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Wirksamkeit einer Kündigung – Vorliegen eines Betriebsteilübergangs

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 6 Sa 362/11 – Urteil vom 29.02.2012

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 29.06.2011 – 3 Ca 523 b/11 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.

Die Beklagte zu 1. betreibt einen Tabakwarengroßhandel. Sie beliefert Fachgeschäfte, Getränkemärkte, Kioske und Tankstellen mit Zigaretten (sog. Rechnungskundengeschäft). Bis zum 28.02.2011 verkaufte die Beklagte zu 1. Zigaretten auch über ca. 380 Zigarettenautomaten. Die Automaten sowie die Stellplatzverträge veräußerte sie zum 01.03.2011 an die Beklagte zu 2., die Zigaretten ausschließlich über Automaten vertreibt.

Der Kläger arbeitete seit dem 01.03.2000 bei der Beklagten zu 1. als Verkaufsfahrer. Zusammen mit einem Kollegen befüllte er die Zigarettenautomaten und belieferte die Rechnungskunden mit Tabakwaren. Der Kläger fuhr eine sog. „gemischte Tour“. Alle betrieblichen Tätigkeiten (Verwaltung, Buchhaltung usw.) wurden in drei Räumen im Souterrain des Hauses des Inhabers der Beklagten verrichtet. In den dazugehörigen Garagen befand sich das Lager. Nach Automatengeschäft und Rechnungskunden wurde nicht unterschieden, auch nicht bei der Lagerhaltung.

Die Beklagte zu 2. übernahm keine Arbeitnehmer der Beklagten zu 1.. Sie gliederte das Automatengeschäft in ihre Betriebsorganisation ein. Die Vertriebsstruktur der Beklagten zu 1. behielt die Beklagte zu 2. nicht bei. Sie ordnete die übernommenen Automaten verschiedenen bei ihr bestehenden Touren zu. Die Beklagten verfügen über unterschiedliche Warenwirtschaftssysteme.

Die Beklagte zu 1. kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.02.2011 zum 30.06.2011. Ihre anderen Arbeitnehmer, zwei Verkaufsfahrer und eine teilzeitbeschäftigte kaufmännische Kraft, beschäftigt die Beklagte zu 1. nach wie vor.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam, denn sie sei ausschließlich vor dem Hintergrund des Verkaufs der Betreuung der Zigarettenautomaten erfolgt. Hierbei handele es sich um einen Betriebsteilübergang im Sinne des § 613 a Abs. 1 BGB. Der Kläger hat behauptet, er sei überwiegend damit beschäftigt worden, die Zigarettenautomaten zu beschicken.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dass es zu keinem Betriebsteilübergang im Sinne des § 613 a Abs. 1 BGB gekommen sei. Da die Mitarbeiter der Beklagten zu 1. sowohl für die Belieferung von Rechnungskunden wie für die Automatenbestückung eingesetzt und die Betriebsmittel beider Geschäftsbereiche nicht getrennt worden seien, habe es keine eigenständige Betriebsorganisation für das Automatengeschäft gegeben.

Die Beklagte zu 1. hat gemeint, dass sich der Kläger selbst bei Annahme eines Betriebsteilüberganges nicht auf § 613 a Abs. 4 BGB berufen könne. Denn er sei nicht „wegen“ des Verkaufs des Zigarettenautomatengeschäfts gekündigt worden, sondern weil man mit seiner Arbeitsleistung nicht zufrieden gewesen sei. Angesichts von nur drei beschäftigten Mitarbeitern sei das Vertrauen in den Kläger aber besonders wichtig gewesen. Die mangelnde Arbeitsleistung des Klägers spiegele sich wider in drei schriftlichen Abmahnungen vom 29.05.2008 und 27.04.2009 (Bl. 46 – 48 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Kündigung sei nicht wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden. Der Verkauf des Zigarettenautomatengeschäftes an die Beklagte zu 2. sei kein Betriebsteilübergang. Es fehle schon eine selbständige abtrennbare organisatorische Einheit „Zigarettenautomatengeschäft“ bei der Beklagten zu 1.. Die Beklagte zu 1. habe bis zum 28.02.2011 auf zwei Geschäftsfeldern Handel getrieben. Sie habe zum einen Rechnungskunden mit Tabakwaren beliefert und zum anderen Zigarettenautomaten, die ihr selbst gehörten, bestückt. Für beide Geschäftsfelder habe sie ihre drei Arbeitnehmer eingesetzt. Unstreitig habe der Kläger „gemischte Touren“ gefahren, selbst wenn er überwiegend für die Bestückung der Zigarettenautomaten eingesetzt worden sein sollte. Wo die Zigaretten für die Zigarettenautomaten aufbewahrt worden seien, sei unerheblich. Allein aus einer getrennten Lagerhaltung könne eine eigenständige organisatorische Einheit „Zigarettenautomatengeschäft“ nicht begründet werden. Unstreitig habe es keine eigene personelle Arbeitsorganisation für die beiden Geschäftsfelder gegeben. Auch nach der sogenannten Klarenberg-Entscheidung des EuGH müsse beim Erwerber zumindest die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten werden in dem Sinne, dass zwar nicht die organisatorische Selbständigkeit bewahrt werde, aber die konkrete Arbeitsorganisation erhalten bleiben müsse. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Beklagte zu 2. habe lediglich Zigarettenautomaten von der Beklagten zu 1. übernommen. Nicht übernommen habe sie das Personal oder die Organisation der Beschickung. Vielmehr habe sie unstreitig den Zigarettenverkauf durch die übernommenen Zigarettenautomaten in ihre eigene Betriebsorganisation eingegliedert. Sie habe damit von der Beklagten zu 1. lediglich Betriebsmittel, nämlich die Automaten, zur Erfüllung des bereits zuvor vorhandenen Automatengeschäftes übernommen. Sonstige Gründe der Unwirksamkeit der Kündigung seien nicht vorgetragen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und ihrer im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.

