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Arbeitnehmer Erreichbarkeit in der Freizeit

Ständige Erreichbarkeit: Muss der Arbeitnehmer im Urlaub und in der Freizeit ständig erreichbar sein?

Unzählige Arbeitgeber würden es bevorzugen, wenn der Arbeitnehmer auch in seiner Freizeit ständig zur Verfügung stehen würde. Obgleich dieser Wunsch ein wenig abwegig erscheint, so ist das Konzept der Erreichbarkeit in der Freizeit in Deutschland weitverbreitet. Hierunter wird verstanden, dass der Arbeitnehmer auch zu Zeiten außerhalb der als regulär anzusehenden Arbeitszeit für den Arbeitgeber per E-Mail oder telefonisch respektive mittels Messenger-Diensten erreichbar ist.

Das Wichtigste in Kürze


  • Erreichbarkeit von Arbeitnehmern in der Freizeit ist in Deutschland verbreitet
    • Über 80% der Arbeitnehmer sind auch außerhalb der Arbeitszeit über Smartphone erreichbar.
  • Gesetzliche Regelungen zum Arbeitsschutz
    • Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) begrenzt die tägliche Arbeitszeit auf 8 Stunden, Ausnahmen sind unter bestimmten Bedingungen möglich.
    • Die EU-Arbeitszeitenrichtlinie begrenzt die Wochenarbeitszeit auf maximal 48 Stunden und definiert Mindestruhezeiten.
  • Folgen bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz
    • Arbeitgeber können mit Bußgeldern bis zu 15.000 Euro oder sogar Freiheitsstrafen rechnen.
    • Dokumentationspflicht für Überstunden und Einhaltung der Ruhezeiten ist vorgeschrieben.
  • Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Freizeiterreichbarkeit
    • Grundsätzlich keine Verpflichtung zur Erreichbarkeit in der Freizeit, es sei denn, es liegt eine Notfallsituation oder eine explizite Vereinbarung vor.
  • Auswirkungen ständiger Erreichbarkeit
    • Erhöhtes Stressniveau, Schlafstörungen, soziale Isolation bis hin zu Depressionen oder Burnout.
  • Empfehlungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
    • Arbeitsvertragliche Regelungen und Betriebsvereinbarungen sollten klar und detailliert sein.
    • Work-Life-Balance und angemessener Freizeitausgleich sind essentiell.

Werden aktuelle Trends und Statistiken zurate gezogen, so ist das Konzept der Erreichbarkeit des Arbeitnehmers auch in der Freizeit branchenübergreifend fast schon üblich.

Arbeitnehmer telefoniert
Erreichbarkeit der Arbeitnehmer in der Freizeit – Wo sind hier die Grenzen? (Symbolfoto: fizkes /Shutterstock.com)

Statista hat zu dieser Thematik in dem Jahr 2020 eine Umfrage gestartet und rund 81 Prozent der befragten Arbeitnehmer gaben hierbei an, dass das Smartphone auch in der Freizeit ein ständiger Begleiter ist und dass dementsprechend die Kommunikation mit dem Arbeitgeber nahezu rund um die Uhr gepflegt wird. In dem Jahr 2021 nahm der BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft) eine Analyse vor und hierbei wurde festgestellt, dass rund 67 Prozent aller Arbeitnehmer nahezu jederzeit für den Arbeitgeber erreichbar sind.

Rechtlicher Rahmen

Die gesetzliche Grundlage für die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers stellt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) dar. Maßgeblich ist hierbei insbesondere der § 3 ArbZG, da in diesem Paragrafen die maximale werktägliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers geregelt ist. Dem reinen Grundsatz nach darf die werktägliche Arbeitszeit 8 Stunden werktags nicht überschreiten. Von dieser gesetzlich festgeschriebenen Regelung kann es jedoch Ausnahmen geben. Diese gelten jedoch lediglich dann als rechtlich wirksam und gültig, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von maximal 6 Monaten im Gesamtdurchschnitt nicht mehr als 8 Stunden täglich arbeitet.

Eine genaue gesetzlich festgeschriebene Regelung bezüglich der Erreichbarkeit des Arbeitnehmers in seiner Freizeit kennt das ArbZG zwar nicht, allerdings gibt es festgeschriebene Regelungen bezüglich des Arbeitnehmeranspruchs auf die ununterbrochene Ruhezeit nach der täglichen Arbeitsbeendigung. Gem. § 5 hat der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, dass die ununterbrochene Ruhezeit nach der Arbeitsbeendigung im Minimum 11 Stunden beträgt. Der Arbeitgeber hat jedoch die Möglichkeit, durch entsprechende Betriebsvereinbarungen oder auch arbeitsvertragliche Regelung die Erreichbarkeit des Arbeitnehmers in der Freizeit zu regeln. Hierbei muss jedoch die EU-Arbeitszeitrichtlinie auf jeden Fall beachtet werden.

