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Anspruch eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers auf Verlängerung der Arbeitszeit

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 3 Sa 71/11 – Urteil vom 19.09.2011

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.01.2011 – öD 4 Ca 1801 b/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erhöhung seiner Arbeitszeit von 5,5 Stunden auf 19,75 Stunden wöchentlich sowie – berufungserweiternd – die Feststellung, dass sich der Beklagte mit entsprechender Beschäftigungspflicht seit dem 25.02.2010 in Verzug befindet.

Der am ….1947 geborene Kläger nahm am 01.11.2006 bei dem Beklagten eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellter mit einem Stundenumfang von 19,75 Stunden pro Woche auf. Seit dem 01.08.2008 arbeitet er mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 5,5 Stunden im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei dem Beklagten als Schuldnerberater. Der Kläger hat 1970 bis 1973 an der HWP in H… einige Semester Soziologie studiert, verfügt aber über kein abgeschlossenes Studium. Er war mit Unterbrechungen in der Zeit von 1974 bis 1994 als Finanzbuchhalter tätig (Anlage B 2 – 101f d.A.).

Der Kläger bat mehrfach um Aufstockung seiner Arbeitszeit. Zuletzt bat er mit Schreiben vom 25.02.2010 um Aufstockung auf 50 % der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Der Beklagte lehnte dieses mit Schreiben vom 08.03.2010 mit dem Hinweis ab, es stehe kein entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung.

Der Beklagte beschäftigt seit 2009 Frau F… als Praktikantin. Sie verfügt über ein abgeschlossenes Studium der Sozialpädagogik und russische Sprachkenntnisse. Zum 01.05.2010 stellte der Beklagte sie befristet bis zum 31.12.2010 als „Sozialarbeiterin in der Schuldnerberatung“ in Vollzeit mit einer Wochenstundenzahl von 39 Stunden ein. Das Arbeitsverhältnis wird mittlerweile über den 31.12.2010 hinaus befristet fortgesetzt. Gemäß dem Anforderungsprofil waren ein abgeschlossenes Studium als Sozialpädagoge sowie russische Sprachkenntnisse für die Besetzung dieses Arbeitsplatzes erforderlich. Ziel des Beklagten war es, mit dieser Stelle eine Schnittstelle zwischen Migrationsberatung und Schuldnerberatung zu schaffen und so nicht nur an den Symptomen, sondern vorrangig an den Ursachen der Verschuldungen anzusetzen.

Mit dem vorliegenden Verfahren versucht der Kläger durchzusetzen, dass der Beklagte im Rahmen der Besetzung der o. g. Stelle seinen geäußerten Aufstockungswunsch habe vorrangig berücksichtigen müssen. Mit Schriftsatz vom 12.10.2010 hat der Kläger erstmals erklärt, er sei auch bereit, in Vollzeit zu arbeiten (Bl. 11 d. A.). Zu diesem Zeitpunkt war die Stelle schon besetzt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es die Voraussetzungen des § 9 TzBfG nicht als erfüllt angesehen hat. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe der Entscheidung vom 14.01.2011 verwiesen.

Gegen dieses dem Kläger am 25.01.2011 zugestellte Urteil hat er form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Er ist nach wie vor der Ansicht, der Beklagte habe bei der Besetzung des Arbeitsplatzes mit Frau F… seinen Aufstockungswunsch vorrangig berücksichtigen müssen. Zwischen ihm und Frau F… bestehe kein Qualifikationsunterschied, beide seien als Schuldnerberater tätig, russische Sprachkenntnisse seien für die Tätigkeit von Frau F… nicht erforderlich, der Beklagte habe die Vollzeitstelle teilen können und müssen. Der Großteil der zu beratenden Personen weise keinen Migrationshintergrund auf; die Existenz einer Schnittstelle zur Migration sei nicht ersichtlich. Der Antrag auf Feststellung, dass sich der Beklagte seit dem 25.02.2010 in Verzug befinde, sei im Hinblick auf noch gesondert zu berechnende Schadensersatzansprüche geboten.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.01.2011 zum Az.: öD 4 Ca 1801b/10

1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Schuldnerberater mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,75 Stunden zu beschäftigen,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit dieser Beschäftigungspflicht seit dem 25.02.2010 in Verzug befindet.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Es habe kein dem Begehren des Klägers „entsprechender“ freier Arbeitsplatz zur Besetzung angestanden. Zudem sei der Kläger nicht gleich geeignet gewesen. Er erfülle die Anforderungen des festgelegten Anforderungsprofils nicht.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlichen Vortrag der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem folgt das Berufungsgericht, wie schon im Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss vom 01.07.2011 dargelegt.

1. Gemäß § 9 TzBfG hat der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer dem entgegenstehen. Dieser Vorschrift hat auch § 9 Abs. 3 KAT inhaltlich vergleichbar Rechnung getragen.

