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Ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzten – verhaltensbedingte Kündigung

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Az.: 2 Sa 94/15, Urteil vom 05.04.2016

1. Die Berufung des beklagten Landes wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung sowie um die Entfernung mehrerer damit in Zusammenhang stehender Abmahnungen. In Streit stehen eine Arbeitsverweigerung des Klägers und ehrverletzende Äußerungen über seinen vorgesetzten Professor.

Der 1971 geborene Kläger hat seit 1991 Philosophie und Physik an den Universitäten B-Stadt und E. studiert. Das Fach Philosophie hat er 1997 mit dem Magister Artium (MA) abgeschlossen und das Fach Physik 1999 mit dem Diplom. Seit Oktober 2001 ist der Kläger als Beschäftigter des beklagten Land an der Universität B-Stadt als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Der Kläger wurde im Jahre 2006 zum Dr. phil. promoviert.

Seit September 2006 besteht zwischen den Parteien ein unbefristetes Vollzeit-Arbeitsverhältnis. Der Kläger ist der Philosophischen Fakultät und dort dem Institut für Philosophie zugewiesen. Er bekleidet eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Formale Philosophie und untersteht damit Herrn Prof. Dr. W. als Lehrstuhlinhaber. Es handelt sich um eine Stelle, die bewertet ist mit der Entgeltgruppe 13 zum TV-L und der Kläger wird aus dieser Entgeltgruppe vergütet. Zum Zeitpunkt der Kündigung hat er daraus rund 4.650,00 Euro brutto monatlich verdient.

Im Arbeitsverhältnis der Parteien besteht Streit, welche Aufgaben dem Kläger im Einzelnen übertragen sind und insbesondere in welchem Umfang er Dienstleistungen für den Lehrstuhlinhaber zu erbringen hat. In der letzten einvernehmlich zu Stande gekommenen Tätigkeitsdarstellung und -bewertung aus Juli 2006 (in Kopie als Anlage B 1 überreicht, hier Blatt 96 ff) sind die klägerischen Aufgaben wie folgt beschrieben: 40 Prozent der Arbeitszeit fällt auf die Lehre („Mitwirkung bei bzw. eigenständige Durchführung von Übungen und Seminaren im Fach Philosophie; Aufgaben aus dem Bereich der Fachdidaktik), 50 Prozent der Arbeitszeit fällt auf die Forschung („Zuarbeit zu Forschungen der Professur Formale Philosophie, Vorbereitung von Editionsprojekten im Rahmen der Arbeit der Moritz-Schlick-Forschungsstelle, Organisation von Veranstaltungen zur Präsentation der Forschungsergebnisse der Moritz-Schlick-Forschungsstelle“) und 10 Prozent fallen auf diverse Verwaltungsarbeiten („Unterstützung des Instituts in administrativen Dingen, Mitarbeit in der akademischen Selbstverwaltung, Organisation der Lehrveranstaltungsplanung des Instituts“)

Ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzten - verhaltensbedingte Kündigung
Symbolfoto: digitalista/Bigstock

In seinen Forschungen widmet sich der Kläger insbesondere dem deutschen Physiker und Philosophen Moritz Schlick (1882 bis 1936), der unter anderem in B-Stadt und W. (dort Nachfolger auf dem Lehrstuhl von Ernst Mach) gelehrt und gelebt hatte. Das klägerische Forschungsinteresse gilt sowohl dem Werk von Moritz Schlick selbst, als auch den ideengeschichtlichen Zusammenhängen der von Schlick mitgeprägten Idee des Logischen Empirismus und den Weggefährten und Zeitgenossen von Moritz Schlick.

Nicht zuletzt aufgrund der Aktivitäten des Klägers und seiner Kontakte ist es gelungen, an der Universität B-Stadt einen breit aufgestellten und gut dotierten Forschungsschwerpunkt Moritz Schlick zu etablieren. Im Kern geht es dabei um eine kritische Edition sämtlicher Texte von Moritz Schlick. Dieses Projekt ist auf ca. 20 Jahre angelegt und wird von der Akademie der Wissenschaften H. seit Jahresbeginn 2011 mit – über die Jahre gerechnet – weit über einer Million Euro finanziert (Wegen der Einzelheiten wird auf den Kooperationsvertrag aus November 2010, überreicht als Teil des Anlagenkonvoluts K 2, hier Blatt 52 ff, Bezug genommen). Im September 2012 konnte dazu noch ein Verlagsvertrag mit dem S. Fachverlag (A-Stadt) abgeschlossen werden, der die Herausgabe einer „Moritz-Schlick-Gesamtausgabe“ zum Ziel hat. Hier kooperiert die Universität B-Stadt mit der Universität W. („Institut W. Kreis“, Prof. Dr. S.).

Innerhalb der Universität wurde aus diesem Grunde die Moritz-Schlick-Forschungsstelle gegründet, die mit eigenen Räumen und eigenem Personal ausgestattet ist. Leiter dieser Forschungsstelle ist Herr Prof. Dr. W..

