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Wirksamkeit einer Sachgrundbefristung eines Arbeitsvertrags gemäß § 14 Abs 1 S 2 Nr 1 TzBfG

ArbG Emden – Az.: 2 Ca 38/11 – Urteil vom 03.05.2011

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung vom 04.03.2009 beendet worden ist.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Sachbearbeiterin in der Arbeitsvermittlung weiterzubeschäftigen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Der Streitwert wird auf 8.666,48 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und dabei über die Wirksamkeit einer Befristungsvereinbarung.

Die Klägerin war bei dem Beklagten aufgrund diverser befristeter Verträge seit dem 01.05.2007 als Sachbearbeiterin in der Arbeitsvermittlung zu einem tariflichen Entgelt in Höhe von 2.166,62 € beschäftigt. Den letzten befristeten Arbeitsvertrag schlossen die Parteien am 04.03.2009. In § 1 des schriftlichen Arbeitsvertrages heißt es:

§ 1

… wird ab dem 01.05.2009 wegen Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 TzBfG vom 21.12.2000 (BGBl. I S. 1966) in der jeweiligen Fassung für die Dauer der Zulassung des Landkreises Leer als kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende entsprechend der Kommunalträger-Zulassungsverordnung, längstens bis zum 31.12.2010, eingestellt und zwar als vollbeschäftigte Arbeitnehmerin.

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) sowie den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (§ 1 Abs. TVÜ-VKA) Anwendung. Der Beklagte ist einer der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit durch Verordnung zugelassener kommunaler Träger im Sinne von §§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 6a SGB II, der mit erfolgter Zulassung zusätzlich zu seinem originären Aufgabengebiet (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II) ab dem 01.01.2005 auch die Aufgaben der Grundsicherung nach dem SGB II ausgeführt hat. Zur Wahrnehmung der originären und der optionalen Aufgaben entstand bei dem Beklagten die besondere kommunale Einrichtung des Zentrums für Arbeit (ZfA) außerhalb der bereits bestehenden Organisationsstruktur als ein optimierter Regiebetrieb. Zusätzlich zu den bereits beim Beklagten Beschäftigten stellte der Beklagte ca. 125 Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen ein, wobei die genauen Zahlen zwischen den Parteien streitig sind.

Der Beklagte führt die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchenden auch über den 31.12.2010 fortgesetzt und nunmehr dauerhaft aus. Die Klägerin gehörte zu den ca. 15 befristeten Beschäftigten, die von dem Beklagten nicht über den 31.12.2010 unbefristet weiterbeschäftigt wurden.

Mit ihrer am 20.01.2011 beim Arbeitsgericht Emden eingereichten Klage wendet sich die Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der Befristungsvereinbarung vom 04.03.2009 und begehrt die unbefristete Weiterbeschäftigung sowie hilfsweise die Verurteilung des Beklagten zur Annahme ihres Angebotes auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.

Sie ist der Ansicht, dass bei Abschluss ihres letzten Befristungsvertrages ein Sachgrund nach § 14 Abs.1 TzBfG nicht mehr bzw. bereits von Beginn an nicht bestanden habe. Zwar habe es sich ursprünglich um eine zunächst zeitlich beschränkte Zulassung des Beklagten als Träger der Grundsicherung gehandelt. Die gesetzliche Konzeption sei jedoch, wie sich aus der Experimentierklausel ergäbe, ergebnisoffen ausgestaltet gewesen. Es habe sich daher für den Beklagten lediglich um eine bloße Ungewissheit über die Entwicklung der Aufgabenwahrnehmungsmöglichkeit gehandelt, die aber die Befristung nicht rechtfertigen könne. Jedenfalls habe der Beklagte im Zeitpunkt des letzten Vertragsschluss die erforderliche negative Beschäftigungsprognose nicht mehr treffen können, da bereits im Juli 2008 auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz eine Richtungsentscheidung getroffenen worden sei, dass es auch zukünftig zwei Modelle der Aufgabenwahrnehmung geben solle und sich von der bisherigen Zulassungsstruktur der kommunalen Träger nicht wesentlich unterscheiden sollten. So habe auch der Kreistag im Januar 2010 beschlossen, die Aufgaben nach dem SGB II über den 31.12.2010 hinaus als Daueraufgaben wahrnehmen zu wollen, was insoweit unstreitig ist. Zudem habe ihr Arbeitsvertrag auch keine konkrete Aufgabenzuweisung gerade zu den optionalen Aufgaben des Beklagten vorgesehen.

