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Reduzierung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit Null

LAG Baden-Württemberg – Urteil vom 03.05.2021 – Az.: 9 Sa 1/21

Amtliche Leitsätze:

1. Jedenfalls eine vertragliche Vereinbarung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer über „Kurzarbeit Null“ führt zu einer quotalen Reduzierung des Jahresurlaubsanspruchs des Arbeitnehmers nach den Berechnungsregeln im Urteil BAG vom 19. März 2019 (9 AZR 315/17).

2. Eine vertragliche Vereinbarung in diesem Sinne ist auch eine wirksame Betriebsvereinbarung über die Einführung von „Kurzarbeit Null“.


1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen vom 19.01.2021, Az.: 3 Ca 194/20 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Reduzierung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit Null
(Symbolfoto: Von Robert Kneschke/Shutterstock.com)

Die Parteien streiten über den Umfang des Urlaubsanspruchs des Klägers für das Jahr 2020, insbesondere darüber, ob sich dieser durch Tage mit völligem Arbeitsausfall durch Kurzarbeit (Kurzarbeit Null) auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung verringert hat.

Der Kläger ist auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26.03.2020 als Mitarbeiter in der Dreherei bei der Beklagten beschäftigt. Das monatliche Bruttoentgelt beträgt 3.550,86 EUR. Der Urlaub beträgt derzeit bei 5 Arbeitstagen pro Woche 30 Arbeitstage je Kalenderjahr gemäß § 6 des Arbeitsvertrages.

In der Folgezeit hat die Beklagte den Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2020 im Umfang von 23 Tagen erfüllt. Einen weitergehenden Anspruch hat die Beklagte wegen der Kurzarbeit Null des Klägers als nicht entstanden bestritten. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 2 des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Im Arbeitsvertrag vom 23./26.03.2018 (vom Kläger als Anlage K1 erstinstanzlich vorgelegt) haben die Parteien unter § 3 Arbeitszeit in Absatz 4 vereinbart:

 „Der Arbeitgeber ist berechtigt, Kurzarbeit (vgl. derzeit §§ 95ff. SGB III) im Rahmen der tariflichen Bestimmungen einseitig anzuordnen, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt ist. Dabei ist die Belegschaft mit einer kollektiven Ankündigungsfrist von 3 Wochen zum Wochenschluss über die Durchführung von Kurzarbeit im Betrieb zu informieren. Der Arbeitgeber ist ferner berechtigt, nach Maßgabe anderer gesetzlicher oder tarifvertraglicher Bestimmung eine vorübergehende Absenkung der Arbeitszeit anzuordnen. In den in Ziffer 4 und 5 genannten Fällen vermindern sich Arbeitszeit und Arbeitsentgelt des Beschäftigten entsprechend.“

Ferner haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 23./26.03.2018 unter „§ 2 Geltung von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsanweisungen“ vereinbart:

 „Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Betrieb räumlich und fachlich geltenden mit der IG Metall vereinbarten Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung, sofern der Beschäftigte jeweils unter den persönlichen Anwendungsbereich fällt. …

Die mit dem Betriebsrat getroffenen Betriebsvereinbarungen sowie alle gültigen Richtlinien und Arbeitsanweisungen sind Bestandteil des Anstellungsvertrages (…).“

Mit Betriebsvereinbarung vom 30.03.2020 haben die Betriebsparteien ab dem 2.4.2020 Kurzarbeit eingeführt. Es wurde in § 1 der BV die Geltung für alle Arbeitnehmer bei der Beklagten vereinbart. Damit ist auch der Kläger vom Geltungsbereich erfasst. Die Betriebsvereinbarung lautet auszugsweise:

 „§ 2 Beginn und Umfang der Kurzarbeit, Verteilung der Arbeitszeit

Für die Zeit vom 06. April 2020 bis 31. Mai 2020 wird Kurzarbeit eingeführt

Die Betriebsparteien verständigen sich

  • welche Abteilung
  • in welchem Umfang von Kurzarbeit betroffen sein wird, welche Arbeitnehmer der betroffenen Abteilungen ggf. von der Einbeziehung ausgenommen werden,
  • und wie die verringerte Wochenarbeitszeit verteilt wird.

Stichtag der Abrede für die Kurzarbeit Mai (Plan) ist der 22.04.2020.

Die Kurzarbeitspläne sind von den Betriebsparteien zu unterzeichnen und werden Teil dieser Betriebsvereinbarung (Eine Veröffentlichung des Gesamt-Plans findet nicht statt, aber die Verkündung an die jeweils betroffenen im relevanten Umfang).

Die Einführung der Kurzarbeit wird unter die Bedingung gestellt, dass die Agentur für Arbeit das Kurzarbeitergeld zahlt.

§ 3 Veränderung und Beendigung der Kurzarbeit

Verbessert sich die Situation, kann die Kurzarbeit mit Zustimmung des Betriebsrates beendet oder der Umfang der Kurzarbeit geändert werden.

Besteht die Notwendigkeit, die Kurzarbeit zu verlängern, bedarf es der erneuten Vereinbarung mit dem Betriebsrat unter Beachtung der tariflichen Ankündigungsfristen.

