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Anspruch auf Überstundenvergütung – Voraussetzungen

Arbeitnehmer verlangt Überstundenvergütung und Urlaubsabgeltung vom Arbeitgeber.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat Berufung eingelegt und die Zahlung von 15.433,85 Euro brutto Überstundenvergütung und 5.379,27 Euro brutto Urlaubsabgeltung verlangt. Der Kläger behauptet, die Arbeitszeitangaben seien in wöchentlichen Tätigkeitsberichten enthalten, die er der Beklagten wöchentlich per E-Mail übersandt habe. Die Beklagte bestreitet dies und sagt, dass die Wochenberichte Verkaufsberichte enthielten, die ausschließlich der Information der Vertriebsleiter dienten, nicht jedoch der Erfassung der Arbeitszeit. Die Beklagte ist der Meinung, dass der Urlaub aus 2017 vollständig abgegolten ist und der Urlaub aus 2016 verfallen ist.

Kläger und Beklagte haben Berufung und Anschlussberufung eingelegt. Die Berufungen sind statthaft und zulässig. Das Gericht entscheidet zugunsten des Klägers, dass ihm eine Urlaubsabgeltung von 5.070,35 € brutto zusteht. Der Anspruch auf Vergütung von Überstunden wurde abgelehnt. Der Kläger hatte für 2016 noch einen Urlaubsanspruch von 19,5 Tagen, für 2017 einen Resturlaubsanspruch von 16 Tagen. Da die Beklagte den Arbeitnehmer nicht darüber informiert hat, dass der Urlaub am Ende des Jahres 2016 nicht verfallen ist, kann der Kläger auch den Resturlaub von 16 Tagen in 2017 beanspruchen. Ein Anspruch auf Überstundenvergütung besteht nicht, da die Beklagte die Überstunden weder angeordnet noch gebilligt hat. Die Anschlussberufung der Beklagten ist nur im Umfang von 49,78 € brutto begründet, da der Kläger für die am 2. und 3. September 2017 geleisteten Überstunden Anspruch auf Vergütung hat.


Thüringer Landesarbeitsgericht – Az.: 2 Sa 33/19 – Urteil vom 28.04.2022

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 17.12.2018 – 5 Ca 267/18 – abgeändert, soweit die Klage abgewiesen wurde. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 5.070,35 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2017.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 17.12.2018 – 5 Ca 267/18 – in Ziffer 1 unter Abweisung der Klage im Übrigen abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.863,56 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2017.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

3. Die Kosten des ersten Rechtszuges hat der Kläger zu 57,30 v.H. und die Beklagte zu 42,70 v.H. zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 73,42 v.H. und die Beklagte zu 26,58 v.H. zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch über Überstundenvergütung und Urlaubsabgeltung.

Der Kläger war vom 01.05.2015 bis 30.11.2017 bei der Beklagten als „Key Account Manager“ (Akquise von Schlüsselkunden) für die Kundengruppe Lebensmitteleinzelhandel, Drogerie und Fotohandel im Außendienst auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 21.01./01.02.2015 sowie der Stellenbeschreibung und Dienstwagenvereinbarung (Bl. 11 ff. d. A.) mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Er war im Rahmen seiner Tätigkeit verpflichtet, wöchentlich Key Account Projektberichte (Verkaufsberichte) mit Angaben zum Arbeitsergebnis, zu Anfragen, Verkäufen, Planungen etc. zu fertigen und bis Montag der Folgewoche an den Vertriebsleiter T… bzw. den sales coach H… zu schicken.

Die Parteien vereinbarten ein monatliches Gehaltsfixum i.H.v. 3.900,00 € brutto, zahlbar jeweils am Letzten des Monats, und die Zahlung von Boni. Der Kläger erhielt ab Januar 2017 eine monatliche Grundvergütung i.H.v. 4.200,00 € brutto und ab März 2017 i.H.v. 4.600,00 € brutto. In § 9 des Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien 25 Arbeitstage Urlaub bei einer Fünftagewoche. Nach § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages war der Kläger verpflichtet, bei entsprechendem betrieblichem Bedarf in gesetzlich zulässigem Umfang auch Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit zu leisten. Mit der Vergütung sollte jede etwaige Über- und Mehrarbeit (einschließlich Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit) abgegolten sein.

