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Änderung der Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Az.: 17 Sa 1055/09, Urteil vom 27.01.2010

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 29.06.2009 (Az.: 3 Ca 9/08) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen mit Änderungskündigung vom 28.12.2007 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Die Klägerin hat die Änderungskündigung mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 07.01.2008 unter Vorbehalt angenommen.

Der beklagte Verein ist Träger für Behinderteneinrichtungen in Niedersachsen auf dem Gebiet der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII. Er betreut mit Stand 2005/2006 rund 1.750 überwiegend körperlich oder geistig behinderte Menschen und beschäftigt etwa 1.376 Vollkräfte. Der Beklagte ist Mitglied des Diakonischen Werks der Ev. luth. Landeskirche Hannovers. Die Ev. luth. Hannover ist Mitglied der Konföderation der Ev. Kirche in Niedersachsen (Konföderation). Die Konföderation hat das Arbeitsrechtsregelungsgesetz Diakonie vom 11.06.1967 erlassen. Dieses Kirchengesetz ist gem. § 1 Abs. 2 für alle Einrichtungen der Diakonie maßgebend, soweit sie sich diesem Kirchengesetz angeschlossen haben. Der Beklagte ist dem Arbeitsrechtsregelungsgesetz nicht beigetreten. Er hat auch keine entsprechende Dienstvereinbarung mit der Mitarbeitervertretung geschlossen. Er wendet auf die Arbeitsverhältnisse nicht allgemeine Vertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes, sondern Tarifverträge des öffentlichen Dienstes an. Tarifbindung besteht nicht.

Änderung der Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung
Symbolfoto: deagreez/Bigstock

Die 1969 geborene, geschiedene und zum Kündigungszeitpunkt gegenüber einem Kind unterhaltsverpflichtete Klägerin ist seit dem 01.09.2000 als sogenannte Wohngruppenbetreuerin in Teilzeitbeschäftigung zu einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von zuletzt 2.083,– € bei dem Beklagten beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 01.08.2002 ist in § 2 bestimmt (Bl. 387 d.A.)

„Für das Arbeitsverhältnis gelten die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT-VkA und der VkA) und der diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge, soweit in diesem Anstellungsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes festgesetzt ist.“

Für die Jahre 2004 bis 2007 wurde § 2 des Arbeitsvertrages mit Änderungsvertrag vom 13.02.2004 hinsichtlich des Anspruchs auf das tarifliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld modifiziert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage Nr. 2 zum Beklagtenschriftsatz vom 14.04.2008 (Bl. 83 d.A.) verwiesen.

Ausweislich der Abrechnungen für die Monate April bis August 2008 (Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 12.09.2008, Bl. 203 – 206 d. A.) rechnete der Beklagte mindestens bis August 2008 das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf der Grundlage des Tarifs BAT/VkA ab. Mit der Verdienstabrechnung für den Monat September 2008 (Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 11.02.2008, Bl. 170 d. A.) nahm der Beklagte für den Monat September 2008 die zum April 2008 rückwirkende Überleitung in den TVöD vor.

Der Beklagte, der eine existenzgefährdende wirtschaftliche Notlage aufgrund nachhaltiger Verluste in den Jahren ab 2001 behauptet, schloss mit der beim ihm gebildeten Mitarbeitervertretung zwei Sanierungsvereinbarungen. Die erste Sanierungsvereinbarung vom 16.12.2003 für die Zeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2007 (Bl. 85 – 91 d. A.) sah als Mitarbeiterbeitrag eine Verschiebung der Fälligkeit der Urlaubsgelder in den November sowie der Fälligkeit und des Anspruchsinhalts der Weihnachtsgeldzahlungen auf einen späteren Zeitpunkt vor. Die Nachzahlung sollte ganz oder teilweise erfolgen in Abhängigkeit vom Ausgang eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, in dem der Beklagte um Erhöhung des vom Land gezahlten Betreuungsgeldes bemüht war. Die Klägerin hatte sich hiermit einverstanden erklärt und den Änderungsvertrag vom 13.02.2004 geschlossen, der eine zeitlich begrenzte entsprechende Änderung vorsah.

