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Anspruch auf erfolgsabhängige Jahreszahlung

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 7 Sa 470/17 – Urteil vom 23.08.2018

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.04.2017 in Sachen 19 Ca 6927/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf eine erfolgsabhängige Jahreszahlung nach der Konzernbetriebsvereinbarung vom 23.01.2013 für das Geschäftsjahr 2015 und anteilig für das erste Quartal 2016.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 19. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Klage  – bis auf Abstriche bei der Zinsforderung – in vollem Umfang stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 21.04.2017 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 17.05.2017 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 13.06.2017 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 17.08.2017 am 08.08.2017 begründet.

Die Beklagte bleibt bei ihrer Ansicht, dass es sich bei der erfolgsabhängigen Jahreszahlung gemäß Konzernbetriebsvereinbarung vom 23.01.2013 (Bl. 23 ff. d. A.) um eine reine Betriebstreueleistung handele. Hierfür spreche zunächst die in Ziffer II. 1. Spiegelstrich der KBV enthaltene Stichtagsregelung. Verkannt habe das Arbeitsgericht, dass auch die Höhe der Sonderzuwendung eine Indizwirkung für eine reine Betriebstreueleistung darstelle; denn sie mache nur einen geringen Anteil an der Gesamtvergütung des Klägers aus.

Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht angenommen, die Sonderzuwendung stelle auch eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit des Mitarbeiters dar und habe daher Mischcharakter. Die KBV spreche an keiner Stelle von einer Gegenleistung für erbrachte Arbeit. Die KBV mache die Leistung gerade nicht davon abhängig, dass der Mitarbeiter durch seine Arbeitsleistung individuelle Ziele verwirklichen müsse. Auch sog. Low- Performer erhielten bei Erreichen der Unternehmensziele die Sonderzuwendung. Nur ein Unternehmen, dem es wirtschaftlich gut gehe, wolle seinen Mitarbeitern freiwillige Sonderleistungen gewähren. Nur deshalb knüpfe die KBV die Jahreszahlung daran, dass Unternehmensziele erreicht würden, um sicherzustellen, dass das Unternehmen die Sonderzahlung nur dann erbringen müsse, wenn es ihm wirtschaftlich gut gehe.

Nach Meinung der Beklagten stellten auch die in Ziffer VI. KBV enthaltenen Kürzungsklauseln den reinen Betriebstreuecharakter der Jahresleistung nicht in Frage. Die Kürzungsklauseln seien aus tariflichen Regelungen übernommen worden, ohne dass sie, die Beklagte, sich dabei Gedanken darüber gemacht habe, damit einen bestimmten Zweck, nämlich die Leistung des Mitarbeiters, honorieren zu wollen. Selbst wenn man die Kürzungsregelungen aber als Indiz für einen Entgeltcharakter der Jahresleistung gelten lassen wolle, so überwögen dennoch im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung die Umstände, die für eine reine Betriebstreueleistung sprächen.

Jedenfalls sei es aber geboten gewesen, die KBV ergänzend dahingehend auszulegen, dass als Stichtag für den Leistungsanspruch jedenfalls der 31. Dezember des jeweiligen Geschäftsjahres anzunehmen sei; denn erst am Ende des Geschäftsjahres könne festgestellt werden, ob der Unternehmenserfolg eingetreten sei oder nicht. Dementsprechend hätte das Arbeitsgericht zumindest den anteiligen Anspruch für 2016 abweisen müssen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.04.2017(19 Ca 6927/16) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte hält das arbeitsgerichtliche Urteil für richtig und seine Begründung für überzeugend. Er verteidigt im Einzelnen die Begründungsschritte der arbeitsgerichtlichen Entscheidung gegen die Angriffe der Berufung.

Weiterhin vertritt der Kläger die Auffassung, dass die in der KBV enthaltene Stichtagsregelung aber selbst dann als unwirksam anzusehen sei, wenn es sich bei der erfolgsabhängigen Jahresleistung um eine reine Betriebstreueleistung handelte.

