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Arbeitnehmerüberlassung – Vergütungsansprüche wegen Equal-Pay-Grundsatz

Tarifvertragliche Grenzen des Equal-Pay-Grundsatzes

Die Arbeitnehmerüberlassung ist ein etabliertes Verfahren in der modernen Arbeitswelt, das Unternehmen Flexibilität in der Personalplanung ermöglicht. Dabei werden Mitarbeiter von einem Verleiher an ein entleihendes Unternehmen überlassen. Ein zentraler Aspekt dieses Systems ist der Equal-Pay-Grundsatz, der die Gleichstellung von Leiharbeitnehmern in Bezug auf die Vergütung mit den Stammmitarbeitern des entleihenden Unternehmens fordert. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht ohne Ausnahmen, denn Tarifverträge können spezifische Regelungen enthalten, die eine Abweichung erlauben.

Die Frage, inwieweit solche tarifvertraglichen Regelungen den Equal-Pay-Grundsatz beeinflussen dürfen, ist von großer Bedeutung. Sie betrifft nicht nur die Vergütungsansprüche der Leiharbeitnehmer, sondern auch die Rechtskonformität dieser Praktiken mit europäischen Richtlinien. Insbesondere die Europarechtskonformität solcher Tarifverträge und die damit verbundenen Ausschlussfristen sind von Interesse, da sie die Rechte der Leiharbeitnehmer maßgeblich prägen.

Die Auseinandersetzung mit diesen Themen ist entscheidend, um die Balance zwischen Flexibilität für Unternehmen und Schutz der Rechte von Leiharbeitnehmern zu wahren. Sie berührt grundlegende arbeitsrechtliche Prinzipien wie den Gleichstellungsanspruch und Mindestlohnansprüche, die in der Rechtsprechung immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 15 Ca 4827/17  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Arbeitsgericht Nürnberg wies die Klage eines Leiharbeitnehmers auf zusätzliche Vergütung basierend auf dem Equal-Pay-Grundsatz ab, da die tarifvertraglichen Regelungen, auf die sich sein Arbeitsvertrag bezog, eine zulässige Abweichung von diesem Grundsatz darstellten.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Klage abgewiesen: Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geforderte Differenzvergütung nach dem Equal-Pay-Grundsatz.
  2. Tarifvertragliche Regelung: Die Anwendung der Tarifverträge zwischen dem BAP und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit auf das Arbeitsverhältnis ist zulässig.
  3. Keine Europarechtswidrigkeit: Die tarifvertraglichen Regelungen stehen nicht im Widerspruch zur Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit.
  4. Anerkennung der Tarifautonomie: Das Gericht bestätigt die Bedeutung der Tarifautonomie unddie Möglichkeit, durch Tarifverträge spezifische Regelungen für die Vergütung von Leiharbeitnehmern zu treffen.
  5. Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern: Das Gericht sieht den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern als gewahrt an, da die Tarifverträge ein angemessenes Schutzniveau bieten.
  6. Keine Sittenwidrigkeit: Die Abweichung von der Vergütung der Stammarbeitnehmer um 17% bis 23,33% wird nicht als sittenwidrig angesehen.
  7. Ausschlussfristen: Die Anwendbarkeit der einzel- und tarifvertraglichen Ausschlussfristen war für die Entscheidung nicht relevant.
  8. Keine Berufung: Eine gesonderte Zulassung der Berufung gegen das Urteil wurde nicht veranlasst.

Der Equal-Pay-Grundsatz im Fokus des Arbeitsrechts

Im Zentrum des Rechtsstreits steht der sogenannte Equal-Pay-Grundsatz, der besagt, dass Leiharbeitnehmer grundsätzlich das gleiche Entgelt erhalten sollen wie die Stammbelegschaft des entleihenden Unternehmens, sofern nicht tarifvertragliche Regelungen eine Abweichung zulassen. Der Kläger, ein ehemaliger Mitarbeiter eines Unternehmens der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, forderte weitere Vergütungsansprüche, da er der Auffassung war, dass die ihm gezahlte Vergütung nicht dem Equal-Pay-Grundsatz entsprach. Er bezog sich dabei auf die Auskünfte über die Gehälter vergleichbarer Stammarbeitnehmer in den Entleiherbetrieben, die deutlich höher lagen als sein eigenes Gehalt.