Vor dem Hintergrund des Auslaufens der Sanierungsvereinbarung zum 31.12.2007 und dem damit verbundenen Wiederaufleben der Weihnachtsgeldansprüche der Mitarbeiter sowie der dem Beklagten vorliegenden Wirtschaftsdaten auf Grundlage der vorgenommenen Gewinn- und Verlustrechnung/Mittelfristplanung für die Jahre 2006 bis 2013 (Bl. 42 bis 46 d. A.) suchte der Beklagte zusammen mit der Mitarbeitervertretung, der Vereinigten Dienst-leistungsgewerkschaft (ver.di) sowie dem von der MAV hinzugezogenen Beratungsunternehmen BAB, Institut für betriebswirtschaftliche und arbeitsorientierte Beratung GmbH, nach Möglichkeiten zur Verbesserung des Betriebsergebnisses unter Einbeziehung der zwischenzeitlich vorliegenden einrichtungsspezifischen Aufwendungen und einer eventuellen Überleitung in den TVöD. Im Ergebnis einigten sich der Beklagte und die Mitarbeitervertretung am 25.04.2007 auf eine Sanierungsvereinbarung (Bl. 92 ff d. A.), die im wesentlichen die Einführung des TVöD zum 01.07.2007 und für die Zeit vom 01.07.2007 bis 30.06.2012 Verzicht auf die Jahressonderzahlung, Erhöhung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf 39,5 Stunden, Modifikation des Leistungsentgelts, Anpassung der stichtagsbezogenen Regelungen des TVöD-B/TVÜ VkA sowie eine Erfolgsbeteiligung und den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen beinhaltet.

Zum Zwecke der einzelvertraglichen Umsetzung des Inhalts dieser Vereinbarung übersandte der Beklagte seinen Arbeitnehmern mit Schreiben vom 30.05.2007 Ausfertigungen der entsprechenden Änderungsverträge und bat bis zum 15.06.2007 um Rücksendung des unterzeichneten Vertrages. Eine einvernehmliche Lösung ist mit ca. 98 Prozent der Beschäftigten erreicht worden. Die Klägerin und weitere Beschäftigte, die der Vertragsänderung nicht zugestimmt haben, erhielten Ende 2007 Änderungskündigungen.

Mit Schreiben vom 28.12.2007 (Bl. 4 d. A.) kündigte der Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.03.2008 und bot der Klägerin gleichzeitig die Fortsetzung der Beschäftigung zu den in dem beigefügten Änderungsvertrag (Bl. 5 ff d. A.) genannten Bedingungen ab dem 01.04.2008 an. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot durch Schreiben vom 07.01.2008 unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist.

Mit ihrer bei Gericht am 08.01.2008 eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung gewehrt. Sie hat bestritten, dass eine existenzgefährdende Notlage beim Beklagten vorliege und die Auffassung vertreten, dass mangels ausreichender betriebsbedingter Gründe die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt sei.

Sie hat beantragt, festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam sind und das Arbeitsverhältnis zu ungeänderten Bedingungen fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat umfangreich und detailliert zu seiner wirtschaftlichen Situation vorgetragen und ausgeführt, der Personalkostenanteil betrage ca. 75 Prozent. Zur Sanierung der Einrichtungen sei deshalb ein Beitrag des Personals unumgänglich gewesen. Anderweitige Einsparungen seien nur in sehr begrenztem Umfang möglich gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 29.06.2009 stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin sei sozial ungerechtfertigt i. S. d. §§ 2, 1 Abs.2 KSchG. Der Beklagte ein dringendes betriebliches Erfordernis für den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht schlüssig dargelegt habe. Wegen der Einzelheiten, die das Arbeitsgericht zu seiner Entscheidung haben gelangen lassen, wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 08.07.2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 06.08.2009 per Fax beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 08.10.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis dahin verlängert worden war. Die Kammer nimmt auf diesen Schriftsatz sowie ihren Schriftsatz vom 12.01.2010 Bezug.