Ist in Eil- oder Notfällen oder sonstigen betriebsbedingten Gründen die Überschreitung der Kurzarbeit notwendig, bedarf es hierzu einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat.

Eine Unterbrechung, Ausweitung, Verlängerung oder vorzeitige Beendigung der Kurzarbeit Ist nur mit Zustimmung des Betriebsrats möglich.“

Die Betriebsvereinbarung und ihre Ergänzungen wurde mehrfach verlängert, so durch Betriebsvereinbarung (Anl. K7) ohne Datum bis zum 30.6.2020 und durch weitere Betriebsvereinbarung ohne Datum (Anl. K8) bis zum 31.7.2020, durch weitere Betriebsvereinbarung ohne Datum (Anl. B 7) bis zum 31.12.2020 sowie durch weitere Betriebsvereinbarung ohne Datum (Anl. B 8) bis zum 31.1.2021.

Gleichzeitig wurden Änderungen in § 2 vorgenommen (Anl. B 4, B 5 und B 6).

„In der Verwaltung kann der Arbeitgeber ohne weitere Rückmeldung an den Betriebsrat die KUG Pläne anpassen um flexibel agieren zu können (Nachtwächterfunktion). Die Änderungen werden dem Gremium nachgereicht.

Für die Produktion werden Planänderungen an den BR weitergeleitet (Abstimmung mit dem Gremium, Ansprechpartner Herr M.).

Die Ankündigung für ein Zurückholen zur Arbeit soll (Ausnahme bei Krankheit) am Vortag (bis 12 Uhr) erfolgen. Bei Mitarbeitern mit kleinen Kindern — jünger als 12 Jahre – ohne Möglichkeit der Betreuung wird diese Frist auf 3 Tage verlängert.“

Ab Ende April 2020 wurde, nachdem die Betriebsparteien durch entsprechende Änderungsvereinbarung (Anl. B4) eine Flexibilisierung des Verfahrens vereinbart hatten, wie folgt vorgegangen:

Es wurde nach wie vor ein monatlicher Kurzarbeitsplan durch die Beklagte vorbereitet. Dabei ging die Beklagte in Vorbereitung zur Erstellung dieses ersten Plans wie folgt vor: Zunächst ermittelten die verantwortlichen Vertriebsleiter Frau G., Leiterin Vertriebsinnendienst und Herr M1, Vertriebsleiter, den Umfang der anstehen Kundenaufträge. Aufgrund dieser Informationen wurden durch den Produktionsleiter B. und den Leiter der Arbeitsvorbereitung F. Umsatzerwartung, Bestellungen und Material geplant, um den Arbeitsausfall bezogen auf die einzelnen Abteilungen und Mitarbeiter planen zu können. Um hier kurzfristige unvorhersehbare Ereignisse auszuschließen, wurden Kunden gedrängt, der Beklagten bereits im Voraus ihre monatlichen Bestellungen zu erteilen. Sobald diese bekannt und ausgerechnet war, welche Kurzarbeitsquote erforderlich und welcher Arbeitsbedarf bestand, wurde diese Planung an die Führungskräfte (siehe ABl. 75) mitgeteilt.

Die Führungskräfte haben dann auch orientiert an den Interessen, Bedürfnissen und Wünschen der einzelnen Arbeitnehmer feingeplant. Bei dieser Detailplanung wurden zum Beispiel dem Erfordernis von Kinderbetreuung, eigener Privatprojekte der Arbeitnehmer wie im Falle des Klägers der Neubau eines Eigenheims oder dem Gesundheitszustand einzelner Mitarbeiter Rechnung getragen. Dementsprechend wurde die monatliche Kurzarbeit in ihrer Abteilung „verfeinert“ und etwa die Pläne so gestaltet, dass „Kurzarbeit- Null“ -Tage oft zusammenhängend gewährt wurden. Diese Pläne wurden dann der Personalabteilung vorgelegt.

Die so entstandene Planung wurde vor Ende des Vormonates dem Betriebsrat, i.d.R. der letzte Mittwoch des Monats, übergeben. Dann berieten die Betriebsparteien gemeinsam. Das Ergebnis dieser Beratungen, also der fertige Monatsplan, wurde dann wieder an die genannten Führungskräfte sowie dem Leiter des Spritzgusses, dem Leiter Werkzeugbau und Konstruktion, dem Leiter Wartung und Instandhaltung, und dem Leiter des Sauberraums mitgeteilt. Der Kurzarbeitsplan für den kommenden Monat über Aushang, per E-Mail und die jeweiligen Fachvorgesetzten bekannt gegeben.

Es kam trotz dieser umsichtigen Planung gelegentlich zu Änderungen der monatlichen Kurzarbeitsplan, zum einen wegen krankheitsbedingten Ausfällen von Arbeitnehmern, die durch Arbeitnehmer ersetzt wurden, die eigentlich Kurzarbeit Null gehabt hätten, und zum anderen durch kurzfristige Kundenanfragen. In diesen Fällen wurden die Mitarbeiter mit einem Zeitvorlauf von ein bis drei Tagen gebeten, statt Kurzarbeit Null zur Arbeit zu kommen oder Kurzarbeitstage zu verschieben. Diese Änderungen erfolgten nur im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitarbeiter und wurden nicht einseitig gegen den Willen des Mitarbeiters angeordnet.