Die Beklagte bestätigte dem Kläger mit E-Mail vom 20. September 2017 (Bl. 34 d. A.) einen Resturlaub von 19,5 Tagen aus 2016.

Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers vom 24.10.2017 zum 30.11.2017. Der Kläger wurde von der Beklagten ab 07.11.2017 unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Anrechnung von Urlaub freigestellt. Er war vom 06.11.2017 bis 29.11.2017 arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte zahlte mit der Abrechnung November 2017 eine Urlaubsabgeltung i.H.v. 6.050,77 € brutto.

Der Kläger hat mit der am 06.03.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Vergütung von 620,25 Überstunden für den Zeitraum vom 19.01.2017 bis einschließlich 23.10.2017 i.H.v. 16.130,53 € brutto, die Zahlung von Weihnachtsgeld 2017 i.H.v. 4.216,66 € brutto, die Zahlung einer Prämie für November 2017 i.H.v. 2.500,00 € brutto, die Zahlung von 547,00 € netto geldwertem Vorteil für das auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug, Spesen i.H.v. 511,89 € und Urlaubsabgeltung i.H.v. 5.379,27 € brutto aus 2016 und 2017 geltend gemacht. Die Beklagte hat Widerklage erhoben und vom Kläger die Rückzahlung überzahlter Urlaubsabgeltung i.H.v. 2.653,97 € brutto sowie Schadensersatz für ein beschädigtes Mobiltelefon i.H.v. 222,94 € verlangt.

Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 294 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 4.913,34 € brutto (4.216,66 € brutto Weihnachtsgeld, 696,68 € brutto Überstundenvergütung für den 2. und 3. September 2017) (Ziff. 1.) sowie zur Zahlung von Spesen i.H.v. 511,89 € netto (Ziff. 2.) jeweils nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen, ebenso wie die Widerklage, abgewiesen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 300 ff. d. A.) verwiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 20.12.2018 zugestellte Urteil am 15.01.2019 Berufung eingelegt soweit die Klage auf Urlaubsabgeltung und weiterer Überstundenvergütung abgewiesen wurde, und die Berufung am 20.02.2019 begründet. Die Berufungsbegründung wurde der Beklagten am 04.03.2019 zugestellt. Die Beklagte hat am 04.04.2019 Anschlussberufung eingelegt, soweit sie unter Ziffer 1. des Urteils zur Zahlung von 696,68 € brutto Überstundenvergütung für den 2. und 3. September 2017 verurteilt wurde.

