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Anfechtung eines Aufhebungsvertrages wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage

Sächsisches Landesarbeitsgericht – Az.: 1 Sa 298/18 – Urteil vom 28.03.2019

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 25. April 2018 – 6 Ca 1851/17 – wird auf Kosten des Klägers z u r ü c k g e w i e s e n.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages vom 27. April 2015, die Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung sowie eine höhere Sozialplanabfindung, hilfsweise die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und Zahlung von Annahmeverzugsentgelt.

Der seit dem 1. Juli 2000 bei der Beklagten beschäftigte Kläger wurde aufgrund des geänderten Anstellungsvertrages vom 9. Oktober 2003 seit dem 1. Oktober 2003 als Finanzierungs- und Bausparberater für das Geschäftsgebiet der … Geschäftsstelle der … VVaG zu einem zuletzt bezogenen Entgelt in Höhe von 4.500,00 € brutto beschäftigt. Im Frühjahr 2015 bot die Beklagte dem Kläger einen Aufhebungsvertrag mit dem Hinweis darauf an, dass das Berufsbild des Klägers als Finanzierungs- und Bausparberater in absehbarer Zeit eingestellt werden solle. Gleichzeitig wurde dem Kläger angeboten, nach Auflösung des Arbeitsvertrages das Kundenbüro in … mit der Möglichkeit zu übernehmen, die Finanzierungs- und Bausparberatung dort fortzuführen. In dem Aufhebungsvertrag vom 27. April 2015 vereinbarten die Parteien eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2015 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 37.500,00 € brutto (Anlage K 5, Bl. 21 d. A.). Zuvor – am 22. April 2015 – hatten die Parteien den Vertrag „über eine Tätigkeit als selbständiger Versicherungs-/Bausparkassenvertreter“ mit Wirkung vom 1. August 2015 geschlossen (Anlage K 6, Bl. 22 ff. d. A.). Aufgrund dieses Vertrages sollte der Kläger als selbständiger Versicherungs- und Bausparkassenvertreter für die Beklagte tätig werden. Während des ersten halben Jahres erzielte der Kläger ca. 30 Prozent der Einnahmen im Bereich der Finanzierungs- und Bausparberatung. Im März 2016 stellte die Beklagte die Finanzierungs- und Bausparberatung auch für die Kundendienstbüros ein. Daraufhin kündigte der Kläger den Vertrag vom 22. April 2015 zum 1. Januar 2017. In der Vorstandssitzung vom 10. August 2017 wurde die Situation der Baufinanzierungsberater erörtert. Unter Hinweis auf die spürbar sinkenden Neugeschäftsvolumina und des komplexer werdenden regulatorischen Rahmens wurde die Möglichkeit der Einstellung des Berufsbilds Finanzierungs- und Bausparberater erörtert (Anlage B 3, Bl. 71 d. A.). Am 24. September 2015 wurden die betroffenen Mitarbeiter der Beklagten und der Kundendienstbüros über die beabsichtigte Einstellung der Finanzierungs- und Bausparberatung informiert (Anlage B 4, Bl. 72 f. d. A.). In einer danach abgeschlossenen „Betriebsvereinbarung aus Anlass der Einstellung des Berufsbildes FB“ wurden „für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Maßnahme am 24. September 2015 in dem Berufsbild ‚Finanzierungs- und Bausparberater‘ …“ beschäftigt waren, für dadurch bedingte berufliche Veränderungen bzw. für ein dadurch bedingtes Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Leistungen bzw. Abfindungen festgesetzt (Anlage K 11, Bl. 32 ff. d. A.). Am 28. Oktober 2015 fand bei der Beklagten ein sog. Workshop für Kundendienstbüros statt, an dem auch der Kläger teilnahm. Mit Schreiben vom 16. Februar 2017, der Beklagten am 17. Februar 2017 zugegangen, focht der Kläger den Aufhebungsvertrag vom 27. April 2015 an und forderte die Beklagte auf, den Aufhebungsvertrag „rückabzuwickeln“ (Anlage K 14, Bl. 40 d. A.).