Gegen das ihm am 22.08.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 22.09.2011 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 24.11.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Der Kläger meint, dass die Bestückung von Zigarettenautomaten einen Betriebsteil gebildet habe. Dieser Betriebsteil sei durch Veräußerung der wesentlichen Betriebsmittel, nämlich der Automaten und ihrer Aufstellplätze, übergegangen. Die Automaten seien ununterbrochen bestückt worden. Die ausgeführten Tätigkeiten vor und nach dem Übergang seien nahezu identisch. Dass es bei der Beklagten zu 1) ein gemeinsames Lager und gemeinsame Ressourcen für den Gesamtbetrieb gegeben habe, sei dagegen nicht entscheidend. Gegen einen Betriebsteilübergang spreche auch nicht, dass die Beklagte zu 2. den Betriebsteil in ihren eigenen Funktionsablauf eingegliedert habe. Der Kläger sei dem übergegangenen Betriebsteil zuzuordnen, weil er überwiegend (> 80 %) mit der Bestückung von Zigarettenautomaten befasst gewesen sei.

Der Kläger beantragt: Das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 29.06.2011, Az. 3 Ca 523 b/11, wird abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 25.02.2011 zum 30.06.2011 beendet ist.

Die Beklagten zu 1. und 2. beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angegriffene Urteil. Sie bestreiten, dass der Kläger ganz oder auch nur überwiegend mit der Bestückung von Zigarettenautomaten befasst gewesen sei. Die Beklagte zu 1. behauptet, alle Arbeitnehmer hätten arbeitsteilig sämtliche anfallenden Aufgaben erledigt. Die Veräußerung von Zigaretten über Automaten stelle keinen Betriebsteil dar. Das Zigarettenautomatengeschäft habe bereits bei der Beklagten zu 1. keine selbständige abtrennbare organisatorische Einheit gebildet. Zudem fehle die funktionelle Verknüpfung der übertragenen Funktionsfaktoren bei der Beklagten zu 2.. Die Beklagte zu 2. bestreitet, das Betriebskonzept der Beklagten zu 1. weiter genutzt zu haben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die nach § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66

Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO. Die Berufung ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 25.02.2011 ist wirksam.

II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Kündigung der Beklagten zu 1. vom 25.02.2011 hat das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2011 beendet. Sie ist nicht gem. § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam. Die Beklagte zu 1. hat die Kündigung nicht wegen eines Betriebs- oder Teilbetriebsübergangs ausgesprochen.

a) Eine Kündigung wird wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen, wenn der Betriebsübergang die überwiegende Ursache der Kündigung bildet. Der Betriebsübergang muss Beweggrund für die Kündigung sein. Selbst wenn die Beklagte zu 1. die Kündigung im Hinblick auf die Veräußerung der Zigarettenautomaten und die Überleitung der Verträge für die Aufstellplätze ausgesprochen hat, hat sie die Kündigung nicht „wegen“ eines Betriebs- oder Teilbetriebsübergangs erklärt. Es liegt nämlich weder ein Betriebs- noch ein Teilbetriebsübergang vor.

b) Das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten zu 1. hat bereits keiner abgrenzbaren organisatorischen Einheit angehört, die auf die Beklagte zu 2. übergegangen ist.

aa) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Vorschrift setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist für den Übergang die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich hierbei auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie z. B. ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisa-tion, ihren Betriebsmethoden oder den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (vgl. BAG 07.04.2011 – 8 AZR 730/09 –; 16.02.2006 – 8 AZR 211/05 -).