Der Kläger macht mit der Berufung Überstundenvergütung i.H.v. 15.433,85 Euro brutto (16.130,53 € abzüglich zugesprochener 696,68 €) geltend. Er beruft sich dabei auf die als Anlage K 7 (Bl. 22 ff. d. A.) zur Akte gereichten Aufzeichnungen. Diese besteht aus einer Tabelle (Bl. 22 d. A.), in der die Überstunden wochenweise unter Angabe der Soll- und Ist-Stunden aufgeführt sind. Eine weitere Tabelle (Bl. 23 ff. d. A.) enthält jeweils für die einzelnen Tage Angaben zu Datum, Kunden, Ziel sowie „TO DO“. In der Spalte „Ziel“ sind Tätigkeiten und im Klammerzusatz die Arbeitszeit angegeben, beispielhaft: „Marken besprechen (Libratone/Zoundl/B&O,etc.) (AZ: 07:00 Uhr – 19:00 Uhr)“. Diese Aufstellung bezieht sich nicht nur auf die Tätigkeit im Außendienst, sondern auch im Homeoffice. Pausen hat der Kläger nicht angegeben. Er behauptet hierzu, keine Pausen gemacht zu haben. Der Kläger beruft sich darauf, die Überstunden seien zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig gewesen, er habe sich die Zeiten nicht anders einteilen können. Insoweit komme es auf eine Anordnung, Billigung oder Duldung nicht an. Gleichwohl sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts von einer Duldung auszugehen. Denn die Vorlage der wöchentlichen Tätigkeitsberichte an die Beklagte, aus denen die angefallenen Überstunden ohne weiteres ersichtlich seien, hätte, soweit die Beklagte die Überstunden nicht habe dulden wollen, Anlass sein müssen, Vorkehrungen zu treffen, damit keine weiteren Überstunden mehr geleistet würden. Die als Anlage K 7 vorgelegte Aufstellung sei der Beklagten während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht zugeleitet worden. Es handle sich dabei auch nicht um eine Kopie der von der Beklagten geforderten wöchentlichen Tätigkeitsberichte, sondern um eine Aufstellung, die er zur eigenen Verwendung auf Grundlage der Wochenberichte geführt und fortgeschrieben habe. Der Kläger behauptet, die Arbeitszeitangaben seien nach seiner Erinnerung in den jeweiligen Wochenberichten, die er der Beklagten wöchentlich per E-Mail übersandt habe, enthalten gewesen. Das schließe er daraus, dass er seinerzeit die Aufstellung (Anlage K 7) unter Verwendung dieser Wochenberichte gefertigt und fortgeführt habe. Der Kläger beantragt, der Beklagten die Vorlage der Wochenberichte zum Beweis der Tatsache, dass dort die Arbeitszeiten gemäß der Anlage K 7 enthalten seien, aufzugeben. Er könne die konkreten Daten der Wochenberichte nicht mehr benennen, gehe jedoch davon aus, er habe die Urkunden im Sinne eines Beweisantrages ausreichend bezeichnet, insbesondere könne die Beklagte die Wochenberichte von anderen, in ihrem Besitz befindlichen Unterlagen unterscheiden. Es handle sich um die Wochenberichte, die seine Tätigkeit an den einzelnen Tagen gemäß Anlage K 7 zusammenfassten.

Der Kläger begehrt darüber hinaus Urlaubsabgeltung i.H.v. 5.379,27 € brutto, ausgehend von einer Urlaubsabgeltung für 37 Tage i.H.v. 11.430,04 € brutto abzüglich der von der Beklagten im November 2017 gezahlten Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.050,77 € brutto. Er ist der Auffassung, der Urlaub aus 2016 sei nicht verfallen. Er habe den Urlaub im Einvernehmen mit der Beklagten, in Absprache mit dem Geschäftsführer ………. im Januar / Februar 2016, für die Geburt seines Kindes ansparen wollen und deshalb nicht allein, sondern in Abstimmung mit der Beklagten entschieden, den Urlaub im Jahr 2016 nicht zu nehmen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte wird in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Suhl vom 17.12.2018 – 5 Ca 267/18 – verurteilt, an den Kläger weitere 20.813,12 € brutto zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.12.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen und das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 17.12.2018 in Ziffer 1. abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 4.216,66 € brutto nebst Zinsen seit 01.12.2017 verurteilt wurde.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe nie eine Arbeitszeitaufstellung oder -erfassung abgegeben oder Überstunden angezeigt. Bei den Wochenberichten, die der Kläger abgegeben habe, handle es sich um Verkaufsberichte. Diese enthielten die Arbeitszeitangaben, wie in Anlage K 7, nicht. Sie hätten auch einen anderen Zweck. Sie dienten ausschließlich der Information der Vertriebsleiter in Form der Berichterstattung über Verkaufszahlen, Anfragen von Kunden und Projektständen, nicht jedoch der Erfassung der Arbeitszeit. Die Arbeitszeit sei nie abgefordert worden Deshalb seien die Berichte auch nicht in die Personalabteilung oder Lohnbuchhaltung gelangt. Überdies habe der Kläger die Berichte oftmals gar nicht oder unpünktlich abgegeben. Zudem könnten die Berichte aus 2017 nicht vorgelegt werden, da sie nicht über das Geschäftsjahr hinaus archiviert worden seien. Unabhängig hiervon begründeten die Wochenberichte, selbst wenn Beginn und Ende des Arbeitstages angegeben worden seien, keinen Anspruch auf Vergütung von Überstunden, da es an einem entsprechenden Hinweis auf die Ableistung der Überstunden fehle.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Urlaub aus 2017 sei vollständig abgegolten und der Urlaub aus 2016 verfallen. Der Kläger habe den Urlaub aus 2016 zur Verlängerung seiner für 2017 geplanten Elternzeit aufsparen wollen. Zu einer vertraglichen Absprache, der Resturlaub aus 2016 könne ins Jahr 2017 übernommen werden, sei es jedoch dann nicht gekommen. Es käme auch nicht darauf an, ob sie den Kläger im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht in die Lage versetzt habe, den vollen Jahresurlaub im Urlaubsjahr 2016 zu nehmen. Der Kläger habe sich den Urlaub aufsparen und sowieso nicht mehr in 2016 nehmen wollen. Ein entsprechender Hinweis, den Urlaub zu nehmen, da er sonst verfalle, habe sich damit erübrigt. Vielmehr sei es allein die Entscheidung des Klägers gewesen, den Urlaub nicht in 2016 zu nehmen. Er habe auch weder vorgetragen, vom Verfall des Urlaubsanspruchs am Ende des Kalenderjahres keine Kenntnis gehabt zu haben, noch, ihm sei seitens der Beklagten verwehrt worden, den Urlaub in 2016 zu nehmen. Einer Aufklärung über den Anspruchsverfall und einer ausdrücklichen Aufforderung, den Urlaub zu nehmen, habe es daher nicht bedurft.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Anschlussberufung gegen die Verurteilung zur Zahlung der Überstundenvergütung für den 2. und 3. September 2017 i.H.v. 696,68 € brutto. Sie bestreitet, dass am Samstag, den 02.09.2017 sowie am Sonntag, den 03.09.2017 Mehrarbeit/Überstunden erbracht worden seien. Sie meint, der Kläger habe dazu lediglich unsubstantiiert „IFA“ vorgetragen, aber nicht dargelegt, was er genau gemacht habe, ob er als Messe- bzw. Standpersonal für den ganzen Tag eingeteilt gewesen sei oder nur im Zuge der IFA möglicherweise Kunden besucht habe etc.