Mit seiner Berufung wiederholt und vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen zum Vorliegen einer seine wirtschaftliche Existenz bedrohenden Notlage und rügt an der erstinstanzlichen Entscheidung insbesondere, dass das Arbeitsgericht – soweit es vom Vorliegen positiver Zahlen betr. die Gewinn- und Verlustrechnung ab dem Jahr 2007 ausgegangen sei, übersehen habe, dass es sich dabei um die Mittelfristplanung „incl. Prämissen“ wie sie mit den Änderungsvereinbarungen bzw. Änderungskündigungen durchgesetzt werden sollten, gehandelt habe. Die Klägerin habe die vom Beklagten durchgeführten Maßnahmen auch billigerweise hinzunehmen. Der Wechsel vom lediglich statisch weiter geltenden BAT in das neue, dynamische Tarifsystem dem TVöD sei für die Klägerin vorteilhaft, weil sie damit an den tariflichen Entgeltsteigerungen in der Zukunft teilnehme. Die sanierungsbedingten Abweichungen von dem Flächentarifvertrag seien demgegenüber auf 5 Jahre beschränkt und beinhalteten jährlich eine Summe von 2.122,68 € (Summe aus Weihnachts- und Urlaubsgeld nach BAT) sowie die 38,5-Stunden-Woche aufzugeben.

In der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren am 27.01.2010 ist die – dem Beklagten bereits aus anderen Verfahren bekannte – Frage erörtert worden, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen rückwirkend zum 01.07.2007 eintreten sollten. Der Beklagte hat zu dieser Fragestellung die Auffassung vertreten, keiner sei im Zeitpunkt der Änderungskündigung von einer Rückwirkung des angebotenen Änderungsvertrags ausgegangen und die Rückwirkung sei auch bei keinem änderungsgekündigten Arbeitnehmer vorgenommen worden. Des weiteren ist in der Verhandlung vom 27.01.2009 – nach Vorlage des Arbeitsvertrages vom 01.08.2002 – die Frage erörtert worden, inwieweit die Sanierungsvereinbarung eine Änderung der ursprünglich einfachen und nur für Nebenabreden geltenden Schriftformklausel in § 8 des Arbeitsvertrages vom 01.08.2002 durch die doppelte Schriftformklausel in § 13 Abs. 2 des Änderungsvertrages bedingten Ausführungen hierzu konnte der Beklagte nicht machen.

Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 06.07.2009, Az.: 3 Ca 9/08 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung sowie ihres weiteren Schriftsatzes vom 26.01.2010 das erstinstanzliche Urteil.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Falschbezeichnung des Datums des angegriffenen Urteils macht die Berufung nicht unzulässig, denn der Beklagte hat das Aktenzeichen zutreffend angegeben und zudem dem am 07.08.09 eingegangen Originalschriftsatz auch eine Kopie des erstinstanzlichen Urteils beigefügt, so dass unzweifelhaft bestimmbar war, gegen welches Urteil sich die Berufung des Beklagten richten sollte. Dies ist zwischen den Parteien auch nicht streitig.

II.

Die Berufung des Beklagten ist jedoch nicht begründet. Die ausgesprochene Änderungskündigung ist unwirksam, weil sie zum 31.03.2008 ausgesprochen worden ist und eine Änderung der Arbeitsbedingungen zum 01.07.2007 beinhaltet. Darüber hinaus hat sie sich nicht auf Änderungen beschränkt, die von der Klägerin billigerweise hingenommen werden mussten.

1.

