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Zugang Kündigungsschreiben an Arbeitnehmer – Übermittlung durch Boten

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 7 Sa 139/16 – Urteil vom 13.10.2016

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 09.12.2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch um die Berufung des Klägers, soweit sie sich gegen den vom Arbeitsgericht abgewiesenen Kündigungsschutzantrag richtet.

Wegen des Sach- und Streitstandes im erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht Bonn dazu bewogen haben, den Kündigungsschutzantrag des Klägers zurückzuweisen, wird erneut auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 09.12.2015 Bezug genommen.

Wegen der Feststellung der Einhaltung der Formalien der vom Kläger eingelegten Berufung wird auf die Ausführungen im Teilurteil des Berufungsgerichts vom 09.06.2016 Bezug genommen.

Der Kläger und Berufungskläger beanstandet mit seiner Berufung, dass das Arbeitsgericht hinsichtlich der Frage des Zeitpunkts des Zugangs des Kündigungsschreibens dem unsubstantiierten Sachvortrag des Beklagten gefolgt sei, ohne zumindest hierüber Beweis zu erheben. Er, der Kläger, bleibe dabei, dass er das Kündigungsschreiben erst am 09.09.2015 erhalten habe.

Zugang Kündigungsschreiben an Arbeitnehmer - Übermittlung durch Boten
(Symbolfoto: wavebreakmedia/Shutterstock.com)

In der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2016 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Kläger auf Befragen des Gerichts, er, der Klägervertreter, könne keine näheren Angaben dazu machen, ob der als Bote eingesetzte Kollege W das Kündigungsschreiben dem Kläger persönlich übergeben oder in den Briefkasten geworfen habe. Jedenfalls habe der Zeuge W das Kündigungsschreiben nicht an demselben Tag an den Kläger übermittelt, an dem er es vom Beklagten ausgehändigt erhalten habe. Der Zeuge W habe dem Kläger gegenüber eingeräumt, dass er die Aushändigung bzw. den Einwurf in den Briefkasten an dem fraglichen Tag vergessen habe und das Kündigungsschreiben dementsprechend einige Zeit in seinem Auto verblieben sei.

Der Kläger zieht aus seiner Behauptung, das Kündigungsschreiben sei ihm erst am 09.09.2015 zugegangen, den Schluss, dass seine am Mittwoch, dem 23.09.2015 beim Arbeitsgericht eingegangene Kündigungsschutzklage rechtzeitig im Sinne von § 4 KSchG erhoben worden sei. Dementsprechend sei die Kündigung auch als sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG zu werten. Der Kläger wiederholt seine Behauptung, dass der Beklagte im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung  regelmäßig mehr als 10 Arbeitskräfte beschäftigt habe, so dass die personellen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gegeben gewesen seien. Schlüssige Kündigungsgründe im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG habe der Beklagte nicht vorgebracht.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr, soweit für das Schlussurteil noch von Bedeutung,

unter Abänderung des am 09.12.2015 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Bonn, 2 Ca 2155/15 EU, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27.08.2015, zugegangen am 09.09.2015, nicht zum 30.09.2015 beendet wird, sondern vielmehr ungekündigt fortbesteht.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt insoweit, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte behauptet, er habe das Kündigungsschreiben dem Zeugen W als Boten übergeben und dieser habe es am 28.08.2015 in den Briefkasten des Klägers eingeworfen.

Auf den vollständigen Inhalt der klägerischen Berufungsbegründung vom 29.02.2016, seines weiteren Schriftsatzes vom 11.04.2016, die Schriftsätze des Beklagten vom 29.02.2016 und 14.04.2016 sowie auf die Ausführungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2016 wird ergänzend Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss vom 09.06.2016 und das Sitzungsprotokoll vom 13.10.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 09.12.2015 in Sachen 2 Ca 2155/15 EU ist zulässig. Auf die hierzu getroffenen Feststellungen im Teilurteil vom 09.06.2016 wird Bezug genommen.

II.  Aus den Entscheidungsgründen des vorgenannten Teilurteils ergibt sich weiterhin unmittelbar, dass die Berufung des Klägers insoweit unbegründet ist, als er mit ihr die Verurteilung des Beklagten zu einer höheren Überstundenvergütung als Ursprünglich zugesprochen begehrt hat.