Tarifvertragliche Regelungen auf dem Prüfstand

Equal-Pay
(Symbolfoto: Andrey_Popov /Shutterstock.com)

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall ergab sich aus der Anwendung und Auslegung des Equal-Pay-Grundsatzes im Kontext tarifvertraglicher Regelungen. Der Kläger argumentierte, dass die Abweichung von diesem Grundsatz durch die tarifvertragliche Regelung, auf die sich sein Arbeitsvertrag bezog, die Grenzen des zulässigen überschreite. Er führte an, dass eine Unterschreitung seines Gehalts um 17% bis 23,33% im Vergleich zu den Stammarbeitnehmern nicht mehr im Einklang mit dem Equal-Pay-Grundsatz stehe. Zudem sah er in der Anwendung der tarifvertraglichen Regelungen einen Verstoß gegen die Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit, da diese eine Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern fordere, was seiner Meinung nach nicht gegeben war.

Gerichtsentscheidung stärkt Tarifautonomie

Das Arbeitsgericht Nürnberg entschied jedoch gegen den Kläger. Es stellte fest, dass kein Anspruch auf die geforderte Differenzvergütung bestand, da die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Tarifverträge zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit eine zulässige Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz darstellte. Das Gericht führte aus, dass die tarifvertraglichen Regelungen nicht der Inhaltskontrolle nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unterliegen und dass die Europarechtskonformität der entsprechenden Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) gegeben sei.

Auswirkungen und Fazit des Urteils

Die Auswirkungen dieses Urteils sind weitreichend, da sie die Praxis der Arbeitnehmerüberlassung und die Anwendung des Equal-Pay-Grundsatzes betreffen. Das Urteil bestätigt, dass tarifvertragliche Regelungen eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Vergütung von Leiharbeitnehmern spielen und dass Abweichungen vom Equal-Pay-Grundsatz unter bestimmten Bedingungen zulässig sind. Dies hat Konsequenzen für die Verhandlungsposition von Leiharbeitnehmern und könnte die Verwendung von Tarifverträgen in der Arbeitnehmerüberlassung beeinflussen.

Das Fazit des Urteils unterstreicht die Bedeutung der Tarifautonomie und der Möglichkeit, durch Tarifverträge spezifische Regelungen für die Vergütung von Leiharbeitnehmern zu treffen. Es zeigt auch, dass die Gerichte die Europarechtskonformität der deutschen Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung bestätigen und dass die Anwendung dieser Regelungen durch die Rechtsprechung gestützt wird. Für Leiharbeitnehmer bedeutet dies, dass sie sich auf die Einhaltung der tarifvertraglichen Regelungen verlassen müssen, wenn es um ihren Vergütungsanspruch geht.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was genau versteht man unter dem Equal-Pay-Grundsatz im Arbeitsrecht?

Der Equal-Pay-Grundsatz im Arbeitsrecht bezieht sich auf die Gleichbehandlung von Zeitarbeitnehmern und festangestellten Mitarbeitern in Bezug auf das Arbeitsentgelt. In Deutschland ist dieser Grundsatz im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in § 8 geregelt. Nach einer Frist von neun Monaten ununterbrochener Beschäftigung im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung wird das Entgelt von Zeitarbeitnehmern angepasst, sodass es dem Gehalt eines dauerhaft beschäftigten Mitarbeiters in einer vergleichbaren Position entspricht.