Die Sanierungsvereinbarung vom 25.04.2007, abgeschlossen zwischen dem Beklagten und der Mitarbeitervertretung, stellt eine Dienstvereinbarung i. S. d. § 37 Abs. 1 MVG.Kon dar, sie hat aber nicht mit unmittelbarer Wirkung gem. § 37 Abs. 3 MVG.Kon die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verändert. Nach § 37 Abs. 1 MVG.Kon dürfen Dienstvereinbarungen u. a. Regelungen, die auf anzuwendenden Tarifverträgen beruhen, weder erweitern noch einschränken noch ausschließen. Die Regelungsbefugnis der Partner der Dienstvereinbarung sind damit tarifliche Regelungen entzogen, die durch arbeitsvertragliche Vereinbarung Gegenstand der Beschäftigungsverhältnisse geworden sind. Der Abschluss der Sanierungsvereinbarung hat deshalb nicht unmittelbar zu Veränderungen der Arbeitsverträge geführt. Hierzu bedurfte es einer Vertragsänderung bzw. Änderungskündigung (so LAG Niedersachsen vom 17.11.2009 – 13 Sa 437/09).

2.

Eine ordentliche Änderungskündigung wirkt erst zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Daran hat sich auch das Änderungsangebot des Arbeitgebers bei einer ordentlichen Änderungskündigung zu orientieren. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, auf einen Teil der ihm zustehenden Kündigungsfrist zu verzichten und vorzeitig in eine Vertragsänderung mit schlechteren Arbeitsbedingungen, insbesondere soweit es die Hauptleistungspflichten, wie im Streitfall Entgeltkürzungen und Arbeitszeiterhöhung – betrifft, einzuwilligen. Verstößt der Arbeitgeber auch nur in einem Änderungspunkt gegen diese zeitliche Grenze, so hat dies die Unwirksamkeit der gesamten Änderungskündigung zur Folge (vgl. im einzelnen BAG vom 21.09.2006 – 2 AZR 120/06 – AP Nr. 86 zu § 2 KSchG 1969 und LAG Niedersachsen vom 17.11.2009 – 13 Sa 437/09).

3.

Eine Auslegung der Änderungskündigung i. V. m. der Neufassung des Arbeitsvertrages zur Überleitung in den TVöD ergibt, dass eine Erhöhung wöchentlichen Arbeitszeit ohne Lohnausgleich nach § 3 Abs. 3 des Vertrages ab 01.07.2007, also rückwirkend in Kraft treten sollte.

3.1 Nach §§ 133, 157 BGB hat die Auslegung zu erfolgen ausgehend vom Wortlaut, die Begleitumstände sind zu berücksichtigen und Sinn und Zweck der angestrebten Regelung sind einzubeziehen. Maßgebend abzustellen ist auf den Empfängerhorizont, also darauf, wie ein verständiger Erklärungsempfänger die Regelungen verstehen konnte und durfte. Nach dem Wortlaut des Kündigungsschreibens vom 28.12.2007 hat der Beklagte der Klägerin angeboten, sie nach Ablauf der Kündigungsfrist zu den Bedingungen des beigefügten Arbeitsvertrages weiter zu beschäftigen. Hieraus geht hervor, dass bis zum 31.03.2008 die bisherigen Arbeitsbedingungen nach BAT weiter fort gelten sollten und bis zu diesem Zeitpunkt nicht geändert werden sollten. Ab 01.04.2008 sollte dann der beigefügte Arbeitsvertrag zur Überleitung in den befristet abgesenkten TVöD gelten, der aber eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit ab 01.07.2007 vorsieht und damit das Einverständnis der Klägerin abverlangt, einer rückwirkenden Erhöhung der Arbeitszeit zuzustimmen. Bereits der Wortlaut ergibt eine rückwirkende Arbeitszeiterhöhung ab 01.07.2007 (so auch LAG Niedersachsen vom 17.11.2009 – 13 Sa 437/09).

