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Anspruch auf Kaufkraftanpassung des Grundgehaltes

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die tariflichen Anpassungen als ausreichend anzusehen sind, um den Verpflichtungen aus den früheren vertraglichen Vereinbarungen zu entsprechen. Die Klage eines langjährigen außertariflichen Vertragsangestellten auf Kaufkraftanpassung seines Grundgehalts wurde abgewiesen, da die Vertragsbedingungen keine spezifische Methode zur Kaufkraftanpassung festlegten.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 Sa 169/23

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine monatliche oder jährliche Anpassung seines Grundgehaltes an die Inflationsrate.
  • Der Anstellungsvertrag sieht lediglich eine Überprüfungspflicht in maximal dreijährigen Abständen vor, nicht zwingend eine vollständige Anpassung.
  • Das Günstigkeitsprinzip greift nicht, da die Günstigkeit der einzelvertraglichen Regelung gegenüber der Dienstvereinbarung nicht im Voraus feststeht.
  • Das Schreiben der Beklagten vom 03.06.2013 begründet keinen Anspruch, sondern stellte nur eine Wissenserklärung dar.
  • Im Gesamtzeitraum seit 2012 lagen die Gehaltserhöhungen des Klägers deutlich über der Inflationsrate, auch unter Berücksichtigung der Einmalzahlungen.
  • Die tariflichen Erhöhungen zum 01.07.2022 übertrafen vermutlich die Inflationsrate des gesamten Jahres 2022.
  • Die begehrten monatlichen und jährlichen Anpassungen wurden daher zu Recht abgewiesen.

Kaufkraftanpassung des Grundgehalts: Gerichtsurteil klärt wichtige Fragen

Kaufkraft Inflation
(Symbolfoto: dee karen /Shutterstock.com)

Gehälter und Löhne sind ein zentrales Element der Arbeitgeberleistungen und Arbeitnehmervergütung. Angesichts hoher Inflationsraten rückt dabei die Frage nach der Anpassung des Grundgehalts an die veränderte Kaufkraft immer stärker in den Fokus. Grundsätzlich haben Arbeitnehmer je nach vertraglichen Vereinbarungen und Tarifbindung unterschiedliche Möglichkeiten, Ansprüche auf Gehaltsanpassungen geltend zu machen.

In der Praxis ist die rechtliche Beurteilung oft komplex, da verschiedene arbeitsvertragliche, tarifliche und gesetzliche Bestimmungen zu berücksichtigen sind. Arbeitgeber müssen sorgfältig prüfen, ob und in welchem Umfang Anpassungen des Grundgehalts vorgenommen werden müssen. Für Arbeitnehmer ist es wichtig, ihre individuellen Ansprüche richtig einzuschätzen und durchzusetzen.

Im Folgenden soll ein aktuelles Gerichtsurteil zu diesem Thema vorgestellt und analysiert werden, um die wesentlichen Aspekte der Rechtslage und Argumente beider Seiten zu beleuchten.

Der Fall vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Detail

Rechtsstreit um die Kaufkraftanpassung des Grundgehalts

Im Zentrum des Falls steht die Klage eines langjährigen außertariflichen Vertragsangestellten der K., der später bei der C. AG und schließlich bei der Beklagten beschäftigt war. Der Kläger forderte eine Anpassung seines Grundgehalts entsprechend der Inflationsentwicklung, basierend auf verschiedenen vertraglichen Bestimmungen, die über die Jahre Bestand hatten.

Die rechtliche Auseinandersetzung entstand, nachdem der Kläger 2012 durch eine dreiseitige Vereinbarung von der K. zur Beklagten wechselte und die Beklagte das Grundgehalt des Klägers fortan nur noch gemäß der tarifdynamischen Anpassungen erhöhte, ohne spezifische Kaufkraftanpassungen vorzunehmen, wie sie in früheren Verträgen vorgesehen waren. Der Konflikt entzündete sich an der Interpretation und Anwendung des Günstigkeitsprinzips sowie der Frage, ob bestimmte Zusagen im Verlauf der Übertragung des Arbeitsverhältnisses ihre Gültigkeit behalten oder ob sie durch allgemeinere Tarifanpassungen ersetzt wurden.

Urteilsbegründung des Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte somit das Urteil des Arbeitsgerichts, das keine Grundlage für die geforderte Gehaltsanpassung sah. Die Gerichte erkannten, dass die vertraglichen Klauseln, auf die sich der Kläger berief, keine zwingende Verpflichtung zur Anpassung des Gehalts an die Kaufkraft vorsahen. Vielmehr interpretierte das Gericht die Klauseln dahingehend, dass sie lediglich eine Überprüfung des Gehalts in regelmäßigen Abständen vorschrieben, ohne eine automatische Anpassung zu garantieren. Zusätzlich argumentierte das Gericht, dass die von der Beklagten angewandten tarifdynamischen Anpassungen im Einklang mit den kollektiven Vereinbarungen standen und das individuell vereinbarte Günstigkeitsprinzip in diesem Fall nicht zum Tragen kam. Der Kläger konnte auch nicht nachweisen, dass die tariflichen Erhöhungen geringer ausfielen als die inflationsbedingte Kaufkraftminderung, was eine entscheidende Bedingung für die Anwendung der Kaufkraftanpassungsklausel gewesen wäre.

Bewertung der Argumente und vertraglichen Bestimmungen

Die zentrale Frage, die das Gericht zu klären hatte, betraf die Interpretation der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seinen Arbeitgebern über die Jahre. Besonders strittig war die Auslegung des Schreibens von 2013, in dem die Beklagte das Günstigkeitsprinzip anerkannte. Das Gericht entschied, dass dieses Schreiben keine neue vertragliche Zusage darstellte, sondern lediglich die bestehenden Verhältnisse klärte. Ferner wurde festgestellt, dass die Vertragsbedingungen keine spezifische Methode zur Kaufkraftanpassung festlegten und die allgemeinen tariflichen Anpassungen als ausreichend betrachtet wurden, um den vertraglichen Verpflichtungen gerecht zu werden.

Auswirkungen des Urteils und nächste Schritte

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat klargestellt, dass im beschriebenen Fall die tariflichen Anpassungen als ausreichend anzusehen sind, um den Verpflichtungen aus den früheren vertraglichen Vereinbarungen zu entsprechen. Da das Gericht die Revision nicht zuließ, sind die Möglichkeiten für den Kläger, gegen dieses Urteil vorzugehen, stark eingeschränkt. Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung klarer vertraglicher Vereinbarungen und die Herausforderungen bei der Interpretation und Anwendung von Klauseln zur Gehaltsanpassung, insbesondere in einem sich verändernden rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeld.

✔ FAQ zum Thema: Kaufkraftanpassung des Grundgehalts


Was versteht man unter Kaufkraftanpassung des Grundgehalts?

Unter der Kaufkraftanpassung des Grundgehalts versteht man die Anpassung des Gehalts eines Arbeitnehmers an die Inflation, um den realen Wert des Einkommens zu erhalten. Dies ist besonders wichtig in Ländern oder Zeiträumen mit hoher Inflation, wo die Kaufkraft des Geldes schnell sinken kann.