Der Kläger beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger behauptet, er habe die Überstunden am 2. und 3. September 2017 erbracht. Er sei ganztägig zur Messe „IFA“ eingeteilt worden, welche von 08:30 Uhr bis 19:00 Uhr geöffnet gewesen sei. Der Messestand habe daher in diesem Zeitraum auch besetzt werden müssen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die in der Verhandlung am 05.11.2021 zu Protokoll gegebenen Erklärungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten sind nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes an sich statthaft, form- sowie fristgerecht eingelegt und damit insgesamt zulässig. Berufung und Anschlussberufung sind teilweise begründet und im Übrigen zurückzuweisen.

I. Die Berufung des Klägers ist im Umfang eines Urlaubsabgeltungsanspruchs i.H.v. 5.070,35 € brutto nebst Zinsen begründet. Die Berufung ist unbegründet und daher zurückzuweisen, soweit der Kläger eine darüber hinausgehende Urlaubsabgeltung sowie die Vergütung von Überstunden geltend macht.

1. Der Kläger hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung i.H.v. 5.070,35 € brutto.

a) Der Kläger hat für 2016 noch einen Urlaubsanspruch von 19,5 Tagen, gemäß § 5 Abs. 2 BUrlG aufzurunden auf 20 Tage. Für 2017 besteht ein Resturlaubsanspruch von 16 Tagen. Der Kläger nahm im Jahr 2017 von den ihm zustehenden 25 Tagen Urlaub 8 Tage. Hinzu kommt ein Tag Freistellung am 30.11.2017. Es verbleiben aus 2017 somit 16 Tage. Unter Zugrundelegung eines täglichen Urlaubsentgeltes i.H.v. 308,92 € brutto ergibt sich für 2016 ein Urlaubsabgeltungsanspruch i.H.v. 6.178,40 € brutto und für 2017 i.H.v. 4.942,72 € brutto, mithin insgesamt 11.121,12 € brutto. Die Beklagte zahlte im November 2017 eine Urlaubsabgeltung i.H.v. 6.050,77 € brutto, so dass sich der Urlaubsabgeltungsanspruch auf 5.070,35 € brutto beläuft.

b) Der Urlaub aus 2016 ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit Ablauf des Jahres 2016 verfallen.