Hilfsweise ist die Klägerin der Ansicht, dass ihr nach § 30 Abs. 2 S. 2 TVöD ein Weiterbeschäftigungsanspruch zustünde, da der Beklagte sie bei der Besetzung der vorhandenen Dauerarbeitsplätze nicht berücksichtig habe. Entgegen der Behauptung des Beklagten sei es auch nicht zu einem Wegfall von Stellen im Zentrum für Arbeit gekommen. Es sei vielmehr die zeitnahe Wiederbesetzung aller Stellen geplant, da der bestehende Arbeitsumfang und die damit einhergehende personelle Unterbesetzung dies erforderlich mache.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Befristung vom 04.03.2009 beendet worden ist und über den 31.12.2010 unbefristet fortbesteht.

2. Im Falle des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Sachbearbeiterin in der Arbeitsvermittlung weiterzubeschäftigen.

3. Hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines unbefristeten Fortsetzungsvertrages ab dem 01.01.2011 zu den Arbeitsbedingungen wie sie zuvor zwischen der Klägerin und dem Beklagten gem. Arbeitsvertrag vom 04.03.2009 bestanden und unter Anrechnung der bisherigen Beschäftigungsdauer anzunehmen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die nach dem Gesetz nur für den Zeitraum von 6 Jahren vorgesehene Aufgabenwahrnehmungsmöglichkeit der optionalen Aufgaben die Befristungsvereinbarung sachlich rechtfertige, da es sich hierbei um einen nur vorübergehenden Beschäftigungsbedarf des Beklagten gehandelt habe. Entgegen der ursprünglich geplanten Gesetzesfassung, die noch eine Verlängerungsoption ausdrücklich vorsah, sei letztlich gerade diese Möglichkeit der zeitlichen Verlängerung der Zulassung nicht in die gesetzliche Endfassung mit aufgenommen worden. Der Gesetzgeber habe sich dabei ausdrücklich gegen die sonst übliche dauerhafte Aufgabenzuweisung gewandt. Auch die Experimentierklausel enthalte keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bei einer positiven Beurteilung der kommunalen Träger eine Verlängerungsmöglichkeit besteht oder gar eine dauerhafte Zulassung erfolgen könne. Das gesamte Gesetzgebungsverfahren habe lediglich eine einmalig befristete Aufgabenwahrnehmung im Wege einer Erprobung zugelassen. Es habe keinerlei Anhaltspunkte gegeben, dass die optionale Aufgabenwahrnehmung über den 31.12.2010 Bestand haben würde. Auch der von der Klägerin angeführt Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz aus 2008 habe keine neue Beurteilungslage geschaffen, da dieser Beschluss auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Auswirkung gehabt habe. Noch im Februar 2009 sei bei der Vorstellung des Evaluationsberichtes nach der Experimentierklausel den Geschäftsführern der Grundsicherungsträger vom Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gesagt worden, dass die ARGEn „es besser machen würden“ als die Kommunen. Bis zum Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung 2009 sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass es zu einer Entfristung der Zulassung der kommunalen Träger kommen würde.

Schließlich stünde der Klägerin auch keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach § 30 TVöD zu. Mit Ablauf des 31.12.2010 seien notwendige organisatorische Änderungen auf der Grundlage der Erkenntnisse und Erfahrungen der vorangegangenen sechs Jahre umgesetzt worden, so dass es zu einer Stellenreduzierung im Zentrum für Arbeit gekommen sei. Bei der Besetzung der verbleibenden Stellen habe der Beklagte zunächst sämtliche Mitarbeiter einer dienstlichen Beurteilung anhand des vorgeschriebenen Bewertungsbogens unterzogen. Hierbei habe die Klägerin lediglich die Gesamtnote „ausreichend“ erlangt und habe daher zu den nach Leistungsgesichtspunkten nicht berücksichtungsfähigen Mitarbeitern gehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivortrages wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist bereits in den Hauptanträgen begründet.