Bei dem angebotenen Arbeitsvertrag handelt es sich um von dem Beklagten vorformulierte Vertragsbedingungen, die dieser nach seinem eigenen Vortrag einer Vielzahl von Arbeitnehmern angeboten und mit diesen vereinbart hat. Es handelt sich mithin um allgemeine Geschäftsbedingungen, auf die die §§ 305 ff BGB anzuwenden sind.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich zu auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen, d. h. das typischerweise bei Arbeitsverträgen zu erwartenden nicht rechtskundigen Arbeitnehmers (BAG vom 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – AP Nr. 32 zu § 307 BGB und vom 19.03.2008 – 5 AZR 429/07 – AP Nr. 11 zu § 305 BGB sowie vom 31.08.2005 – 5 AZR 545/04 – AP Nr. 8 zu § 6 ArbZG).

Die hiernach gebotene objektive Auslegung ergibt eindeutig, dass die angebotene Vertragsänderung zum 01.07.2007 erfolgen sollte. Der Wortlaut des Änderungsvertrags ist insoweit eindeutig. Der Beklagte hat allen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – so auch der Klägerin – die neuen Arbeitsbedingungen zum 01.07.2007, zum Inkrafttreten der Sanierungsvereinbarung angeboten und über Vertragsänderungen mit fast allen Beschäftigen zu diesem Zeitpunkt auch umgesetzt. Zweck der Änderungskündigung war es, wie der Beklagte immer wieder betont hat, gleiche Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten zu schaffen. Gleiche Arbeitsbedingungen bedeutet aber auch für diejenigen, die der einvernehmlichen Änderung nicht zugestimmt hatten, Einführung der Neuregelungen zum 01.07.2007. Dementsprechend hatte der Beklagte auch die Klägerin mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 05.12.2007 unter Fristsetzung bis zum 27.12.2007 aufgefordert, dem angebotenen Arbeitsvertrag zuzustimmen, mithin eine Vertragsänderung rückwirkend zum 01.07.2007 durchzusetzen. Wenn dann der Änderungskündigung die Neufassung des Arbeitsvertrags ohne Veränderung der Daten (01.07.2007, etwa 01.04.2008) beigefügt wird, muss das unter Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines nicht rechtskundigen Arbeitnehmers so verstanden werden, dass auch mit der Änderungskündigung eine rückwirkende Veränderung beabsichtigt war (ebenso LAG Niedersachsen vom 17.11.2009 – 13 Sa 437/09). Angesichts der Vorgeschichte und des eindeutigen Wortlauts des angebotenen Änderungsvertrags konnte keinesfalls – wie dies der Beklagte behauptet – angenommen werden, dass nicht von einer Rückwirkung ausgegangen werde.