Solche einvernehmlichen Änderungen oder einvernehmliche Verschiebungen wurden dem Betriebsratsvorsitzenden nur mitgeteilt, da man sich mit dem Betriebsrat für diese Fälle auf ein „Vetorecht“ geeinigt hatte. Größere Änderungen wie etwa Einbringung ganzer Abteilungen in Kurzarbeit wurden dem BR-Vorsitzenden mitgeteilt. Dieser konnte dann zustimmen, ablehnen oder das Gremium kontaktieren. Auf diese Weise wurden bei der Festlegung der Kurzarbeit auch die Arbeitnehmerinteressen wie Gleichbehandlung und spezielle Terminwünsche bei der Lage der Tage ohne Arbeitspflicht berücksichtigt.

In der Regel wurde jedoch die derart aufgestellte monatliche Planung auch entsprechend umgesetzt. In wenigen, seltenen Fällen wurde davon abgewichen. Der Kläger baute in 2020 sein eigenes Haus und bat im Juni 2020 um die Verschiebung der Kurzarbeit Null Tage. Hierzu im Einzelnen:

Die vom ursprünglich für den 20. April 2020 geplante Kurzarbeit Null wurde auf den 27. April 2020 verschoben. Dies wurde am 18. April 2020 zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten Herrn B. vereinbart. Die ursprünglich für den 15. und 16. Juni 2020 geplante Kurzarbeit wurde auf Wunsch des Klägers, der in dieser Zeit Eigenleistungen bei seinem Hausbau vornehmen wollte, auf den 8. und 9. Juni 2020 vorverlegt. Diese Änderung wurde am 04.06.20 der Personalabteilung mitgeteilt, die Kommunikation zwischen dem Kläger und Herrn B. erfolgte zuvor. Die ursprünglich am 26. August 2020 geplante Kurzarbeit wurde zwischen den Parteien einvernehmlich auf den 19. August 2020 vorverlegt. Diese Verschiebung teilte Herr B. am 19.08.2020 nach der Vereinbarung mit dem Kläger der Personalabteilung mit.

Der Kläger hat im Jahr 2020 insgesamt 79 volle Arbeitstage wegen Kurzarbeit Null keine Arbeitsleistung erbracht (wegen der Einzelheiten wird auf Abl. 34 der arbeitsgerichtlichen Akte und die dortige Aufstellung Bezug genommen).

Der Kläger hat diesen Vortrag der Beklagten ausdrücklich unstreitig gestellt.

Aufgrund dessen geht die Beklagte davon aus, dass sich der Jahresurlaubsanspruch des Klägers im Hinblick auf die durch Kurzarbeit Null zusätzlichen arbeitsfreien Tage im Verhältnis zur verringerten Anzahl von Tagen mit Arbeitspflicht im Jahr 2020 proportional kürzt und dem Kläger daher lediglich für das Jahr 2020 23 Urlaubstage zustehen, die erfüllt seien.

Demgegenüber ist der Kläger der Auffassung, dass der kalenderjährliche Urlaubsanspruch unbeschadet der Kurzarbeit Null besteht und sich nicht verringert habe.

Der Kläger hat nach Klageänderung mit Zustimmung der Beklagten zuletzt beantragt:

Es wird festgestellt, dass dem Kläger aus dem Kalenderjahr 2020 noch ein Anspruch auf 7 Tage Erholungsurlaub gegen die Beklagte zusteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt zur Begründung vor, der Urlaubsanspruch des Klägers berechnet sich angesichts von 79 Tagen mit Kurzarbeit Null wie folgt:

[30 Werktage Urlaub X (Anzahl der individuellen Tage mit Arbeitspflicht (Anzahl Arbeitstage im Vollzeit Arbeitsverhältnisse -79 Tage Kurzarbeit Null)] dividiert durch 260 Arbeitstage

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Sie sei zwar zulässig, weil der Feststellungsantrag zur Klärung der Streitigkeiten der Parteien geeignet sei, aber unbegründet. Auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. März 2019, 9 AZR 315/17 reduziere sich der Urlaubsanspruch entsprechend der von der Beklagten vorgenommenen Berechnung, weil der Kläger nicht an allen Arbeitstagen des Jahres 2020 gearbeitet habe, sondern 79 Arbeitstage für ihn wegen der angeordneten Kurzarbeit Null arbeitsfrei gewesen sind.