2. Der Anspruch aus § 9 TzBfG setzt voraus, dass ein dem Wunsch des Arbeitnehmers entsprechender freier Arbeitsplatz vorhanden ist. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen entsprechenden freien Arbeitsplatz zur Erfüllung des Verlängerungsverlangens des Teilzeitbeschäftigten anders zuzuschneiden (Annuß/Thüsing, TzBfG, 2. Auflage, Rz. 14 zu § 9 m. w. N.). Die Ausgestaltung und der Zuschnitt des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber bilden grundsätzlich den Rahmen für die Berücksichtigung der Arbeitszeitwünsche der Arbeitnehmer. Der Teilzeitbeschäftigte hat Anspruch auf den freien Arbeitsplatz, so wie dieser vom Arbeitgeber angeboten wird (Laux/Schlachter, TzBfG, 2. Auflage, Rz. 29 zu § 9 m. w. N.).

3. Bereits vor diesem rechtlichen Hintergrund kann das Begehren des Klägers keine Aussicht auf Erfolg haben. Zum 1. Mai 2010 hatte der Beklagte eine Vollzeitstelle zu besetzen. Der Kläger hatte zuvor stets lediglich den Wunsch geäußert, in Teilzeit bis zu 19,75 Stunden wöchentlich arbeiten zu wollen. Damit entspricht sein Teilzeitwunsch nicht dem freien Arbeitsplatz, der ab Mai 2010 zu besetzen war. Das nachträgliche schriftsätzliche Vorbringen des Klägers vom 12.10.2010, er sei auch bereit, in Vollzeit zu arbeiten, ist insoweit unbeachtlich. Zu diesem Zeitpunkt war der freie Arbeitsplatz schon besetzt. Weitergehende Arbeitskapazitäten waren nicht zu vergeben. Abgesehen davon erscheint die geäußerte Bereitschaft zur Arbeit in Vollzeit angesichts des in der Berufungsbegründung erneut angekündigten Beschäftigungsbegehrens des Klägers mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,75 Stunden nicht glaubhaft und auch nicht ernst gemeint.

4. Es fehlt auch, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, die gemäß § 9 TzBfG erforderliche gleiche Eignung. Weil es um die Freiheit der unternehmerischen Entscheidung geht, legt zunächst der Arbeitgeber das Anforderungsprofil fest. Eine gleiche Eignung liegt vor, wenn der Teilzeitbeschäftigte im Vergleich zum Mitbewerber über insgesamt dieselben persönlichen und fachlichen Fähigkeiten, theoretischen und praktischen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten verfügt und im bisherigen Berufsleben dieselben Leistungen erbracht hat (LAG S-H vom 24.09.2008 – 6 Sa 3/08 – zitiert nach Juris, Rz. 60 m. w. N.). Auch diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Ausweislich des in der Akte befindlichen Lebenslaufes (Anlage B 2, Bl. 101 f d. A.) verfügt der Kläger weder über ein abgeschlossenes Hochschulstudium des Faches Sozialpädagogik noch über russische Sprachkenntnisse. Auch sein gesamter beruflicher Werdegang lässt keinerlei gleichwertige zu berücksichtigende Fähigkeiten erkennen.

Es sind auch keinerlei Tatsachen vorgetragen, aus denen auf ein willkürlich gestaltetes Anforderungsprofil geschlossen werden könnte. Der Beklagte hat das Ziel seines Anforderungsprofils dargelegt. Er wollte im Zusammenhang mit der Stellenbesetzung die Beratung anders konzeptionieren. Sein Ziel war es, mit dieser Stelle eine Schnittstelle zwischen Migrationsberatung und Schuldnerberatung zu schaffen und so nicht nur an den Symptomen, sondern vorrangig an den Ursachen der Verschuldungen anzusetzen. Bei diesem durchaus sinnvollen Ansatz handelt es sich um eine freie unternehmerische Entscheidung, für deren Willkür es keinerlei Anhaltspunkte gibt.

Auf Nachfrage hat der Kläger in der Berufungsverhandlung vorgetragen, er könne keine näheren Angaben zur konkreten Tätigkeit der Kollegin F… machen, weil er sie praktisch kaum sehe. Dann fehlt aber auch seiner gleichwohl aufgestellten Behauptung, Frau F… mache das gleiche wie er, jegliche Substanz.

5. Vor diesem rechtlichen Hintergrund kommt es auf das weitere Vorbringen des Klägers zur Berechtigung und Existenz der von dem Beklagten erhobenen Voraussetzungen für die Besetzung der Stelle nicht mehr an.

6. Aus den genannten Gründen ist der Klagantrag zu 1. zu Recht abgewiesen worden. Hinsichtlich des Klagantrags zu 2. bestehen schon formelle Bedenken, da das erforderliche Feststellungsinteresse nicht ersichtlich ist. Das Feststellungsbegehren ist nicht geeignet, etwaige künftige Streitigkeiten über die Höhe eines etwaigen Verzugslohns abschließend mit zu erledigen.

7. Aus den genannten Gründen ist der Berufung der Erfolg versagt. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

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