Der Kläger hat vorgetragen, der Aufhebungsvertrag sei nichtig, denn er habe ihn wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die Beklagte habe ihn arglistig über die Fortführung des Berufsbildes Finanzierungs- und Bausparberater getäuscht. Anlässlich der Gespräche über den Aufhebungsvertrag sei ihm kommuniziert worden, dass dieses Berufsbild auf unbestimmte Zeit fortgeführt werden solle. Eine Umstrukturierung sei zwar bei der Beklagten selbst, nicht jedoch in den Kundenbüros geplant gewesen. Es sei für die Beklagte eindeutig gewesen, dass es ihm gerade darauf ankomme, dieses Tätigkeitsfeld auch zukünftig auf unbestimmte Zeit auch deshalb auszufüllen, weil es ca. 30 Prozent seiner gesamten Einnahmen ausgemacht habe. Die Beklagte habe jedenfalls nicht ins Blaue hinein behaupten dürfen, der Kläger könne in dem Kundenbüro auf unbestimmte Zeit in diesem Berufsfeld weiter tätig bleiben. Hätte der Kläger gewusst, dass dieses Berufsfeld eingestellt werden würde, hätte er keinesfalls den Aufhebungsvertrag abgeschlossen. Der Kläger sei weder am 24. September 2015 noch anlässlich des Workshops am 28. Oktober 2015 über die beabsichtigte Einstellung dieses Berufsfeldes informiert worden. Vielmehr habe er davon erst im März 2016 erfahren. Mit den Änderungen im Bereich der Baufinanzierung in Umsetzung der Wohn-Immobilien-Kreditrichtlinie und der damit einhergehenden vollständigen Übertragung der Baufinanzierungssparte auf die … Bausparkasse sei auch die Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrages entfallen, denn Geschäftsgrundlage sei die Fortführung der Finanzierungs- und Bausparberatung. Die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages vom 27. April 2015 führe zu einer fiktiven Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2016, denn in dem Aufhebungsvertrag werde deutlich, dass die Beklagte mangels einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zu diesem Zeitpunkt habe aussprechen wollen. Die ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung zum 30. Juni 2016 führe dazu, dass der Kläger einen Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 615 BGB in Höhe von 27.356,84 € für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis zum 30. Juni 2016 habe. Außerdem habe er nach der Betriebsvereinbarung aus Anlass der Einstellung des Berufsbildes FB (BV) einen Anspruch auf eine Sozialabfindung in Höhe von – unstreitig – 85.000,00 €. Davon seien die erhaltenen 37.500,00 € abzuziehen, so dass ein weiterer Anspruch auf eine Sozialabfindung in Höhe von 47.500,00 € brutto verbleibe. Sollte dem Aufhebungsvertrag keine fiktive Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2016 zu entnehmen sein, so habe der Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung sowie einen Anspruch nach § 615 BGB für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis zum 30. September 2017 in Höhe von 64.666,44 € brutto. Sollte der Aufhebungsvertrag nicht unwirksam sein, so sei dem Kläger nach § 313 BGB ein Festhalten daran unzumutbar. Eine Anpassung habe dergestalt zu erfolgen, dass an den Kläger eine um 47.500,00 € brutto erhöhte Abfindung zu zahlen sei.

Der Kläger hat beantragt:

I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 27. April 2015 nicht aufgelöst worden ist.

II. Für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag I. wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis infolge ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung zum 30. Juni 2016 geendet hat.

III. Für den Fall des Obsiegens in den Klageanträgen I. und II. wird weiterhin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 27.356,34 € brutto zzgl. eines weiteren Betrages in Höhe von 47.500,00 € brutto gleich netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten aus jeweils einem Betrag in Höhe von 2.486,94 € seit dem 1. September 2015, dem 1. Oktober 2015, dem 1. November 2015, dem 1. Dezember 2015, dem 1. Januar 2016, dem 1. Februar 2016, dem 1. März 2016, dem 1. April 2016, dem 1. Mai 2016 sowie dem 1. Juli 2016 sowie aus einem Betrag in Höhe von 47.500,00 € seit dem 11. Februar 2017 zu zahlen.