Equal Pay bezieht sich nicht nur auf das Grundgehalt, sondern auch auf andere Leistungen und Zulagen, die Teil der Gesamtvergütung sein können, wie beispielsweise Boni, Urlaubsgeld oder betriebliche Altersvorsorge. Wenn ein Stammmitarbeiter in einer gleichwertigen Position Anspruch auf Sachleistungen wie ein Diensthandy oder Dienstauto hat, erhält der Zeitarbeitnehmer den Gegenwert in Euro ausbezahlt.

Obwohl der Equal-Pay-Grundsatz grundsätzlich zu höheren Löhnen für Zeitarbeitnehmer führt, gibt es auch Bedenken hinsichtlich der Unsicherheit, die mit dieser Regelung einhergeht. Zeitarbeitnehmer befürchten, häufiger ausgetauscht zu werden, was zu stärkeren Gehaltsschwankungen führen könnte.


Das vorliegende Urteil

ArbG Nürnberg – Az.: 15 Ca 4827/17 – Endurteil vom 11.09.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Streitwert wird auf 29.067,12 Euro festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über weitere Vergütungsansprüche des Klägers wegen des „Equal-Pay-Grundsatzes“.

Der am …1968 geborene Kläger war im Zeitraum vom 15.10.2014 bis 15.10.2016 bei der Beklagten, die ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Mitarbeiter im Bereich Service Desk & Support mit einem Bruttomonatsgehalt von 2.800,- Euro beschäftigt. § 2 Ziff. 1 des Arbeitsvertrags vom 09.10.2014 lautet (Bl. 32 d.A.):

„Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen dem BAP und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossenen, geltenden und nachwirkenden Mantel-, Entgelt- und Entgeltrahmentarifverträge vom 22.07.2003 und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Als ergänzend im obigen Sinne gelten auch Tarifverträge über Branchenzuschläge mit einzelnen der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit angehörenden Gewerkschaften. (…).“

In der Zeit vom 15.10.2014 bis zum 15.10.2016 war der Kläger bei dem Unternehmen eingesetzt. Auf sein Auskunftsverlangen teilte das Unternehmen dem Kläger als Bruttomonatsgehalt eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers 3.363,-Euro ab dem 15.10.2014, 3.444,- Euro ab dem 01.10.2015 und 3.541,- Euro ab dem 01.07.2016 mit. Zusätzlich erhielten Stammarbeitnehmer ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von 125% eines Bruttomonatsgehalts.

Im Zeitraum 17.10.2016 bis 30.04.2017 war der Kläger bei der eingesetzt. Dort ist er seit Mai 2017 – bei unveränderter Tätigkeit – Stammarbeitnehmer und erhält ein Bruttomonatsgehalt von 3.600,- Euro.

Mit Schreiben vom 31.05.2017 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm für den Einsatz bei der monatlich 400,- Euro und für den Einsatz bei der monatlich 800,- Euro nachzuzahlen, das heißt insgesamt 14.800,- Euro (Bl. 48 d.A.). Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 02.06.2017 ab (Bl. 50 d.A.).

Mit seiner Klage vom 31.08.2017, beim Arbeitsgericht Nürnberg am selben Tag per Telefax eingegangen, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, wobei er nunmehr Zahlung von insgesamt 29.067,12 Euro fordert.

Der Kläger beruft sich auf den Gleichstellungsanspruch des Leiharbeitnehmers, wobei die nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AÜG mögliche Abweichung durch Tarifvertrag Grenzen habe, welche in seinem Fall überschritten seien. Der Grundsatz der Gleichbehandlung dürfe gestaltet, aber nicht völlig verlassen werden. Dies sei der Fall, wenn das gezahlte Entgelt (2.800,- Euro) das Gehalt eines Stammarbeitnehmers (3.363,- Euro bis 3.600,- Euro) um 17% bis 23,33% unterschreite. Hierfür müsse die Grenze der Sittenwidrigkeit noch nicht erreicht sein; vielmehr reiche eine Abweichung um mehr als 20%, welche nach der Rechtsprechung beispielsweise auch zur Unangemessenheit der Vergütung des Auszubildenden führe. Vom Equal-Pay-Grundsatz bleibe dann nichts mehr übrig, auch weil die Vergütung als Leiharbeitnehmer unabhängig von der Lohnentwicklung im Entleiherbetrieb gezahlt werde.