Die Kaufkraftanpassung soll sicherstellen, dass Mitarbeiter trotz steigender Preise für Lebenshaltungskosten ihren Lebensstandard beibehalten können. In der Praxis bedeutet dies, dass das Gehalt regelmäßig erhöht wird, um mit der Inflationsrate Schritt zu halten. Dies kann durch Tarifverträge, individuelle Arbeitsverträge oder gesetzliche Regelungen festgelegt sein. In Deutschland beispielsweise werden solche Anpassungen oft in Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt.


Welche Rolle spielt das Günstigkeitsprinzip bei der Kaufkraftanpassung?

Das Günstigkeitsprinzip spielt eine entscheidende Rolle bei der Kaufkraftanpassung des Grundgehalts, indem es sicherstellt, dass Arbeitnehmer von der jeweils vorteilhaftesten Regelung profitieren. Dieses Prinzip ist im deutschen Arbeitsrecht verankert und findet Anwendung, wenn verschiedene arbeitsrechtliche Regelungen – wie Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder individuelle Arbeitsverträge – unterschiedliche Bestimmungen zur Anpassung des Gehalts an die Inflation oder andere wirtschaftliche Veränderungen enthalten.

Anwendung des Günstigkeitsprinzips

Das Günstigkeitsprinzip bestimmt, dass im Falle einer Kollision zwischen verschiedenen Regelungen diejenige angewendet wird, die für den Arbeitnehmer die günstigsten Konditionen bietet. Dies ist besonders relevant, wenn es um die Anpassung des Grundgehalts zur Wahrung der Kaufkraft geht. Beispielsweise könnte ein Tarifvertrag eine bestimmte jährliche Gehaltssteigerung vorsehen, während eine individuelle Vereinbarung im Arbeitsvertrag unter Umständen eine höhere Anpassung aufgrund von Inflation ermöglicht. In solchen Fällen würde das Günstigkeitsprinzip greifen, um dem Arbeitnehmer die günstigere Regelung zu sichern.

Rechtliche Grundlagen und Grenzen

Das Günstigkeitsprinzip ist in § 4 Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) kodifiziert und findet auch Anwendung im Kontext von Betriebsvereinbarungen gemäß § 77 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Es ermöglicht Abweichungen von kollektiven Regelungen, wenn individuelle Vereinbarungen vorteilhafter für den Arbeitnehmer sind. Allerdings ist zu beachten, dass das Günstigkeitsprinzip nicht anwendbar ist, wenn es um die Abweichung von zwingenden gesetzlichen Bestimmungen geht.

Praktische Bedeutung

In der Praxis bedeutet dies, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen das Günstigkeitsprinzip berücksichtigen müssen, insbesondere bei der Festlegung von Mechanismen zur Kaufkraftanpassung. Dies schützt Arbeitnehmer davor, durch spätere, weniger günstige Regelungen in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen benachteiligt zu werden. Es fördert zudem eine faire Verhandlungsbasis zwischen den Sozialpartnern und trägt zur Stabilität der Arbeitsbeziehungen bei.

Das Günstigkeitsprinzip stellt somit ein zentrales Element des deutschen Arbeitsrechts dar, das Arbeitnehmern hilft, den realen Wert ihres Einkommens auch bei wirtschaftlichen Veränderungen wie Inflation zu bewahren. Es gewährleistet, dass die für den Arbeitnehmer günstigste Regelung zur Anwendung kommt und unterstützt damit die soziale Sicherheit und Zufriedenheit am Arbeitsplatz.


Wie wird die Inflation bei der Anpassung des Grundgehalts berücksichtigt?

Bei der Anpassung des Grundgehalts an die Inflation wird die Inflationsrate als zentrales Maß für die Preissteigerung von Waren und Dienstleistungen herangezogen. Die Inflationsrate gibt an, in welchem Umfang die Preise innerhalb eines bestimmten Zeitraums, in der Regel eines Jahres, gestiegen sind. Dieser Wert ist entscheidend, um zu bestimmen, wie stark das Gehalt angepasst werden muss, um die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu erhalten.

Ermittlung der Inflationsrate

Die Inflationsrate wird in Deutschland vom Statistischen Bundesamt (Destatis) ermittelt und monatlich veröffentlicht. Grundlage für die Berechnung ist der Verbraucherpreisindex (VPI), der die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen widerspiegelt, die private Haushalte für Konsumzwecke kaufen. Der VPI basiert auf einem sogenannten Warenkorb, der rund 700 Güterarten umfasst und regelmäßig aktualisiert wird, um Veränderungen im Konsumverhalten der Bevölkerung zu berücksichtigen.

Anwendung der Inflationsrate bei Gehaltsanpassungen

Die Inflationsrate dient als Orientierung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Gehaltsverhandlungen. Ziel ist es, eine Gehaltserhöhung zu vereinbaren, die mindestens der Inflationsrate entspricht, um den realen Wert des Gehalts zu erhalten. In der Praxis bedeutet dies, dass das Gehalt um den Prozentsatz erhöht wird, um den die Lebenshaltungskosten gestiegen sind.

Tarifverträge und individuelle Vereinbarungen

In vielen Branchen werden Gehaltsanpassungen aufgrund der Inflation in Tarifverträgen geregelt. Tarifverträge legen fest, in welchem Umfang und in welchen Zeitabständen die Gehälter der Tarifbeschäftigten angepasst werden. Diese Anpassungen orientieren sich oft an der Inflationsrate, können aber auch darüber hinausgehen, um die Kaufkraft der Arbeitnehmer nicht nur zu erhalten, sondern auch zu verbessern.

In Unternehmen ohne Tarifbindung können individuelle Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen werden. Hierbei ist es wichtig, dass Arbeitnehmer über die aktuelle Inflationsrate informiert sind und diese als Argumentation in Gehaltsverhandlungen einbringen.

Die Berücksichtigung der Inflation bei der Anpassung des Grundgehalts ist ein wesentlicher Mechanismus, um die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu erhalten. Die Inflationsrate dient dabei als maßgeblicher Indikator für die notwendige Höhe der Gehaltsanpassung. Sowohl in Tarifverträgen als auch in individuellen Vereinbarungen spielt die Inflationsrate eine zentrale Rolle, um faire und angemessene Gehaltssteigerungen zu gewährleisten.


Welche vertraglichen Bestimmungen sind für die Kaufkraftanpassung relevant?

Für die Kaufkraftanpassung des Grundgehalts sind verschiedene vertragliche Bestimmungen relevant, die in Arbeitsverträgen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen festgelegt sein können. Diese Regelungen bestimmen, wie und unter welchen Bedingungen die Anpassung des Gehalts an die Inflation oder andere wirtschaftliche Veränderungen erfolgt.

Arbeitsverträge

In individuellen Arbeitsverträgen können spezifische Klauseln zur Gehaltsanpassung enthalten sein. Diese Klauseln legen fest, dass das Gehalt regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst wird, um die Kaufkraft zu erhalten. Solche Anpassungen können an die Inflationsrate gekoppelt sein oder basieren auf der wirtschaftlichen Leistung des Unternehmens.

