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Nur bewusst falsche Angaben bei Spesenabrechnung rechtfertigen außerordentliche Kündigung


Macht ein Arbeitnehmer bewusst falsche Angaben bei der Spesenabrechnung, kann der Arbeitgeber ihm in der Regel deshalb eine außerordentliche fristlose Kündigung aussprechen. Anders verhält es sich, wenn versehentlich unrichtige Angaben durch den Arbeitnehmer gemacht werden. Im Vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer angegeben, außerhalb genächtigt zu haben. In Wirklichkeit hatte er allerdings zu Hause übernachtet. Dennoch wurde die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber von dem Gericht für unwirksam erklärt. Der Arbeitnehmer gab an, er hätte nicht zu Hause schlafen wollen. Lediglich der dringende Anruf seiner Frau hätte eine kurzfristige Planänderung hervorgerufen. Anschließend habe er vergessen die Spesenabrechnung zu korrigieren. Ein Betrugsvorsatz konnte nicht nachgewiesen werden. Deshalb fehlte es an den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung.


ArbG Trier
Entscheidung vom 03.07.2014

AZ.: 2 Sa 556/13


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 04.12.2013 – 4 Ca 769/13 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand:
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Der 1965 geborene Kläger war bei der Beklagten, einem Tiefbauunternehmen mit in der Regel mehr als zehn beschäftigten Arbeitnehmern, seit dem 01. November 2003 als Polier gegen ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt von ca. 4.200,00 EUR beschäftigt.

In der Zeit vom 15. bis 18. April 2013 war der Kläger wegen seines Einsatzes auf einer auswärtigen Baustelle zusammen mit drei weiteren Mitarbeitern der Be-klagten in der Ferienwohnung „Z“ untergebracht. Am Mittwoch, dem 17. April 2013, fuhr der Kläger abends nach Hause und kehrte am nächsten Morgen zurück auf die Arbeitsstelle. In dem von ihm unterzeichneten Arbeitszeitwochenbericht für die Woche vom 15. bis 18. April 2013 (Bl. 19 d.A.) ist unter dem 17. April 2013 (Mittwoch) das Feld „Übernachtung“ mit „ja“ angekreuzt. In der Rechnung der Ferienwohnung „Z“ vom 17. April 2013 (Bl. 22 d. A.), die der Beklagten zur Abrechnung vorgelegt wurde, sind für die Zeit vom 15. bis 18. April 2013 „1 Übernachtung mit 3 Personen“ und „2 Übernachtungen mit 4 Personen“ berechnet. Der vom Kläger verauslagte Rechnungsbetrag wurde ihm von der Beklagten erstattet. Die Beklagte zahlte an den Kläger für den Monat April 2013 eine Auslösung in Höhe von 240,00 EUR (Lohnabrechnung für April 2013, Bl. 21 d. A.) auf der Grundlage eines von ihr ausgefüllten Stundenzettels für den Monat April 2013 (Bl. 20 d. A.), in dem unter der Rubrik „Übernachtung“ 24,00 EUR für den 17. April 2013 und 12,00 EUR für den 18. April 2013 eingetragen ist.