Letztlich steht auch die externe Forschungstätigkeit des Klägers als Gastwissenschaftler am M. P.-Institut für Wissenschaftsgeschichte in A-Stadt in diesem Sinnzusammenhang. Schon im Herbst 2006 hatte die Universität B-Stadt dazu mit dem M.-P.-Institut eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwecks Förderung der Forschungen zu den methodischen Grundlagen der Einzelwissenschaften und deren Geschichte abgeschlossen (Kopie als Anlage K 13 zur Gerichtsakte gelangt, hier Blatt 268 ff). Innerhalb der Universität B-Stadt sind die hiermit verbundenen Aufgaben dem Zentrum für Logik, Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte übertragen. Seit Dezember 2006 ist der Kläger der geschäftsführende Vorstand dieses Zentrums. Soweit das Gericht die Parteien verstanden hat, sind diesem Zentrum allerdings keine nennenswerten Ressourcen zugeordnet, es dient quasi nur als Gegenstelle zur klägerischen Tätigkeit am M.-P.-Institut in A-Stadt. Der Kläger steht allerdings auf dem Standpunkt, dass die Forschungsstelle Moritz Schlick „integraler Bestandteil“ des Zentrums für Logik, Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte sei (vgl. Protokoll des Personalgesprächs vom 10. September 2013, Anlage K 25, hier Blatt 206 ff, dort Seite 5, hier Blatt 309).

Der Kläger hatte ursprünglich für diese Tätigkeit als Gastwissenschaftler am M.-P.-Institut in A-Stadt eine Nebentätigkeitsgenehmigung bei der Universität B-Stadt beantragt. Diese wurde ihm vom Dezernenten Personal und Personalentwicklung der Universität mit Schreiben vom 28. September 2006 allerdings mit dem Hinweis verweigert, die Übernahme dieser Aufgabe bedürfe keiner Nebentätigkeitsgenehmigung, da sie vom Hauptamt mit umfasst sei (Kopie als Anlage K 12 zur Akte gelangt, hier Blatt 265).

Unter Umständen bereits 2012 deutlich sichtbar jedoch ab dem Jahre 2013 ist es zu einer spürbaren Verstimmung im Verhältnis des Klägers zu seinem Lehrstuhlinhaber gekommen. Im inzwischen kaum mehr erkennbaren sachlichen Kern ging es darum, dass der Professor, nachdem die Sonderbelastungen durch die Einrichtung der Forschungsstelle Moritz-Schlick und die Klärung der Finanzierungsfragen abgeklungen waren, den Kläger gerne wieder (oder erstmals) so eingesetzt hätte, wie ein Professor die ihm zugeordneten wissenschaftlichen Mitarbeiter üblicherweise einsetzt. Der Kläger meinte hingegen, er habe trotz seiner formalen Stellung als einfacher wissenschaftlicher Mitarbeiter seines Professors im tatsächlich gelebten Arbeitsverhältnis eine Sonderstellung als ständiger Mitarbeiter mit Koordinierungs- und Lenkungsaufgaben im Bereich der Forschungsstelle Moritz Schlick erworben.

In diesem Zusammenhang hatte der Lehrstuhlinhaber dem Kläger vorgeworfen, er vernachlässige seine Anwesenheitspflichten in B-Stadt und er habe falsche Angaben zu Dienstreisen gemacht. Außerdem wurde Kritik am Verhalten des Klägers gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten geübt. Aus diesem Grund fand am 10. September 2013 auf Einladung des Personaldezernenten der Universität ein klärendes Gespräch, an dem unter anderem die Hauptkontrahenten Herr Prof. Dr. W. und der Kläger teilgenommen hatten, statt. Im Ergebnis dieses Gesprächs wurde vereinbart, dass sich beide Parteien bis Anfang November 2013 einvernehmlich auf eine neue Beschreibung der Arbeitsaufgaben des Klägers einigen sollten und dementsprechend eine geänderte Arbeitsplatzbeschreibung vorlegen sollten. Wörtlich heißt es dazu dann noch in dem Protokoll über das Gespräch: „Dabei sind alle Interessen abzuwägen.“ (als Anlage K 25 überreicht, hier Blatt 306 ff). Außerdem hat der Personaldezernent der Universität laut Protokoll per Weisung angeordnet, dass der Arbeitsort des Klägers nunmehr (wohl im Sinne von ausschließlich) B-Stadt sei.

Dieser Versuch einer einvernehmlichen Anpassung der Arbeitsaufgaben des Klägers konnte weder innerhalb der Frist bis Anfang November 2013 noch bis heute erfolgreich abgeschlossen werden. Ohne den Einigungsversuch förmlich für gescheitert zu erklären, hat die Universität dann ab November 2013 einseitig mit direktiven Mitteln versucht, den Konflikt in ihrem Sinne zu lösen. In diesem Zusammenhang steht der von der Universität gefertigte Entwurf einer neuen Arbeitsplatzbeschreibung, nach dem eine Mitarbeit in der Forschungsstelle Moritz-Schlick nicht mehr zu den Aufgaben des Klägers gehören sollte (Anlage K 30, hier Blatt 314 ff). Der Kläger hat die Unterzeichnung dieses Dokuments abgelehnt.

In diesem Zusammenhang steht auch die förmliche Kritik von Prof. Dr. W. bezüglich der mangelnden Präsenz des Klägers am Arbeitsplatz und wegen der Nichtbearbeitung seines Auftrags, ihm eine Literaturrecherche zum Körper-Geist-Problem zuzuarbeiten (Mail vom 13. Januar 2014, hier Blatt 58 f). Diese Kritik war dann Gegenstand eines weiteren Personalgesprächs beim Personaldezernenten am 24. Februar 2014 und die Kritik mündete in der förmlichen Abmahnung vom 24. Februar 2014 (erste streitgegenständliche Abmahnung – Anlage K 3 hier Blatt 56 f; wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen).