Tarifverträge

Tarifverträge spielen eine zentrale Rolle bei der Kaufkraftanpassung, da sie oft spezifische Mechanismen für die Anpassung der Gehälter an die Inflation vorsehen. Beispielsweise kann ein Tarifvertrag Sonderzahlungen zur Abmilderung gestiegener Verbraucherpreise festlegen, wie im Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) vom 22. April 2023. Solche Tarifverträge legen fest, dass Beschäftigte Sonderzahlungen erhalten, die direkt auf die Inflationsrate reagieren.

Betriebsvereinbarungen

Betriebsvereinbarungen können ebenfalls Regelungen zur Kaufkraftanpassung enthalten. Diese Vereinbarungen werden zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber ausgehandelt und können Bestimmungen enthalten, die über die gesetzlichen oder tariflichen Anforderungen hinausgehen. Sie können beispielsweise regeln, dass Gehaltsanpassungen häufiger oder in einem anderen Rahmen als im Tarifvertrag vorgesehen überprüft werden.

Gesetzliche Regelungen

Obwohl das deutsche Arbeitsrecht keine allgemeine gesetzliche Verpflichtung zur Kaufkraftanpassung des Gehalts vorsieht, können gesetzliche Regelungen dennoch den Rahmen für vertragliche Vereinbarungen bieten. Beispielsweise kann das Günstigkeitsprinzip, das besagt, dass bei einer Kollision von Regelungen die für den Arbeitnehmer günstigere gilt, bei der Auslegung von Vertragsklauseln zur Kaufkraftanpassung relevant sein.

Praktische Umsetzung

In der Praxis ist die genaue Ausgestaltung der Kaufkraftanpassung von den spezifischen Bedingungen und Vereinbarungen abhängig, die zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffen wurden. Wichtig ist, dass solche Anpassungen klar und verständlich im Vertrag festgehalten werden, um spätere Unstimmigkeiten zu vermeiden. Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, welche Regelungen in ihren Verträgen stehen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen, um ihre Rechte und Pflichten vollständig zu verstehen.

Zusammenfassend sind vertragliche Bestimmungen zur Kaufkraftanpassung des Grundgehalts ein wesentliches Instrument, um den realen Wert des Gehalts der Arbeitnehmer zu schützen und an wirtschaftliche Veränderungen anzupassen. Sie können in verschiedenen Formen auftreten und sollten stets klar und eindeutig formuliert sein, um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 611a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Definition des Arbeitsverhältnisses: Dieser Paragraph ist grundlegend für jeden Arbeitsrecht-Fall, da er das Arbeitsverhältnis definiert. Im vorliegenden Fall geht es um die Ansprüche eines Angestellten aus seinem Arbeitsvertrag, die durch dieses Gesetz geregelt sind.
  • § 613a BGB – Betriebsübergang: Dieser Paragraph spielt eine entscheidende Rolle, da der Anspruch auf Kaufkraftanpassung im Kontext eines Betriebsübergangs zu prüfen ist. Es regelt, dass die Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis bei einem Betriebsübergang auf den neuen Inhaber übergehen.
  • Tarifvertragsgesetz (TVG): In Bezug auf die tarifdynamische Anpassung des Grundgehalts sind Regelungen des Tarifvertragsgesetzes relevant, die die Bindung des Arbeitgebers an die Tarifverträge und deren Anwendungen auf die Arbeitsverhältnisse festlegen.
  • Günstigkeitsprinzip: Das Günstigkeitsprinzip, geregelt im § 4 Abs. 3 TVG, ermöglicht es dem Arbeitnehmer, sich auf die für ihn günstigere Regelung zwischen individueller und kollektiver Vereinbarung zu berufen. Im genannten Fall spielt es eine Rolle bei der Entscheidung, ob tarifliche Erhöhungen oder vertragliche Kaufkraftanpassungen vorteilhafter sind.
  • Grundsätze der Vertragsauslegung: Bei der Interpretation von Klauseln im Anstellungsvertrag, insbesondere hinsichtlich der Klausel zur Überprüfung des Grundgehalts, sind die allgemeinen Grundsätze der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB relevant. Diese legen fest, wie Willenserklärungen und Vertragsbestimmungen im Kontext ihres wirklichen Sinnes zu interpretieren sind, was zentral für die Auslegung der Kaufkraftanpassungsklausel ist.


➜ Das vorliegende Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 10 Sa 169/23 – Urteil vom 13.10.2023

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23.02.2023 – 10 Ca 4873/22 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Kaufkraftanpassung des Grundgehaltes des Klägers.

Am 01.01.1992 wurde der Kläger von der K. als „außertariflicher Vertragsangestellter mit dem Titel Prokurist“ eingestellt. Der schriftliche Anstellungsvertrag vom 13.12.1991, wegen dessen vollständigem Inhalt auf die mit der Klageschrift als Anlage 1 zu den Akten gereichte Kopie verwiesen wird, sieht unter Nr. 5 unter anderem vor:

„Ihr Brutto-Jahresgehalt setzt sich wie folgt zusammen:

Grundgehalt DM 101.000,–

Funktionszulage DM 14.000,–

Gesamtgehalt DM 115.000,–

[…]

Der Vorstand wird die Angemessenheit des Grundgehaltes in angemessenen Zeitabständen von längstens drei Jahren zum Zwecke des Ausgleichs evtl. eingetretener Inflationsverluste (Kaufkraftverluste) überprüfen“

Im Zuge der gesetzlichen Neuordnung der Rechtsverhältnisse der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Nordrhein-Westfalen begründete der Kläger mit Anstellungsvertrag vom 03.04.2002 ein „Zweitarbeitsverhältnis“ mit der Rechtsvorgängerin, der C. AG. In diesem Vertrag, wegen dessen vollständigem Inhalt auf die mit der Klageschrift als Anlage 3 zu den Akten gereichte Kopie verwiesen wird, wurde u.a. das Bruttogrundgehalt des Klägers mit 74.905 EUR festgeschrieben und zudem vereinbart, dass sich der Inhalt des Anstellungsverhältnisses im Übrigen nach den zuletzt vor Inkrafttreten des Neuregelungsgesetzes zwischen dem Kläger und der K. bestehenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen etc. richtet.

Im August 2012 ging das Anstellungsverhältnis aufgrund einer dreiseitigen Vereinbarung (Anlage 4 zur Klageschrift) auf die Beklagte über.

Bei der Beklagten gilt eine mit dem Gesamtpersonalrat abgeschlossene „Dienstvereinbarung über die Anstellung, Vergütung und Versorgung der außertariflich Beschäftigten (AT-Beschäftigte) der Bank“ (im Folgenden: DV AT). In der DV AT, wegen deren vollständigem Inhalt auf die mit der Klageerwiderung als Anlage B 1 zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen wird, ist unter § 3 geregelt, dass das Jahresgrundgehalt tarifdynamisch angepasst wird.

Mit Schreiben vom 03.06.2013 (Anlage 5 zur Klageschrift) teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes mit:

„Mit dem Betriebsübergang nach § 613a BGB ist auch Ihr arbeitsvertraglicher Anspruch auf Kaufkraftanpassung Ihres Grundgehalts übergegangen. Zudem gilt für alle AT-Beschäftigten der Bank – und damit auch für Sie – die „Dienstvereinbarung über die Anstellung, Vergütung und Versorgung der außertariflich Beschäftigten (AT-Beschäftigte)“, in der unter § 3 Jahresfestgehalt vereinbart wurde, dass das Jahresgrundgehalt tarifdynamisch angepasst wird.