Mit Schreiben vom 03. Juni 2013 (Bl. 6 d. A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2013. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 11. Juni 2013 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Wegen des erstinstanzlichen wechselseitigen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 04. Dezember 2013 – 4 Ca 769/13 – verwiesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – beantragt
festzustellen, dass die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 03. Juni 2013 sozial ungerechtfertigt sind, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht bis zum 30. September 2013 beendet hat, dass dieses vielmehr ungekündigt über den vorgenannten Zeitpunkt hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 04. Dezember 2013 – 4 Ca 769/13 – hat das Arbeitsgericht Trier – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – der Kündigungsschutzklage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass der von der Beklagten gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf eines Spesenbetruges nicht gerechtfertigt sei. Dabei könne dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich seine Stundenzettel im Vorhinein ausfülle und erst im Nachhinein korrigiere und ob er die Beklagte eigens darüber informiert habe, vom 17. auf den 18. April 2013 nicht in der Ferienwohnung übernachtet zu haben. Unabhängig hiervon fehle es an der für einen Spesenbetrug erforderlichen vorsätzlichen Täuschung. Der Kläger habe unwider-sprochen vorgetragen, am 17. April einen Anruf seiner Ehefrau erhalten zu haben mit der Bitte, kurzfristig (unerwartet) nach Hause zu kommen, um sie und ihre Tochter zu trösten, weil der gemeinsame Hund habe eingeschläfert werden müssen. Wenn er dann die Spesenabrechnung so einreiche, wie die Übernachtungen ursprünglich geplant gewesen seien, sei zwar nicht auszuschließen, dass es sich insoweit um ein Handeln in vorsätzlicher rechtswidriger Bereicherungsabsicht gehandelt habe. Dies habe aber vor dem Hintergrund der spontan eingetretenen Sondersituation in der Familie des Klägers ferngelegen. Die Beklagte habe auch nicht näher begründet, warum ein Irrtum oder Versehen des Klägers vor dem Hintergrund dieser Ausnahmesituation ausgeschlossen sein solle und gerade ein vorsätzliches täuschendes Betrugsverhalten mit einer solchen Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein solle, dass der Vorwurf eines Spesenbetruges gerechtfertigt wäre. Es fehle an jeglichem ernsthaften Anhaltspunkt für ein täuschendes oder verheimlichendes Verhalten. Da der Vorwurf des Spesenbetruges mithin nicht in Betracht komme, sei auch die hilfsweise ordentliche Kündigung mangels verhaltensbedingten Kündigungsgrundes unwirksam. Ein dem Kläger vorzuwerfendes fahrlässiges Verhalten wäre vorrangig mit einer Abmahnung zu ahnden gewesen und nicht direkt mit einer Kündigung, so dass auch die ordentliche Kündigung unverhältnismäßig und damit unwirksam sei.

Gegen das ihr am 20. Januar 2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts vom 04. Dezember 2013 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 17. März 2014, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 20. März 2014 eingegangen, begründet.

