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Arbeitsunfall – Verkehrsunfall zwischen Versicherten desselben Betriebes auf Betriebsgelände

Verkehrsunfall auf Betriebsgelände: Wer haftet?

Auf dem Firmengelände eines jeden Unternehmens ist ständige Vorsicht geboten, denn Unfälle können jederzeit passieren. Eine solche Situation wurde vor dem Landgericht Münster verhandelt, bei der sich zwei Angestellte desselben Unternehmens in einem tragischen Vorfall wiederfanden.

An einem kalten Morgen im Januar 2019 ereignete sich auf dem Betriebsgelände der Fa. W… GmbH ein schwerwiegender Verkehrsunfall. Ein Fußgänger, der gerade auf dem Weg zur Arbeit war, wurde von einem Pkw, der auf dem Betriebsgelände fuhr, erfasst. Der Unfall ereignete sich in einer durch Verkehrsinseln getrennten Ein- und Ausfahrt des Betriebsgeländes, an der eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h gilt. Beide Beteiligten sind Angestellte desselben Unternehmens.

Direkt zum Urteil Az: 02 O 192/20 springen.

Die Umstände des Vorfalls

Während das Opfer, die Klägerin, bereits ihr Fahrzeug auf dem gegenüberliegenden Firmenparkplatz abgestellt hatte und sich zu Fuß auf dem Weg zur Arbeit befand, wurde sie von einem Pkw, geführt von der Beklagten, erfasst und schwer verletzt. Die genauen Details des Unfalls, einschließlich der Frage, ob sich das Opfer links oder rechts von einem an der Ausfahrt stehenden Lkw bewegte, sind zwischen den Parteien umstritten.

Folgen des tragischen Vorfalls

Die Folgen des Unfalls waren schwerwiegend, da die Klägerin durch den Zusammenstoß mit dem Auto einen komplizierten Bruch des Kreuzbeines erlitt. Diese Verletzung hatte schwerwiegende Ausfälle der Harnblasen- und Mastdarmfunktion zur Folge. In der Folge musste sie eine Reihe stationärer Behandlungen und anschließende Reha-Maßnahmen durchlaufen, die bis heute andauern.

Rechtliche Auswirkungen

Das gegen die Fahrerin eingeleitete strafrechtliche Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung wurde gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. In dem zivilrechtlichen Verfahren, in dem die Parteien über die Rechtsfolgen aus dem Unfall stritten, wurde die Klage jedoch abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Klägerin auferlegt. Gegen Sicherheitsleistung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Diese Situation wirft ein Licht auf die Komplexität von Verkehrsunfällen auf Betriebsgeländen und die damit verbundenen rechtlichen Fragen. Es bleibt die Frage offen, ob die Klägerin in die Berufung gehen wird, um ihre Sicht der Dinge zu verteidigen.


Das vorliegende Urteil

LG Münster – Az.: 02 O 192/20 – Urteil vom 23.12.2020

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 30.01.2020 werden verworfen.

Die Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich ihrer notwendigen Auslagen; mit Ausnahme der Kosten, die durch die Berufung der Staatsanwaltschaft verursacht worden sind und die von der Staatskasse zu tragen sind.

Angewendete Vorschriften: §§ 263 Abs. 1 und 2, 267 Abs. 1, 22, 23, 52 StGB.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen aus einem Verkehrsunfall, der sich am 11.01.2019 gegen 7:50 Uhr auf dem öffentlich zugänglichen Betriebsgelände der Fa. W… GmbH, H… 1 in … A.., ereignet hat.

Die Klägerin und die Beklagte zu 1) sind beide angestellt bei der Fa. W… GmbH. Die Klägerin hatte ihr Auto bereits auf dem dem Werksgelände gegenüberliegenden Firmenparkplatz geparkt und befand sich nun zu Fuß auf dem Weg zur Arbeitsstelle. Die Werksgeländeein- und -ausfahrt ist durch eine Sperrfläche mit Verkehrsinsel voneinander getrennt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt an dieser Stelle 10 km/h. In der Werksgeländeausfahrt stand zu diesem Zeitpunkt ein Lkw. Die Klägerin lief an dem stehenden Lkw vorbei in Richtung ihrer Arbeitsstelle.