III.  Die Berufung des Klägers hat aber auch insoweit keinen Erfolg, als er mit ihr den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 30.09.2015 hinaus festgestellt wissen will. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 02.12.2015 erweist sich im Ergebnis auch insoweit   als richtig, als es den Kündigungsschutzantrag des Klägers abgewiesen hat.

1.  Dies ergibt sich zur Überzeugung des Berufungsgerichts aus dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme.

a.  Nach der Aussage des vom Berufungsgericht vernommenen Zeugen W ist die Berufungskammer davon überzeugt, dass der Zeuge als Bote das Kündigungsschreiben am Abend des 28.08.2015 in den Briefkasten des Klägers eingeworfen hat. Bei dem 28.08.2015 handelte es sich um einen Freitag. Da es sich bei dem nachfolgenden Samstag um einen üblichen Postzustellungstag handelt, bei dem mit dem Zugang von Briefpost gerechnet werden muss, gilt das Kündigungsschreiben somit am 29.08.2015 als zugestellt. Spätestens wäre ein Zugang am Montag, dem 31.08.2015 anzunehmen, da jedenfalls an diesem nächsten Werktag mit der Leerung des Briefkastens durch den Empfänger objektiv zu rechnen gewesen wäre.

b.  Ist das Kündigungsschreiben also jedenfalls noch im Laufe des Monats August 2015 dem Kläger zugegangen, so ist die zum 30.09.2015 berechnete Kündigungsfrist eingehalten.

c.  Des Weiteren ergibt sich, dass der Kläger, wenn er sich auf den Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes berufen wollte, spätestens innerhalb von drei Wochen ab dem 31.08.2015 Kündigungsschutzklage (Eingang beim Arbeitsgericht) hätte erheben müssen. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG hätte somit spätestens am Montag, dem 21.09.2015 geendet. Tatsächlich ist die Kündigungsschutzklage jedoch erst am Mittwoch, dem 23.09.2015 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen.

d.  Die verspätete Erhebung der Kündigungsschutzklage hat gemäß § 7 KSchG zur Folge, dass die Kündigung, deren Rechtsunwirksamkeit nach dem Kündigungsschutzgesetz geltend gemacht werden sollte, kraft Gesetzes als von Anfang an rechtswirksam anzusehen ist.

e.  Es bedarf somit keiner vertieften Erörterung mehr, dass bei Auswertung des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien zur Frage der Anzahl der bei dem Beklagten regelmäßig beschäftigen Arbeitnehmer ohnehin davon auszugehen war, dass aus der Sicht des Zeitpunkts des Ausspruchs der Kündigung lediglich 8,5 Arbeitnehmer beim Beklagten beschäftigt waren. Dies ergibt sich aus den erstinstanzlichen Darlegungen des Beklagten dazu, welche Arbeitnehmer jeweils von wann bis wann in welchem Umfang bei ihm beschäftigt waren, welche Personen lediglich gelegentlich, nicht aber im zeitlichen Umfeld des Ausspruchs der Kündigung als Aushilfen tätig waren, und welche Personen von ihm lediglich als selbständige Auftragnehmer beauftragt wurden. Diesen verschiedenen und detaillierten Angaben des Beklagten ist der Kläger erstinstanzlich nicht hinreichend entgegen getreten und hat keinen Beweis zur Widerlegung angeboten, obwohl dies nach der ihm zukommenden Beweislast erforderlich gewesen wäre. Diese Ausführungen bedürfen jedoch keiner näheren Vertiefung und Konkretisierung, da die Kündigungsschutzklage ohnehin verspätet erhoben wurde.

2.  Aus der Vernehmung des Zeugen W schöpft die Berufungskammer die Überzeugung, dass der Sachvortrag des Beklagten, die Kündigung sei am 28.08.2015 in den Briefkasten des Klägers eingeworfen worden, zutreffend ist.

a.  Zwar konnte der Zeuge W kein konkretes Datum dazu angeben, wann er den Botenauftrag des Beklagten erfüllt hat. Hinsichtlich der genauen kalendarischen Einordnung seiner Botenfahrt war die Aussage somit unergiebig.