So sei die Stichtagsklausel bei näherem Hinsehen bereits intransparent. Sie enthalte nämlich keinen klaren kalendermäßig feststellbaren Stichtag, sondern verweise auf die in Ziffer VII KBV erwähnte „Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft“. Unklar sei, ob damit die „Aufstellung des Jahresabschlusses“ im Sinne von § 341a Abs. 1 HGB gemeint sei oder die- zeitlich spätere – Feststellung der Richtigkeit des Jahresabschlusses durch den Wirtschaftsprüfer.

Anspruch auf erfolgsabhängige Jahreszahlung
(Symbolfoto: Pormezz/Shutterstock.com)

Orientiere man sich an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur zulässigen Dauer einer Bindung des Arbeitnehmers durch Stichtagsklauseln bei Regelungen über eine Weihnachtsgratifikation, so führe die hier in Rede stehende Stichtagsklausel auch zu einer unzulässig langen Bindung. Stellte man z. B. für die „Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft“ im Sinne von Ziffer VII KBV auf das Testat des Wirtschaftsprüfers ab, so könne sich eine Bindungsdauer bis zum 30.06. des Folgejahres oder sogar darüber hinaus ergeben, was nicht mehr zulässig sei. Dabei komme noch hinzu, dass der Arbeitnehmer mit „Feststellung des Jahresabschlusses“ erst erfahre, ob die erfolgsabhängigen Ziele überhaupt erreicht wurden und ob und ggf. in welcher Höhe überhaupt ein Anspruch auf die Jahresleistung entstanden ist.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift der Beklagten und ihres weiteren Schriftsatzes vom 15.03.2018 sowie der Berufungserwiderungsschrift des Klägers und seines weiteren Schriftsatzes vom 15.08.2018 sowie das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht und den vollständigen Inhalt der KBV zur erfolgsabhängigen Jahreszahlung vom 23.01.2013 wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.04.2017 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen formal ordnungsgemäß eingelegt und begründet. Sie setzt sich auch inhaltlich im Sinne von § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO ausreichend mit den Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils auseinander.

II.  Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.04.2017 konnte jedoch keinen Erfolg haben. Die 19. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat zutreffend erkannt, dass den vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen auf eine erfolgsabhängige Jahreszahlung für die Geschäftsjahre 2015 und – anteilig – 2016 die in Ziffer II 1. Spiegelstrich der KBV vom 23.01.2013 enthaltene Stichtagsklausel nicht entgegen steht, weil diese unwirksam ist. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung umfassend, folgerichtig und mit überzeugenden Argumenten begründet. Die hiergegen in der Berufungsinstanz gerichteten Angriffe der Beklagten waren nicht geeignet, das Ergebnis des arbeitsgerichtlichen Urteils in Frage zu stellen.

Das Berufungsgericht knüpft an die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils an und macht sich diese zu eigen. Im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien in der Berufungsinstanz bleibt aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung zusammenfassend und ergänzend das Folgende auszuführen:

1.  Beide Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass dem Kläger ein Anspruch auf die erfolgsabhängige Jahreszahlung gemäß KBV vom 23.01.2013 für das Geschäftsjahr 2015 in Höhe eines Monatsgehalts (7.577,32 EUR brutto) und für das Geschäftsjahr 2016 in Höhe von 25 % eines Monatsgehalts (1.894,33 EUR brutto) zusteht, falls dieser nicht an der in Ziffer II 1. Spiegelstrich der KBV enthaltenen Stichtagsklausel oder – was den anteiligen Anspruch für 2016 angeht – an einer im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu gewinnenden anderweitigen Stichtagsklausel scheitert. Alle übrigen Anspruchsvoraussetzungen sind dem Grunde und der Höhe nach unstreitig gegeben.

2.  Die Ansprüche des Klägers auf die erfolgsabhängige Jahreszahlung für das Geschäftsjahr 2015 und das 1. Quartal des Geschäftsjahres 2016 scheitern entgegen der Annahme der Beklagten aber auch   nicht an der in Ziffer II 1. Spiegelstrich KBV enthaltenen Regelung, dass nur solche Arbeitnehmer in den Genuss der Leistungen kommen sollen, die im Auszahlungszeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis zum jeweiligen Konzernunternehmen standen.