IV. Für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer I. und dem Unterliegen mit dem Klageantrag II. wird die Beklagte weiterhin verurteilt,

IV.1. den Kläger gemäß dem im Arbeitsvertrag vom 8. Januar 2001 sowie dem Vertrag vom 9. Oktober 2003 in Verbindung mit dem Teilbetriebsübergang vom 17. August 2012 geregelten Arbeitsbedingungen nebst sämtlicher Ergänzungsvereinbarungen hierzu als Finanzierungs- und Bausparberater weiterzubeschäftigen und

IV.2. an den Kläger einen Betrag in Höhe von 64.660,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus einem Betrag in Höhe von 2.486,94 € jeweils ab dem 1. eines Monats, beginnend ab dem 1. September 2015 bis 30. September 2017 zu zahlen.

V. Für den Fall des Unterliegens in Ziffer I. wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 47.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Februar 2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Anfechtung sei nicht fristgemäß erfolgt. Der Kläger habe bereits im September 2015 von der Absicht der Beklagten erfahren, das Berufsbild Finanzierungs- und Bausparberater sowohl bei der Beklagten als auch in den Kundendienstbüros einzustellen. Dies sei erneut anlässlich des Workshops am 28. Oktober 2015 auch dem Kläger mitgeteilt worden. Die am 17. Februar 2017 bei der Beklagten eingegangene Anfechtung sei somit verfristet. Es liege auch kein Anfechtungsgrund vor. Zur Zeit der Vertragsabschlüsse im April 2015 habe nicht einmal der Vorstand gewusst, dass das Berufsbild Finanzierungs- und Bausparberater auch in den Kundenbüros eingestellt werden würde. Dies sei erstmals anlässlich der Vorstandssitzung am 10. August 2015 (Anlage B 3, Bl. 71 d. A.) erörtert und erst danach beschlossen worden. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Sitzungsprotokoll. Im Übrigen habe der Kläger schon seit Jahren den Wunsch gehabt, ein eigenes Kundendienstbüro zu leiten. Die weitere Tätigkeit dort im Bereich der Finanzierungs- und Bausparberatung sei nur maginal gewesen. Darauf sei es dem Kläger nicht in erster Linie angekommen. Auch deshalb sei dies nicht Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrages gewesen. Eine etwaige Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages führte jedenfalls nicht zu einer Fiktion der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2016. In diesem Fall wäre der Kläger versetzt worden wie die meisten anderen in gleicher Lage befindlichen Beschäftigten auch. Ein Anspruch auf eine erhöhte Abfindung bestehe schon deshalb nicht. Eine Zusage, dass der Kläger auf unbestimmte Zeit die Tätigkeit der Finanzierungs- und Bausparberatung durchführen könne, habe die Beklagte nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht Chemnitz hat mit Urteil vom 25. April 2018 – 6 Ca 1851/17 – die Klage abgewiesen. Auf die Begründung des angefochtenen Urteils (Bl. 94 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Gegen das dem Kläger am 6. August 2018 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz, der am 24. August 2018 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz, der innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 26. Oktober 2018 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist, begründet.