Gegen das dem Klägervertreter am 20.1.2021 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil vom 19.1.2021 hat dieser fristgerecht am 21.1.2021 per beA mit qualifizierter elektronischer Signatur Berufung einlegt und diese sodann ebenfalls fristgerecht mit Schreiben vom 2.2.2021, qualifiziert elektronisch signiert, begründet.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, der Vortrag der Beklagten sei zwar ausnahmslos zutreffend, nicht jedoch die daraus gezogenen rechtlichen Schlüsse. Durch die 79 Tage Kurzarbeit Null reduziere sich der Urlaubsanspruch des Klägers nicht. Die vom Arbeitsgericht herangezogene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei nicht einschlägig, weil es sich hierbei um fest vereinbarte Zeiträume der Kurzarbeit gehandelt habe. Zudem ergebe sich daraus nur, dass eine Reduzierung des Urlaubsanspruchs nicht Union rechtswidrig sei. Aus dem deutschen Urlaubsrecht ergeben sich jedoch Abweichungen zugunsten des Arbeitnehmers. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.3.2019 lasse sich entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes nicht auf den Streitfall übertragen. Ein Sonderurlaub sei eine einvernehmliche Regelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, während die Einbeziehung des Arbeitnehmers in Kurzarbeit zwangsweise und gegen seinen Willen erfolge. Ein wesentlicher Unterschied sei, dass die durch Kurzarbeit einseitig aufgezwungene Freizeit nicht planbar sei und gegebenenfalls auch kurzfristig beendet werden könne. Zudem sei gerade für das Jahr 2020 geregelt worden, dass Arbeitnehmer Urlaub zur Vermeidung von Kurzarbeit nicht einzubringen hätten. Durch die Entscheidung des Arbeitsgerichtes würde das geradezu ins Gegenteil verkehrt. Die Beschäftigten müssten zwar ihre Urlaubsansprüche nicht einbringen, um Kurzarbeit zu verhindern, würden dann allerdings durch die Kurzarbeit wiederum Urlaubsansprüche verlieren. Zudem sei es widersinnig, dass von den 79 Arbeitstagen ohne Arbeitspflicht sieben auf den Urlaub angerechnet würden, 23 aber nicht. Zudem unterliege der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Meldepflichten und könne sich so, anders als bei Erholungsurlaub nicht erholen. Zudem würde der Kläger schlechter gestellt als die Bezieher von Arbeitslosengeld 1. Auch erfolge eine Ungleichbehandlung zwischen den Arbeitnehmern, die ihren Urlaub bereits vor Beginn der Kurzarbeit vollständig genommen hätten und den Arbeitnehmern, deren Urlaubsansprüche für das laufende Kalenderjahr noch nicht erfüllt seien.

Der Kläger beantragt daher: Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen vom 19.01.2021 (Az: 3 Ca 194/20) wird festgestellt, dass dem Kläger/Berufungskläger aus dem Kalenderjahr 2020 noch ein Anspruch auf 7 Tage Erholungsurlaub gegen die Beklagte/ Berufungsbeklagte zusteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und verweist darauf, dass die Kurzarbeit Null hier nicht einseitig ohne Einbeziehung des Arbeitnehmers angeordnet worden sei, sondern auf einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien in § 3 Abs. 4 des Arbeitsvertrages beruhe. Zudem seien die freien Tage für den Kläger auch nutzbar und planbar gewesen. So habe er sie genutzt, sein Haus zu renovieren. Der Kläger habe sich während dieser Zeit auch nicht „im Stand-by“ befunden, denn der Rückruf aus der Kurzarbeit sei in der Betriebsvereinbarung nur unter engen Voraussetzungen überhaupt möglich gewesen. Auch die Meldepflichten während der Kurzarbeit Null führt nicht dazu, weil der Kläger sich habe sicher sein können, dass er nicht zur Arbeitsleistung herangezogen werde.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Parteien haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO erteilt. Das Gericht hat im schriftlichen Verfahren entschieden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist an sich nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft, da die nötige Beschwer erreicht ist. Die Berufung ist auch innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden. Berufungsschrift und Berufungsbegründung genügen den Formerfordernissen der §§ 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 2 und 3 ZPO i.V.m. § 130a ZPO.

Die Berufungsbegründung setzt sich in ausreichendem Maße im Sinne von § 520 Abs. 3 ZPO mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil auseinander. Die Berufung ist daher zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet und war daher zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden und die Klage mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen.

1. Die Klage ist zulässig. Davon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Das notwendige Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO liegt vor. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihm für das Jahr 2020 noch 7 weitere Tage Urlaub zustehen. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (statt vieler: BAG, Urt. v. 20. 3.2012 − 9 AZR 529/10, NZA 2012, 803, beck-online). Der Kläger kann den Urlaub ggf. in natura nachgewährt verlangen.

2. Die Klage ist aber, wie vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt, unbegründet.

a) Der dem Kläger nach § 3 BUrlG i.V.m. § 6 des Arbeitsvertrages zustehende Urlaubsanspruch für das Jahr 2020 ist durch die Gewährung von 23 Urlaubstagen erfüllt; ihm stehen daher keine weiteren 7 Tage Urlaub zu.

Daher wird zunächst vollumfänglich auf die Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Insbesondere hat das Arbeitsgericht zutreffend auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. März 2019, 9 AZR 315/17, zutreffend entschieden, dass sich der Jahresurlaubsanspruch des Klägers von 30 Arbeitstagen aus dem ursprünglich bestehenden Vollzeitarbeitsverhältnis proportional kürzt um das Verhältnis der für den Kläger individuell maßgeblichen Anzahl von Tagen mit Arbeitspflicht im Kalenderjahr im Verhältnis zur Zahl der Arbeitstage in einem Vollzeitarbeitsverhältnis. Die Kürzung tritt von Gesetzes wegen ein (so auch ErfK/Gallner, 21. Aufl. § BUrlG, Rn 23).