I.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht wirksam aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 04.03.2009 zum 31.12.2010 beendet worden, da die Voraussetzung für eine Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG nicht vorlagen.

1.

Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Befristungsvereinbarung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf die zeitlich letzte Befristungsabrede zu beschränken – mithin die Vereinbarung vom 04.03.2009. Durch den vorbehaltlosen Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue rechtliche Grundlage, die für ihre Vertragsbeziehung künftig allein maßgeblich ist. Damit wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben. Anders verhielte es sich nur, wenn es sich bei dem letzten Arbeitsvertrag um einen unselbständigen Annex zu dem vorherigen Arbeitsvertrag gehandelt hätte, mit dem lediglich die in dem vorangegangenen Vertrag vereinbarte Vertragslaufzeit verhältnismäßig geringfügig verlängert werden sollte und sich die Korrektur am Sachgrund für die Befristung des vorangegangenen Vertrags orientiere und allein in der Anpassung der Vertragslaufzeit an später eintretende, im Zeitpunkt des Abschlusses des vorangegangenen Vertrags nicht absehbare Umstände bestünde (vgl. etwa BAG Urteil v. 15.02.1995, 7 AZR 680/94, AP Nr. 166 zu BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag), oder wenn die Parteien den Folgevertrag unter dem Vorbehalt abschließen, dass er das Arbeitsverhältnis nur regeln soll, wenn nicht bereits aufgrund des vorangegangenen Vertrags ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe (vgl. BAG Urteil v. 18.06. 2008, 7 AZR 214/07, EzA Nr. 50 zu § 14 TzBfG).

Da diese einschränkenden Umstände vorliegend unstreitig nicht gegeben sind, hat sich die gerichtliche Überprüfung auf die Befristungsabrede vom 04.03.2009 zu beschränken.

2.

Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Der Beklagte beruft sich zur Rechtfertigung der Befristungsvereinbarung auf den Sachgrund nach § 14 Abs. 1 S, 2 Nr. 1 TzBfG.

a)

Gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ist der Abschluss eines nur befristeten Arbeitsvertrages sachlich gerechtfertigt, wenn nur ein vorübergehender betrieblicher Bedarf an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt eine solche Befristung voraus, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit erwarten darf, dass für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers über das vorgesehene Vertragsende hinaus kein Bedarf besteht. Hierzu muss der Arbeitgeber anhand konkreter Anhaltspunkte eine Prognose über den nur zeitweilig bestehenden Beschäftigungsbedarf erstellen. Die Prognose ist dabei Teil des Sachgrundes für eine Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG (vgl. BAG Urteil v. 11.02.2004, 7 AZR 362/03, AP Nr. 256 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, NZA 2004, 437 – 439 mwN). Der Sachgrund ist von der regelmäßig gegebenen Unsicherheit über die künftige Auftragsund Marktentwicklung im Hinblick auf den konkreten Arbeitskräftebedarf zu unterscheiden. Allein die bestehende Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung des Personalbedarfs kann nicht durch den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages im Rahmen von § 14 Abs. 1 TzBfG auf den Arbeitnehmer verlagert werden. Die tatsächlichen Grundlagen der Prognose hat der Arbeitgeber im Rechtsstreit dazulegen, damit der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhält, deren Richtigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu überprüfen. Für den öffentlichen Arbeitgeber gelten insoweit keine Besonderheiten (LAG Niedersachsen, Urteil v. 12.12.2006, 1 Sa 752/06, zit. nach juris). Auch der öffentliche Arbeitgeber ist nur zum Abschluss eines sachlich begründeten befristeten Arbeitsvertrages berechtigt, wenn im Zeitpunkt der Befristung aufgrund greifbarer Tatsachen (Prognose) mit einiger Sicherheit der Wegfall des Mehrbedarfs nach Auslaufen des befristeten Arbeitsverhältnisses zu erwarten ist (BAG Urteil v. 04.12.2002, 7 AZR 437/01, AP Nr. 24 zu § 2 BAT SR 2y, ZTR 2003, 466 – 467).

b)

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Beklagten nicht.