Sie trägt vor, die rechtliche Bewertung des Arbeitsgerichts sei nach dem der Kündigung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht gerechtfertigt. Im Hinblick darauf, dass der Kläger unstreitig für den 17. April 2013 eine Übernachtung abgerechnet habe, komme es nicht darauf an, ob der Kläger den Bericht im Vorfeld oder nachträglich ausgefüllt habe. Insgesamt resultiere daraus nicht nur eine falsche Spesenabrechnung in Höhe von 12,00 EUR, sondern vielmehr in Höhe von 24,00 EUR, weil der Kläger bei ordnungsgemäßer Abrechnung für den 17. April 2013 wegen seiner Abwesenheit zwischen 14 und 24 Stunden nur 12,00 EUR und für den 18. April 2013 mangels Abwesenheit von 14 Stunden aufgrund seiner Heimfahrt keine Spesen erhalten hätte. Er habe damit sowohl für den 17. als auch für den 18. April 2013 jeweils 12,00 EUR Spesen zu viel erhalten. Die Heimfahrt sei weder mit ihr abgesprochen noch genehmigt gewesen. Der Kläger hätte vom 17. April 2013 bis zur Erstellung der Lohnabrechnung am 07. Mai 2013 die Möglichkeit gehabt, ihr die erforderliche Korrektur der Spesenabrechnung mitzuteilen. Selbst nach Erhalt der Lohnabrechnung habe der Kläger keine Korrekturmitteilung vorgenommen, sondern die Abrechnung so akzeptiert. Der Kläger habe sich auch nicht darauf verlassen dürfen, dass sie die erforderliche Korrektur selbst bemerken oder vornehmen würde, weil sie selbst anhand der Abrechnung der Ferienwohnung nicht darauf habe schließen können, warum eine Übernachtung mit lediglich drei Mitarbeitern abgerechnet worden sei. Es wäre dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, die geänderte Übernachtung mitzuteilen. Zwischen Einreichung der Spesenabrechnung und tatsächlicher Abrechnung der Spesen habe ebenfalls ausreichend Zeit bestanden, den Sachverhalt aufzuklären. Selbst nach Erhalt der Spesenabrechnung bis zum Bemerken des Spesenbetruges hätte der Kläger noch eine Korrektur veranlassen können. Der Kläger habe damit letztlich zwei Täuschungshandlungen begangen, weil er zum einen eine fehlerhafte Abrechnung eingereicht und zum anderen eine Aufklärung über den wahren Sachverhalt nach Abrechnung der Spesen unterlassen habe. Warum der Kläger am 17. April 2013 nach Hause gefahren sei, entziehe sich ihrer Kenntnis. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger aufgrund des Todes des Hundes habe nach Hause fahren müssen, um seine Tochter zu trösten. Dieses Vorgehen habe er nicht mit ihr abgestimmt. Soweit das Arbeitsgericht seinem Urteil zugrunde gelegt habe, dass der Kläger die Wochenberichte im Vorhinein ausgefüllt habe, sei dies zwar ihrer Ansicht nach nicht relevant, allerdings sei diese vom Kläger aufgestellte Behauptung als Schutzbehauptung zu werten. Falls der Kläger die Arbeitszeiten auf dem Arbeitszeitwochenbericht ordnungsgemäß ausgefüllt habe, sei ein Ausfüllen im Voraus überhaupt nicht möglich gewesen, weil er die anfallende Wochen-arbeitszeit der Mitarbeiter nicht habe vorhersehen können. Hätte das Arbeitsgericht die gesamten Umstände der streitgegenständlichen Spesenabrechnungen gewürdigt, hätte es den Vorsatz des Klägers bejahen und die Klage abweisen müssen. Sie habe erstmals am 24. Mai 2013 durch ein Gespräch ihres Geschäftsführers mit dem Mitarbeiter K.-H. S. von der möglichen Heimfahrt des Mitarbeiters erfahren. Per Telefonat habe sich ihr Geschäftsführer am 25. Mai 2013 bei dem weiteren Mitarbeiter, der mit dem Kläger auf der Baustelle gewesen sei, versichert, ob der Kläger wirklich am 17. April 2013 nach Hause gefahren sei. Mithin sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Es sei falsch, dass der Kläger ihrem Geschäftsführer mitgeteilt haben solle, er sei nach Hause gefahren. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers sei nicht hinreichend substantiiert, weil er nicht ausgeführt habe, wann und bei welcher Gelegenheit dies erfolgt sein solle. Es kommt auch nicht darauf an, ob und wie eine Heimfahrt üblicherweise gestattet werde. Dem Kläger sei gekündigt worden, weil er die nicht mitgeteilte Heimfahrt nicht in seiner Spesenabrechnung berücksichtigt habe. Für den vorliegenden Rechtsstreit sei auch nicht erheblich, wie mit dem Mitarbeiter St. abgerechnet worden sei. Sie verwahre sich gegen den Vorwurf, prozessbedingt abweichende Unterlagen eingereicht zu haben. Für die Unterstellung des Klägers gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Selbst wenn die erste Aprilwoche fehlerhaft abgerechnet worden wäre, rechtfertige dies nicht, dass der Kläger sich einen nach seiner Behauptung zu wenig ausbezahlten Betrag durch eine