Das hat bereits das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 12. März 2021 – 6 Sa 824/20) überzeugend dargelegt; auf dieses Urteil wird ebenfalls Bezug genommen.

b) Der vorliegende Fall gibt auch keinen Grund, von diesen Grundsätzen abzuweichen.

Ob diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes uneingeschränkt auf jeden Fall anzuwenden ist, in dem der Arbeitnehmer von Kurzarbeit Null betroffen ist, mag insoweit infrage zu stellen sein, als das Bundesarbeitsgericht in den Entscheidungen vom 19. März 2019 (9 AZR 315/17) und vom 24. September 2019 (9 AZR 481/18, Rz. 26 am Ende) davon ausgegangen ist, dass eine Verringerung oder Erhöhung der Tage mit Arbeitspflicht aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien erfolgt. So heißt es dort beispielsweise: Die Arbeits- und die Freistellungsphase sind dabei gleichermaßen entsprechend der vertraglich vorgesehenen Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht zu berücksichtigen.

Auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Dicu spricht davon, dass der Arbeitnehmer willentlich die Aufhebung ihrer Arbeitspflicht herbeigeführt hat (EuGH v. 4.10.2018 – C-12/17, NZA 2018, 1323 Rn. 31 ff. – Dicu, Rn 35). So führt doch das Bundesarbeitsgericht aus, „diese Berechnung des Urlaubsanspruchs steht mit Unionsrecht grundsätzlich im Einklang. Weder Art. 7 I der RL 2003/88/EG noch Art. 31 II GRCh verlangen es im Fall eines allein auf Wunsch des Arbeitnehmers vereinbarten unbezahlten Sonderurlaubs, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub für die Zeiten unbezahlten Sonderurlaubs nach der suspendierten Arbeitspflicht zu berechnen und damit den Sonderurlaub einem Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung gleichzustellen (vgl. EuGH, ECLI:EU:C:2018:799, Rn. 28 – Dicu).

Die Frage, ob eine Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit Null auch dann eintritt, wenn diese dadurch verursachte Verringerung der Zahl der Tage mit Arbeitspflicht nicht wenigstens einverständlich mit dem Arbeitnehmer erfolgt, sondern beispielsweise durch eine einseitige Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber aufgrund entsprechender vertraglicher Klauseln, braucht hier jedoch ebenso wenig wie im Fall des LAG Düsseldorf (aaO.) entschieden zu werden.

aa) Soweit der Kläger vorliegend vorgetragen hat, es mache einen Unterschied, ob die Reduzierung der Tage mit Arbeitspflicht aufgrund einer einvernehmlichen Vereinbarung der Parteien eingetreten sei oder ob – wie vorliegend – dem Kläger die Kurzarbeit einseitig aufoktroyiert worden sei, mag das im Sinne der vorliegenden Ausführungen relevant sein, trifft jedoch im vorliegenden Fall nicht zu.

Anders als vom Kläger behauptet, ist ihm die Kurzarbeit nicht „aufoktroyiert“ worden. Vielmehr ist die Kurzarbeit Null aufgrund einer kollektivrechtlichen Vereinbarung, bei der auch der Kläger durch den diese Vereinbarung abschließenden Betriebsrat vertreten worden ist, zustande gekommen und diese Betriebsvereinbarung ist einer einvernehmlichen Regelung zwischen den Arbeitsvertragsparteien über die Einführung von Kurzarbeit gleichzusetzen.

bb) Im vorliegenden Fall ist die Kurzarbeit zum einen durch die im Tatbestand dargestellten Betriebsvereinbarungen und die jeweils zwischen den Betriebspartnern vereinbarten Kurzarbeitspläne in diesem Sinne einvernehmlich zustande gekommen. Zwar hat der Kläger selbst nicht ausdrücklich der Reduzierung seiner Arbeitstage im Sinne von Kurzarbeit Null zugestimmt. Ob eine konkludente Zustimmung zur Kurzarbeit Null darin zu sehen ist, dass der Kläger Wünsche über die zeitliche Lage der Kurzarbeit Null geäußert hat, auf die die Beklagte dann noch eingegangen ist, damit der Kläger Arbeiten an seinem Haus vornehmen konnte, kann dahingestellt sein.

Jedenfalls sind die Tage mit Arbeitspflicht für den Kläger mit normativer Wirkung durch die abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen – und nicht einseitig durch Weisung der Beklagten – reduziert worden. Insofern hat die Beklagte nicht einseitig – möglicherweise gegen den Willen des Klägers – Kurzarbeit Null angeordnet, sondern die Arbeitspflicht des Klägers ist aufgrund einer vertraglichen Regelung, die normativ auf den Arbeitsvertrag des Klägers einwirkt, nämlich die abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen, nach § 77 Abs. 4 BetrVG reduziert worden. Zumindest eine solche normative Reduzierung der Tage mit Arbeitspflicht steht jedenfalls einer vertraglichen Vereinbarung der Reduzierung der Tage mit Arbeitspflicht gleich.