Unter Würdigung des einzelvertraglichen Anspruchs auf Kaufkraftanpassung und der tarifdynamischen Anpassung aus der Dienstvereinbarung AT-Beschäftigte gilt für Sie zukünftig das Günstigkeitsprinzip. D.h., sollte die tarifliche lineare Gehaltssteigerung niedriger sein als eine der Inflationsrate folgenden Kaufkraftanpassung (Höhe der Veränderung des vom statistischen Bundesamtes ermittelten Verbraucherpreisindex), erhalten Sie in dem betreffenden Jahr eine Kaufkraftanpassung des Grundgehalts; sollte die zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarte lineare Tariferhöhungen höher sein als die Steigerung des Verbraucherpreisindex, so wird ihr Grundgehalt gemäß Tarifabschluss angepasst.

Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass demzufolge Ihr Jahresgrundgehalt für das Jahr 2013 mit Wirkung zum 01.07.2013 gemäß Tarifvertrag um 2,5% erhöht wird “

Nach dem Betriebsübergang passte die Beklagte das Grundgehalt des Klägers ausschließlich tarifdynamisch an. Jedenfalls seit dem Betriebsübergang auf die Beklagte gab es im Arbeitsverhältnis des Klägers keine durch Beförderungen bedingte und auch sonst keine Entgeltanpassungen, die nicht mit der Weitergabe der allgemeinen Tarif-entwicklung zu tun gehabt hätten. Ausweislich einer von der Beklagten mit der Klageerwiderung als Anlage B10 vorgelegten Entgeltbescheinigung für Juni 2021 bezog der Kläger zu diesem Zeitpunkt neben verschiedenen weiteren Positionen ein monatliches „Festgehalt“ von EUR 9.474,34 brutto.

Unter dem 09.11.2021 schlossen die Parteien – u.a. auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden „8. Ergänzungsvereinbarung zur Dienstvereinbarung zur Arbeitsplatzsicherung vom 13.03.2020 i.d.F. vom 29.07/02.08.2021 – Scope – (8.ErgVB) – eine „Altersteilzeitvereinbarung“. Gemäß § 3 dieser Vereinbarung wird das Arbeitsverhältnis ab dem 01.12.2021 bis zum 31.01.2024 als Altersteilzeitverhältnis auf der Grundlage einer der Hälfte der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit entsprechenden durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden im Blockmodell, d.h. mit einer der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden entsprechenden Arbeitsphase bis zum 31.12.2022 und einer sich daran anschließenden Freistellungsphase fortgeführt. Für die Dauer des Altersteilzeitverhältnisses erhält der Kläger gemäß § 4 der Vereinbarung auf der Grundlage der reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit das in § 3 Ziff. 3 der 8. ErgVB definierte Regelarbeitsentgelt zuzüglich einer in § 5 geregelten Aufstockungszahlung von 30 Prozent. Wegen des vollständigen Inhalts der Altersteilzeitvereinbarung wird auf die mit der Klageschrift als Anlage 6 und wegen des Inhalts der 8. ErgVB auf die mit der Berufungserwiderung der Beklagten als Anlage BB1 vorgelegten Kopien Bezug genommen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger eine Anpassung des ihm in der Zeit von Januar 2022 bis Juni 2022 in Höhe von monatlich 6.158,32 EUR und ab Juli 2022 in Höhe von monatlich 6.343,08 EUR gezahlten Grundgehalts in Höhe der monatlichen Inflationsrate. Hilfsweise begehrt er die Erhöhung seines Jahresgehaltes 2022 um die Differenz zwischen der auf das Jahr 2022 bezogenen Inflationsrate von 7,9% und der von der Beklagten zum 01.07.2022 vorgenommen Entgelterhöhung von 3,0%. Äußerst hilfsweise strebt er die Erhöhung seines Jahresgehaltes 2022 um 2,57% an, wobei es sich hierbei um die Differenz zwischen der Inflationsentwicklung von 2012 bis einschließlich 31.12.2022 in Höhe von insgesamt 23,59% (noch ausgehend von einer Inflation von 7,9% für das Jahr 2022) und den in diesem Zeitraum erfolgten Tariferhöhungen in Höhe von insgesamt 21,02% handeln soll.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei dem Schreiben vom 03.06.2013 handele es sich nach Maßgabe des Wortlautes zwingend um eine Zusage im Sinne einer Anspruchsgrundlage und nicht nur um einen bloßen Verweis auf die bisherige arbeitsvertragliche, tarifliche oder sonstige Rechtslage der Arbeitsvertragsparteien. Sonst hätte die Beklagte in diesem Schreiben vom 03.06.2013 dem Kläger nicht mitgeteilt, „gilt für Sie zukünftig das Günstigkeitsprinzip“. Durch den Zusatz „zukünftig“ habe die Beklagte deutlich gemacht, dass sie dem Kläger zusätzlich und damit eben in Abgrenzung zur bisherigen Rechtslage, etwas habe zusagen wollen. Wenn auch nach dem Schreiben vom 03.06.2013 alles beim Alten hätte bleiben sollen, hätte es des Schreibens nicht bedurft.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 301,73 Euro brutto für den Monat Januar 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2022 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 314,07 Euro brutto für den Monat Februar 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2022 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 449,55 Euro brutto für den Monat März 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2022 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 455,71 Euro brutto für den Monat April 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2022 zu zahlen;

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 486,50 Euro brutto für den Monat Mai 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2022 zu zahlen;

6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 468,03 Euro brutto für den Monat Juni 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2022 zu zahlen;

7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 475,78 Euro brutto für den Monat Juli 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2022 zu zahlen;

8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 501,10 Euro brutto für den Monat August 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2022 zu zahlen;

9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 634,30 Euro brutto für den Monat September 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2022 zu zahlen;

10. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 659,68 Euro brutto für den Monat Oktober 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2022 zu zahlen;

11. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 634,30 Euro brutto für den Monat November 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2022 zu zahlen;

12. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 545,50 Euro brutto für den Monat Dezember 2022, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2023 zu zahlen;

13. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 551,84 Euro brutto für den Monat Januar 2023, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2023 zu zahlen;

14. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1) bis 13) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 5.230,20 Euro brutto für das Jahr 2022 zu zahlen, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2023;

15.äußerst hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1) bis 13) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.978,56 Euro brutto für das Jahr 2022 zu zahlen, nebst Verzugszinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2023.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Anstellungsvertrag sehe lediglich eine Überprüfung in angemessenen Zeitabständen von längsten drei Jahren vor. Es sei weder eine monatliche Überprüfung vereinbart worden noch, dass der Kaufpreiskraftverlust zwingend vollständig weitergegeben werden müsse. Das Günstigkeitsprinzip greife nicht, weil es voraussetze, dass die Günstigkeit der mit einer Betriebsvereinbarung kollidierenden einzelvertraglichen Regelung bereits im Voraus – also unabhängig von den konkreten Bedingungen einer Betriebsvereinbarung – feststehe. Das sei hier nicht der Fall. Bei dem Schreiben vom 03.06.2013 habe es sich auch nicht um eine Willenserklärung, sondern lediglich um eine Wissenserklärung gehandelt, mit der die Beklagte Auskunft darüber gegeben habe, wie sich die (vermeintliche) Rechtslage aus ihrer Sicht darstelle. Jedenfalls sei der Betrachtung der Gesamtzeitraum seit 2012 zugrunde zu legen. In dieser Zeit habe der Gehaltsanstieg des Klägers deutlich über dem Anstieg der Inflationsrate gelegen. Insoweit seien auch die seitens der Beklagten über die tabellenwirksamen Tariflohnerhöhungen hinaus geleisteten Einmalzahlungen zu berücksichtigen.