fehlerhafte Abrechnung zwei Wochen später jedenfalls teilweise ausgleiche. Sie müsse ihren Mitarbeitern bei der Erstellung der Abrechnungen vertrauen. Dieses Vertrauen habe der Kläger durch seine falschen Angaben missbraucht. Im Rahmen der Interessenabwägung sei insbesondere zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass er es auch nach der falsch eingereichten Abrechnung unterlassen habe, eine Korrektur zu veranlassen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sie sich bei der Abrechnung der auswärts erbrachten Tätigkeit auf die Angaben der Mitarbeiterabrechnungen verlassen müsse, weil diese in den Lohnabrechnungen umgesetzt würden. Daher rechtfertige auch eine einmalige falsche Abrechnung eine fristlose Kündigung des Klägers.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 04. Dezember 2013 – 4 Ca 769/13 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, entgegen der Behauptung der Beklagten habe er mitgeteilt, dass er an dem einen Tag nach Hause gefahren sei. Hierfür habe er auch keine Zustimmung einholen müssen, weil es seitens der Beklagten stets freigestellt gewesen sei, ob übernachtet oder die Fahrt nach Hause angetreten würde. Wenn er beispielsweise nicht übernachtet habe, sei ihm die Fahrzeit als Arbeitszeit gutgeschrieben worden, während bei Übernachtung Auslöse gezahlt worden sei. Für die Heimfahrt am 17. April 2013 und die Hinfahrt am 18. April 2013 habe er für sich keine Stunden als Arbeitszeit aufgeschrieben, weil er sich hierzu spontan auf den Notruf seiner Familie entschieden habe und nach Hause gefahren sei. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass er am 17. April 2013 nicht übernachtet habe. In der zur Abrechnung vorgelegten Rechnung der Ferienwohnung Z. sei ausdrücklich vermerkt, dass an zwei Nächten vier Personen und in einer Nacht nur drei Personen übernachtet hätten. Der Beklagten sei dabei ohne weitere Rückfrage klar gewesen, dass er bei dieser einen Nacht mit einer Übernachtung weniger gemeint gewesen sei, ansonsten hätte es nur einer kurzen telefonischen Nachfrage der Mitarbeiterin der Beklagten, die die Abrechnungen gemacht habe, bedurft, um eventuelle Unklarheiten zu beseitigen. So sei es auch in der vergangenen Zeit stets gemacht worden. Es habe jedoch keine Nachfragen gegeben. Dabei enthalte der Arbeitszeitwochenbericht vom 15. bis 18. April 2013 eine weitere fehlerhafte Eintragung, weil nämlich bei dem Mitarbeiter St. keinerlei Übernachtung angekreuzt sei. Auch dies habe ja mit der Übernachtungsrechnung so nicht übereinstimmen können. Gleichwohl sei davon auszugehen, dass der Mitarbeiter St. seine Auslösungen erhalten habe, weil es keinerlei Beschwerden von Herrn St. und auch keine weitere Nachfragen der Beklagten gegeben habe. Auch dies sei ein sicheres Indiz dafür, dass der Beklagten die tatsächlichen Umstände auch seiner Übernachtungen bekannt gewesen seien. Im Übrigen sei die Spesenabrechnung für April 2013 im Ergebnis nicht zu Lasten der Beklagten falsch gewesen, weil in der vorgelegten Abrechnung für den Monat April 2013 ein entsprechender Fehler in der ersten Aprilwoche enthalten sei, der den von ihm vorgelegten Einzelbelegen widerspreche. Anhand der von ihm für die Abrechnung April 2013 überlassenen Einzelbelege und Stundenzettel würde sich ergeben, dass die Abrechnung für die erste Woche im April 2013 von der Beklagten fehlerhaft vorgenommen worden sei. Entgegen der Darstellung der Beklagten habe er vorgetragen, dass er die vor Antritt der Woche bekannten und geplanten Übernachtungen im Vorhinein angekreuzt habe, während die angegebenen Arbeitsstunden im Nachhinein eingetragen worden seien, wenn die Arbeitszeit auch geleistet und erfasst gewesen sei. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass es nun einmal besondere, emotional aufwühlende Umstände gegeben habe, die ihn dazu bewogen hätten, seiner Familie zu helfen und entgegen der ursprünglichen Planung nach Hause zu fahren. Zudem sei das Ergebnis der Spesenabrechnung für den Monat April 2013 zutreffend. Er vermute sogar, dass die tatsächliche Spesenabrechnung der Beklagten seinem Vortrag entspreche und nur prozessbedingt eine andere Abrechnung vorgelegt worden sei. Da die Beklagte von ihm die Belege und die Information für die zutreffende Abrechnung der ersten Aprilwoche erhalten habe, habe sie entweder einen eigenen Fehler in der Abrechnung dieser Woche begangen oder nachträglich eine falsche Abrechnung erstellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b) und c) ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