cc) Die Betriebsvereinbarungen sind auch wirksam. Abgesehen davon, dass der Kläger selbst ihre Wirksamkeit nicht infrage stellt gibt es für eine mögliche Unwirksamkeit auch keine Anhaltspunkte. Die Betriebsvereinbarungen genügen den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 18. November 2015 (5 AZR 491/14) aufgestellt hat. Sie regeln Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Regelung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit – nämlich durch die Regelung von arbeitsfreien Tagen mit Kurzarbeit Null – sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer, die sich aus der jeweiligen Kurzarbeitsplanung ergibt, die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat entsprechend der Ausgangsbetriebsvereinbarung nochmals verhandelt und vereinbart wird. So wird auch die Auswahl der von der Kurzarbeit konkret betroffenen Arbeitnehmer nach § 2 der BV Kurzarbeit („Die Kurzarbeitspläne sind von den Betriebsparteien zu unterzeichnen und werden Teil dieser Betriebsvereinbarung“) ausdrücklich schriftlich vereinbart und entfaltet damit normative Wirkung.

c) Auch die weiteren Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung führen zu keiner anderen Beurteilung:

aa) Die Berufung führt aus, das Arbeitsgericht habe selbst zutreffend gesehen, dass § 3 Abs. 1 BUrlG eine Verknüpfung von Arbeitspflicht und Urlaubstagen nicht ausdrücklich regele. Jedoch ist mittlerweile geklärt, dass § 3 Abs. 1 BUrlG die Zahl der Urlaubstage ausgehend vom Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs in Abhängigkeit von der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht bestimmt (BAG v. 03.12.2019 – 9 AZR 33/19 – Rn. 11).

bb) Die Berufung führt weiter aus, dass sich der Kläger mit seiner Klage vorwiegend nicht auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch, sondern auf den arbeitsvertraglich vereinbarten – höheren – Urlaubsanspruch stützt.

(1) Das ist jedoch ebenfalls unerheblich, weil die Grundsätze des § 3 Abs.1 BUrlG mangels einer abweichenden vertraglichen oder tarifvertraglichen Regelung für den gesamten Erholungsurlaub gelten.

(2) Derartige günstigere Vereinbarungen zugunsten des Klägers bestehen nicht. Zwar beruft sich der Kläger in seiner Berufung auf das arbeitsrechtliche Günstigkeitsprinzip, wonach die vertragliche Vereinbarung von 30 Urlaubstagen im Kalenderjahr eine abweichende günstigere Regelung darstellt. Dem ist aber nicht so, denn auch im Arbeitsvertrag wird ausdrücklich klargestellt, dass die Zahl von 30 Urlaubstagen im Kalenderjahr für eine Fünftagewoche vereinbart wird. Der Kläger hat allerdings aufgrund der Reduzierung der Tage mit Arbeitspflicht nicht mehr in der Fünftagewoche gearbeitet, sondern nur noch eine geringere Zahl von Arbeitstagen pro Woche.

(3) Eine Konkurrenz zwischen der Betriebsvereinbarung und dem arbeitsvertraglichen Urlaubsanspruch besteht im Übrigen nicht, denn die Betriebsvereinbarung enthält keinerlei Regelung zum Urlaub. Vielmehr ergibt sich die Reduzierung des Jahresurlaubsanspruchs des Klägers aus allgemein urlaubsrechtlichen Grundsätzen. Insoweit kann sich der Kläger nicht auf das Günstigkeitsprinzip berufen, weil die Betriebsvereinbarung nicht von seinen arbeitsvertraglichen Regelungen bezüglich des Urlaubs abweicht.

(4) Dass die Betriebsvereinbarung über die Kurzarbeit für ihn nicht maßgeblich sei, weil in seinem Arbeitsvertrag ein Vollzeitarbeitsverhältnis vereinbart ist, trägt der Kläger selber nicht vor. Dem wäre auch nicht so. Eine Änderung der Arbeitsverträge hinsichtlich der Arbeitszeit und der Lohnzahlungspflicht für die Dauer der Kurzarbeitsperiode ohne Rücksicht auf den Willen der Arbeitnehmer kann durch eine förmliche Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 2 BetrVG herbeigeführt werden. Sie wirkt gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse ein (vgl. BAG, Beschluss vom 21. November 1978 – 1 ABR 67/76 – AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu III 4 der Gründe; BAG, Urteil vom 14. Februar 1991 – 2 AZR 415/90 –, Rn. 34, juris;). Ein Arbeitnehmer, der die Möglichkeit ausschließen will, dass er durch Betriebsvereinbarung in Kurzarbeit „geschickt wird“ muss dies daher in seinem Arbeitsvertrag unmissverständlich vereinbaren (Fitting, § 77 BetrVG Rz 63).

cc) Die Berufung weist zwar weiter zutreffend darauf hin, dass die Entscheidung des EuGH (Urteil v. 13.12.2018, C 385/17 (Rn 30)) nicht ausschließt, dass es den einzelnen Mitgliedstaaten unbenommen bleibt, von den Mindestvorgaben abzuweichen. Das deutsche Urlaubsrecht sieht eine solche Abweichung, wie vom Bundesarbeitsgericht mehrfach entschieden und oben dargelegt jedoch nicht vor.

dd) Das weitere Argument der Berufung, dass die Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2012 (ECLI:EU:C:2012:693, Heimann, Toltschin) zu Urlaub und Kurzarbeit Null den Fall betrifft, dass der Arbeitnehmer freiwillig in eine Transfergesellschaft gewechselt ist und daher nicht einschlägig sei, ist zwar zutreffend. Gleichwohl lassen sich die dort aufgestellten Grundsätze auch für die Vereinbarung von Kurzarbeit Null für nur kürzere zusammenhängende Zeiträume übertragen.