Mit Urteil vom 23.02.2023, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der im Einzelnen zugrundeliegenden Erwägungen verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Ein Anspruch des Klägers auf die begehrten Anpassungen folge weder aus Nr. 5 des Anstellungsvertrages i.V.m. dem Günstigkeitsprinzip noch aus dem Schreiben der Beklagten vom 03.06.2013. Der Kläger gehe zwar zutreffend davon aus, dass im Verhältnis zwischen dem unter Nr. 5 des Anstellungsvertrages geregelten Inflationsausgleich und § 3 der DV AT das Günstigkeitsprinzip gelte. Dieses Prinzip wende er jedoch aus näher dargelegten Gründen rechtsfehlerhaft an. Nach dem Verständnis des Klägers stünde ihm heute ein Gehalt zu, welches günstiger sei als die arbeitsvertragliche Regelung und zudem auch noch günstiger als nach den Berechnungen in der Dienstvereinbarung. Das sei mit dem Günstigkeitsprinzip nicht gemeint und nicht gewollt. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Anstellungsvertrag keine jährliche Anpassungsprüfungspflicht (wie mit dem Hilfsantrag zu 14. verfolgt) und erst recht keine monatliche Anpassungsprüfungspflicht (wie mit den Anträgen zu 1. bis 13. verfolgt), sondern lediglich eine Anpassungsüberprüfungspflicht nach längstens drei Jahren vorsehe. Unstreitig sei das Gehalt des Klägers in den letzten Jahren stets im gleichen Umfang erhöht worden wie die Gehälter der Tarifangestellten. Zudem seien die Entgelterhöhungen in den Jahren 2012 bis jedenfalls zur Gehaltsanpassung am 01.11.2020 auch deutlich höher gewesen als die Inflation in der Zeit von 2012 bis zum 01.11.2020. Das gelte auch dann, wenn die Einmalzahlungen der Beklagten – wofür vieles spreche – außer Betracht blieben. Des Weiteren spreche viel dafür, dass die Tariferhöhungen zum Zeitpunkt der Gehaltserhöhung am 01.07.2022 insgesamt auch noch höher gewesen seien als die Inflation. Denn zum einen sei die Inflation im zweiten Halbjahr 2022 deutlich höher als im ersten Halbjahr. Zum anderen berücksichtige der Kläger die Tariflohnerhöhung für das Jahr 2012 in Höhe von 2,9% nicht, wohl aber den kompletten Inflationsausgleich für das Jahr 2012 in Höhe von 2,0%. Auch unter Berücksichtigung des Schreibens der Beklagten vom 03.06.2013 ergebe sich kein Anspruch des Klägers, weil die Beklagte sich mit dem Schreiben nicht zusätzlich rechtlich verpflichten, sondern lediglich im Rahmen einer Wissenserklärung (wenn auch in fälschlicher Weise) die aus ihrer Sicht bestehende tatsächliche Rechtslage habe beschreiben wollen. Das ergebe die – näher dargestellte – Auslegung dieses Schreibens.

Mit seiner form- und fristgemäß eingelegten Berufung wendet sich der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, dessen rechtliche Wertungen er aus näher dargelegten Gründen, wegen deren Details auf die Berufungsbegründung verwiesen wird, für fehlerhaft hält.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23.02.2023 – 10 Ca 4873/22 – abzuändern und die Beklagte gemäß den erstinstanzlich gestellten Anträgen zur Zahlung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit ihrer Berufungsbeantwortung, auf die wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens verwiesen wird, verteidigt sie das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Während der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger klargestellt, dass er seinen Anspruch vorrangig auf den Arbeitsvertrag vom 01.01.1992, dort § 3 Nr. 1, und hilfsweise auf das Schreiben der Beklagten vom 03.06.2013 stützt.

Von der weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und wegen der übrigen Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhalts sowie des widerstreitenden Sachvortrags und der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Parteien gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG ergänzend auf den Akteninhalt, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen aus beiden Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 1, 2, 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO genügende und deshalb zulässige Berufung konnte in der Sache keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden, indem es die Klage sowohl mit dem Haupt- als auch den Hilfsanträgen abgewiesen hat. Im Berufungsverfahren sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Gesichtspunkte vorgebracht worden, die zu einer Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Veranlassung geben könnten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit der Klage verfolgten Zahlungen. Das dem Kläger aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis für die nach dem Inhalt der Klageanträge jeweils strittigen Zeiträume geschuldete Altersteilzeitentgelt ist mit den von der Beklagten geleisteten Zahlungen vollständig erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte für den strittigen Zeitraum weder zu der den Berechnungen des Hauptantrags zugrundeliegenden monatlichen noch zu einer den Berechnungen der Hilfsanträge zugrundeliegenden jährlichen Kaufkraftanpassung verpflichtet.

1. Eine Anpassungsverpflichtung ergibt sich nicht aus Nr. 5 des Anstellungsvertrages. Das ergibt die Auslegung dieser vertraglichen Bestimmung.

a) Es kann offenbleiben, ob es sich bei der Vereinbarung um eine Allgemeine Vertragsbedingung handelt. Denn sowohl eine an den für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltende objektive als auch eine konkret-individuelle Auslegung führt zu demselben Ergebnis. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die vertragliche Vereinbarung eine Pflicht zur Anpassung oder – wie die Beklagte meint – nur eine bloße Überprüfungspflicht begründet. Selbst wenn zugunsten des Klägers davon ausgegangen wird, dass aus der vertraglichen Regelung grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf eine – vollständige – Anpassung der Kaufkraft erwächst, führt dies nicht zu dem vom Kläger gewünschten Ergebnis.

b) Wird die unter Nr. 5 des Arbeitsvertrages getroffenen Vereinbarung zur Kaufkraftanpassung als Allgemeine Arbeitsvertragsbedingung verstanden, so ist sie als solche nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von ihnen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG, Urteil vom 25.01.2023 – 10 AZR 109/22, juris Rn. 21 m.w.N.).

c) Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, dass die Beklagte zu einer Überprüfung und – zugunsten des Klägers unterstellten – Anpassung der Kaufkraft entgegen der Auffassung des Klägers nicht etwa allmonatlich oder gar fortwährend, sondern in einem mit Abschluss des Vertrages, hier also mit dem 01.01.1992, beginnenden Rhythmus von drei Jahren verpflichtet ist.