a.  Zwar erfüllt der Kläger diese Voraussetzung unstreitig nicht; denn er hat sein Arbeitsverhältnis zum 31.03.2016 gekündigt. Der Auszahlungszeitpunkt für die Jahreszahlung 2015 lag jedoch erst am 30.04.2016, derjenige für das Geschäftsjahr 2016 erst im Frühjahr 2017.

b.  Die in Abschnitt  II 1. Spiegelstrich enthaltene Stichtagsklausel erweist sich jedoch als rechtsunwirksam; denn die in der KBV vom 23.01.2013 geregelte erfolgsabhängige Jahreszahlung erweist sich zumindest auch – zur Überzeugung des Berufungsgerichts sogar ganz überwiegend – als zusätzliche Vergütung für die vom Arbeitnehmer im jeweiligen Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung. Es handelte sich somit um einen Bestandteil des Austauschverhältnisses von Leistung und Gegenleistung (sog. Synallagma), die während des jeweiligen Geschäftsjahres im bestehenden Arbeitsverhältnis erbracht wurden. Auch wenn es grundsätzlich als legitim anzusehen ist, wenn ein Arbeitgeber Leistungen auslobt, die dazu dienen sollen, die Arbeitnehmer zu zukünftiger Betriebstreue zu motivieren, stellt die Vorenthaltung einer bereits verdienten Arbeitsvergütung stets ein unangemessenes Mittel dar, eine selbstbestimmte Aufgabe des Arbeitsplatzes zu verzögern oder zu verhindern (BAG vom 12.04.2011, 1 AZR 412/09, juris  Rn. 33). Demnach kann der in einer Betriebsvereinbarung begründete Anspruch auf Auszahlung einer variablen Erfolgsvergütung, die zumindest auch Entgeltcharakter hat, nicht von einer Stichtagsregelung abhängig gemacht werden (LAG Hamm vom 11.05.2016, 2 Sa 1746/15).

aa.  Allein die streitige Stichtagsregelung selbst erscheint vordergründig geeignet, als Indiz dafür angesehen zu werden, dass die Zweckbestimmung der erfolgsabhängigen Jahreszahlung darin bestanden haben könnte, die Mitarbeiter zu zukünftiger Betriebstreue anzuhalten. Dass der Arbeitgeber den Mitarbeitern in Aussicht stellt, dass sie zu dem in Ziffer II 1. Spiegelstrich in Verbindung mit Ziffer VII KBV genannten Zeitpunkt des Folgejahres bei Erreichen bestimmter Unternehmensziele eine Zusatzleistung im Umfang von 50 % bis 100 % eines Bruttomonatsgehalts erzielen könnten, könnte dazu beitragen, die Mitarbeiter von dem Gedanken einer Eigenkündigung abzuhalten oder eine solche zumindest solange hinaus zu schieben, bis der Fälligkeitszeitpunkt der Jahreszahlung erreicht wäre.

bb.  Ein solches Indiz für den Charakter der Jahresleistung als Betriebstreue-Anreiz wird aber sogleich dadurch relativiert, dass der Betriebstreuegedanke als Regelungszweck an keiner Stelle der KBV explizit zum Ausdruck gebracht wird, nicht einmal in deren Präambel. Andererseits erscheint es mit dem Charakter der Leistung als Betriebstreue-Anreiz kaum vereinbar, dass gemäß Ziffer II. 2. Spiegelstrich in Verbindung mit Ziffer I Abs. 2 KBV auch Ruheständler, Vorruheständler oder Frühpensionäre in den Genuss der Jahresleistung kommen, wenn sie nur während eines Teils des Geschäftsjahres noch aktiv bei einem Konzernunternehmen beschäftigt waren. Gegenüber Pensionären einen Anreiz für zukünftige Betriebstreue setzen zu wollen, ergibt keinen Sinn.

cc.  Dass auch Pensionäre in den Genuss der Jahreszahlung kommen sollen, wenn sie im fraglichen Geschäftsjahr zumindest noch eine Zeitlang aktiv beschäftigt  waren, könnte somit allenfalls als Belohnung für in der Vergangenheit gezeigte Betriebstreue verstanden werden. Bezeichnender Weise wird aber auch bei den Pensionären vorausgesetzt, dass sie zumindest während eines Teils des fraglichen Geschäftsjahres noch aktiv beschäftigt waren. Auch der Kläger hat aber in der Vergangenheit, nämlich im gesamten Geschäftsjahr 2015 und  im 1. Quartal des Geschäftsjahres 2016 Betriebstreue bewiesen und seine Arbeitsleistung erbracht.