Die Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die außerordentliche Kündigung und die hilfsweise ordentliche Kündigung sind unwirksam. Die Voraussetzungen von § 626 Abs. 1 BGB und § 1 Abs. 2 KSchG liegen nicht vor. Gemäß der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts, auf die gemäß § 69 Abs. 2  ArbGG Bezug genommen wird, kann im Streitfall nicht festgestellt werden, dass der Kläger in Bezug auf die in seinem Arbeitszeitwochenbericht angekreuzte, aber tatsächlich nicht erfolgte Übernachtung vom 17. auf den 18. April 2013 mit Täuschungsvorsatz gehandelt und nicht lediglich versehentlich eine falsche Angabe gemacht hat.

I. Die außerordentliche Kündigung ist nicht nach § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Ein erwiesener Spesenbetrug bildet an sich einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB. Ein Arbeitnehmer, der bei Spesenabrechnungen bewusst falsche Angaben macht oder deren Unrichtigkeit zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, verletzt in erheblicher Weise seine vertraglichen Pflichten. Ein Spesenbetrug kann selbst dann als Grund zur fristlosen Kündigung ausreichen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall und um einen geringen Betrag handelt (BAG 06. September 2007 – 2 AZR 264/06 – Rn. 23, NZA 2008, 636; BAG 11. Juli 2013 – 2 AZR 994/12 – Rn. 22, NZA 2014, 250). Der Arbeitgeber ist als Kündigender darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtiger Grund geeignet sein können. Den Kündigenden trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgrund ausschließen (BAG 06. September 2007 – 2 AZR 264/06 – Rn. 24, NZA 2008, 636 m.w.N.).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt es gemäß der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts an der für einen Spesenbetrug erforderlichen vorsätzlichen Täuschung.

Bewusstes und damit vorsätzliches Handeln ist von der Erklärung versehentlich falscher Angaben zu unterscheiden. Zwar liegt ein vorsätzliches Handeln bereits dann vor, wenn die Unrichtigkeit und der auf ihr beruhende rechtswidrige Erfolg für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird (BAG 11. Juli 2013 – 2 AZR 994/12 – Rn. 22, NZA 2014, 250). Im Streitfall lässt sich aber nicht feststellen, dass der Kläger es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass sein vorgelegter Arbeitszeitwochenbericht eine tatsächlich nicht erfolgte Übernachtung enthielte, dadurch eine Täuschung über die zu zahlende Auslösung hervorgerufen und eine ihm nicht zustehende Auslösung gezahlt würde.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er im Arbeitszeitwochenbericht die für ihn im Vorhinein bestellten Übernachtungen bereits eingetragen gehabt und die tatsächlichen Stunden erst nach Ende der Arbeitswoche nachgetragen habe. An dem 17. April 2013 habe er jedoch einen Anruf seiner Ehefrau erhalten, dass der Hund der Familie habe eingeschläfert werden müssen, woraufhin er sich kurzfristig entschieden habe, an diesem Abend nach Hause zu fahren, um seiner Familie Beistand zu leisten. Die Beklagte hat diese Einlassung des Klägers zwar mit Nichtwissen bestritten, nicht aber unter Beweisantritt widerlegt. Der Umstand, dass der Kläger nach seiner unwiderlegten Einlassung entgegen seiner ursprünglichen Planung kurzfristig aufgrund des Anrufs seiner Ehefrau am 17. April 2013 nach Hause gefahren war, spricht dafür, dass er es lediglich versehentlich versäumt hat, die im Vorhinein bestellte und eingetragene Übernachtung wieder zu korrigieren. Weiterhin hat der Kläger unstreitig die von ihm bezahlte Rechnung der Ferienwohnung vom 17. April 2013 der Beklagten zur Erstattung vorgelegt, in der ausdrücklich für die Zeit vom 15. bis 18. April 2013 eine Übernachtung mit drei Personen und zwei Übernachtungen mit vier Personen ausgewiesen sind. Danach ist die an einem Tag nicht erfolgte Übernachtung des Klägers bei der von ihm bezahlten Rechnung für die Ferienwohnung berücksichtigt worden. Der Kläger hat diese Rechnung vom 17. April 2013, die offen aufweist, dass an einem Tag nur drei der vier Mitarbeiter übernachtet haben, der Beklagten zur Erstattung vorgelegt. Die nicht auf Verheimlichung angelegte Vorgehensweise des Klägers, der mit der von ihm bezahlten und der Beklagten zur Erstattung vorgelegten Rechnung offen gelegt hat, dass eine Übernachtung weniger – als ursprünglich geplant und bestellt – erfolgt war, spricht ebenfalls dafür, dass er eine Täuschung und Schädigung der Beklagten nicht für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Im Hinblick darauf, dass der vom Kläger als Polier vorgelegte Arbeitszeitwochenbericht für den Mitarbeiter St. überhaupt keine Eintragungen hinsichtlich einer Übernachtung enthält und die vorgelegte Rechnung der Ferienwohnung eine Übernachtung mit drei anstatt vier Personen ausgewiesen hat, konnte die Beklagte bei Vornahme der Abrechnung ohne Rückfragen ohnehin nicht davon ausgehen, dass bei allen vier Mitarbeitern in der Zeit vom 15. bis 18. April 2013 die geplanten drei Übernachtungen stattgefunden haben. Der von der Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgelegte „Stundenzettel“ für den Monat April 2013, in dem für den 17. unter der Rubrik „Übernachtung“ ein Betrag in Höhe von 24,00 EUR und für den 18. ein Betrag in Höhe von 12,00 EUR eingetragen ist, wurde nicht vom Kläger, sondern von Seiten der Beklagten erstellt. Im Streitfall kann nicht unterstellt werden, dass der Kläger nach Erhalt der Lohnabrechnung für den Monat April 2013, die eine Auslösung in Höhe von 240,00 EUR ausweist, die Möglichkeit erkannt und billigend in Kauf genommen hat, dass er für den 17. bzw. 18. April 2013 eine zu hohe Auslösung erhalten hat. Im Hinblick darauf, dass es sich um einen nur geringen Betrag handelt, spricht mehr dafür, dass dem Kläger nicht aufgefallen ist, dass er aufgrund einer fehlerhaft angekreuzten Übernachtung an einem Tag eine zu hohe Auslösung erhalten haben könnte.