Der Kläger trägt vor, das Arbeitsgericht habe in fehlerhafter Weise eine arglistige Täuschung der Beklagten als nicht gegeben angesehen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages sei von einer vollständigen Einstellung der Finanzierungs- und Bausparberatung in den Kundenbüros keine Rede gewesen. Dies stelle eine arglistige Täuschung dar, denn zu diesem Zeitpunkt sei es für die Beklagte jedenfalls nicht feststehend gewesen, dass der Kläger im Kundenbüro auf unbestimmte Zeit diese Tätigkeit werde ausführen können. Diese Erklärung ins Blaue hinein trotz bestehender Zweifel begründe die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Hätte die Beklagte dem Kläger nicht suggeriert, dass das Kundenbüro auf unbestimmte Zeit auch die Finanzierungs- und Bausparberatung zu erledigen habe, hätte der Kläger den Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen.  Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht darüber  keinen Beweis erhoben. Das Arbeitsgericht hätte insbesondere Beweis erheben müssen über den Vortrag des Klägers, die Beklagte habe ihm das Kundenbüro in … offeriert mit der Möglichkeit, die Finanzierungs- und Bausparberatung auf unbestimmte Zeit fortführen zu können. Das Gericht hätte auch seinem erstinstanzlich gestellten Antrag nach den §§ 421 ff. ZPO, das vollständige Protokoll der Vorstandssitzung vom 10. August 2018 von der Beklagten vorlegen zu lassen, nachkommen müssen. Der Kläger bestreite, dass der Vorstandsbeschluss zur Einstellung des Berufsbildes Finanzierungs- und Bausparberater erst nach dem 10. August 2015 gefasst worden sei. Die Vollständigkeit des Protokolls werde bestritten. Aus dem Protokoll ergebe sich, dass die Beklagte schon vorher die Einstellung geplant habe. Auch insoweit hätte Beweis erhoben werden müssen. Der Kläger habe auch die Anfechtungsfrist eingehalten. Er habe weder durch die Firmeninformation vom 24. September 2015 noch anlässlich des Workshops vom 28. Oktober 2015 von der beabsichtigten Einstellung erfahren. Dies sei vielmehr erst im März 2016 erfolgt. Dem Kläger sei als Leiter des Kundendienstbüros die Möglichkeit genommen worden, jährlich 75.000,00 € einzunehmen. Durch die Einstellung der Finanzierungs- und Bausparberatung habe sich dieser Betrag um 30 Prozent reduziert. Dies sei für den Kläger unzumutbar, so dass die Geschäftsgrundlage weggefallen und nach § 313 BGB eine Anpassung vorzunehmen sei. Sei die Anfechtung unwirksam und gelte der Aufhebungsvertrag fort, so könne eine Anpassung nur durch Erhöhung der Abfindung auf insgesamt 85.000,00 € entsprechend der BV erfolgen.

Der Kläger beantragt, das  Urteil  des  Arbeitsgerichts Chemnitz  vom  25. April 2018 – 6 Ca 1851/17 – wird abgeändert und nach den Schlussanträgen der klägerischen Partei erster Instanz erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen nach § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 6 ArbGG verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

A.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 lit. b) und c) ArbGG an sich statthaft und auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist zum 31. Juli 2015 aufgelöst worden. Der Kläger hat weder Ansprüche aus Annahmeverzug noch einen Anspruch auf eine erhöhte Abfindung.

I.

Der Antrag zu I., festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 27. April 2015 nicht aufgelöst worden ist, ist unbegründet. Der Aufhebungsvertrag vom 27. April 2015 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Juli 2015 aufgelöst.

1. Es kann dahinstehen, ob die der Beklagten am 17. Februar 2017 zugegangene Anfechtung rechtzeitig innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes gemäß § 124 Abs. 1 BGB verfristet ist, denn der Aufhebungsvertrag ist mangels eines Anfechtungsgrundes nach § 123 Abs. 1 BGB nicht nach § 142 Abs. 1 BGB nichtig.

2. Nach § 123 Abs. 1 BGB kann die Erklärung anfechten, wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Eine Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB kann auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der Erklärende zu deren Offenbarung verpflichtet war. Das subjektive Merkmal „Arglist“ im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oder aufrechterhalten werden. Dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (so zu Recht  BAG 11. Juli 2012 – 2 AZR 42/11 – Rn. 22 m. w. N.).

a) Unter Zugrundelegung dessen hat der Kläger keine Tatsachen dargelegt, die eine arglistige Täuschung der Beklagten begründen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages die Einstellung des Berufsfeldes Finanzierungs- und Bausparberatung in den Kundenbüros auch nur in Erwägung gezogen hat. Der Kläger hat keine Tatsachen dafür vorgetragen.

b) Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch darüber keinen Beweis erhoben, denn der Kläger hat keine beweiserheblichen Tatsachen vorgetragen.