Bei betriebsmittelarmen und dienstleistungsorientierten Branchen und Arbeitszwecken, bei denen es wesentlich auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch ihre gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit in diesem Sinne darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hat. Die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) stellt hingegen keinen Betriebsübergang dar. In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (BAG 07.04.2011 – 8 AZR 730/09 –; 21.05.2008 – 8 AZR 481/07 –).

Auch für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist eine Gesamtbetrachtung maßgeblich, bei der die wirtschaftliche Einheit und ihre Identität im Mittelpunkt steht (vgl. BAG 16.05.2002 – 8 AZR 319/01 –; ErfK/Preis 11. Aufl. § 613 a BGB Rn. 7; HWK/Willemsen 4. Aufl. § 613 a BGB Rn. 31 f.). Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt. Die Teil-einheit des Betriebs muss bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils gehabt haben (BAG 16.02.2006 – 8 AZR 204/05 –; 07.04.2011 – 8 AZR 730/09 –; 13.10.2011 – 8 AZR 455/10 –). Schon beim bisherigen Betriebsinhaber muss also – in Anlehnung an § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG – eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit gegeben sein, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wurde. Das Merkmal des Teilzwecks dient zur Abgrenzung der organisatorischen Einheit; im Teilbetrieb müssen aber nicht andersartige Zwecke als im übrigen Betrieb verfolgt werden. Ergibt die Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, so muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen (BAG 16.02.2006 – 8 AZR 204/05 –; 07.04.2011 – 8 AZR 730/09 –). Der Arbeitnehmer muss diesem Betriebsteil zuzuordnen sein. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung können wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur und im Konzept einer Identitätswahrung entgegenstehen (vgl. BAG 07.04.2011 – 8 AZR 730/09 –). Allerdings muss der übertragene Unternehmens- oder Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit beim Betriebserwerber nicht vollständig bewahren, es genügt, dass dieser die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und es ihm derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (EuGH 12.02.2009 – C-466/07 – [Klarenberg] Slg. 2009, I-803).

bb) Einen vollständigen Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2. behauptet auch der Kläger nicht. Unstreitig hat die Beklagte zu 2. nicht den gesamten Betrieb der Beklagten zu 1. übernommen. Die Weiterführung eines Betriebs, selbst in erheblich eingeschränkter Form, schließt trotz der Nutzung sächlicher Betriebsmittel des früheren Betriebsinhabers einen vollständigen Betriebsübergang aus (BAG 16.02.2006  – 8 AZR 204/05 –).

Unstreitig führt die Beklagte zu 1. ihren Betrieb fort. Sie beliefert nach wie vor ihre sog. Rechnungskunden mit Tabakwaren.

cc) Auch ein Betriebsteilübergang auf die Beklagte zu 2. liegt nicht vor. Der Kläger war bei der Beklagten zu 1. in keinem abgrenzbaren Betriebsteil beschäftigt, der auf die Beklagte zu 2. übergegangen ist. Er gehörte bei der Beklagten zu 1. keinem auf die Beklagte übertragenen Betriebsteil an.

(1) Eine abgrenzbare organisatorische Einheit, welche ausschließlich die Bestückung von Zigarettenautomaten („Automatengeschäft“) zum Gegenstand hatte und welcher der Kläger zugeordnet war, gab es bei der Beklagten zu 1. nicht.

Betriebsteile sind Teileinheiten oder Teilorganisationen eines Betriebs, die bereits bei dem früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebs aufweisen müssen (BAG 16.02.2006 – 8 AZR 204/05 –). Schon beim bisherigen Betriebsinhaber muss eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit gegeben sein, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wurde (so schon BAG 26.08.1999 – 8 AZR 718/98 –). Hierbei darf die im Betriebsteil liegende Einheit nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (BAG 07.04.2011 – 8 AZR 730/09 –).