dd.  Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt die in der KBV vorgesehene Höhe der erfolgsabhängigen Jahreszahlung von 50 bis 100 % eines Bruttomonatsgehalts dagegen keinerlei aussagekräftiges Indiz dar, und zwar weder für noch gegen den vermeintlichen Zweck eines Betriebstreue-Anreizes. Erhält z. B. ein Arbeitnehmer im Weihnachtsmonat ein zusätzliches Bruttomonatsgehalt, so kann es sich dabei je nach Vereinbarung bzw. Ausgestaltung der Zahlungsbedingungen um eine echte Weihnachtsgratifikation handeln, aber auch um ein sog. 13. Monatsgehalt als Bestandteil des arbeitsvertragliches Synallgmas. Allein die Höhe der Zahlung von einem Bruttomonatsgehalt lässt keinerlei Rückschluss auf das eine oder andere zu.

ee.  Auf der anderen Seite finden sind in der KBV aber sehr wohl eine Reihe von Regelungen, die dafür sprechen, dass es sich bei der erfolgsabhängigen Jahreszahlung um eine Leistung mit Entgeltcharakter handelt.

aaa.  Hierfür spricht nach Auffassung des Berufungsgerichts schon der Umstand, dass es ausweislich der Präambel der KBV bei der erfolgsabhängigen Jahresleistung darum geht, „die Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg zu beteiligen“. Es kann dabei von dem Erfahrungssatz ausgegangen werden, dass zu dem Erfolg – oder auch Misserfolg – eines Unternehmens in wesentlichem Umfang die Leistungsperformance der Belegschaft beiträgt. Erreicht ein Unternehmen in einem bestimmten Geschäftsjahr seine selbstgesteckten Ziele, so spricht dies dafür, dass dies in erheblichem Umfang auch auf eine ordentliche bis gute Leistungsperformance der Belegschaft zurückzuführen ist.

bbb.  Die Ansicht der Beklagten, dass ein Zweckbezug auf die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung nur angenommen werden könne, wenn Zusatzentgelte im Falle des Erreichens individueller Ziele gezahlt würden, erscheint demgegenüber zu kurz gegriffen. Das Abstellen auf Unternehmensziele belohnt zwar – aus Arbeitgebersicht insoweit  vielleicht kontraproduktiv – auch den von der im Ganzen ordentlich arbeitenden Belegschaft „mitgezogenen“ Low-Performer. Auf der anderen Seite bietet das Abstellen auf Unternehmensziele für den Arbeitgeber aber erhebliche organisatorische und verwaltungstechnische Vorteile.  So erspart es sich der Arbeitgeber, mit jedem Mitarbeiter individuelle Zielvereinbarungen treffen zu müssen, und ob und inwieweit Unternehmensziele erreicht  worden sind, dürfte für  den  Arbeitgeber auch  wesentlich  einfacher und  rechtssicherer  festzustellen sein als  bei individuellen Zielen jedes Mitarbeiters.

ccc.  Dass der KBV ein erfolgsabhängiger Entgeltgedanke zugrunde liegt, wird in diesem Zusammenhang auch durch Ziffer I. Abs. 1 (a) nahe gelegt, wenn dort u. a. solche Arbeitnehmer, mit denen schon eine individuelle Vereinbarung zur Gewährung von  leistungsorientierten Vergütungsbestandteilen getroffen worden ist, aus dem Geltungsbereich der KBV herausgenommen werden. Ginge es bei der erfolgsabhängigen Jahreszahlung der KBV um einen reinen Betriebstreueanreiz, wäre die Herausnahme dieser Mitarbeiter nicht ohne weiteres erklärbar.