EU-Arbeitszeitenrichtlinie

Die EU-Arbeitszeitenrichtlinie gilt für sämtliche Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union und regelt die Maximalarbeitszeit inklusive der Pausen- sowie Ruhezeiten des Arbeitsnehmers. Insbesondere die Mindestruhezeiten sowie die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer stehen hierbei im Fokus. Die Richtlinie schreibt vor, dass Arbeitnehmer als Maximum in der Woche 48 Stunden arbeiten dürfen, jedoch sind auch hier Ausnahmen denkbar. Als Mindestruhezeit gilt nach Arbeitsbeendigung des Arbeitnehmers ein Zeitraum von 11 Stunden.

Die Auswirkungen der EU-Arbeitszeitenrichtlinie sind überaus vielfältig. Zum einen soll gewährleistet werden, dass ein als angemessen anzusehender Schutz der Arbeitnehmer vor Arbeitsüberlastungen in jedem Arbeitsverhältnis gegeben ist und dadurch die Arbeitnehmergesundheit geschützt wird, und auf der anderen Seite soll die EU-Arbeitszeitenrichtline für faire Arbeitsbedingungen Sorge tragen.

Folgen von Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz

Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) können für Arbeitgeber schwerwiegende Folgen haben, da das Gesetz darauf abzielt, die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu schützen, indem es Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten festlegt. Die aktuellen Rechtsprechungen und gesetzlichen Regelungen unterstreichen die Bedeutung der Einhaltung dieser Vorschriften.

Bußgelder und Strafen

Bei Verstößen gegen das ArbZG können Arbeitgeber mit Bußgeldern von bis zu 15.000 Euro rechnen. In besonders schweren Fällen, insbesondere bei vorsätzlichen Verstößen, die die Gesundheit oder Arbeitskraft des Arbeitnehmers gefährden, sind sogar Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr möglich. Die Höhe des Bußgeldes kann sich je nach Art des Verstoßes unterscheiden, beispielsweise bei Nichteinhaltung der Mindestruhezeiten oder bei Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen ohne die erforderlichen beschäftigungsfreien Sonntage.

Dokumentationspflichten

Arbeitgeber sind verpflichtet, Überstunden, Mehrarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit zu dokumentieren und die Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Seit September 2022 besteht in Deutschland eine Arbeitszeiterfassungspflicht, die sicherstellen soll, dass die Regelungen des ArbZG kontrolliert werden können.

Ruhezeiten

Die europäische Arbeitszeit-Richtlinie und das ArbZG gewähren Arbeitnehmern sowohl tägliche als auch wöchentliche Ruhezeiten. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat klargestellt, dass die tägliche Ruhezeit von mindestens elf Stunden nicht als Teil der wöchentlichen Ruhezeit angesehen werden darf, sondern zu dieser hinzukommt. Dies bedeutet, dass Arbeitgeber die Ruhezeiten strikt einhalten müssen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Praktische Bedeutung für Arbeitgeber

Die Einhaltung des ArbZG ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern dient auch dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer. Arbeitgeber sollten daher ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Arbeitszeiten, Ruhepausen und die Dokumentation der Arbeitszeiten legen. Die Nutzung von Systemen zur Arbeitszeiterfassung kann dabei helfen, die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu gewährleisten und Bußgelder oder Strafen zu vermeiden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die strikte Einhaltung des ArbZG und die korrekte Dokumentation der Arbeitszeiten essentiell sind, um rechtliche Sanktionen zu vermeiden. Die jüngsten Entscheidungen des EuGH unterstreichen zudem die Bedeutung der Ruhezeiten für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und fordern Arbeitgeber auf, die gesetzlichen Ruhezeiten konsequent zu gewähren.

Urteile und Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

In Deutschland hat der Gesetzgeber das Arbeitszeitengesetz nahezu nahtlos an die EU-Arbeitszeitenrichtlinie angepasst. Die Stellung des Arbeitnehmers wurde hierdurch gestärkt und auch das Bundesarbeitsgericht (BarbG) musste sich dementsprechend schon mit der Frage beschäftigen, ob der Arbeitnehmer dem reinen Grundsatz nach auch in seiner Freizeit für den Arbeitgeber erreichbar sein muss.

Das BArbG hat mit seinem Urteil v. 23.08.2023 (Aktenzeichen 5 AZR 349/22) festgestellt, dass ein Arbeitnehmer dem reinen Grundsatz nach keine Verpflichtung zur Erreichbarkeit in der Freizeit hat. Es wurde jedoch seitens des BarbG in dem Urteil zugleich auch betont, dass es hiervon auch Ausnahmen geben kann. Sollte eine arbeitsvertragliche Vereinbarung zur Erreichbarkeit des Arbeitnehmers in der Freizeit existieren oder ausdrücklich eine Notfallsituation vorliegen, so muss der Arbeitnehmer entsprechende Mitteilungen des Arbeitgebers zur Kenntnis nehmen und darauf reagieren. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers greift in derartigen Fällen.