Hinzu kommt noch, dass der Kläger unwiderlegt vorgetragen hat, dass der von der Beklagten vorgelegte Stundenzettel für die erste Woche insoweit falsch sei, als dort nur für den 02. und 03. April jeweils 12,00 EUR Auslösung vermerkt sei, weil er vom 02. auf den 03. und vom 03. auf den 04. April 2013 übernachtet habe, so dass ihm für diese Woche 48,00 EUR anstatt 24,00 EUR Auslösung zugestanden habe, mithin genau diejenige Differenz von 24,00 EUR, die für die Woche vom 15. bis 18. April 2013 nach dem von der Beklagten vorgelegten Stundenzettel zu viel vermerkt worden ist (jeweils 12,00 EUR zu viel für den 17. und 18. April). Danach wäre die Abrechnung der Auslösung für den Monat April 2013 mit einem Betrag in Höhe von 240,00 EUR sogar im Ergebnis richtig gewesen, so dass der Kläger erst Recht keine Veranlassung gehabt hätte, auf eine Korrektur der an ihm gezahlten Auslösung in Höhe von 240,00 EUR für den Monat April 2013 hinzuwirken.

Unabhängig davon lässt sich aufgrund der oben dargestellten Vorgehensweise des Klägers jedenfalls nicht feststellen, dass er bei oder nach der Abgabe des Arbeitszeitwochenberichts tatsächlich damit gerechnet hat, dass er damit eine falsch angekreuzte Übernachtung angegeben hat und dadurch eine Täuschung über die ihm zu zahlende Auslösung mit der Folge hervorrufen würde, dass eine ihm nicht zustehende Abrechnung und Zahlung erfolgt.

Mithin ist die außerordentliche Kündigung mangels wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

II. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam, weil sie nicht aus verhaltensbedingten Gründen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

Das Kündigungsschutzgesetz findet gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG Anwendung. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung u.a. dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung zukünftig nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen – wie etwa eine Abmahnung – von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 11. Juli 2013 – 2 AZR 994/12 – Rn. 20, NZA 2014, 250).

Im Hinblick darauf, dass sich gemäß den obigen Ausführungen eine vorsätzliche Täuschung der Beklagten durch den Kläger nicht feststellen lässt, hätte es vor Ausspruch einer Kündigung wegen der dem Kläger vorgeworfenen Vorlage eines fehlerhaften Arbeitszeitwochenberichts einer einschlägigen Abmahnung des Klägers bedurft. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts ist mithin auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung unverhältnismäßig und damit unwirksam.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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