Der Beklagte stützt seine Prognose auf den Umstand, dass im Jahr 2005 bei Schaffung der §§ 6a – c SGB II der Zulassungszeitraum für die kommunalen Träger auf 6 Jahre begrenzt war und eine Verlängerungsoption vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollt gewesen sei. Daher habe der Beklagte nicht damit rechnen können, dass es nach Ablauf der 6-Jahresspanne zu einer weiteren Beschäftigungsmöglichkeit im Bereich der optionalen Zusatzaufgaben im Bereich des SGB II kommen würde. Es habe sich lediglich um eine einmalige und zeitlich befristete Erprobungsphase gehandelt. Die gesetzliche Befristung in § 6a Abs. 5 SGB II habe für den Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen für den Abschluss von Zeitarbeitsverträgen begründet. Auch im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin, am 04.03.2009 habe der Beklagte keine gegenteiligen Anhaltspunkte dafür gehabt, dass sich eine anderweitige Entwicklung ergeben könnte. Der Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz vom 14.07.2008 sei dabei unbeachtlich, weil er im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Wirkung gehabt habe. So seien die Geschäftsführer der Grundsicherungsträger am 18./19.02.2009 in Berlin vom zuständigen Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die ARGEn es „besser machten“.

Wie oben bereits dargestellt, genügt jedoch eine bestehende Unsicherheit allein nicht für das Vorliegen einer entsprechenden erforderlichen Prognose. Der Arbeitgeber muss anhand konkreter Anhaltspunkte eine gesicherte Prognose erstellen und zwar jeweils neu im Zeitpunkt seiner Befristungsabrede. Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob der Beklagte zu Beginn seiner Zulassung in 2005 eine hinreichend gesicherte Prognose für einen nur zeitlich begrenzten Beschäftigungsbedarf besaß. Eine solche gesicherte Prognose war jedenfalls nicht mehr im hier maßgeblichen Zeitpunkt Anfang März 2009 gerechtfertigt.

Soweit der Beklagte sich auf den Standpunkt stellt, dass der Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz vom 14.07.2008 keine Auswirkung auf die Bundesgesetzgebung gehabt habe und ihnen noch im Februar 2009 entgegengehalten worden sei, dass die ARGEn es „besser machten“ als sie – so führt dies an der eigentlich entscheidenden Frage vorbei – nämlich ob zu diesem Zeitpunkt noch eine gesicherte Prognoseentscheidung getroffen werden konnte.

Spätestens im Jahre 2008 nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 (BVerfG Urteil v. 20.12.2007, 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04, BVerfGE 119, 331-394) musste die Frage der zukünftigen Aufgabenwahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitssuchende neu diskutiert und geregelt werden. Dabei sprachen sich die 69 Optionskommunen und der Deutsche Landkreistag auf dem Tag der Optionskommunen am 10.04.2008 in Berlin ausdrücklich für die Beibehaltung der kommunalen Trägerschaft aus. Auch die Arbeits- und Sozialminister der Länder beschlossen einstimmig die Fortführung des bisherigen Optionsmodells – sowohl auf ihrer Sonderkonferenz im Juli 2008 als auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz im November 2008 in Hamburg (vgl. Beschluss v. 14.11.2008 TOP 8.10 Nr. 5). Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat sich in seinem Entwurf zur Neuorganisation der Durchführung des SGB II vom 23.09.2008 für die Beibehaltung des Optionsmodells ausgesprochen. Und schließlich findet sich auch im Resümee des Berichts zur Evaluation der Experimentierklausel nach § 6c des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 18.12.2008 (BT – Drucksache 16/11488) der Hinweis darauf, dass ohnedies auch künftig zumindest zwei Modelle der Aufgabenwahrnehmung nebeneinander existieren sollen, so dass es auf die ursprüngliche Leitfrage der Evaluation „Wer kann es besser?“ gar nicht mehr ankäme. Die Zusammenschau dieser Einzelmeinungen mag zwar insgesamt keine bindende Wirkung für die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gehabt haben. Die geführte Diskussion und die relative Einstimmigkeit in der Grundkonzeption – nämlich der Fortführung des Zwei-Modelisystems – lassen jedoch aus Sicht des Beklagten im März 2009 keinesfalls mehr eine Prognose dahingehend als gesichert erscheinen, dass mit Ablauf des 31.12.2010 die Zulassung für die Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB II zur Grundsicherung Arbeitssuchender enden werde. Zwar bestand keine konkrete und verlässliche Zusage, dass es auch nach dem 01.01.2011 eine entsprechende Aufgabenwahrnehmung geben würde. Diese Situation entspricht jedoch dem allgemeinen Unternehmerrisiko, der für eine bestimmte Zeit einen Auftrag zur eigenständigen Wahrnehmung erhält und mit Ablauf der Wahrnehmungsdauer lediglich darauf hoffen kann, erneut beauftragt zu werden.

Bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II handelt es sich unstreitig um eine öffentlich-rechtliche Daueraufgabe, die unabhängig von ihrer Zuständigkeit auch nach Ablauf eines bestimmten Zuweisungszeitraumes zukünftig ausgeführt und wahrgenommen werden wird. Damit bestand für den Beklagten jedoch im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Befristungsvereinbarung lediglich die Unsicherheit, ob er auch zukünftig die Aufgaben wahrnehmen können würde. Eine gerade negative Prognose ließ sich – ins- besondere nicht aufgrund eines einzelnen Satzes, wer von den bisherigen Trägern es nun besser gemacht habe, nicht ableiten. Eine solche Unsicherheit gehört jedoch zum Betriebsrisiko, das nicht auf den Arbeitnehmer durch Abschluss eines befristeten Vertrages abgewälzt werden kann.

Da somit die für den Sachgrund erforderliche Prognose im Zeitpunkt der Befristungsabrede nicht vorgelegen hat, war dem Feststellungsbegehren der Klägerin stattzugeben. Einer Entscheidung über den Hilfsantrag und die Überprüfung der Richtigkeit der vom Beklagten erstellten Beurteilung bedurfte es damit nicht mehr.

II.

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen als Sachbearbeiterin in der Arbeitsvermittlung.

Der Große Senat des Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 27.02.1985 einen Weiterbeschäftigungsanspruch nach stattgebender erstinstanzlicher Entscheidung im Kündigungsschutzprozess grundsätzlich zuerkannt, da ab diesem Zeitpunkt die schutzwürdigen Interessen des gekündigten Arbeitnehmers an der Beschäftigung regelmäßig den Interessen des kündigenden Arbeitgebers überwiegen (BAG Beschluss Großer Senat v. 27.02.1985, GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). In Rechtsstreiten über die Wirksamkeit einer Befristung finden die Grundsätze des Großen Senats vom 27.02.1985 entsprechende Anwendung (BAG Urteil vom 13.06.1985, 2 AZR 410/84, AP Nr. 19 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Mit erstinstanzlicher Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung überwiegt regelmäßig das Interesse des Arbeitnehmers auf Beschäftigung.

Dem Weiterbeschäftigungsbegehren der Klägerin war damit nach Stattgabe des Hauptantrages zu 1) ebenfalls zu entsprechen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Als unterliegende Partei hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV.

Der Streitwert war im Urteil gem. §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 42 Abs. 3 GKG, 3, 5 ZPO festzusetzen. Der Feststellungsantrag, mit dem über den Bestand des Arbeitsverhältnisse gestritten wurde, war dabei mit einem dreifachen Bruttomonatsgehalt zu berücksichtigen und der Weiterbeschäftigungsantrag mit einem weiteren Bruttomonatsgehalt. Der Hilfsantrag war streitwertmäßig nicht zu berücksichtigen, da über diesen nach Stattgabe des Hauptantrages zu 1) nicht mehr zu entscheiden war.

 

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