In dieser Situation wurde sie von der Beklagten zu 1) mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Seat Ibiza, amtliches Kennzeichen …, von hinten erfasst und schwer verletzt, wobei die Einzelheiten der Kollision zwischen den Parteien streitig sind. Insbesondere streiten die Parteien darüber, ob sich die Klägerin links oder rechts von dem in der Werksgeländeausfahrt stehenden Lkw fortbewegte.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Unfallörtlichkeit wird auf die polizeiliche Unfallskizze (Bl. 45 d.A.) sowie die von der Klägerin vorgenommenen Korrekturen (Bl. 57 d.A.) Bezug genommen.

Nochmals sei klargestellt, dass der von der Klägerin zurückgelegte Fußweg streitig ist und nach Darstellung der Klägerin nicht mit demjenigen aus der polizeilichen Unfallskizze übereinstimmt.

Die Klägerin erlitt durch den Anprall des Pkw einen komplizierten Bruch des Kreuzbeines mit Ausfällen der Harnblasen- und Mastdarmfunktion.

Die Klägerin befand sich zunächst vom 11.01.2019 bis zum 25.01.2019 in stationärer Behandlung im C…-Hospital, L…-Kliniken M… GmbH. Im Anschluss wurde sie vom 25.01.2019 bis zum 28.02.2019 in dem Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum stationär behandelt. Nachfolgend erfolgte die Überleitung zur EAP Maßnahme im Zentrum für ambulante Rehabilitation (ZAR) Münster.

Seit dem 07.03.2019 befindet sich die Klägerin in ständiger Behandlung im Rehabilitationszentrum.

Halter des Seat Ibiza ist der Vater der Beklagten zu 1), Herr A… Sch….

Das gegen die Beklagte zu 1) geführte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung (StA Münster, 82 Js 2048/19) ist gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 450,00 EUR nach § 153a StPO eingestellt worden.

Die vorprozessuale Zahlungsaufforderung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 20.01.2020 hat die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 22.01.2020 zurückgewiesen.

Die Klägerin behauptet, der Unfallbereich sei durch Strahler hell erleuchtet gewesen. Sie sei für jedermann klar und deutlich sichtbar gewesen. Sie sei auch nicht durch den parkenden Lkw verdeckt gewesen, da sie rechts von der Verkehrsinsel gelaufen sei. Die Beklagte zu 1) müsse mit mindestens 20 km/h gefahren sein und habe die Klägerin völlig grundlos und ungebremst umgefahren. Die Beklagte zu 1) habe offenbar gar nicht nach vorne geschaut oder sei sonst wie abgelenkt gewesen.

Infolge des Unfalls leide sie – die Klägerin – unter ständigen Schmerzen. Längeres Sitzen, Stehen oder Laufen sei nur mit Schmerzen möglich. Sie verspüre messerstichartige Schmerzen im Kreuzbein. Zudem bestünden Sensibilitätsstörungen im linken Bein. Ab der Hüfte sei die Sensibilität – vergleichbar mit einer Querschnittslähmung – deutlich eingeschränkt. Vaginal sowie am Anus bestehe keine Sensibilität. Hinzu kämen psychosomatische und psychiatrische Belastungen und Beschwerden. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbstätigkeit betrage 50 %. Es sei nicht auszuschließen, dass weitere Gesundheitsstörungen aufgrund der unfallbedingten Verletzungen eintreten werden und/oder Verschlimmerungen der bestehenden Leiden.