Eine weitere Abmahnung hat der Kläger dann unter dem 19. März 2014 erhalten (zweite streitgegenständliche Abmahnung – Anlage K 7 hier Blatt 65 f; wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen). Zu dem vorgeworfenen Verhalten heißt es dort wörtlich:

Ich bin davon in Kenntnis gesetzt worden, „dass Sie trotz wiederholter Weisung Ihres Fachvorgesetzten nicht regelmäßig am Arbeitsplatz anwesend sind. Sie sind lediglich an den Tagen Ihrer Lehrverpflichtungen und, bis auf zwei Ausnahmen, zu den monatlichen Dienstberatungen an Ihrem Dienstort anzutreffen. Sie haben sich auch weder im Sekretariat noch persönlich bei Ihrem Fachvorgesetzten abgemeldet. Im Nachgang an das Personalgespräch vom 10.09.2013 erstreckt sich dieses Versäumnis auf den Zeitraum vom 01.10.2013 bis jetzt. Die Anwesenheit am Arbeitsplatz ist wahrzunehmen, wenn es Ihnen Ihr Fachvorgesetzter anweist. Ihnen ist dargelegt worden, dass Ihre Anwesenheit auch über die Lehrveranstaltungen hinaus notwendig ist, um Absprachen zu treffen und um einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb sicherzustellen.

… Sie haben die Weisung Ihres Fachvorgesetzten nicht beachtet. Ihr Arbeitsort ist B-Stadt und Ihre Arbeitszeit von 40 Wochenstunden ist in Ihrem Arbeitsvertrag festgelegt. Sie haben somit gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.“

Die weitere Abmahnung und die Kündigung erfolgten als Reaktion darauf, dass der Kläger den bisher lediglich innerdienstlichen Konflikt nach außen getragen hatte.

Am 31. Januar 2014 führte der Kläger mit der Akademie der Wissenschaften in H. ein Telefonat zu den Problemen in der Zusammenarbeit mit seinem Vorgesetzten, woraufhin die Akademie mit Mail vom 3. Februar 2014 (Anlage K 37, hier Blatt 335) einen schriftlichen Sachstandsbericht anforderte, um sich mit den Vorgängen befassen zu können. Diesen Bericht hat der Kläger ohne weitere interne Absprache auf dem offiziellen Briefpapier der Forschungsstelle Moritz Schlick unter dem 10. Februar 2014 verfasst (Kopie als Anlage B 19 zur Akte gereicht, hier Blatt 463 ff; wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen) und sodann an die Akademie versandt.

Als die Universität in der Folgezeit nach informeller Unterrichtung durch die Akademie vom Kläger die Herausgabe dieses Berichts gefordert hatte, hat sich dieser unter Hinweis auf die erbetene Vertraulichkeit der Angelegenheit geweigert, den Text zur Verfügung zu stellen. Auch im vorliegenden Rechtsstreit ist der Text erst im Laufe des Berufungsverfahrens in den Rechtsstreit eingeführt worden. In dem Bericht macht der Kläger deutlich, dass das gesamte Projekt seiner Auffassung nach dadurch gefährdet ist, dass man seitens der Universität derzeit versuche, ihn aus der Forschungsstelle zu verdrängen. Dabei übt er mehrfach erhebliche Kritik an dem Leiter der Forschungsstelle, Herrn Prof. Dr. W.. Im sachlichen Kern wirft er ihm fehlende Expertise und mangelnde Zuwendung zu dem Projekt vor.

Herr Prof. Dr. W. hat den Bericht des Klägers vom 10. Februar 2014 für ehrabschneidend gehalten und hat deshalb vor dem Landgericht Berlin (Wohnsitz des Klägers) gegen den Kläger auf Unterlassung geklagt. Die Klage ist vom Landgericht Berlin nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 16. November 2015 als unbegründet abgewiesen worden (6 O 55/15 – Kopie des Urteils hier Blatt 582 ff, es wird Bezug genommen). Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Auf diesen klägerischen Bericht an die Akademie vom 10. Februar 2014 bezieht sich auch die weitere Abmahnung vom 8. Mai 2014 (dritte streitgegenständliche Abmahnung – Anlage K 8 hier Blatt 67 f, es wird Bezug genommen). Zu dem vorgeworfenen Verhalten heißt es dort wörtlich:

Ich bin „in Kenntnis gesetzt worden, dass Sie einen Sachstandsbericht zur derzeitigen Situation im Langzeitvorhaben Moritz-Schlick-Gesamtausgabe, Nachlass und Korrespondenz verfasst und an den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften in H. geschickt haben. Im Zusammenhang mit diesem Bericht an die Akademie der Wissenschaften äußern sie sich abschätzend und ehrverletzend über Ihren Fachvorgesetzten (Herrn Prof. W.), insoweit Sie konkrete Vorwürfe über dessen Arbeitsweise äußern. Dem Personaldezernat ist ein Zeuge bekannt, der den Inhalt des Schreibens kennt, und diese Äußerungen bezeugt. Sie wurden über das Personaldezernat mit Schreiben vom 17.03.2014 und vom Rektor mit Schreiben vom 02.04.2014 aufgefordert, den Bericht zur Prüfung auszuhändigen. Dem sind Sie nicht nachgekommen.