b.  Der Zeuge hat allerdings dezidiert bekundet, dass er das ihm vom Beklagten übergebene Schreiben sogleich am selben Tag auf seinem Heimweg in den Briefkasten des Klägers eingeworfen hat. Der Zeuge konnte plastisch schildern, dass er an dem fraglichen Tag abends von seiner Auslieferungsfahrt zurückgekommen sei. Als er seine Papiere abgegeben habe, habe der Beklagte ihn gebeten, dem Kläger das Kündigungsschreiben vorbeizubringen. Er habe zwar in den ihm übergebenen Briefumschlag nicht hineingeschaut, aber gewusst, dass es sich um das Kündigungsschreiben handelte.

c.  Zum damaligen Zeitpunkt habe er noch in S -O gewohnt, so dass die Wohnung des Klägers an seinem Heimweg gelegen habe. Er habe das Schreiben dem Kläger persönlich übergeben wollen. Hierzu hat der Zeuge bekundet, dass er auch vor diesem Tag bereits einmal in der Wohnung des Klägers gewesen war. Der Zeuge konnte zwar die genaue Anschrift der Wohnung des Klägers nicht wiedergeben, wohl aber zeigte er sich mit den dortigen Örtlichkeiten gut vertraut. Er konnte die äußeren Verhältnisse, die an dem Anwesen herrschten, wo der Kläger wohnte, detailliert beschreiben. Er wusste, dass es einen Hintereingang gab, über den man normalerweise in das Haus und zu der Wohnung des Klägers gelangen konnte. Diesen Hintereingang fand er jedoch an dem fraglichen Abend verschlossen vor. Da eine den einzelnen Wohnungen genau zugeordnete Klingel mit entsprechender Beschriftung nicht existierte, habe er dann den Brief in den neben dem Vordereingang des Hauses befindlichen Briefkasten eingeworfen. Dort habe sich der Name des Klägers und ein weiterer Name befunden, dies deshalb, weil in dem Haus zwei Wohnungen seien, aber nur ein Briefkasten vorhanden sei.

d.  Die Angaben des Zeugen W sind lebensnah und gut nachvollziehbar. Sie lassen den Schluss zu, dass der Zeuge genau wusste, wo der Kläger wohnte. Es besteht auch kein begründeter Zweifel darüber, dass es sich bei dem von ihm überbrachten Brief um das Kündigungsschreiben handelte. Dies folgt schon daraus, dass der Kläger selbst nicht etwa behauptet hat, in der fraglichen Zeit mehrmals Post vom Beklagten erhalten zu haben.

e.  Für die vom Zeugen nicht vorgenommene genaue kalendarische Einordnung des Geschehens ist sodann zum einen von Bedeutung, dass nach der Zeugenaussage nicht mehr fraglich erscheint, dass der Bote den Brief am selben Tag in den Briefkasten geworfen hat, an dem er ihn vom Beklagten erhalten hatte.

f.  Hinzu kommt sodann wesentlich, dass der Zeuge glaubhaft die Behauptung des Klägers widerlegt hat, der Zeuge habe die Zustellung des ihm vom Beklagten übergebenen Schreibens zunächst vergessen und das Schreiben eine Zeit lang in seinem Auto liegen lassen. Auf entsprechenden Vorhalt in der Beweisaufnahme hat der Zeuge nämlich spontan angegeben, dass dies nicht sein könne; denn weil er damals noch recht neu im Betrieb gewesen sei, habe er noch kein festes Auto zugeteilt erhalten gehabt. „Wenn ich das Schreiben im Auto hätte liegen lassen, dann hätte ich es in den Folgetagen immer hin und her tragen müssen bzw. die Kollegen, die mit dem Auto gefahren wären, hätten es finden müssen. Das schließe ich somit aus.“

g.  Diese Einlassung leuchtet unmittelbar ein und überzeugt die Kammer. Sie findet keine Entsprechung im Sachvortrag der Parteien, entspringt somit dem eigenen Wissen des Zeugen. Dies steht im Einklang damit, dass die Aussage des Zeugen insgesamt auf die Kammer authentisch wirkte und nicht den Eindruck machte, auswendig gelernt oder abgesprochen zu sein. In letzterem Fall wäre jedenfalls zu erwarten gewesen, dass der Zeuge genauere kalendarische Anknüpfungspunkte über den Zeitpunkt des Geschehens genannt hätte.

h.  Bei alledem ist die Behauptung des Beklagten über den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als bewiesen anzusehen.

3.  Die Berufung des Klägers konnte somit auch in diesem Punkt keinen Erfolg haben.

III.  Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

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