Im Übrigen verstoße es gegen Art. 5 Abs. 3 bis 5 der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit, wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz durch einzelvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag ausgehebelt werden könne. Dies sei von Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Richtlinie nicht gedeckt. Eine „Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ sei nicht gegeben, wenn Tarifabweichungen nur nach unten erfolgen würden und es keinen Ausgleichsmechanismus gebe. Zudem würde der Gleichbehandlungsgrundsatz durch massenhafte Anwendung von Bezugnahmeklauseln komplett ausgehebelt und hätten Leiharbeitnehmer – im Gegensatz zu Gewerkschaften – keine Verhandlungsmacht beim Abschluss des Arbeitsvertrags.

Schließlich verstießen die in Bezug genommenen tariflichen Regelungen gegen AGB-Recht, weil sie von dem Grundgedanken der Richtlinie 2008/104/EG abwichen. Die arbeits- und tarifvertraglichen Ausschlussfristen stünden der Klageforderung nicht entgegen, weil sie Mindestlohnansprüche erfassten, weil der Equal-Pay-Anspruch ein solcher aus unerlaubter Handlung sei, weil der Tarifvertrag wegen Richtlinienwidrigkeit unwirksam sei, und weil der Leiharbeitnehmer vor der Geltendmachung erst seinen Auskunftsanspruch gegenüber dem Entleiherbetrieb durchsetzen müsse.

Er beantragt,

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.867,12 Euro brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.200,- Euro brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, und trägt hierzu vor, die an den Kläger geleistete Vergütung entspreche der Regelung in § 8 Abs. 2 AÜG und den tarifvertraglichen Vorgaben. Sowohl die Leiharbeitsrichtlinie als auch das AÜG ließen tarifvertragliche Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz zu, wobei es auf die Art und Weise der Anwendbarkeit des Tarifvertrags nicht ankomme. Jedenfalls seien nach den anwendbaren Ausschlussfristen vor Februar 2017 entstandene Ansprüche verfallen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze des Klägers vom 25.07.2017 (Bl. 26 ff. d.A.) und vom 01.03.2018 (Bl. 82 ff. d.A.) sowie der Beklagten vom 20.12.2017 (Bl. 70 ff. d.A.) nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Differenzvergütung zwischen seinem Arbeitsentgelt und dem vergleichbarer Beschäftigter in den Entleiherbetrieben. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG bzw. aus § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG a.F. (für den Zeitraum vor dem 01.04.2017). Der Gleichstellungsgrundsatz findet keine Anwendung, weil eine zulässige Abweichung durch Tarifvertrag nach § 8 Abs. 2 Satz 1 bis 3 AÜG bzw. nach §§ 10 Abs. 4 Satz 2, 9 Ziff. 2 AÜG a.F. vorliegt.

1. Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die zwischen dem BAP und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossenen Tarifverträge im Arbeitsvertrag vom 09.10.2014 besteht eine solche Abweichung. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass es sich um einen einschlägigen Tarifvertrag handelt, der bei beiderseitiger Tarifgebundenheit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden würde, ebenso wenig, dass die in der Mindestlohnverordnung für die Arbeitnehmerüberlassung auf der Grundlage von § 3a AÜG festgesetzten Mindeststundenentgelte eingehalten sind (zu letzterem und ebenfalls zu den Tarifverträgen BAP/DGB-Tarifgemeinschaft ausführlich ArbG Gießen v. 14.02.2018 – 7 Ca 246/17 – juris).

