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Lohnfortzahlung bei selbstverschuldeter Arbeitsunfähigkeit

Entgeltfortzahlung: Kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern?

Wenn Sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig sind, haben Sie in Deutschland einen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Aber was ist, wenn Sie die Krankheit oder die Verletzung selbst fahrlässig verschuldet haben? Kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung dann verweigern? In diesem Artikel erfahren Sie, unter welchen Umständen der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern darf und worauf Sie achten sollten, wenn Sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig sind.

Krankheitsbedingte Lohnfortzahlung für Arbeitnehmer

Selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit
Haben Sie ein gefährliches Hobby? Unter gewissen Umständen kann Ihr Arbeitgeber die Lohnfortzahlung bei schuldhafter Verletzung oder Krankheit verweigern. (Symbolfoto: nitpicker; Pavel1964/Shutterstock.com)

Arbeitnehmer in Deutschland haben die beruhigende Gewissheit, dass sie im Fall einer Erkrankung eine Lohnfortzahlung erhalten. Natürlich ist diese krankheitsbedingte Lohnfortzahlung an gewisse Rahmenbedingungen geknüpft, allerdings steht der erkrankte Arbeitnehmer immerhin nicht sofort mit dem ersten Krankheitstag vor finanziellen Schwierigkeiten. Dass der Lohn für einen Zeitraum von sechs Wochen weiter gezahlt wird dürfte hinlänglich bekannt sein, allerdings wissen die wenigsten Arbeitnehmer dahingehend Bescheid, wie sich der Sachverhalt bei einer selbstverschuldeten Arbeitsunfähigkeit verhält. Dementsprechend steht die Frage im Raum, ob ein Arbeitgeber die weitergehende Lohnfortzahlung verweigern kann, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit durch das eigene Verhalten selbst herbeigeführt hat.

Die Erkrankung aus der Sicht des Arbeitgebers

Wenn Arbeitnehmer aufgrund einer Erkrankung oder einer anderweitigen gesundheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit wie beispielsweise einer Verletzung für einen längeren Zeitraum ausfallen ist das für den Arbeitgeber natürlich überaus ärgerlich, da die Arbeit entweder liegenbleibt oder von einer anderen Person ausgeführt werden muss. Der Arbeitgeber wird dies im Fall einer durch den Arbeitnehmer unverschuldeten Erkrankung aber sicherlich hinnehmen, wobei die Frage nach dem Verschulden immer im Raum steht. Hatte der Arbeitnehmer beispielsweise Erholungsurlaub und diesen Urlaub in einem Hochrisikogebiet – beispielsweise für Corona – verbracht, so ist der Gedanke der selbstverschuldeten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber sicherlich naheliegend.

Der Arbeitgeber ist lediglich dann zu der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gesetzlich verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer an der Erkrankung selbst keine Schuld trägt.

Die gesetzliche Grundlage

Gem. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG gilt als Voraussetzung für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, dass die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers krankheitsbedingt alleinig für die Arbeitsverhinderung anzusehen ist. Überdies ist es für den Anspruch auch zwingend erforderlich, dass der Arbeitnehmer bereits für einen Mindestzeitraum von vier Wochen in dem Unternehmen des Arbeitgebers tätig gewesen ist. Das Arbeitsverhältnis muss also schon zwingend für den Mindestzeitraum von vier Wochen Bestand gehabt haben. Die weitere zwingende Voraussetzung für den Anspruch auf Lohnfortzahlung ist, dass den Arbeitnehmer keine Schuld an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit trägt.

Problematisch in diesem Zusammenhang ist allerdings der Umstand, dass gem. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG keine gesetzlichen Kriterien festgelegt wurden, wann ein Verschulden des Arbeitnehmers an dem krankheitsbedingten Arbeitsausfall des Arbeitnehmers vorliegt. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich ausschließlich festgelegt, dass als Voraussetzung für das Verschulden des Arbeitnehmers an dem krankheitsbedingten Arbeitsausfall die erhebliche Zuwiderhandlung gegen diejenigen Verhaltensweisen, welche von dem verständigen Menschen erwartet werden dürfen, vorliegt. Vereinfacht ausgedrückt heißt dies, dass der Arbeitnehmer in einem erheblichen Ausmaß gegen die eigenen Interessen handeln und hierbei muss es eine Handlungsweise vorliegen, die von einem vernünftigen Menschen in diesem Ausmaß nicht zu erwarten gewesen wäre.

Die Sichtweise des Gesetzgebers wurde auch von dem Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil v. 27. Mai 1992, Aktenzeichen 5 AZR 297/91 so bestätigt.

Praxisbeispiele für die selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit

Die vorherrschende Ansicht des Gesetzgebers und des Bundesarbeitsgerichts bringt natürlich nicht den Umstand mit sich, dass ein Arbeitnehmer in seinem Leben überhaupt kein Risiko mehr eingehen darf. Vielmehr ist es so, dass nicht jedes Risiko, welches der Arbeitnehmer eingeht, auch tatsächlich für einen selbstverschuldeten Arbeitsausfall ausreichend ist. Es gibt jedoch bereits Gerichtsurteile, in denen das Verschulden des Arbeitnehmers aus dem Umstand heraus, dass von dem Arbeitnehmer eine seine Kräfte bzw. Fähigkeiten übersteigende Sportart ausgeübt hat und dadurch für einen gewissen Zeitraum arbeitsunfähig geworden ist, bejaht wurde. Gleichermaßen verhält es sich auch, wenn eine derartige gefährliche Sportart mit unzureichender Ausrüstung oder auf einer Sportanlage im schlechten Zustand ausgeübt wurde.