aa) Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erlischt bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Die Erfüllung der hieraus in richtlinienkonformer Auslegung abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtsrechtlichen Fristenregimes des § 7 Abs. 3 BUrlG (BAG 16. Februar 2021 – 9 AZR 176/20 – juris mwN). Infolge des Fehlens konkreter gesetzlicher Vorgaben ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Auswahl der Mittel frei, derer er sich zur Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten bedient. Die Mittel müssen jedoch zweckentsprechend und geeignet sein, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt. Ob der Arbeitgeber das Erforderliche getan hat, um seinen Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Der Arbeitgeber muss sich bei Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten auf einen konkret bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen und den Anforderungen an eine völlige Transparenz genügen. Er kann seine Mitwirkungsobliegenheiten regelmäßig z. B. dadurch erfüllen, dass er dem Arbeitnehmer zu Beginn des Kalenderjahres in Textform mitteilt, wie viele Tage Urlaub ihm im Kalenderjahr zustehen, ihn auffordert, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann, und ihn über den Verfall des Urlaubs am Ende des Kalenderjahres belehrt, der eintritt, wenn dieser den Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragt (BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15 – NZA 2019, 982-985 mwN). Hat der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht (BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15 – NZA 2019, 982-985 mwN). Diese Grundsätze gelten auch für den vertraglichen Mehrurlaub, sofern es – wie hier – an deutlichen Anhaltspunkten für einen Regelungswillen der Parteien fehlt, der vertragliche Mehrurlaub solle abweichend von § 7 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 BUrlG auch dann mit Ablauf des Kalenderjahres oder am Ende des jeweiligen Übertragungszeitraums verfallen, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen hat (BAG 21. Mai 2019 – 9 AZR 579/16 – NZA 2019, 1571-1577 mwN).

bb) Hiernach ist der gesamte Resturlaub des Klägers aus dem Jahr 2016 nicht verfallen, da die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten in keiner Weise nachkam.

cc) Ein entsprechender Hinweis war auch nicht entbehrlich. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, eine Hinweispflicht habe deswegen nicht bestanden, weil der Kläger in Kenntnis des Fristenregimes selbst entschieden habe, den Urlaub nicht in 2016 zu nehmen, sondern für 2017 anzusparen. Dem steht schon entgegen, dass die Beklagte den Kläger nicht darauf hingewiesen hat, eine Übertragung des Urlaubs auf das Folgejahr sei nicht möglich, deshalb verfalle der Urlaub am Ende des Kalenderjahres. Damit hat die Beklagte nicht nur ihre Mitwirkungspflicht verletzt, sondern den Irrtum beim Kläger hervorgerufen, der Urlaub werde übertragen, ein Verfall trete nicht ein. Für den Kläger bestand daher keine Veranlassung, den Urlaub bis zum Jahresende 2016 zu nehmen, was allein auf dem Verhalten der Beklagten beruht.

c) Einen höheren Abgeltungsanspruch als 5.070,35 € brutto hat der Kläger nicht begründet. Insofern ist die Berufung zurückzuweisen.

d) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung von Überstunden.

a) Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt neben der Überstundenleistung voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren.

b) Das ist hier nicht der Fall. Die Beklagte ordnete die Überstunden weder ausdrücklich noch konkludent an, indem sie den Kläger Arbeit in einem Umfang zuwies, der nur durch Leistung von Überstunden zu bewältigen war. Die gegenteilige Behauptung des Klägers ist unsubstantiiert. Auch eine Billigung der Überstunden durch eine nachträgliche Genehmigung erfolgte durch die Beklagte nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch keine Duldung der Überstunden vor.

aa) Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt. Dazu muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist. Dabei vermag allein die Entgegennahme von Aufschrieben der Anwesenheitszeiten eine Kenntnis des Arbeitgebers von einer bestimmten Überstundenleistung nicht zu begründen. Erst wenn der Arbeitnehmer seine Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitsleistung konkretisiert und mit einem Hinweis auf eine Überstundenleistung verbindet, ist der Arbeitgeber gehalten, dem nachzugehen und gegebenenfalls gegen die nicht gewollten Überstunden einzuschreiten (BAG 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 –DB 2013, 2089 – 2091 mwN).