Warum die unter Nr. 5 des Anstellungsvertrages vereinbarte Klausel so zu verstehen ist, hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf zu einer nahezu textidentischen Klausel im Parallelfall eines Kollegen des Klägers in ihrem Urteil vom 06.09.2023 überzeugend herausgearbeitet (LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.09.2023 – 12 Sa 24/23 -). Die erkennende Kammer folgt den Erwägungen der 12. Kammer und macht sich diese zu Eigen. Danach gilt das Folgende:

Auszugehen ist zunächst von dem Wortlaut der Vereinbarung unter Nr. 5 des Anstellungsvertrages. Danach soll eine Überprüfung – und hier unterstellte – Anpassung in angemessenen Zeitabständen von höchstens drei Jahren erfolgen. Das ist der Maximalzeitraum, welchen die Beklagte aufgrund der vertraglichen Vereinbarung nicht unterschreiten darf und zu welchem sie sich vertraglich verpflichtet hat. Ein bestimmter Beginn dieses Rhythmus wird dabei nicht festgelegt; insbesondere wird dieser z.B. nicht auf das Kalenderjahr bezogen. Dem entspricht auch der Sinn und Zweck der vertraglichen Regelung aus der Sicht verständiger und redlicher Vertragspartner. Die Überprüfpflicht bezieht sich auf das konkret mit dem Kläger vereinbarte Grundgehalt. Sinn und Zweck der Klausel ist es, den vertraglichen Wert des vereinbarten Grundgehalts unter Berücksichtigung der Inflation im Grundsatz zu erhalten. Dann ist es sachgerecht, für den Beginn des Überprüfungszeitraums nicht an das Kalenderjahr oder einen anderen beliebigen Zeitpunkt, sondern an den Beginn des Anstellungsvertrages, hier also den 01.01.1992, anzuknüpfen. Der Wert des ab diesem Zeitpunkt vereinbarten Grundgehalts soll durch die Vereinbarung gesichert bzw. erhalten werden. Einen kürzeren als den dreijährigen Überprüfungs- und – hier unterstellten – Anpassungszyklus schreibt die vertragliche Regelung nicht vor. Das gilt insbesondere für die vom Kläger verfochtene vertragliche Verpflichtung zu einer monatlichen oder gar permanenten Überprüfung- und Anpassung. Vom Sinn und Zweck der Klausel her, aber auch aus dem Blickwinkel einer praktikablen Handhabung des damit einhergehenden Überprüfungs- und ggf. resultierenden Aufwandes, kann es nach dem Verständnis des nur objektiven Betrachters nur um eine Überprüfung und – hier unterstellte – Anpassung in angemessenen Zeitabständen gehen, wobei diese hier vertraglich auf maximal drei Jahre fixiert sind. Aus den übrigen Umständen ergibt sich nichts anderes. Das gilt namentlich für das Schreiben der Beklagten vom 03.06.2013 oder auch eine von der Beklagten praktizierte jährliche Überprüfung und Anpassung. Zwar heißt es in dem Schreiben vom 03.06.2013, dass der Kläger „in dem betreffenden Jahr“ eine Kaufkraftanpassung des Grundgehalts erhalte. Ein vertraglicher Anspruch, der abweichend von bisherigen vertraglichen Regelungen für die – als geschuldet unterstellte – Anpassung einen immer einzuhaltenden Mindestzeitraum von einem Jahr begründet, ergibt sich daraus jedoch nicht. Es ist allein die Rede davon, dass der Kläger in dem Jahr, in dem die Prüfung zu dem einen oder anderen Ergebnis führt, je nach Günstigkeit entweder die vertraglich vereinbarte Kaufkraftanpassung oder eine Anpassung gemäß dem Tarifabschluss nach der DV AT erhält. Dass die Prüfung und die – unterstellte – Anpassung z.B. auch im Falle einer über den Zeitraum von einem Jahr hinausgehenden Tariflaufzeit von z.B. 24 Monaten, jährlich zu erfolgen habe, lässt sich daraus nicht ablesen. An diesem Ergebnis ändert auch eine nachfolgende tatsächliche Anpassungspraxis nichts. Selbst wenn die Anpassung jährlich erfolgte oder eine Kaufkraftanpassung unter Angabe eines bestimmten Prozentsatzes „p.a.“ mitgeteilt wurde, hält sich dies innerhalb des vertraglichen Rahmens, der eine Anpassung in einem Zeitabstand von „höchstens“ drei Jahren regelt. Sofern die Beklagte oder deren Rechtsvorgängerin tatsächlich in einem kürzeren Rhythmus überprüfte und anpasste, kann aus dieser tatsächlichen Handhabung aus der Sicht eines verständigen objektiven Dritten nicht abgeleitet werden, dass sie sich damit zu einem von der vertraglichen Vereinbarung abweichenden jährlichen Mindestrhythmus für Überprüfung und Anpassung vertraglich verpflichteten wollte. Auslegungszweifel bestehen zur Überzeugung der Kammer nicht.

d) Hat die Überprüfung und – zugunsten des Klägers unterstellte – Anpassung der Kaufkraft nach der vertraglichen Vereinbarung mithin in einem dreijährigen Rhythmus zu erfolgen, der mit Abschluss des Vertrages, hier also am 01.01.1992 begann, ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass Sinn und Zweck der Anpassungsklausel ein „Neuaufsetzen“ des Rhythmus am 01.12.2021 bedingen können und ein solcher Fall hier eingetreten ist.

aa) Unter welchen Umständen ein derartiges Neuaufsetzen des Rhythmus erforderlich werden kann, hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in ihrer bereits zitierten Entscheidung vom 06.09.2023 mit Blick auf die Tatsache überzeugend herausgearbeitet, dass der dortige Kläger im Laufe des Vertragsverhältnisses eine Beförderung erfuhr, mit der eine leistungsbezogene Erhöhung des Grundgehaltes verbunden war. Die erkennende Kammer teilt die Auffassung der 12. Kammer, dass in den Fällen, in denen das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung (vertragliches Synallagma) neu bestimmt wird, der für die Überprüfung und – hier unterstellte – Anpassung nach der vertraglichen Regelung maßgebliche dreijährige Rhythmus neu einsetzt. Das folgt unmittelbar aus dem bereits angesprochenen Zweck der Kaufkraftanpassungsklausel, den vertraglichen Wert des für die vereinbarte Tätigkeit vereinbarten Grundgehalts unter Berücksichtigung der Inflation im Grundsatz zu erhalten. Wird das Verhältnis zwischen Leistungspflicht und Entgelt neu bestimmt, resultiert daraus der Bedarf, nunmehr das neu bestimmte Grundgehalt in seinem Wertverhältnis zur Leistungspflicht inflationsbedingt zu sichern. Eben dies gewährleistet das Neuaufsetzen des dreijährigen Überprüfungs- und Anpassungsrhythmus. Auslegungszweifel bestehen zur Überzeugung der Kammer auch insoweit nicht.

bb) Anders als in dem von der 12. Kammer entschiedenen Fall, gab es im hiesigen Fall nach der Darstellung des Klägers während der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zwar keine Beförderung. Es kann auch dahinstehen, ob die Begründung des Zweitarbeitsverhältnisses mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten im April 2002 ein Neuaufsetzen des dreijährigen Rhythmus bedingte. Dafür könnte zum einen sprechen, dass das letztlich auf die Beklagte übergegangen Zweitarbeitsverhältnis damit überhaupt erst begründet wurde und die Vertragsparteien offenkundig Veranlassung sahen, das Bruttogrundgehalt des Klägers in der Vereinbarung ausdrücklich mit 74.905 EUR festzuschreiben. Denn jedenfalls der Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung hat nach dem dargestellten Sinn und Zweck der Kaufkraftanpassungsklausel ein Neuaufsetzen des dreijährigen Rhythmus mit dem 01.12.2021 zur Folge.