… Für die zukünftige Wahrnehmung Ihrer Tätigkeit an der Universität B-Stadt erwarten wir, dass Sie zukünftig nicht wertschätzende Äußerungen über Ihren Fachvorgesetzten unterlassen und für Berichte an Beteiligte innerhalb und außerhalb der Universität B-Stadt den Dienstweg einhalten.

In dieser ohnehin schon reichlich aufgeladenen Konfliktsituation hat der Kläger dann noch am 21. Mai 2014 abends mit Herrn Prof. Dr. S. telefoniert, dem W. Professor, der mit seinem Institut ebenfalls über den Verlagsvertrag mit der Gesamtausgabe des Werks von Moritz Schlick befasst ist. Auch in diesem Telefongespräch ging es um den innerdienstlichen Konflikt um die Arbeitsaufgaben des Klägers und dabei um die Frage, welche Rolle der Kläger in der Forschungsstelle Moritz Schlick spielt. Im Laufe dieses Telefonats hat der Kläger Prof. Dr. S. auch davon unterrichtet, dass sich Prof. Dr. W. wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens vor der Ombudskommission der Universität B-Stadt zu verantworten habe. Dies soll, so das beklagte Land hier im Rechtsstreit „in triumphierendem Ton“ vom Kläger vorgetragen worden sein. Herr Prof. Dr. W. wurde durch seinen W. Kollegen über das Telefonat und seinen Inhalt unterrichtet. Dazu hat Prof. Dr. W. eine Mail an seinen W. Kollegen verfasst, in dem er den Inhalt des Gesprächs zum Zwecke der Dokumentation nochmals zusammengefasst hatte. Herr Prof. Dr. S. hat dann seinem R. Kollegen bestätigt, dass er das Gespräch richtig zusammengefasst habe. In der protokollersetzenden Mail von Prof. Dr. W. an seinen W. Kollegen heißt es – wie in der Beteiligung des Personalrats zur Kündigung wiedergegeben (Anlage B 13, hier Blatt 153 ff, Blatt 156) – auszugsweise wörtlich:

„… Wie Sie mir berichtet haben, hat [der Kläger] Sie am vergangenen Mittwoch gegen Abend nach langer Zeit angerufen, vor allem um Sie, in durchaus triumphierenden Unterton zu informieren, dass ein Verfahren vor der Ombudskommission der Universität wegen wissenschaftlichem Fehlverhalten gegen mich laufe. Die ganze Mitteilung war dazu angetan, mich in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen.“

„Weiterhin hat er behauptet, dass die Qualität der Arbeiten der Mitarbeiter an der Edition an der Forschungsstelle dramatisch nachgelassen habe und die Erfüllung der qualitativen Anforderungen an die Edition nicht mehr gewährleistet sei und er sich deswegen über die Zukunft des Projektes sorge.“…

Zu diesem Telefonat gab es dann das Personalgespräch am 16. Juni 2014. Unter dem 23. Juni 2014 hat der Rechtsanwalt des Klägers dazu noch ergänzende Ausführungen gemacht. In Anschluss daran hat sich das beklagte Land entschlossen, das Arbeitsverhältnis zum Kläger ordentlich zu kündigen.

Mit Schreiben vom 24. Juni 2014 (Anlage B 13 hier Blatt 153 ff) hat das beklagte Land beim Personalrat der wissenschaftlich Beschäftigten der Universität die Zustimmung des Personalrats zur ordentlichen Kündigung des Klägers wegen des Telefonats mit Herrn Prof. Dr. S. beantragt. Der Personalrat hat der beabsichtigten Kündigung mit Anschreiben vom 10. Juli 2014 widersprochen (Anlage B 14 hier Blatt 159 ff). Daraufhin hat die Universität B-Stadt den Vorgang mit Schreiben vom 14. Juli 2014 (Anlage B 15 hier Blatt 164 ff) dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur vorgelegt mit der Bitte, die Zustimmung des Hauptpersonalrats einzuholen. Dort wurde der Hauptpersonalrat mit Schreiben vom 31. Juli 2014 um Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung ersucht. Dieser hat die Zustimmung ebenfalls verweigert. Die vom Hauptpersonalrat in dieser Angelegenheit mit Antrag vom 9. September 2014 angerufene Einigungsstelle hat sich in ihrer Sitzung vom 29. Oktober 2014 für unzuständig erklärt, da das beklagte Land die Kündigung zu diesem Zeitpunkt bereits ausgesprochen hatte (Beschluss der Einigungsstelle als Anlage B 18 überreicht, hier Blatt 357 f).

Das beklagte Land hat das Arbeitsverhältnis zum Kläger mit Schreiben vom 10. Oktober 2014, diesem zugegangen am 14. Oktober 2014 ordentlich zum 30. Juni 2015 gekündigt.