Die Bejahung der Schuldfrage bezog sich in den Fällen jedoch ausschließlich für die Sportart Kickboxen. Es ist nicht davon auszugehen, dass eine derartige Bejahung der Schuldfrage auch für Sportarten wie Inlineskating oder Fußball bzw. Drachenfliegen oder Amateurboxen erfolgen würde.

Der Arbeitnehmer darf in seiner Freizeit Sport treiben

Sport ist gesund und fördert die körperliche Fitness. In Deutschland gibt es diesbezüglich jedoch immer einen gewissen Zwiespalt, da Sport nun einmal auch ein gewisses Verletzungsrisiko mit sich bringt. Aus diesem Grund sehen es Arbeitgeber hierzulande immer ein wenig skeptisch, wenn der Arbeitnehmer Sportarten wie beispielsweise Fußball oder auch Karate bzw. Skifahren ausübt. Der Gesetzgeber sagt jedoch ausdrücklich, dass im Zusammenhang mit der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall die alleinige Sportausübung und eine daraus resultierende Sportverletzung kein Verschulden des Arbeitnehmers für den krankheitsbedingten Arbeitsausfall rechtfertigt.

Übt der Arbeitnehmer diese Sportarten im Rahmen der anerkannten Regeln und in Verbindung mit einer hierfür als geeignet anzusehenden Ausrüstung aus, so trägt er kein Verschulden an einer entsprechenden Verletzung. Gleiches gilt auch für die sogenannten gefährlichen Sportarten wie Skispringen oder Motorradrennen.

Grob fahrlässiges Handeln des Arbeitnehmers

Ein Verschulden des Arbeitnehmers wird jedoch ausdrücklich bejaht, wenn aufgrund eines grob fahrlässigen Verhaltens des Arbeitnehmers wie beispielsweise ein grober Verstoß gegen die anerkannten Regeln vorliegt. Auch in Verbindung mit Alkoholkonsum und einem daraus resultierenden Unfall wird der Arbeitnehmer die Schuld für den Arbeitsausfall zu tragen haben.

Der Erholungsurlaub in Risikogebieten

Es gibt durchaus Regionen auf dieser Welt, welche landschaftlich wunderschön sind. Nicht zuletzt aus diesem Grund reisen jedes Jahr aufs Neue unzählige Menschen in diese Gebiete, um sich dort von dem stressigen Alltag zu erholen. Problematisch wird dieser Umstand jedoch erst dann, wenn diese Gebiete aufgrund von dort vorherrschenden Krankheiten oder Pandemien als Risikogebiete eingestuft werden. Unternimmt ein gesunder Arbeitnehmer eine Reise in ein derartiges Gebiet und ignoriert dabei etwaig vorherrschende Warnungen des Auswärtigen Amtes, so kann hieraus eine selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit erwachsen.

Dies gilt jedoch nur dann, wenn sich der Arbeitnehmer während des Erholungsurlaubes in dem Risikogebiet mit einer entsprechenden Krankheit infiziert und dies nach der Rückkehr in die Heimat auch entsprechend festgestellt wird. Sollte kein zwingender wichtiger Grund für die Reise vorliegen, so kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mit dem Hinweis auf die in dem Urlaubsland vorherrschende gesundheitliche Situation verweigern. Ein derartiger Vorgang würde im Zweifel sogar ein Gericht beschäftigen müssen.

Wer hat die Beweislast für die Schuldfrage zu tragen?

Der Gesetzgeber in Deutschland sagt ausdrücklich, dass die Beweislast für die Schuldfrage im Zusammenhang mit der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ausdrücklich bei dem Arbeitgeber liegt. Der Arbeitgeber hat zunächst erst einmal die Verpflichtung dazu, die Lohnfortzahlung für den Zeitraum von sechs Wochen zu leisten. Möchte der Arbeitgeber dieser Verpflichtung mit der Begründung, dass der Arbeitnehmer die Schuld an dem Arbeitsausfall trägt, nicht nachkommen hat der Arbeitgeber dies auch entsprechend zu beweisen. Hierbei muss jedoch ausdrücklich betont werden, dass der Arbeitnehmer die gesetzliche Verpflichtung zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts hat. Sollte ein Arbeitnehmer dieser Pflicht nicht nachkommen, so hat der Arbeitgeber die Berechtigung zur Verweigerung der Lohnfortzahlung.

Ein gutes Beispiel hierfür wäre der Umstand, dass ein Arbeitgeber eine von dem Arbeitgeber eingeforderte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes nicht bei dem Arbeitgeber vorlegt. In Deutschland hat der Arbeitnehmer die Verpflichtung dazu, eine entsprechende Bescheinigung binnen des vertraglich vereinbarten Zeitraums bei dem Arbeitgeber vorzulegen. Kommt der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nicht nach, so kann der Arbeitgeber die Zahlung verweigern.

Haben Sie Probleme mit Ihrem Arbeitgeber wegen einer gesundheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit?

Der Arbeitgeber kann zwar grundsätzlich die Lohnfortzahlung im Falle einer selbstverschuldeten Arbeitsunfähigkeit verweigern. Dies ist jedoch nur in bestimmten Fällen möglich. In der Regel ist der Arbeitgeber verpflichtet zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Hin und wieder kommt es jedoch durchaus zu berechtigten oder unberechtigten Zweifeln seitens des Arbeitgebers bezüglich der Ursache der Arbeitsunfähigkeit.  Die Beweislast liegt hier jedoch beim Arbeitgeber, der Arbeitnehmer ist aber zur Mitwirkung verpflichtet. Kommt es zu Streitigkeiten, ist häufig der Gang zu einem Rechtsanwalt zu empfehlen. Unser Fachanwalt für Arbeitsrecht steht Ihnen gerne zur Seite. Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an.

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