Entgegen der Auffassung des Klägers hätte das Arbeitsgericht nicht Beweis über seine Behauptung erheben müssen, die Beklagte habe ihm das Kundenbüro in … mit der Möglichkeit offeriert, die Finanzierungs- und Bausparberatung „auf unbestimmte Zeit“ fortführen zu können. Dies kann als richtig unterstellt werden, denn die Beklagte hat dem Kläger ab dem 1. August 2015 dieses Berufsfeld übertragen, und der Kläger hat dieses Berufsfeld während der nächsten sechs Monate auch ausgeübt. Auf unbestimmte Zeit bedeutet nicht etwa – wie der Kläger mutmaßt – auf ewig. Auf unbestimmte Zeit umfasst einen Zeitraum, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bestimmt ist. Der Übertragung des hier streitigen Berufsfeldes auf unbestimmte Zeit lässt sich keine arglistige Täuschung entnehmen, denn selbst wenn die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt es nicht hätte ausschließen können, dass in unabsehbarer Zeit einmal dieses Berufsfeld eingestellt werden könnte, so handelt es sich allenfalls um eine immer gegebene fernliegende Möglichkeit, die ein Wissen oder Wahrscheinlichhalten um eine Aufhebung des Berufsfeldes nicht begründet. Daraus ergaben sich bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte eine konkrete Aufhebung dieses Berufsfeldes zumindest erwogen hat.

Das Arbeitsgericht hatte auch keine Veranlassung, Beweis durch Vorlage des Protokolls der Vorstandssitzung vom 10. August 2018 nach den §§ 421 ff. ZPO zu erheben. Nach den §§ 416, 421 ZPO kann Beweis durch Urkunden auch dadurch erhoben werden, dass dem nicht beweisbelasteten Gegner die Vorlage der Urkunde aufgegeben wird, wenn sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweisführers in den Händen des Gegners befindet. Die von den Ausstellern unterschriebenen Privaturkunden begründen nach § 416 ZPO den vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind. Voraussetzung eines Beweises durch Urkunden ist indessen, dass die beweisbelastete Partei konkret die beweisbedürftigen Tatsachen, die mit der Urkunde bewiesen werden sollen, darlegt.

Daran fehlt es. Der Kläger hat keine beweiserheblichen Tatsachen dargelegt, die zur Beweisaufnahme im Wege  des Beweises durch Urkunden führt.  Die Spekulation des Klägers, es könnten sich aus dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 10. August 2018 noch an anderer Stelle Hinweise darauf geben, dass die Beklagte nicht erst im August 2015, sondern schon spätestens im April 2015 die Einstellung des Berufsbildes Finanzierungs- und Bausparberatung auch in den Kundendienstbüros geplant habe, genügt nicht. Es handelte sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte das Protokoll teilweise vorgelegt hat, und zwar mit dem Tagesordnungspunkt „4. Situation Baufinanzierungsberater“. Darin wurde die Situation in diesem Bereich im Einzelnen geschildert. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Tagesordnungspunkt in dem Protokoll an einer anderen Stelle noch einmal und mit anderem Inhalt auftauchen könnte, sind rein spekulativ. Hierfür hat der Kläger keinerlei Tatsachen vorgetragen.

Über die hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag I. gestellten Klageanträge II. bis IV. war nicht mehr zu entscheiden, denn der Kläger hat mit dem Klageantrag I. nicht obsiegt.

II.

Der mit dem Klageantrag V. verfolgte Anspruch auf Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von 47.500,00 € ist ebenfalls unbegründet.