(2) Die Geschäftsbereiche „Automatengeschäft“ und „Rechnungskundenbelieferung“ bildeten bei der Beklagten zu 1. mangels Betriebsqualität keine Betriebsteile im vorgenannten Sinn. Es fehlt an hinreichenden identitätsstiftenden Merkmalen. Die Automaten nebst Stellplatzverträgen machen noch keinen abgrenzbaren übergangsfähigen Betriebsteil aus. Sie bilden nur die Grundlage für eine im Gesamtbetrieb der Beklagten zu 1. verrichtete Tätigkeit, hier den Absatz von Zigaretten über Automaten. Der betriebliche Gesamtzweck bestand und besteht nach wie vor im Absatz von Tabakwaren. Dazu nutzte die Beklagte zu 1. in der Vergangenheit zwei Vertriebswege, nämlich das Automaten- und das Rechnungskundengeschäft. Der Vertriebsweg „Automatengeschäft“ ist aber nicht ohne weiteres eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit, die als Betriebsteil angesehen werden kann. Denn zunächst besagen mehrere Vertriebswege nur, dass es verschiedene Formen des Warenabsatzes gibt. Eine bloße Tätigkeit bildet aber noch keine übergangsfähige Einheit. Hinzukommen müssen weitere identitätsstiftende Merkmale, die hier fehlen. Dem Geschäftsbereich „Automatengeschäft“ waren keine (weiteren) Betriebsmittel neben den Automaten und den darauf bezogenen Stellplatzverträgen ausschließlich zugeordnet. Insbesondere waren die Arbeitnehmer keiner betriebsorganisatorischen oder betriebsorganisatorischen Untergliederung „Automatengeschäft“ zugeordnet. Eine Aufteilung der Arbeitnehmer und der Leitung auf verschiedene Bereiche hatte nicht stattgefunden. Das Personal und der einzige Weisungsbefugte, der Inhaber, waren vielmehr dem Gesamtbetrieb zugeordnet. Alle Mitarbeiter der Beklagten zu 1. arbeiteten sowohl für den Geschäftebereich „Automatengeschäft“ als auch für den Bereich „Rechnungskundenbelieferung“. Die kaufmännische Kraft erledigte die Verwaltung und Buchhaltung für beide Bereiche. Die drei weiteren Mitarbeiter – einschließlich der Kläger – waren in beiden Geschäftsbereichen tätig. Ihre Arbeiten im Lager, die Beladung der Lieferfahrzeuge und die Touren betrafen in der Mehrzahl beide Bereiche. Auf den sog. gemischten Touren fuhren sie jeweils Zigarettenautomaten als auch Rechnungskunden an. Die Weisungen erteilte allen Mitarbeitern stets der Inhaber der Beklagten zu 1.. Auch die Betriebsmittel wurden in beiden Geschäftsbereichen eingesetzt. Die Lieferfahrzeuge, die der Kläger und seine beiden Kollegen nutzten, waren keinem bestimmten Bereich zugeordnet. Im einzigen Lager wurden die Tabakwaren beider Geschäftsbereiche verwahrt.

Im Ergebnis stellten das Automatengeschäft und die Rechnungskundenbelieferung bei der Beklagten zu 1. nur unterschiedliche Vertriebswege dar, nicht aber abtrennbare organisatorische Einheiten. Allenfalls handelte es sich bei dem Automatengeschäft um einen betrieblichen Teilzweck. Die Verwirklichung eines bestimmten Teilzwecks ersetzt aber nicht das Vorliegen einer abgrenzbaren Teilorganisation. Ohne eine solche Organisation liegt kein Betriebsteil im Sinne von § 613 a BGB vor.

2. Die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage ist schon deshalb unbegründet, weil sie von dem Sachantrag des Klägers nicht erfasst wird. Mit seinem Antrag wendet er sich gegen die Wirksamkeit der von der Beklagten zu 1. ausgesprochenen Kündigung. Das ist nicht zu beanstanden, denn wird die Kündigung – wie hier – noch vom (angeblichen) Betriebsveräußerer ausgesprochen, ist die Kündigungsschutzklage gegen ihn zu erheben. Seine Passivlegitimation wird selbst durch einen nach Kündigungsausspruch während des Kündigungsschutzprozesses eingetretenen Betriebsübergang nicht beseitigt (BAG 13.04.2000 – 2 AZR 215/99 –). Gegenüber der Beklagten zu 2. hat der Kläger aber kein Arbeitsverhältnis geltend gemacht. Er hat insbesondere nicht beantragt, festzustellen, dass das zwischen ihm und der Beklagten zu 1. begründete Arbeitsverhältnis seit dem Zeitpunkt des (streitigen) Betriebsübergangs mit der Beklagten zu 2. fortbesteht.

Unabhängig davon wäre eine solche Feststellungsklage aus den unter 1. dargelegten Gründen unbegründet.

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97  Abs. 1 ZPO.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die von dem vom 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts für die Abgrenzung eines betriebsübergangsfähigen Betriebsteils aufgestellten Rechtsgrundsätzen nicht abweicht.

 

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