Hiergegen hat der Kläger eine Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsklage erhoben, die am 4. November 2014 beim Arbeitsgericht Rostock eingegangen war (1 Ca 1618/14). Der Rechtsstreit ist dann später mit dem bereits anhängigen Rechtsstreit wegen der Abmahnungen vom 24. Februar 2014, vom 19. März 2014 und vom 8. Mai 2014 verbunden worden.

Das Arbeitsgericht Rostock hat der Klage mit Urteil vom 10. März 2015 in vollem Umfang entsprochen (1 Ca 1229/14). Der Tenor lautet in der Hauptsache:

1. Das beklagte Land wird verurteilt, die Abmahnung vom 24.02.2014 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

2. Das beklagte Land wird verurteilt, die Abmahnung vom 19.03.2014 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

3. Das beklagte Land wird verurteilt, die Abmahnung vom 08.05.2014 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

4. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 10.10.2014, zugegangen am 14.10.2014, beendet wurde.

5. Das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger über den 30.06.2015 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

Mit der rechtzeitig eingelegten und fristgemäß begründeten Berufung, die auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, verfolgt das beklagte Land sein Begehren auf Klageabweisung unverändert fort.

Das beklagte Land hält die erste streitgegenständliche Abmahnung vom 24. Februar 2014 für berechtigt, denn der Kläger habe die ihm rechtmäßig übertragene Aufgabe, für seinen Professor eine Literaturrecherche zum Körper-Geist-Problem zusammenzustellen, nicht erfüllt. Das Arbeitsgericht sei in seinem Urteil unzutreffend zu der Bewertung gekommen, der Kläger habe diese Aufgabe durch die Übergabe einiger Bücher, die sich mit dem Thema beschäftigen, ordnungsgemäß erfüllt.

Das beklagte Land hält auch die zweite streitgegenständliche Abmahnung vom 19. März 2014 für berechtigt. Der Kläger sei bei dem ersten Personalgespräch am 10. September 2013 vom Personaldezernenten wirksam angewiesen worden, seine Arbeit zukünftig ausschließlich in B-Stadt wahrzunehmen, außerdem sei er darauf hingewiesen worden, dass er nach dem Vertrag seine Arbeitsaufgabe 40 Stunden in der Woche zu erledigen habe. Dessen ungeachtet sei der Kläger auch in der Folgezeit nur gelegentlich in B-Stadt anwesend gewesen und zwar nahezu ausschließlich zur Erledigung seiner Lehrverpflichtungen und zu den monatlichen operativen Gesprächen in Zusammenhang mit der Herausgabe der Schriften von Moritz Schlick. Für seinen Professor sei der Kläger damit kaum zu greifen gewesen. Daher sei der Professor nicht in der Lage gewesen, den Kläger in die Arbeit am Lehrstuhl einzubinden. Dieses Fehlverhalten sei – abweichend von der Bewertung durch das Arbeitsgericht – mit der Abmahnung vom 19. März 2014 mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht worden.

Das beklagte Land hält auch die dritte streitgegenständliche Abmahnung vom 8. Mai 2014 für berechtigt. Nachdem nunmehr der fragliche Bericht des Klägers an die Akademie der Wissenschaften in H. vom 10. Februar 2014 in den Rechtsstreit eingeführt worden sei, müsse auch das Gericht feststellen, dass der Kläger seinen Professor gegenüber der Akademie in ehrverletzender Art und Weise kritisiert habe. Damit habe er gleichzeitig schwerwiegend gegen seine arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Absatz 2 BGB verstoßen. Der Kläger habe sich in dem Bericht über den Arbeitsstil von Herrn Prof. Dr. W. beklagt, konkrete Vorwürfe gegen ihn erhoben und zudem den Eindruck erweckt, dass Herr Prof. Dr. W. seinen Aufgaben als Projektleiter nicht gerecht werde und das Forschungsvorhaben gefährde.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts, sei auch die ordentliche Kündigung vom 10. Oktober 2014 wirksam. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Kläger sei unabweislich. Der Kläger habe den Ruf der Universität B-Stadt und ihrer Wissenschaftler beschädigt, was zu einer Vorladung von Herrn Prof. Dr. W. bei der Akademie der Wissenschaften in H. geführt habe. Der Kläger habe seine Anwesenheitspflicht verletzt und damit den Forschungsbetrieb der Universität beeinträchtigt. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und Herrn Prof. Dr. W. sei dauerhaft gestört.

Die Kündigung sei auch nicht ohne Zustimmung des Personalrats ausgesprochen worden. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden, insbesondere sei er im gesetzlich erforderlichen Umfang über die Hintergründe der Kündigung unterrichtet worden. Da sich der Hauptpersonalrat nicht innerhalb der gesetzlichen Frist geäußert habe, gelte seine Zustimmung als erteilt.

Das beklagte Land beantragt, unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil durch Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Er ist nach wie vor der der Ansicht, dass weder die Abmahnungen noch die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses wirksam seien. Dass er sich in seinem Bericht an die Akademie der Wissenschaften nicht in pflichtwidriger Weise über seinen Professor ausgelassen habe, habe jüngst das Landgericht Berlin in der Unterlassungsklage des Professors gegen ihn zutreffend festgestellt. Darauf könne wegen der Einzelheiten Bezug genommen werden.