1. Der Aufhebungsvertrag vom 24. August 2015 ist nicht nach § 313 Abs. 1 BGB dergestalt anzupassen, dass der Kläger einen Anspruch auf eine weitere Abfindung in Höhe von 47.500,00 € hat.

a) Die Zahlungsklage ist zulässig. Die benachteiligte Partei kann auf Zustimmung zu der als angemessen erachteten Anfechtung oder, falls die gegnerische Partei die Zustimmung zur Mitwirkung der Anpassung verweigert, unmittelbar auf Leistung klagen, die sich aus dieser Anpassung ergibt  (BGH 30. September 2011 – V ZR 17/11 – BGHZ 191, 139 Rn. 33 f.). Danach ist der Klageantrag zu 5. zulässig.

b) Der Antrag ist unbegründet.

aa) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann nach § 313 Abs. 1 BGB Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Nach § 313 Abs. 2 BGB steht es einer Veränderung der Umstände gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen. Derjenige, der den Anpassungsanspruch geltend macht, trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Grundlagenstörung (MüKoBGB/Finkenauer § 313 Rn. 135 m. w. N.).

bb) Die Voraussetzungen einer Vertragsanpassung liegen nicht vor.

Es fehlt schon an der vom Kläger behaupteten Vertragsgrundlage. Vertragsgrundlage der Parteien war nicht die „ewige“ Übertragung des Berufsbildes Finanzierungs- und Bausparberater an den Kläger als Leiter eines Kundenbüros. Vertragsgrundlage war die Zuweisung dieses Berufsbildes auf unbestimmte Zeit. Dies schließt eine Aufhebung dieses Berufsbildes gegebenenfalls durch Kündigung während dieser unbestimmten Zeit nicht aus. Damit fehlt es schon an einer entsprechenden gemeinsamen Vorstellung der Parteien.

Im Übrigen ist es auch sehr zweifelhaft, dass der Kläger in Kenntnis dessen, dass die Übertragung jenes Berufsbildes nur für ein Jahr erfolgen werde, den Änderungsvertrag nicht abgeschlossen hätte. Bereits im Frühjahr 2015 ist dem Kläger mitgeteilt worden, dass das Berufsbild Finanzierungs- und Bausparberatung bei der Beklagten demnächst eingestellt werden würde. Der Kläger war im Gegensatz zu vielen anderen Kolleginnen und Kollegen von Anfang an zu einer Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz mit anderen Aufgaben nicht bereit. Eine Änderungskündigung hätte er nicht akzeptiert, so dass nur eine betriebsbedingte Beendigungskündigung in Betracht gekommen wäre. Unter Berücksichtigung dessen hätte der Kläger den Aufhebungsvertrag gegen eine damals freiwillige – die BV war noch nicht in Kraft getreten – Abfindung in Höhe von 37.500,00 € und gegen Abschluss des Vertrages „über eine Tätigkeit als selbständiger Versicherungs-/Bau-sparkassenvertreter“ auch dann abgeschlossen, wenn er gewusst hätte, dass die Übertragung des Berufsbildes Finanzierungs- und Bausparberater auch nur für etwa ein Jahr erfolgen werde. Dies gilt umso mehr, als der Kläger auch ohne Berücksichtigung der Einnahmen aus diesem Berufsbild Einnahmen erzielte, die in etwa denjenigen seines früheren Arbeitseinkommens entsprachen.

Aus diesen Gründen war der Aufhebungsvertrag nicht anzupassen.

2. Eine Anpassung des Vertrags „über eine Tätigkeit als selbständiger Versicherungs-/Bausparkassenvertreter“ scheidet ebenfalls aus. Hier ist eine Anpassung schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger diesen Vertrag zum 1. Januar 2017 gekündigt hat. Mit der Kündigung nach § 313 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Satz 1 BGB macht der Kündigende deutlich, dass eine Anpassung des Vertrages nicht (mehr) möglich oder nicht (mehr) zumutbar ist.

C.

Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Veranlassung für die Zulassung der Revision bestand nicht.

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