bb) Das ist hier nicht erfolgt. Der Kläger hat keinen substantiierten Vortrag gehalten, der den Rückschluss auf eine Duldung der Überstunden durch die Beklagte zulässt. Er hat nicht detailliert dargelegt, von welchen wann geleisteten Überstunden er die Beklagte wann in Kenntnis gesetzt hat. Die zu den Akten gereichte Anlage K 7 wurde der Beklagten nicht übermittelt. Der Kläger beruft sich vielmehr darauf, er habe der Beklagten Wochenberichte per E-Mail zugeleitet, die „die Arbeitszeiten gemäß der Anlage K 7“ enthielten. Dabei habe es sich um die Wochenberichte gehandelt, die seine Tätigkeit an den einzelnen Tagen gemäß Anlage K 7 zusammenfassten. Das genügt den Anforderungen an einen substantiierten Sachvortrag nicht. Die pauschale Bezugnahme auf die Tätigkeiten und Arbeitszeiten „gemäß der Anlage K 7“ ist nicht ausreichend. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich die wöchentlich über 40 Stunden hinaus geleisteten Stunden aus der Anlage K 7 zusammenzusuchen. Hinzu kommt, dass sich Anlage K 7 auch auf Zeiträume erstreckt, in denen keine Überstunden geleistet wurden. Schließlich hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe die Verkaufsberichte oftmals gar nicht oder unpünktlich abgegeben.

Unabhängig hiervon ist selbst dann nicht von einer Duldung der Überstunden durch die Beklagte auszugehen, wenn die Verkaufsberichte die Arbeitszeitangaben entsprechend Anlage K 7 enthielten. Denn die Angaben zu Beginn und Ende der Arbeitszeit in Anlage K 7 genügen dem Erfordernis, die Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitsleistung zu konkretisieren und mit einem Hinweis auf eine Überstundenleistung zu verbinden, nicht.

II. Die Anschlussberufung der Beklagten ist lediglich im Umfang von 49,78 € brutto begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet und daher zurückzuweisen. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung von Überstunden, die er am Samstag, den 2. September, und Sonntag, den 3. September 2017, leistete.

1. Bei diesen Stunden handelt es sich um Überstunden, denn der Kläger erbrachte in der Woche vom 28.08. – 01.09.2017 seine geschuldete Arbeitsleistung von 40 Stunden. Die Beklagte ist für das Gegenteil darlegungs- und beweispflichtig. Hierzu hat sie keinen Vortrag gehalten. Die Überstunden waren im zeitlichen Umfang von 8.30 Uhr bis 19.00 Uhr angeordnet. Der Kläger hat dargelegt, er sei ganztägig zur Messe „IFA“ eingeteilt gewesen. Der Messestand sei von 8.30 Uhr bis 19.00 Uhr geöffnet gewesen und habe in diesem Zeitraum auch besetzt werden müssen. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Die Beklagte meint zu Unrecht, der Kläger habe nicht dargelegt, er habe die am Samstag und Sonntag gegebenenfalls erbrachte Arbeitszeit nicht an einem der darauffolgenden Tage durch entsprechende Freizeit kompensieren können. Hierzu war der Kläger nicht verpflichtet. Die „Über- und Mehrarbeit“ ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht durch die monatliche Vergütung abgegolten. Die Klausel in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung und in ihrer Pauschalität wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam.

2. Die Anschlussberufung hat Erfolg, soweit sich der Kläger eine tägliche Pause von 45 Minuten nicht anrechnen lassen will. Der Kläger hat unter Abzug der Pause für Samstag, den 2. September 2017, Anspruch auf Vergütung von 9 Stunden und 45 Minuten i.H.v. 258,76 € brutto (9,75 x 26,54 €). Für Sonntag, den 03. September 2017, kommt ein Zuschlages von 50 % hinzu, so dass sich ein Vergütungsanspruch i.H.v. 388,14 € brutto, mithin insgesamt 646,90 € brutto, ergibt. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist daher abzuändern, soweit dem Kläger über diesen Betrag hinaus 49,78 € brutto zugesprochen wurden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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