Der materielle Schaden sei von der Berufsgenossenschaft Verkehr weitestgehend ersetzt worden. Offen seien lediglich noch ein Lohnausfall in Höhe von 2.036,70 EUR, Weihnachts- und Urlaubsgeld in Höhe von 1.437,50 EUR sowie eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,- EUR.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte zu 1) zumindest grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich gehandelt habe. Ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 60.000 EUR sei gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gesetztes angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über Basiszinssatz seit dem 12.01.2019,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom … in … A…, … 1, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht kraft Gesetzes auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 3.499,20 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über Basiszinssatz seit dem 24.01.2020.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Beklagte zu 1) habe auf dem Werksgelände nach links auf den dortigen Mitarbeiterparkplatz abbiegen wollen, um den Pkw dort abzustellen. Der stehende Lkw habe den Weg versperrt, sodass die Beklagte zu 1) zunächst habe anhalten müssen. Als der Lkw losgefahren sei, sei auch die Beklagte zu 1) wieder angefahren. Plötzlich sei die Klägerin vor dem Auto aufgetaucht. Diese sei hinter dem Lkw hergegangen und habe ihrerseits nicht auf den Verkehr geachtet. Sie – die Beklagte – habe sich noch im Anfahrvorgang befunden, als es zur Kollision gekommen sei.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass es sich um einen Arbeitsunfall handele, sodass eine Haftung nach § 105 SGB VII ausgeschlossen sei. Unabhängig hiervon halten die Beklagten die klägerische Schmerzensgeldvorstellung für übersetzt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 11.11.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt der begehrte Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz zu.

Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 7, 18 StVG, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG. Denn die Haftung der Beklagten ist nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bzw. den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs ausgeschlossen.

1.

Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben.

a)

Die Klägerin und die Beklagte zu 1) sind beide Angestellte der Fa. W… GmbH und damit Versicherte desselben Betriebes im Sinne der Vorschrift. Sie sind außerdem einer betrieblichen Tätigkeit nachgegangen.

Der Begriff der betrieblichen Tätigkeit ist weit auszulegen und objektiv zu bestimmen. Hierzu zählen insbesondere auf dem Betriebsgelände zurückgelegte Wege (BeckOK SozR/Stelljes, 58. Ed. 1.6.2020, SGB VII § 105 Rn. 8 und 10). Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte zu 1) haben sich auf dem Betriebsgelände bewegt, um ihre Arbeit anzutreten.

b)

Es liegt auch ein Versicherungsfall vor; und zwar in Form des Arbeitsunfalls nach §§ 7, 8 SGB VII. Einen solchen hat auch die Berufsgenossenschaft Verkehr angenommen.

c)

Schließlich ist die Haftungsbeschränkung des § 105 Abs. 1 SGB VII auch nicht ausgeschlossen. Denn die Beklagte zu 1) hat nicht vorsätzlich gehandelt und es handelt sich auch nicht um einen Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII.

(1)

Die Beklagte zu 1) hat den Arbeitsunfall nicht vorsätzlich herbeigeführt.

Vorsätzlich handelt, wer das rechtlich geschützte Interesse eines anderen bewusst und gewollt verletzt, wobei es genügt, dass der Verletzungserfolg vielleicht unerwünscht ist, aber billigend in Kauf genommen wird (bedingter Vorsatz). Erforderlich ist ein „doppelter Vorsatz“, der sich sowohl auf die Verletzungshandlung als auch den Verletzungserfolg beziehen muss (BeckOK SozR/Stelljes, 58. Ed. 1.6.2020, SGB VII § 104 Rn. 23 und 24).

Nach der Anhörung der Beklagten zu 1) ist die Kammer davon überzeugt, dass diese die Klägerin nicht umfahren und verletzen wollte und dies auch nicht billigend in Kauf genommen hat. Stattdessen hat sie die Klägerin erst unmittelbar vor der Kollision wahrgenommen. Die Beklagte zu 1) beschrieb dies dahingehend, dass sie den Eindruck gehabt habe, dass „man die Klägerin unmittelbar vor mein Auto gestellt“ habe. Ihr tat der gesamte Vorfall sichtlich leid.

Man mag hierin einen groben Fahrlässigkeitsvorwurf erblicken, weil die Beklagte zu 1) den Verkehr und insbesondere die Klägerin nicht (ausreichend) beachtet hat. Auch ein solcher grober Verkehrsverstoß rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, die Beklagte zu 1) habe vorsätzlich – also bewusst und unter Inkaufnahme der schwerwiegenden Verletzung – die Klägerin umgefahren.