Die Altersteilzeitvereinbarung greift tief in das Verhältnis von Leistungspflicht und Gegenleistung ein. Das gilt zum einen in zeitlicher Hinsicht. Während bislang eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden galt, wurde unter § 3 der Altersteilzeitvereinbarung eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 19,5 Stunden vereinbart. Zum anderen wurde das Verhältnis zwischen der zu erbringenden Arbeitsleistung und der hierfür jeweils zu zahlenden Vergütung grundlegend verändert. Denn nach § 3 der Altersteilzeitvereinbarung hat der Kläger während der Arbeitsphase weiterhin die volle wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden zu leisten. Gemäß § 4 der Vereinbarung erhält er hierfür jedoch nur eine auf der reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden aufsetzende Vergütung, die zudem nicht wie bislang „frei verhandelt“ ist, sondern dem in § 3 Ziff. 3 der 8. ErgVB definierten Regelarbeitsentgelt entspricht und gemäß § 5 der Vereinbarung um eine Aufstockungszahlung von 30 Prozent ergänzt wird.

cc) Infolge dieser Veränderungen der synallagmatischen Leistungspflichten setzt der dreijährige Rhythmus mit Wirksamwerden der Altersteilzeitvereinbarung am 01.12.2021 neu auf. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Beklagte auf der Grundlage von Nr. 5 des Anstellungsvertrages erst am 01.12.2024 zu der vertraglich geschuldeten Überprüfung und – hier unterstellten – Anpassung des Grundgehaltes des Klägers verpflichtet wäre.

e) Bei konkret-individueller Auslegung der vertraglichen Vereinbarung ergibt sich kein anderes Ergebnis.

Atypische Willenserklärungen sind nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen müssen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (BAG 29.03.2023 – 5 AZR 55/19, juris Rn. 45). Wortsinn sowie Sinn und Zweck sprechen auch insoweit für dafür, dass der Kläger einen vertraglichen Überprüfungs- und Anpassungsanspruch im dargestellten Sinne hat. Der Anpassungsrhythmus beträgt danach ebenfalls drei Jahre und setzt aus denselben Erwägungen mit Wirksamwerden der Altersteilzeitvereinbarung am 01.12.2021 neu auf. Die konkrete Interessenlage der Vertragsparteien führt zu keinem anderen Ergebnis. Auslegungszweifel bestehen zur Überzeugung der Kammer auch insoweit nicht.

f) Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass der Kläger aus Nr. 5 des Anstellungsvertrages keinen Anspruch auf die mit der Klage verfolgten Zahlungen hat, weil die nach dem Inhalt der Klageanträge für die jeweils strittigen Zeiträume geschuldeten Entgelt-ansprüche mit den von der Beklagten geleisteten Zahlungen vollständig erfüllt sind und die Beklagte für diese Zeiträume mangels Ablauf des mit dem 01.12.2021 begonnenen dreijährigen Überprüfungsrhythmus keine Kaufkraftanpassung schuldete.

g) Allerdings würde sich ein dem Kläger günstigeres Ergebnis auch nicht einstellen, wenn weder in dem Wirksamwerden des Altersteilzeitvertrages noch in sonstigen Geschehnissen und Entwicklungen des Arbeitsverhältnisses ein Grund für ein Neuaufsetzen des dreijährigen Rhythmus erblickt würde. Denn auch dann wäre der aus Nr. 5 des Anstellungsvertrages erwachsenden Pflicht zur Überprüfung und – hier unterstellten – Anpassung des dem Kläger zu zahlenden Grundgehaltes genüge getan.

aa) Zwar spricht die Kaufkraftanpassungsklausel nur von einem Ausgleich der eingetretenen Inflations- bzw. Kaufkraftverlust. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass etwas anderes gemeint sein sollte als der Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI). Ausgehend vom 01.01.1992 führt der dreijährige Rhythmus zu folgenden Terminen für die Überprüfung und – hier unterstellte – Anpassung: 01.01.1995, 01.01.1998, 01.01.2001, 01.01.2004, 01.01.2007, 01.01.2010, 01.01.2013, 01.01.2016, 01.01.2019, 01.01.2022. Maßgeblich ist demnach für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2022 bis Januar 2023 der mit dem 01.01.2022 anfallende Termin. In Übereinstimmung mit den Erwägungen der 12. Kammer in der zitierten Entscheidung vom 06.09.2023 geht auch die erkennende Kammer davon aus, dass der Kaufkraftverlust sich entsprechend der Rechtsprechung zu § 16 BetrAVG ausgehend von dem VPI im Monat vor dem Anpassungsstichtag bemisst. Für die Ermittlung des Anpassungsbedarfs ist auf die Indexwerte der Monate abzustellen, die dem Beginn des maßgeblichen Anpassungszeitraums – hier 01.01.1992 – und dem aktuellen Anpassungsstichtag – hier 01.01.2022 – unmittelbar vorausgehen. Nur auf diesem Weg ist der gebotene volle Kaufkraftausgleich sichergestellt (LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.09.2023 – 12 Sa 24/23 unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 23.02.2021 – 3 AZR 15/20, juris Rn. 62).

bb) Unter Zugrundelegung des VPI 2020 = 100 betrug der Indexstand im Dezember 1992 63,5 Punkte und im Dezember 2021 104,7 Punkte. Dies ergibt eine auszugleichende Inflation von: 104,7 – 63,5 = 41,2 Punkte. Daraus folgt ein erforderlicher Kaufkraftausgleich von 41,2 / 63,5 x 100 = 64,88%. Das Jahresgrundgehalt am 01.01.1992 von 101.000,00 DM = 51.640,48 EUR wäre mithin durch Multiplikation mit dem Faktor 1,6488 auf den Betrag von 85.144,82 anzupassen, woraus sich, geteilt durch 12, ein monatliches Grundgehalt von 7.095,40 EUR errechnet.

cc) Diesen Anpassungsbedarf hat die Beklagte mit den Gehaltserhöhungen, die sie dem Kläger in Vollzug der tariflichen Entgelterhöhungen gemäß DV AT gewährte, mehr als erfüllt.

