vorliegend aber nicht die Besorgnis aufkommen, die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer sei gefährdet.

Soweit sich die Beklagte vollumfänglich auf ihr Vorbringen betreffend die Kündigungsgründe gestützt hat, ist bereits darauf hinzuweisen, dass dieses im besonderen Maße nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen unsubstantiiert ist, verbunden mit weitreichenden Unwerturteilen betreffend den Kläger, die aber den zuvor beschriebenen erforderlichen Rückschluss auf die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung nicht zulassen. Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, der Kläger versuche, die Arbeitnehmer des Betriebes dazu zu motivieren, die Beklagte zu schädigen, sind ersichtlich nicht gegeben. Dem Kläger wird vorgeworfen, mehr Videospiele gespielt, als tagtäglich gearbeitet zu haben, ohne dass dies auch nur im Ansatz näher substantiiert dargelegt würde; zuletzt (Schriftsatz vom 10.07.2019, Bl. 779 f. d.A.) wird behauptet, der Kläger habe auf Kosten der Beklagten Schalter, Stecker und Steckdosen in seinem Privathaus einbauen lassen, jahrelang auf Kosten der Beklagten seine Wäsche bügeln lassen und schlussendlich (Schriftsatz vom 31.10.2019 Bl. 807 f. d.A.) sich einen seltenen Baum aus Italien auf Kosten der Beklagten bei seinem Neubau einpflanzen lassen. Bei letzterem Vorfall erschließt sich die Sinnwidrigkeit des Vorbringens der Beklagten schon daraus, dass sie zugleich die Voraussetzungen einer Genehmigung des Vaters des Klägers als Geschäftsführer vorträgt, so dass nicht nachvollziehbar ist, was dem Kläger insoweit vorgeworfen werden soll; ähnliches gilt für die zuvor beschriebenen Umstände (Elektroartikel, Bügelwäsche). Allein aus dem prozessualen Verhalten des Klägers im Hinblick auf die Einlösung von Shell-Club-Smart Punkten, das jedenfalls Anlass von Missverständnissen sein konnte, worauf der Kläger hingewiesen wurde, lässt sich ein gegenteiliges Ergebnis nicht ableiten. Insgesamt ist zwar nicht zu verkennen, dass die Beklagte mit Nachdruck das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis beenden möchte; dies allein genügt den gesetzlichen Anforderungen jedoch nicht. Die Kammer hat demgegenüber bereits im Urteil vom 07.05.2018 (Bl. 527 f. d.A., Bl. 570) darauf hingewiesen, dass angesichts der offenkundigen gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Beklagten und dem Vater des Klägers vorliegend ein verständiger Arbeitgeber in erster Linie darum bemüht gewesen wäre, zunächst – ergebnisoffen – eine Klärung des Inhalts der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten mit dem Kläger einvernehmlich oder einseitig herbei zu führen und erst im Falle der Ergebnislosigkeit dieser Bemühungen arbeitsrechtliche Sanktionen ernsthaft in Betracht gezogen hätte.

Nach alledem war auf die Berufung des Klägers festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die vorsorglich erklärte Arbeitgeberkündigung vom 14.11.2016 aufgelöst worden ist und der Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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