Die Kündigung sei außerdem bereits wegen fehlender Zustimmung des Personalrats unwirksam. Schon die Unterrichtung des Personalrats sei unzureichend gewesen. Des Weiteren habe das beklagte Land den Abschluss des Stufenverfahrens nicht abgewartet, sondern die Kündigung noch vor einer Entscheidung der Einigungsstelle ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit zutreffenden Gründen, die sich das Berufungsgericht zu eigen macht, der Klage in allen Punkten stattgegeben. Soweit das beklagte Land im Berufungsrechtszug neue Tatsachen vorgetragen hat, rechtfertigen diese eine andere Entscheidung nicht.

I.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass die drei streitgegenständlichen Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers zu entfernen sind.

1.

Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Absatz 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht unter anderem dann, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, oder wenn sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält. Sie ist auch aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt ist (BAG 4. Dezember 2013 – 7 ABR 7/12 – NZA 2014, 803).

Wenn in einem Abmahnungsschreiben gleichzeitig verschiedene Pflichtverletzungen gerügt werden, von denen nur einzelne, aber nicht alle zutreffen, so kann das Abmahnungsschreiben nicht teilweise aufrechterhalten und insoweit vom Gericht neu gefasst werden; die Abmahnung ist in diesem Fall vollständig aus der Personalakte zu entfernen (BAG 13. März 1991 – 5 AZR 133/90 – NJW 1991, 2510; LAG Köln, Urteil vorn 12. August 2005 – 4 Sa 412/05). Gleiches gilt für Abmahnungen, die einzelne unrichtige oder nicht zu beweisende Tatsachenbehauptungen enthalten (BAG 26. Januar 1994 – 7 AZR 640/92).

2.

Die Abmahnung vom 24. Februar 2014 ist aus der Personalakte zu entfernen, da sie zumindest eine unrichtige Tatsachenbehauptung enthält. Das beklagte Land wirft dem Kläger in der Abmahnung unter anderem Folgendes vor:

„Sie sollten bereits Ende November eine Zusammenstellung der Literatur im Umfeld des Körper-Geist-Problems machen, welche Sie bislang nicht übergeben haben.“

Das Arbeitsgericht hat dazu zutreffend ausgeführt, von einer Nichterfüllung der übertragenen Aufgabe könne keine Rede sein, denn der Kläger habe dem Professor Bücher aus seinem privaten Bestand überlassen, die sich damit beschäftigen. Das Berufungsgericht geht zwar mit dem beklagten Land davon aus, dass dies nicht ernsthaft als Erfüllung des Auftrages des Professors gewertet werden kann. Das ändert allerdings nichts an dem Umstand, dass der Kläger den Arbeitsauftrag bearbeitet und auf seine Weise erledigt hat. Die Erledigung zeigt zwar offensichtliche Mängel auf, die Aussage, er hätte die Anweisung ignoriert, trifft jedoch offensichtlich nicht zu.

3.

Die Abmahnung vom 19. März 2014 ist aus der Personalakte zu entfernen, da sie zu unbestimmt formuliert ist und daher nicht erkennen lässt, gegen welche konkreten Pflichten der Kläger verstoßen hat.

Das beklagte Land wirft dem Kläger in der Abmahnung vor, im Zeitraum Oktober 2013 bis Mitte März 2014 (Ausspruch der Abmahnung) entgegen der wiederholten Weisung des Fachvorgesetzten nur zu den Lehrveranstaltungen und Dienstberatungen und ansonsten nicht regelmäßig am Arbeitsplatz anwesend gewesen zu sein. Nicht näher angegeben ist aber, welche konkrete Anweisung der Fachvorgesetzte dem Kläger zur Arbeitszeit und zur Anwesenheit am Arbeitsplatz erteilt hat und wann der Fachvorgesetzte den Kläger entgegen dieser Anweisung nicht am Arbeitsplatz angetroffen hat.

Die Angabe solch konkreter Vorfälle ist auch nicht entbehrlich. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität unterliegt im Regelfall keinen festen Arbeitszeiten, er teilt sich seine Arbeitszeit entsprechend den erhaltenen Aufträgen selber ein. Damit soll nicht gesagt sein, dass der Professor kein Recht habe, von seinem Weisungsrecht auch hinsichtlich der zeitlichen Lage der Arbeitszeit Gebrauch zu machen, sofern dazu ein sachlicher Anlass besteht. Zutreffend hat allerdings das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass nach Aktenlage der Professor des Klägers diesem gar keine konkreten Anweisungen gegeben hat, die mit bestimmten Anwesenheitszeiten am Lehrstuhl in der Zeit von Oktober 2013 bis März 2014 verbunden waren. Es gibt allein die pauschale Anweisung des Personaldezernenten aus dem ersten Personalgespräch aus September 2013. Diese bezieht sich jedoch in erster Linie auf den Arbeitsort B-Stadt. Hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit und der damit verbundenen Anwesenheitszeiten in B-Stadt ist es bei einem Verweis auf die 40-Stunden-Woche verblieben. Das reicht für eine wirksame Anordnung von Anwesenheitszeiten nicht aus. Die Vorgabe des Personaldezernenten musste vor Ort durch konkretisierende Weisungen umgesetzt werden. Daran fehlt es hier.