ff.  Es überzeugt auch nicht, wenn die Beklagte die Erfolgsabhängigkeit der Jahreszahlung damit erklären will, dass grundsätzlich nur ein Unternehmen, dem es „gut geht“, willens sei, freiwillige Zusatzleistungen zu erbringen. Die KBV stellt nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens ab, sondern darauf, ob im Geschäftsjahr vorher definierte quantitative oder qualitative Ziele erreicht wurden oder nicht. Es muss sich dabei nicht zwingend darum handeln, wirtschaftliche Gewinne erzielt zu haben. Es kann sich auch um immaterielle, „weiche“ oder eben „qualitative“ Ziele handeln. Es kann z. B. auch in wirtschaftlich angespannten Zeiten um Strukturverbesserungen gehen. Sollte es dagegen nur darum gehen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für Betriebstreuezahlungen sicherzustellen, wäre auch eher  zu erwarten, dass nicht auf eine Zielerreichung in einem vorangegangenen Geschäftsjahr, sondern auf die wirtschaftliche Lage im Auszahlungszeitpunkt abgestellt würde.

gg.  Wie auch bereits das Arbeitsgericht hervorgehoben hat spricht schließlich im besonderen Maße die Regelung in Ziffer VI Abs. 1 KBV für einen zumindest auch gegebenen Entgeltcharakter der erfolgsabhängigen Jahreszahlung. Die in Ziffer VI Abs. 1 KBV enthaltene Regelung, dass auch dem betriebstreuen Arbeitnehmer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis die erfolgsabhängige Jahreszahlung für jeden Monat um 1/12 gekürzt wird, in dem er nicht für wenigstens 15 Tage Anspruch auf Vergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Zuschuss zum Krankengeld oder die dort aufgeführten Leistungen nach dem MuSchG gehabt hat, bedeutet, dass die Höhe der Jahreszahlung unmittelbar (auch) davon abhängig sein soll, in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung im fraglichen Geschäftsjahr erbracht hat, und lässt sich mit einer reinen Betriebstreueleistung nicht vereinbaren.

c.  Bei wertender Gesamtbetrachtung der den Rechtscharakter der in der KBV geregelten „erfolgsabhängigen Jahreszahlung“ charakterisierenden Kriterien überwiegen zur Überzeugung des Berufungsgerichts eindeutig diejenigen, die für einen Entgeltcharakter der in der KBV ausgelobten Zahlung sprechen. Zumindest liegt aber, wie auch das Arbeitsgericht diagnostiziert hat, eine Leistung mit Mischcharakter vor, mit der zumindest auch die vom Arbeitnehmer im fraglichen Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honoriert werden soll, wenn und soweit sie als Teil der Leistung der Gesamtbelegschaft dazu beigetragen hat, die Unternehmensziele des Geschäftsjahres zu erreichen. In Anbetracht des zumindest auch gegebenen Entgeltcharakters der erfolgsabhängigen Jahreszahlung erweist sich die in Ziffer II 1. Spiegelstrich KBV enthaltene Stichtagsregelung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als rechtlich unzulässig und damit unwirksam. Sie kann den Ansprüchen des Klägers somit nicht entgegen gehalten werden.

d.  Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, besteht im Hinblick auf den anteiligen Anspruch des Klägers für das Geschäftsjahr 2016 weder ein Anlass noch eine Befugnis des Gerichts zu einer ergänzenden Auslegung der KBV dahingehend, dass   als Stichtag jedenfalls   der   31. 12. des Geschäftsjahres anzunehmen wäre. Es ist schon keine ungewollte Regelungslücke erkennbar. Es trifft zwar zu, dass erst am Ende des Geschäftsjahres festgestellt werden kann, ob „der Unternehmenserfolg eingetreten ist“, richtig: die gesetzten Unternehmensziele erreicht wurden oder nicht. Warum dies jedoch dazu führen muss, dass die Arbeitsleistung von Mitarbeitern, die nur in Teilen des Geschäftsjahres zum Geschäftserfolg mit beigetragen haben, nicht einmal anteilig durch die Jahreszahlung zusätzlich vergütet werden soll, sondern überhaupt nicht, erschließt sich nicht. Dies gilt umso mehr, als die vorhandene Regelung der KBV in Ziffer VI 1. KBV in bestimmten Konstellationen gerade auch zeitanteilige erfolgsabhängige Jahreszahlungen ermöglicht.