(1) Der EuGH hat mit der Entscheidung vom 13.12.2018 (EuGH, ECLI:EU:C:2018:1018 = EuZW 2019, 176 = NZA 2019, 47 – Hein) unter Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. EuGH, ECLI:EU:C:2012:693 = NZA 2012, 1273 Rn. 32 ff. – Heimann und Toltschin) erkannt, dass der Zweck des in Art. 7 der RL 2003/88/EG jedem Arbeitnehmer gewährleisteten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub darin besteht, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen (EuGH, ECLI:EU:C:2018:1018 = NZA 2019, 47 Rn. 26 – Hein). Er hat weiter festgestellt, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auf der Prämisse beruht, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Referenzzeitraums tatsächlich gearbeitet hat. Der unionsrechtlich gewährleistete Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ist grundsätzlich anhand der Zeiträume der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten Arbeit zu berechnen (EuGH, ECLI:EU:C:2018:1018 = EuZW 2019, 176 = NZA 2019, 47 Rn. 27 – Hein; ECLI:EU:C:2018:799 = NZA 2018, 1323 Rn. 28 – Dicu). Ein Arbeitnehmer kann danach einen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gem. Art. 7 I der RL 2003/88/EG nur für die Zeiträume erwerben, in denen er tatsächlich gearbeitet hat (vgl. EuGH, ECLI:EU:C:2018:1018 = EuZW 2019, 176 = NZA 2019, 47 Rn. 27, 29 – Hein).

(2) Dieser Gedanke trifft auch auf den vorliegenden Fall zu, in dem sich der Arbeitnehmer zwar nicht in längeren zusammenhängenden Zeiträumen in Kurzarbeit Null befand, aber durch den Umstand, dass er an 79 Tagen im Jahr 2020 keine Arbeitsleistung zu erbringen hatte, auch ein verringertes Erholungsbedürfnis hatte – allein darauf kommt es an („Wer weniger arbeitet muss sich auch weniger von der Arbeit erholen“).

Deswegen ist es auch unerheblich, ob die Tage ohne Arbeitspflicht zeitlich zusammenhängen, in regelmäßigen Abständen wiederkehren oder unregelmäßig und nach Bedarf zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden. In jedem Fall hat der Arbeitnehmer durch die Tage ohne Arbeitspflicht eine geringere Zahl von Arbeitstagen im Kalenderjahr gearbeitet und daher auch ein verringertes Erholungsbedürfnis.

(3) Als Kontrollüberlegung mag man anstellen, dass die Arbeitsvertragsparteien Teilzeit vereinbart und dabei die Tage ohne Arbeitspflicht ungleichmäßig verteilt, bereits arbeitsvertraglich über das Kalenderjahr festgelegt haben. Auch hier ist anerkannt, dass sich der Jahresurlaubsanspruch des Klägers proportional reduziert, weil es nicht auf die konkrete Ausgestaltung der Teilzeit ankommt, sondern auf die Frage, in welchem Umfang sich die Zahl der Arbeitstage im Verhältnis zu einem Vollzeitarbeitsverhältnis verringert hat.

ee) Deswegen geht auch das Argument der Berufung fehl, es sei inkonsequent, dass dem Kläger nur sieben Tage auf den Erholungsurlaub angerechnet und immerhin 23 Tage gewährt worden seien. Abgesehen davon, dass dieses Argument selbst inkonsequent ist, weil der Kläger damit seinen eigenen Anspruch infrage stellt, geht es nicht um die Anrechnung von Tagen der Kurzarbeit Null auf den Anspruch des Klägers auf Erholungsurlaub, sondern um eine proportionale Anpassung des Urlaubsanspruchs entsprechend der vom Bundesarbeitsgericht vorgegebenen Berechnung an die verringerten Arbeitszeiten des Klägers. Es findet keine Anrechnung von Tagen der Kurzarbeit Null auf den Urlaubsanspruch des Klägers statt.

ff) Soweit die Berufung weiter vorträgt, dass das Arbeitsgericht gerade für das Kalenderjahr 2020 nicht beachtet habe, dass der Gesetzgeber die bewusste Entscheidung getroffen habe, wonach Erholungsurlaub jedenfalls im Kalenderjahr 2020 nicht zur Vermeidung von Kurzarbeit einzubringen sei, gibt es eine solche gesetzliche Regelung nicht. § 96 Abs. 4 Nr. 2 SGB III ist nicht geändert worden, sondern lediglich die fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit haben eine derartige „Kulanzregelung“ für das Jahr 2020 enthalten. Der kommt aber keine Gesetzesqualität zu. Es handelt sich zudem bei § 96 SGB III nicht um eine arbeitsrechtliche, sondern um eine sozialrechtliche Norm. Sie greift nur ein, soweit arbeitsrechtlich Urlaub erteilt werden kann (vgl. BeckOK SozR/Bieback, 59. Ed. 01.12.2020, SGB III § 96 Rn. 34). Dementsprechend lässt sich aus dieser Norm nicht ableiten, in welcher Höhe ein Urlaubsanspruch besteht. § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III läuft bei einer Kürzung des jährlichen Urlaubsanspruchs infolge Kurzarbeit „Null“ auch nicht etwa ins Leere, denn der vor Beginn der Kurzarbeit anteilig erworbene Urlaubsanspruch bleibt dem Arbeitnehmer erhalten und kann unter den Voraussetzungen des § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III vorrangig eingebracht werden (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2021 – 6 Sa 824/20 –, Rn. 48, juris).