Bei der Prüfung ist allerdings die Eingangsprämisse der hier anzustellenden Betrachtung zu beachten, die darin liegt, dass weder in dem Wirksamwerden des Altersteilzeitvertrages noch in sonstigen Geschehnissen und Entwicklungen des Arbeitsverhältnisses ein Grund für ein Neuaufsetzen des dreijährigen Rhythmus erblickt wird. Aus der Logik dieser Prämisse folgt, dass für den Vergleich zwischen dem Grundgehalt, das dem Kläger nach der vorstehenden Berechnung zu zahlen ist, und dem im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses erreichten Vergleichsentgelt nicht auf das im strittigen Zeitraum gezahlte sog. Altersteilzeitentgelt (reduziertes Regelarbeitsentgelt gemäß § 4 der Alterszeitzeitvereinbarung zuzügl. Aufstockung gemäß § 5) abgestellt werden darf. Maßgeblich ist vielmehr das vom Kläger vor Beginn der Altersteilzeit bezogene Entgelt, das sich ausweislich der von der Beklagten mit der Klageerwiderung als Anlage B10 vorgelegten Entgeltbescheinigung für Juni 2021 aus einem monatlichen „Festgehalt“ von EUR 9.474,34 brutto zuzüglich verschiedener weiterer Positionen belief. Allein die Betrachtung der Position „Festgehalt“ lässt zweifelsfrei erkennen, dass von einem Defizit des Klägers in der inflationsbedingten Anpassung seines Arbeitsentgelts bei weitem keine Rede sein kann.

2. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 03.06.2013 folgt ebenfalls keine Verpflichtung zu der den Berechnungen des Hauptantrags zugrundeliegenden monatlichen oder zu einer den Berechnungen der Hilfsanträge zugrundeliegenden jährlichen Kaufkraftanpassung.

a) Es bleibt offen, ob dem Kläger mit dem Schreiben einzelvertraglich die Anwendung des Günstigkeitsprinzips im Verhältnis zwischen der vertraglichen Vereinbarung unter Nr. 5 des Anstellungsvertrages und der DV AT zugesagt wurde. Die Auslegung des Schreibens ergibt, dass dem Kläger mit diesem Schreiben jedenfalls kein Anspruch zugesagt worden ist, der über seinen vertraglichen Anspruch hinausgeht. Objektive und konkret-individuelle Auslegung führen nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Auch insoweit folgt die erkennende Kammer den überzeugenden Erwägungen der 12. Kammer in der bereits zitierten Entscheidung zu einem dieselbe Rechtsfrage betreffenden Parallelfall eines Kollegen des Klägers (LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.09.2023 – 12 Sa 24/23 -). Danach gilt das Folgende:

aa) Zwar kann der Kläger ein ihm günstiges Vertragsangebot der Beklagten auch stillschweigend annehmen (§ 151 BGB). Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist dabei nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und ob er auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte (LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.09.2023 – 12 Sa 24/23 – unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 25.01.2023 – 10 AZR 109/22, juris Rn. 11). Maßstab bei der objektiven Auslegung sind dabei – wie oben dargelegt – ausgehend vom Wortlaut die typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss.

bb) Hiervon ausgehend folgt entgegen der Ansicht des Klägers aus dem Schreiben vom 03.06.2013 kein eigenständiger Verpflichtungstatbestand, der über den dem Kläger vertraglich zugesagten Anspruch hinausgeht. Dafür spricht zunächst der Vertragswortlaut. Dieser stellt für die Anwendung des Günstigkeitsprinzips zwei Dinge gegenüber, nämlich den einzelvertraglichen Anspruch des Klägers und die tarifdynamische Anpassung der Grundgehälter nach der DV AT. Dies belegt bereits der Eingangssatz. Danach ist ausdrücklich der arbeitsvertragliche Anspruch auf Kaufkraftanpassung übergegangen. Es wird mithin kein neuer Anspruch zugesagt oder kreiert, sondern an den bereits vorhandenen arbeitsvertraglichen Anspruch angeknüpft. Dieser und kein neuer Anspruch wird im ersten Absatz der Dynamisierung gemäß DV AT gegenübergestellt. Bereits das zeigt deutlich, dass es um einen Vergleich der beiden bestehenden Anspruchsgrundlagen geht, nicht aber um deren Veränderung. Nicht anders ist aus der Sicht objektiv verständiger Dritter der Eingangsabsatz des zweiten Absatzes zu verstehen. Es wird ausgeführt, dass das Günstigkeitsprinzip zukünftig gelten soll. Auch dies steht indes nicht isoliert. Das Schreiben vom 03.06.2013 gelangt dazu vielmehr unter Würdigung der ausdrücklich genannten Ansprüche, nämlich dem einzelvertraglichen Anspruch auf Kaufkraftanpassung und der Tarifdynamik aus der DV AT. Auch dies spricht deutlich dagegen, dass mit der – hier zu Gunsten des Klägers unterstellten – Zusage des Günstigkeitsprinzips mehr zugesagt werden sollte, als sich aus den beiden Anspruchsgrundlagen ergibt. Aus den nachfolgenden Sätzen folgt nichts anderes. Aus der Sicht eines verständigen objektiven Dritten konnten diese nicht dahingehend verstanden werden, dass die beiden eingangs gegenübergestellten Anspruchsgrundlagen und die daraus resultierende Rechtslage nunmehr verändert werden und ein Mehr zugesagt werden sollte. Es wird schlicht konkret als Beispiel ausgeführt, wie dieser Günstigkeitsvergleich durchgeführt werden soll. Richtig ist, dass dabei ausgeführt ist, dass der Kläger „in dem betreffenden Jahr“ eine Kaufkraftanpassung des Grundgehalts erhalten soll. Wie bereits erwähnt knüpft dies lediglich an die innerhalb des vertraglich Zugesagten tatsächlich geübte Praxis an, wonach in tatsächlicher Hinsicht zuletzt in einem jährlichen Rhythmus überprüft und angepasst wurde. Das hielt sich – wie ausgeführt – aber innerhalb des durch Nr. 5 des Anstellungsvertrages vorgegebenen Vertragsrahmens, der eine Überprüfung in angemessenen Zeitabständen von höchstens drei Jahren vorsieht. Die tatsächliche Erfüllung dieser vertraglichen Verpflichtung durch die bisherige Praxis führt aus Sicht objektiver Dritter auch unter Berücksichtigung des Schreibens vom 03.06.2013 nicht dazu, dass vertraglich zugesagt nunmehr ein kürzerer verpflichtender Rhythmus von einem Jahr gilt. Probleme in der Anwendung des – hier als zugesagt unterstellten – Günstigkeitsprinzips ergeben sich aus dieser Interpretation nicht. Es ist schlicht ausgehend vom Beginn des Arbeitsverhältnisses oder dem durch Änderungen in der Leistungsbeziehung bedingten Neuaufsetzen des Rhythmus alle drei Jahre das Grundgehalt des Klägers zu überprüfen. Etwaige Tariferhöhungen, die bereits erfolgt sind, sind dabei zu berücksichtigen. Tarifanpassungen nach dem letzten vertraglichen Anpassungsstichtag werden zu dem tariflich vereinbarten Zeitpunkt nur insoweit weitergegeben, als sie ausgehend von der letzten Tarifanpassung das vertraglich angepasste Gehalt übersteigen. Beide Dynamisierungen laufen schlicht parallel und das jeweils günstigere Ergebnis kommt zur Anwendung. Auslegungszweifel bestehen hierzu nicht.

cc) Eine konkret-individuelle Auslegung führt zu keiner Abweichung. Aus der Sicht eines konkret individuellen Empfängers in der Situation des Klägers ergibt sich bei Würdigung von Interessenlage und Zweck des Schreibens vom 03.06.2013 kein anderes Ergebnis als vorstehend dargestellte.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Für eine Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht bestand angesichts der dafür geltenden Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

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