Zudem hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Tatsachenbehauptung in der Abmahnung, der Kläger habe sich im Zeitraum Oktober 2013 bis zum Ausspruch der Abmahnung im März 2014 lediglich zu den Lehrveranstaltungen dienstags bis donnerstags und zu den Dienstberatungen an Dienstagen in B-Stadt blicken lassen, unzutreffend ist. Der Kläger hat im Rechtsstreit seine Anwesenheit am Lehrstuhl in B-Stadt für weitere konkrete Tage behauptet, ohne dass das beklagte Land dem entgegengetreten wäre.

4.

Die Abmahnung vom 8. Mai 2014 ist aus der Personalakte des Klägers zu entfernen, da die Vorwürfe in der Abmahnung sich in der Nennung von Stichworten erschöpfen („ehrverletzende Äußerungen“) ohne konkret Vorwürfe zu benennen.

Die Abmahnung kann nur dann ihre Warnfunktion für den Arbeitnehmer erfüllen, wenn sie dem Arbeitnehmer konkret vor Augen führt, durch welches Verhalten er im Einzelnen gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßen hat. Daran mangelt es hier, denn der Begriff der ehrverletzenden Äußerungen ist ein Rechtsbegriff, der in einer Abmahnung nur dann sinnvoll verwendet ist, wenn ergänzend mitgeteilt wird, welche Äußerungen in dem Bericht ehrverletzend waren.

Es ist nachvollziehbar, wenn das beklagte Land vorträgt, eine nähere Bezeichnung sei seinerzeit nicht möglich gewesen, da der klägerische Bericht an die Akademie wegen der unverständlichen Weigerung des Klägers, diesen herauszugeben, nicht möglich gewesen wäre. Das ist jedoch kein Grund, den Kläger sozusagen auf Verdacht und Zuruf ohne genaue Tatsachenkenntnis schon einmal vorsorglich abzumahnen.

Auf die weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts zu Grund und Grenzen der Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis kommt es daher vorliegend nicht an. Angesichts der völligen Unbestimmtheit der Vorwürfe aus der Abmahnung ist es auch nicht die Aufgabe des Berufungsgerichts nach nunmehrigem Vorliegen des streitigen klägerischen Berichts an die Akademie diesen umfassend darauf zu untersuchen, ob er tatsächlich ehrverletzende Äußerungen enthält.

II.

Die Berufung ist auch nicht begründet, soweit das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage entsprochen hat. Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass es bereits an der sozialen Rechtfertigung der Kündigung im Sinne von § 1 KSchG fehlt. Ein verhaltensbedingter Grund zur Kündigung liegt nicht vor.

Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Absatz 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint (BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 434/13; BAG 10. April 2014 – 2 AZR 684/13 – NZA 2014, 1197).

Besteht beim Arbeitgeber – wie hier – ein Betriebs- oder Personalrat kann das Gericht allerdings nur diejenigen Kündigungsgründe für die Rechtfertigung der Kündigung heranziehen, die der Arbeitgeber auch gegenüber dem Betriebs- oder Personalrat als Grund zur Kündigung vorgetragen hat. Zur Rechtfertigung der Kündigung können vorliegend also nur die Gründe herangezogen werden, die das beklagte Land im Rahmen der Beteiligung des Personalrats mit Schreiben vom 24. Juni 2014 (hier Anlage B 13, hier Blatt 153 ff) diesem vorgetragen hat.

Danach kann ein Grund zur Kündigung nicht festgestellt werden.

1.

Aus dem Telefonat mit Prof. Dr. S. aus W. am 21. Mai 2014 ergibt sich kein Kündigungsgrund.

Der Kläger hat während des Telefonats keine bewusst wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Soweit in den Telefonaten überhaupt Tatsachen zur Sprache gekommen sind, entsprechen diese der Wahrheit. Das Verfahren vor der Ombudskommission war seinerzeit bereits eingeleitet. Ob der Kläger Herrn Prof. Dr. S.r darauf hingewiesen hat, dass er – der Kläger – das Verfahren selbst beantragt hat, ist unerheblich. Denn der mögliche Reputationsverlust, der mit einem erfolgreichen Ombuds-Verfahren wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens verbunden ist, tritt unabhängig davon ein, welche Person das Verfahren eingeleitet hat. Das eigentlich Empörende an der Mitteilung des Klägers ist ja auch etwas ganz Anderes. Das beklagte Land stößt sich daran, dass er durch den Hinweis auf das Ombuds-Verfahren versucht hat, gegen seinen Professor Stimmung zu machen ohne Fakten vorlegen zu können. Damit wird aber auch deutlich, dass es sich bei der kolportierten Äußerung des Klägers in dem Telefonat um eine bloße Meinungsäußerung gehandelt hat und nicht um eine (unzutreffende) Tatsachenbehauptung.

Als Meinungsäußerung war der wohl „triumphierend“ vorgetragene Hinweis auf das Verfahren seines Professors vor der Ombudskommission noch von der Meinungsfreiheit umfasst und daher nicht pflichtwidrig. Selbst wenn man im Rahmen einer Hilfsüberlegung annehmen möchte, dass eine solche Äußerung bezüglich des eigenen Vorgesetzten bereits gegen die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Absatz 2 BGB verstoßen sollte, kann darauf die Kündigung nicht gestützt werden. Denn angesichts des Zeitpunkts des Telefonats („abends“) muss das Gericht davon ausgehen, dass der Kläger hier privat das offenen Gespräch von Kollege zu Kollege gesucht hat, für das andere Maßstäbe gelten müssen als für das dienstliche Gespräch am Arbeitsplatz.