Durch das Urteil des BarbG wurde rechtlich Klarheit geschaffen. Zum einen wurde das Recht des Arbeitnehmers auf die ungestörte Freizeit und die damit verbundene Erholung dahingehend gestärkt, dass der Arbeitnehmer den Arbeitnehmer nicht ohne eine ausdrückliche Rechtsgrundlage zur Erreichbarkeit in der Freizeit verpflichten darf. Dem Arbeitnehmer wurde sein Recht auf die Freizeit und Erholung durch das BarbG gestärkt. Arbeitnehmer können hierdurch die Arbeitsbelastung stärker von der Freizeit trennen. Für Arbeitgeber bringt das Urteil des BarbG die Folge mit sich, dass in dem Arbeitsvertrag zuvor eine sehr genaue Beschreibung von Notfallsituationen sowie die damit verbundene Erreichbarkeit des Arbeitnehmers in der Freizeit enthalten sein muss, um von dem Direktionsrecht Gebrauch machen zu können.

Auswirkungen der ständigen Erreichbarkeit auf Arbeitnehmer

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die ständige Erreichbarkeit der Arbeitnehmer merkliche Auswirkungen mit sich bringt. Zu nennen sind hier in erster Linie Stressbelastungen, da der Arbeitnehmer durch die ständige Erreichbarkeit keinerlei Entspannungsmöglichkeit erhält und immer in einem gewissen Bereitschaftsmodus verbleibt. Dies bringt ein konstantes Stressniveau mit sich, dem der Arbeitnehmer bereits mittelfristig gesundheitlich nicht mehr gewachsen ist.

Durch eine ständige Erreichbarkeit können Schlafstörungen entstehen, da der Arbeitnehmer sich permanent rund um die Uhr mit den Arbeitsproblemen und Belastungen beschäftigt und der Körper auch in den Nachtstunden keine Ruhe findet. Der mangelnde Erholungseffekt kann dazu führen, dass der Arbeitnehmer aufgrund des erhöhten Arbeitspensums überlastet wird und einen Burnout erleidet.

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt der ständigen Erreichbarkeit des Arbeitnehmers in seiner Freizeit ist die soziale Isolation. Sofern ein Arbeitnehmer auch in der Freizeit für den Arbeitgeber erreichbar sein muss, verbleibt kaum noch Zeit für die Pflege von sozialen Kontakten. Dies kann dazu führen, dass sich der Arbeitnehmer als Mensch immer weiter isoliert. Eine derartige Isolation kann zu Depressionen und im schlimmsten Fall auch zu einem Suizid des Arbeitnehmers führen.

Praktische Aspekte und Empfehlungen

Die Basis für die Erreichbarkeit des Arbeitnehmers auch in der Freizeit stellen sowohl arbeitsvertragliche Regelungen als auch Betriebsvereinbarungen respektive Tarifverträge dar. Auch wenn es Arbeitnehmer gibt, denen die ständige Erreichbarkeit nichts ausmacht, sollte stets die Work-Life-Balance im Fokus bleiben. Der Arbeitgeber sollte dementsprechend niemals vergessen, dass auch der ambitionierteste Arbeitnehmer nur ein Mensch ist. Gerade jüngere Arbeitnehmer scheinen vermeintlich belastbarer als ältere Arbeitnehmer, allerdings werden auch die jüngeren Arbeitnehmer im Verlauf des Arbeitslebens älter. Mit der Gründung einer Familie nehmen auch die privaten Verpflichtungen zu, sodass der Mensch zunehmend die Erholung abseits der Arbeit benötigt.

Vereinbarungen in dem Arbeitsvertrag müssen auf jeden Fall detailliert und klar ausformuliert sein. Überdies ist es wichtig, auch an einen entsprechenden Freizeitausgleich zu denken. Dieser kann alternativ auch finanziell abgegolten werden.

Fazit

Auch wenn die ständige Erreichbarkeit des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber auf den ersten Blick zahlreiche Vorteile mit sich bringen mag, so gibt es dennoch hierfür in Deutschland keine gesetzliche Grundlage. Sofern der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hierzu verpflichten möchte, so muss dies mittels arbeitsvertraglicher Regelungen geschehen. Die EU-Arbeitszeitenrichtlinie darf hierbei jedoch nicht außer Acht gelassen werden, da sie für den gesamten Raum der Europäischen Union die Arbeitnehmerrechte hinsichtlich der Maximalarbeitszeit regelt.

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