Selbst wenn man – zu Gunsten der Klägerin – als wahr unterstellt, dass die Beklagte 1) verbotswidrig mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h gefahren ist, ließe dies allenfalls einen Vorsatz in Bezug auf die Geschwindigkeitsüberschreitung, nicht aber in Bezug auf die konkrete Verletzung der Klägerin zu.

(2)

Es liegt außerdem auch kein Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII vor.

Zwar gehört zu den „versicherten Wegen“ das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Jedoch zählen auf dem Werkgelände zurückgelegte Wege zu den Betriebswegen, die in Ausführung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden und für die der Ausschluss der Haftungsbeschränkung nicht gilt (vgl. BeckOK SozR/Wietfeld, 58. Ed. 1.9.2020 Rn. 37, SGB VII § 8 Rn. 37). Mit dem Durchschreiten oder Durchfahren des Werkstores beginnt die Annahme eines haftungsprivilegierten Betriebsweges (vgl. BeckOK SozR/Stelljes, 58. Ed. 1.6.2020, SGB VII § 105 Rn. 10 unter Hinweis auf BAG NJW 2001, 2039; KassKomm/Ricke, 110. EL Juli 2020, SGB VII § 8 Rn. 185).

Vorliegend hatte die Parteien unstreitig die Einfahrt zum Werksgelände bereits passiert, sodass kein Wegeunfall vorliegt.

2.

Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2) ergibt sich schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt ihrer akzessorischen Haftung für den – nicht eigenständig in Anspruch genommenen – Fahrzeughalter aus § 7 StVG in Verbindung mit §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG.

Zwar unterfällt der von der Beklagten zu 1) personenverschiedene Halter mangels Betriebszugehörigkeit und mangels betrieblich veranlasster Tätigkeit nicht der Haftungsprivilegierung des § 105 Abs. 1 SGB VII. Seiner Inanspruchnahme – und damit auch der Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) – stehen aber die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs entgegen.

Danach sind in Fällen, in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (den Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (den Erstschädiger) entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2004, 951; BGH VersR 2008, 410).

Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht dabei auf dem Gedanken, dass einerseits die Haftungsprivilegierung des Erstschädigers nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung, nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden alleine tragen zu lassen.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände wird der Zweitschädiger „in Höhe des Verantwortungsteils“ freigestellt, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinwegdenkt. Dabei ist unter „Verantwortungsteil“ die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der eigene Anteil des betreffenden Schädigers an der Schadensentstehung zu verstehen.

Hiernach ist eine Haftung des Halters vorliegend ausgeschlossen, weil diesen im Gegensatz zu der Beklagten zu 1) keinerlei Verschulden an dem Unfall trifft.

Sind Halter und Fahrer eines Kfz im Außenverhältnis als Gesamtschuldner verpflichtet, so ist im Innenverhältnis der Halter von dem Fahrer, der den Unfall verschuldet hat, freizustellen (vgl. Staudinger/Vieweg (2015) BGB § 840, Rn. 49; Palandt, § 840 Rn. 8/9). Dies beruht auf dem Grundgedanken, dass in Fällen, in denen auf der einen Seite nur eine Gefährdungshaftung oder eine Haftung aus vermutetem Verschulden, in denen auf der anderen Seite jedoch erwiesenes Verschulden vorliegt, im Innenverhältnis derjenige den ganzen Schaden tragen soll, der nachweislich schuldhaft gehandelt hat (BGH, Urteil vom 11. November 2003 – VI ZR 13/03 -, BGHZ 157, 9-20, Rn. 17).

Da vorliegend also die Beklagte zu 1) im Innenverhältnis die Verantwortung für die Schadensentstehung ohne die Haftungsprivilegierung des § 105 SGB VIII alleine zu tragen hätte, ist es nicht gerechtfertigt, den Halter – und darüber die Beklagte zu 2) – als Zweitschädiger im Rahmen des gestörten Gesamtschuldnerverhältnisses gleichwohl für die Schäden der Klägerin (endgültig) haften zu lassen.

II.

Mangels Hauptanspruch steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen, auf Feststellung einer weiteren Schadensersatzpflicht oder auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

IV.

Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf bis zu 65.000,00 EUR festgesetzt.

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