gg) Entgegen der Auffassung der Berufung (Seite 7 der Berufungsbegründung) ist es auch nicht widersprüchlich, dass Arbeitnehmer, die vor Beginn der Kurzarbeit ihren Urlaub bereits vollständig erhalten haben bessergestellt werden als die Arbeitnehmer, die ihren Urlaub zu einem späteren Zeitpunkt nehmen wollten. Das entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass bei einer vollständigen Erfüllung des Urlaubsanspruchs nachträgliche Verringerungen der Tage mit Arbeitspflicht zwar dazu führen, dass sich der Gesamturlaubsanspruch für das Kalenderjahr vermindert und der Arbeitnehmer insoweit „zu viel Urlaub erhalten hat“. Das ist jedoch kein spezifisches Problem der Kurzarbeit Null und die Ungleichbehandlung resultiert daraus, dass das Bundesurlaubsgesetz keine Rückzahlungspflicht für zu viel gewährten Urlaub kennt – im Gegenteil regelt § 5 Abs. 3 BUrlG für spezielle Fälle einen Ausschluss der Rückforderung zu viel gewährten Urlaubs.

hh) Soweit die Berufung weiter vorträgt, die Kurzarbeit Null nütze lediglich dem Arbeitgeber und mindere dessen Risiko, ist das nur zur einen Hälfte richtig. Die Annahme des Klägers, Kurzarbeit erfolge allein im Interesse der Arbeitgeberin, ist falsch. Der Zweck des Kurzarbeitergeldes gemäß § 95 SGB III und damit der Kurzarbeit ist es vielmehr, Arbeitsplätze zu erhalten und Arbeitslosigkeit zu vermeiden (vgl. etwa BeckOK SozR/Bieback, SGB III § 95 Rn. 2; Voelzke in Küttner, Personalbuch 2020, Stichwort: Kurzarbeit Rn. 28). Kurzarbeit dient damit – wenngleich von den Arbeitnehmern oftmals anders wahrgenommen – in erster Linie den Beschäftigten. Die Alternative zur Kurzarbeit wäre oftmals die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit eine Arbeitslosigkeit.

ii) Auch führt die Kürzung des Urlaubsanspruchs entgegen dem weiteren Vorbringen in der Berufung nicht etwa zu Wertungswidersprüchen, weil sich Kurzarbeiter für eine etwaige Arbeitsaufforderung bereithalten müssen, während Arbeitslose gemäß den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich 21 Kalendertage pro Jahr berechtigt sind, unter Fortzahlung des Arbeitslosengeldes ortsabwesend zu sein. Zum einen wird Arbeitslosen mit dieser Genehmigung kein „Urlaub“ im rechtlichen Sinne gewährt. Zum anderen kann einem sich in Kurzarbeit befindlichen Arbeitnehmer ohnehin kein Urlaub gewährt werden, weil keine Arbeitspflicht besteht (vgl. BAG v. 16.12.2008 – 9 AZR 164/08 -; Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2021 – 6 Sa 824/20 –, Rn. 52 – 53, juris).

jj) Ebenso führt das weitere Argument der Berufung nicht weiter, der Kläger könne sich während der Tage mit Kurzarbeit Null nicht erholen. Soweit er darauf verweist, dass Kurzarbeit keine planbare Freizeit beinhalte, ist dies unerheblich. Hierauf käme es nur an, wenn man die Kurzarbeit – vergleichbar etwa einer einseitigen unwiderruflichen Freistellung – als Erfüllung des Urlaubsanspruchs sehen würde. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr führt die Kurzarbeit Null dazu, dass für die entsprechende Zeit gar kein Urlaubsanspruch entsteht. Maßgeblich ist vielmehr alleine, dass der Kläger an den Tagen mit Kurzarbeit Null nicht arbeiten muss und deswegen ein geringeres Erholungsbedürfnis hat. Für die Frage der Entstehung des Urlaubsanspruchs kommt es aber allein auf die Arbeitspflicht, nicht auf die Frage der Erholung an. Aus diesem Grund ist es weder von Relevanz, ob die Freizeit trotz einer möglichen vorzeitigen Beendigung der Kurzarbeit planbar ist, noch ob Arbeitnehmer in der Zwischenzeit Auflagen der zuständigen Agentur für Arbeit zu erfüllen haben (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2021 – 6 Sa 824/20 –, Rn. 50, juris).

Aus diesen Gründen hat das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen und die Berufung ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

III.

Nach § 97 Abs. 1 ZPO trägt der Kläger die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Zudem ist unter dem Aktenzeichen 9 AZR 225/21 eine Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 12. März 2021 – 6 Sa 824/20 anhängig.

 

 

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