3.  In Ergänzung zu den Ausführungen des Arbeitsgerichts stimmt das Berufungsgericht mit der Rechtsauffassung des Klägers aber auch insoweit überein, als die in Ziffer II 2. Spiegelstrich enthaltene Stichtagsregelung   rechtlich selbst dann keinen Bestand haben könnte, wenn mit der erfolgsabhängigen Jahreszahlung eine reine Betriebstreueleistung bezweckt worden wäre.

a.  So erscheint die Stichtagsregelung unbillig, weil sie nicht danach differenziert, aus welchem Grund der Arbeitnehmer, der während des Geschäftsjahres ganz oder zumindest teilweise seine Arbeitsleistung erbracht hat, im Auszahlungszeitpunkt gemäß Ziffer VII KBV nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zum jeweiligen Konzernunternehmen stand. Der Stichtagsregelung zufolge hätten nämlich selbst solche Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die erfolgsabhängige Jahreszahlung, die von der Beklagten mit Wirkung zu einem Zeitpunkt, der vor dem Auszahlungszeitpunkt gemäß Ziffer VII KBV gelegen ist, betriebsbedingt gekündigt worden wären. Es widerspräche dem Gebot der Billigkeit, dass auch solche Arbeitnehmer von der ausgelobten Betriebstreueleistung ausgeschlossen würden, die durch den Arbeitgeber ohne ihr Zutun daran gehindert worden wären, die nach Auffassung der  Beklagten von der KBV angestrebte Betriebstreue zu erbringen.

b.  Des Weiteren ist dem Kläger auch darin Recht zu geben, dass die Stichtagsregelung in Ziffer II 1. Spiegelstrich in Verbindung mit Ziffer VII KBV als intransparent anzusehen ist.

aa.  Ziffer VII KBV stellt auf die „Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft für das Geschäftsjahr“ ab. § 341a Abs. 1 S. 1 HGB verpflichtet Versicherungsunternehmen, einen Jahresabschluss „aufzustellen und dem Abschlussprüfer zur Durchführung der Prüfung vorzulegen“. Unklar erscheint, ob der in Ziffer VII KBV verwandte Begriff „Feststellung“ die „Aufstellung“ im Sinne von § 341a Abs. 1 HGB meint oder den Zeitpunkt, in dem der Abschlussprüfer nach durchgeführter Prüfung sein Testat vorlegt. Dies kann zu einem deutlich späteren Zeitpunkt geschehen.

bb.  Der Arbeitnehmer, der durch die in der KBV in Aussicht gestellte erfolgsabhängige Jahreszahlung zu zukünftiger Betriebstreue angehalten werden soll, kann anhand der KBV somit nicht sicher abschätzen, wie lange er mindestens betriebstreu bleiben muss, um einen möglichen Anspruch aufgrund der in Ziffer II 1. Spiegelstrich enthaltenen Stichtagsregelung  nicht  zu gefährden.

cc.  Diese Unsicherheit wird noch dadurch verschärft, dass der Mitarbeiter auch erst mit „Feststellung des Jahresabschlusses“ erfährt, ob überhaupt und in welchem Umfang eine erfolgsabhängige Jahreszahlung für das vorangegangene Geschäftsjahr in Betracht kommt. Diese Unsicherheiten erscheinen geeignet, den potentiellen Anspruchsteller daran zu hindern, von seiner persönlichen beruflichen Dispositionsfreiheit rechtssicher Gebrauch machen zu können.

c.  Die zuletzt genannten Gesichtspunkte bedürfen jedoch keiner weiteren Vertiefung, da die Ansprüche des Klägers bereits aus den vom Arbeitsgericht hervorgehobenen Gesichtspunkten zu bejahen sind.

III.  Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor. Eine Divergenz mit einer gegenteiligen Entscheidung eines anderen Landesarbeitsgerichts ist, soweit dem Berufungsgericht bekannt, nicht gegeben. Im Übrigen sind die entscheidungserheblichen Rechtsfragen bereits höchstrichterlich geklärt. Auf die Frage, ob eine vom Arbeitgeber gewährte Zusatzleistung allein deshalb, weil ihre Voraussetzungen am Unternehmenserfolg orientiert sind, als leistungsbezogenes, im Synallagma stehendes Entgelt anzusehen wäre, kommt es vorliegend nicht an, da für den Entgeltcharakter der vorliegend streitgegenständlichen Leistung noch zahlreiche weitere Kriterien streiten.

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