2. Die Bezugnahmeklausel ist nicht nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Inhaltskontrolle ist nur für von Rechtsvorschriften – auch von Tarifverträgen – abweichende Regelungen eröffnet (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB), was jedenfalls im Falle der vorliegenden Globalverweisung auf einen gesamten Tarifvertrag der AGB-Kontrolle entgegensteht (vgl. BAG v. 23.09.2004 – 6 AZR 442/03 – NZA 2005, 475 m.w.N.).

3. Bedenken hinsichtlich der Europarechtskonformität dieser Bestimmungen des AÜG bestehen nicht.

a) Insbesondere genügt § 8 Abs. 2 Satz 1 bis 3 AÜG bzw. §§ 10 Abs. 4 Satz 2, 9 Ziff. 2 AÜG der Vorgabe von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG, wonach Abweichungen nur „unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ erfolgen dürfen (LAG Nürnberg v. 20.05.2014 – 6 Sa 76/14 – BeckRS 2015; ArbG Gießen v. 14.02.2018, a.a.O.; a.A. Wank, BB 2018, 1909, 1915 m.w.N. zum Streitstand).

Im Gesamtkontext der Richtlinie, nämlich der Regelung in Art. 5 Abs. 4 und der Erwägungsgründe, ist davon auszugehen, dass an den „Gesamtschutz“ keine hohen Anforderungen gestellt werden sollen und bei Abweichungen ein weiter Spielraum eingeräumt wird. So deutet die in Art. 5 Abs. 4 Satz 2 explizit als genügend für ein angemessenes Schutzniveau nach Art. 5 Abs. 4 Satz 1 genannte Wartezeit für Gleichbehandlung – obwohl hier nicht unmittelbar einschlägig – auf ein Verständnis des Richtliniengebers hin, wonach ein ausreichender Gesamtschutz erst nach einer gewissen Zeit eingehalten werden muss (ArbG Gießen v. 14.02.2018, a.a.O.). Diesen weiten Anforderungen an einen Gesamtschutz ist dadurch genügt, dass § 8 Abs. 2 Satz 1 AÜG eine Lohnuntergrenze festlegt sowie dass § 8 Abs. 4 AÜG zusätzliche zeitliche Hürden für die Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz aufstellt (ArbG Gießen v. 14.02.2018, a.a.O.; s. auch ArbG Weiden v. 20.12.2013 – 3 Ca 1033/13 – BeckRS 2015, 66726).

b) Zweifel an der Europarechtskonformität ergeben sich auch nicht daraus, dass § 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG die Abweichung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme ermöglicht. Die Richtlinie lässt ein Abweichen vom Gleichbehandlungsgrundsatz durch Tarifverträge zu, macht jedoch keine Vorgaben bezüglich der Voraussetzungen für die Geltung der tarifvertraglichen Regelungen. Die Möglichkeit, Tarifverträge durch Bezugnahmeklauseln ins Arbeitsverhältnis zu übernehmen, ist in Deutschland anerkannt. Gleichzeitig geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Tarifpartner selbst auf ein angemessenes Schutzniveau der Arbeitsvertragsparteien, die in den Geltungsbereich ihrer Regelungen fallen, achten. Dieses Schutzniveau ist jedoch unabhängig davon, ob die Tarifverträge unmittelbar, kraft Fortgeltung, Nachwirkung, Allgemeinverbindlichkeitserklärung oder eben vertraglicher Bezugnahme anwendbar sind. Auch im Fall der Bezugnahme wird der Schutz durch die Ausgewogenheit der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerrechte und -pflichten, wie sie die Tarifparteien aushandeln, erreicht (LAG Nürnberg v. 20.05.2014, a.a.O., mit Verweis auf BAG v. 13.03.2013 – 5 AZR 242/12 – juris).

4. Auf die Anwendbarkeit der einzel- und tarifvertraglichen Ausschlussfristen kommt es damit nicht mehr an.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 495, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

III.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO in Höhe des Klagebetrags festgesetzt.

IV.

Die Möglichkeit der Berufung ergibt sich aus § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG; eine gesonderte Zulassung der Berufung war darüber hinaus nicht veranlasst.

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