3.2 Die Auslegung des Änderungsangebots nach §§ 305 ff BGB ergibt damit eine rückwirkende Veränderung der Arbeitszeit zum 01.07.2007. Dies hat die Unwirksamkeit der Änderungskündigung zur Folge. Unerheblich ist insoweit, dass der Beklagte tatsächlich erst ab September 2008 das Arbeitsverhältnis nach den unter Vorbehalt angenommenen Änderungsbedingungen abgerechnet hat. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss für den Empfänger bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung das Änderungsangebot hinreichend klar bestimmt sein bzw. sich dessen Inhalt eindeutig bestimmen lassen. Es reicht weder aus, dass es der Arbeitgeber klarstellt noch sich der gekündigte Arbeitnehmer die jeweils für ihn günstigsten Teile „heraussuchen kann“ (BAG vom 15.01.2009 – 2 AZR 641/07 – AP Nr. 141 zu § 2 KSchG). Bei Anlegung dieses Maßstabs ergibt sich im Übrigen die Unwirksamkeit der Änderungskündigung selbst dann, wenn man entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Vertragsangebots zu dem Ergebnis kommt, dass der Text des Kündigungsschreibens als Veränderung der Arbeitsbedingungen erst zum 01.04.2008 zu werten ist. Denn aus der Neufassung des Arbeitsvertrags mit Stichtag 01.04.2008 ergeben sich so erhebliche Abweichungen, dass die Änderungskündigung insgesamt als widersprüchlich und unklar zu bewerten wäre (ebenso LAG Niedersachsen a. a. O.). Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot muss so konkret gefasst, d. h. eindeutig bestimmt bzw. zumindest bestimmbar sein, dass es der Arbeitnehmer ohne weiteres annehmen kann. Ihm muss klar sein, welche Arbeitsbedingungen zukünftig gelten sollen. Nur so kann er seine Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen im Ergebnis zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (BAG vom 15.01.2009 a. a. O.). Im Streitfall bleibt nicht nur unklar, wie sich die rückwirkende Erhöhung der Arbeitszeit nach Ablauf der Kündigungsfrist auswirkt, sondern unklar bleibt u. a. auch, ob die Klägerin die aufgrund des Änderungs-vertrags vom 13.02.2004 verschobene eventuelle Weihnachtsgeldzahlung für das Jahr 2007 ausbezahlt bekommt oder diese ebenfalls als außerordentlicher Ertrag in die Ergebnisbeteiligung desjenigen Kalenderjahres einfließen soll, in dem der Zahlungszufluss auf einem Konto des Arbeitgebers festzustellen ist (§ 3 Abs. 1 Satz 2 des Änderungs-angebots vom 30.05.2007). Auch ob und in welcher Höhe die Klägerin gegebenenfalls eine anteilige Sonderzuwendung für die ersten drei Monate des Jahres 2008 bzw. eine (anteilige ?) Erfolgsbeteiligung nach § 5 des Änderungsangebots vom 30.05.2007 erhalten soll, war für die Klägerin nicht vorhersehbar. Das Vertragsangebot ist daher insgesamt intransparent und perplex mit der Folge, dass die Änderungskündigung unwirksam ist.

4. Schließlich ist das der Klägerin unterbreitete Änderungsangebot auch unverhältnismäßig. Eine ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur dann wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung, d. h. die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG vom 28.05.2009 – 2 AZR 844/07 – AP Nr. 222 zu § 626 BGB, Rz 21 m. w. N.). Im Streitfall betrifft dies die Einführung einer doppelten Schriftformklausel für Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages sowie Nebenabreden in § 13 Abs. 2 des Änderungsvertrags vom 30.05.2007. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit solcher vorformulierter qualifizierter Schriftformklauseln nach § 307, 305 b BGB war für die Kammer nicht ersichtlich, inwieweit diese Vertragsänderung gegenüber dem Vertrag vom 01.08.2007, der nur die einfache Schriftform und zwar lediglich für Nebenabreden vorsah, nach dem Sanierungskonzept erforderlich war. Die salvatorische Klausel in § 13 Abs. 4 des Änderungsangebots vom 30.05.2007 kann wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 Abs. 2 BGB) zu keinem anderen Ergebnis führen.

Da die Änderungskündigung somit bereits aufgrund der beabsichtigten rückwirkenden Veränderungen bzw. wegen Intransparenz und Widersprüchlichkeit sowie überschießender Änderungen unwirksam ist, konnte dahinstehen, ob mit Inkrafttreten des TVöD zum 01.10.2005 dieser bereits an die Stelle des BAT getreten ist, weil die Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages aus 2002 diese Fallgestaltung erfaßt (so LAG Niedersachsen vom 23.11.2009 – 6 Sa 812/09 im Anschluss an die Tarifsukzessionsentscheidung des BAG vom 22.04.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286 – 1295).

III.

Als unterlegene Partei hat der Beklagte auch die Kosten des Berufungsverfahrens nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen diese Entscheidung ist daher ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72 a ArbGG wird verwiesen.

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