Auch das – im Tatbestand gar nicht erwähnte – weitere Telefonat des Klägers mit Prof. Dr. S. wenige Tage später ist nicht geeignet die Kündigung zu rechtfertigen. Nachdem der Kläger die Einladung zu dem letzten Personalgespräch am 16. Juni 2014 erhalten hatte, hat dieser nochmals Herrn Prof. Dr. S. angerufen und hat ihm auf den Kopf zu gesagt, dass er – der Kläger – durch dessen Indiskretion nunmehr wohl vor der Kündigung stehe. Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, gegen welches staatliche Gesetz der Kläger damit verstoßen haben soll. Verstoßen hat er allenfalls gegen ungeschriebene Regeln des akademischen Umgangs. So etwas sorgt für Aufmerksamkeit und ist im Zweifel schädlich für die eigene Reputation, es ist jedoch nicht per se rechtswidrig.

2.

Auch die dem Personalrat mitgeteilten weiteren Begleitumstände und die mitgeteilten früheren Vorfälle sind nicht geeignet, die streitgegenständliche Kündigung sozial zu rechtfertigen.

Das betrifft insbesondere den Bericht des Klägers an die Akademie vom 10. Februar 2014. Denn diesen Gegenstand hat das beklagte Land bereits zum Gegenstand der Abmahnung vom 8. Mai 2014 gemacht. Als eigenständiger Kündigungsgrund scheidet dieser Vorgang daher aus.

Auch der Umstand, dass der Kläger den innerdienstlichen Konflikt überhaupt nach außen (Akademie in H., Prof. Dr. S. in W.) getragen hat, kann die Kündigung im vorliegenden Falle nicht rechtfertigen. Nach dem verallgemeinerbaren Rechtsgedanken aus § 17 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz darf der Arbeitnehmer auch außenstehende Stellen auf Missstände hinweisen, sofern er bei den zuständigen innerbetrieblichen Stellen kein Gehör gefunden hat. Nach diesem Maßstab war es nicht pflichtwidrig, wenn der Kläger den innerdienstlichen Konflikt um seine Arbeitsaufgaben und um seine Beteiligung an der Moritz-Schlick-Forschung auch Außenstehenden gegenüber erwähnt, denn weder der Lehrstuhl, noch die Fakultät, noch die Universitätsverwaltung haben der richtigen Zielvorgabe aus dem ersten Personalgespräch im September 2013 folgend konstruktiv versucht, mit dem Kläger eine Neubeschreibung seiner Aufgaben unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien des Arbeitsvertrages zu erarbeiten. Damit hat der Kläger – was das Landgericht Berlin in seinem Urteil vom 16. November 2015 (6 O 55/15, Kopie hier Blatt 582 ff) ebenfalls betont hat – auch berechtigte eigene Interessen verfolgt.

Dass sich der Kläger nach dem 10. Februar 2014 hartnäckig geweigert hatte, den Bericht an die Akademie der Universität und seinem Professor zu zeigen, ist offensichtlich pflichtwidrig gewesen, rechtfertigt jedoch für sich nicht den Ausspruch einer Kündigung. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seinem Arbeitgeber ehrlich und umfassend Rede und Antwort zu stehen, soweit es einzelne Geschäftsvorgänge betrifft, an denen der Arbeitnehmer beteiligt war. Da der Kläger den Bericht auf dem offiziellen Briefpapier der Forschungsstelle Moritz Schlick verfasst hat und ihm daher einen offiziellen Anstrich gegeben hat, war er selbstverständlich nach § 241 Absatz 2 BGB verpflichtet, den Bericht seinem Arbeitgeber auf Nachfrage vollständig zur Verfügung zu stellen. Daran ändert die wohl mit der Akademie vereinbarte Vertraulichkeit nichts, denn diese sollte den Kläger schützen, so dass er auch berechtigt war, auf die Vertraulichkeit zu verzichten. Dieses Fehlverhalten rechtfertigt jedoch eine Kündigung nicht, denn der Kläger unterlag in dieser Frage offensichtlich einem Rechtsirrtum. Das indiziert jedoch, dass er ein entsprechendes Verhalten nach Ausspruch einer Abmahnung mit der entsprechenden Warnfunktion zukünftig unterlassen hätte.

Dass der Kläger sich in der Anhörung am 16. Juni 2014 geweigert hat, zu dem Inhalt seines Telefonats mit Prof. Dr. S. Stellung zu nehmen, ist nicht pflichtwidrig gewesen. Eine Anhörung vor Ausspruch von Kündigungen dient dem Interesse des Arbeitnehmers, sie bietet ihm die Chance, die Dinge aus seiner Sicht zu schildern. Eine Pflicht zur Offenbarung ergibt sich daraus nicht. Das reicht aus, denn aus der fehlenden Einlassung zur Sache darf der Arbeitgeber (und gegebenenfalls später das Gericht) durchaus seine Schlüsse ziehen.

III.

Da der Kläger mit seinem Kündigungsschutzantrag obsiegt hat, ist das beklagte Land auch verpflichtet ihn über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum Abschluss des vorliegenden Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen.

IV.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt das beklagte Land, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

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