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Arbeitsverhältnisverlängerung auf unbestimmte Zeit durch Weiterarbeit nach Ablauf der Befristung

ArbG Stuttgart –  Az.: 7 Ca 6458/11 – Urteil vom 10.01.2012

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder aufgrund der am 05.10.2007 noch aufgrund einer am 01.07.2010 vereinbarten Befristung am 19.07.2011 beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verwaltungsangestellte weiterzubeschäftigen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 5.251,16 € festgesetzt.

5. Die Berufung ist nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer arbeitsvertraglichen Befristungsabrede mit Ablauf des 19.07.2010 geendet hat.

Die am 00.00.1958 geborene und verheiratete Klägerin war seit dem 01.06.2004 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte, zuletzt mit einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 1.312,79 € bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden in Teilzeit beschäftigt. Die Bedingungen des letzten befristeten Arbeitsvertrages sind im Arbeitsvertrag vom 05.10.2007 (ABl. 11 – 13) festgehalten.

Vor Ablauf der Befristung sandte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 01.07.2010 (ABl. 42) ein von der Beklagtenseite unterzeichnetes Angebot auf Abschluss eines weiteren bis zum 19.07.2011 befristeten Arbeitsvertrages (ABl. 8 – 10). Diesen hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt unterzeichnet. Dennoch hat sie ihre Arbeitsleistung auch über den 19.07.2010 hinaus weiter unverändert erbracht.

Mit Schreiben vom 03.02.2011 (ABl. 43) forderte die Beklagte die Klägerin zur schnellstmöglichen Rücksendung des ihr am 01.07.2010 zugesandten Arbeitsvertragsangebotes für den Zeitraum 20.07.2010 bis 19.07.2011 auf. Ohne Unterzeichnung des Arbeitsvertrages arbeitete die Klägerin anschließend unverändert bis zu ihrer Erkrankung am 06.05.2011 im Betrieb weiter.

Die Klägerin ist der Auffassung, aufgrund der Fortsetzung ihrer Tätigkeit bei der Beklagten mit Wissen und Wollen der Beklagten über den 20.07.2010 hinaus, sei zwischen den Parteien ein neuer Arbeitsvertrag ohne wirksame Befristungsabrede zustande gekommen.

Die Klägerin beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder aufgrund der am 05.10.2007 noch aufgrund einer am 01.07.2010 vereinbarten Befristung am 19.07.2011 beendet worden ist.

2. Im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verwaltungsangestellte weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, mit der Klägerin sei kein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Sie habe der Klägerin rechtzeitig vor Ablauf der Befristung zum 19.07.2010 einen neuen befristeten Arbeitsvertrag mit der Bitte um baldmöglichste Rücksendung zugesandt. Diesen habe die Klägerin trotz Erinnerung nicht unterschrieben zurückgesandt. Durch die Weiterarbeit mit Wissen der Beklagten sei dennoch kein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Insoweit fehle es an übereinstimmenden Willenserklärungen, gerichtet auf Abschluss eines befristeten bzw. unbefristeten Arbeitsverhältnisses.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 46 II ArbGG, § 313 II 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Niederschriften über den Güte- und den Kammertermin verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der in dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 05.10.2007 vereinbarten Befristung mit Ablauf des 19.07.2010 geendet, § 15 Abs. 5 TzBfG.

1. Nach dieser Vorschrift gilt ein Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn es nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird. Diese Anordnung gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber unverzüglich widerspricht. Die Vorschrift regelt, ebenso wie § 625 BGB für die Fortsetzung von Dienstverhältnissen und Arbeitsverhältnissen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 15 Abs. 5 TzBfG, die stillschweigende Verlängerung von Arbeitsverhältnissen unabhängig vom Willen der Parteien. Die Regelung beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses (s. d. BAG, Urteil v. 11.07.2007 – 7 AZR 501/06 – juris). Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer seine tatsächliche Arbeitsleistung zur Erfüllung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis weiter erbringt und dies mit Wissen des Arbeitgebers selbst oder eines zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigten Vertreters erfolgt (BAG, a. a. O.).

2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Vertragsverhältnis im unmittelbaren Anschluss an den Ablauf des zunächst befristeten Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 19.07.2010 zustande gekommen ist.

a) Insoweit haben die Parteien übereinstimmend vorgetragen, dass die Klägerin ohne Unterbrechung ihre Arbeitsleistung auch am 20.07.2010 und in der Folgezeit, jedenfalls bis zum 06.05.2011, ordnungsgemäß erbracht hat. Damit hat die Klägerin über einen Zeitraum von nahezu 10 Monaten im Betrieb der Beklagten als Verwaltungsangestellte weiter gearbeitet und war in die betrieblichen Abläufe unverändert durch ihre Tätigkeit als Verwaltungsangestellte integriert.

b) Die Fortsetzung der Tätigkeit erfolgte zudem mit Wissen der Beklagten. Sowohl die Fachvorgesetzten vor Ort als auch die Mitarbeiter der Personalabteilung waren darüber informiert, dass die Klägerin ihre Tätigkeit unverändert fortsetzt. Das Haupt- und Personalamt ist zudem für die Beklagte einstellungsbefugt. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

3. Der Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien im Anschluss an den Ablauf der Befristung des Arbeitsvertrages vom 05.10.2007 mit Ablauf des 19.07.2010 steht das vor Beginn der Weiterarbeit gemachte Angebot der Beklagten auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages nicht entgegen. Nach Auffassung des LAG Köln (Urteil v. 18.09.2006 – 14 Sa 295/06 – sowie Urteil v. 26.10.2010 – 12 Sa 868/10 – juris) beinhaltet ein derartiges Angebot einen konkludenten Widerspruch im Sinne des § 15 Abs. 5 TzBfG. Diesen Widerspruch hat die Beklagte durch Unterbreitung des Angebotes auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages mit Schreiben vom 01.07.2010 zunächst erklärt.

Allerdings ist trotz Nichtunterzeichnung des Angebotes eines befristeten Arbeitsvertrages in der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung ein Angebot der Klägerin auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages ab dem 20.07.2010 zu sehen. Dieses Angebot hat die Beklagte spätestens durch die weitere Entgegennahme der Arbeitsleistung der Klägerin angenommen. Anders kann das Verhalten der Beklagten nicht gewertet werden, die in Kenntnis der tatsächlichen Weiterarbeit der Klägerin und fehlender Rücksendung des unterzeichneten befristeten Arbeitsvertrages trotz weiterer Aufforderung zur Rücksendung des Vertrages mit Schreiben vom 03.02.2011 über Monate die Arbeitsleistung entgegen genommen hat. Ausweislich des Schreibens vom 03.02.2011 war das Haupt- und Personalamt über die weitere Erbringung der Arbeitsleistung durch die Klägerin unterrichtet und hat diese im Anschluss über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten unbeanstandet entgegengenommen. Damit hat die Beklagte nach Auffassung der erkennenden Kammer das Vertragsangebot der Klägerin auf unbefristete Fortsetzung des Vertragsverhältnisses trotz dem zunächst unterbreiteten befristeten Arbeitsvertrages konkludent angenommen.

II.

Das Arbeitsverhältnis hat auch nicht aufgrund eines am 01.07.2010 vereinbarten befristeten Arbeitsvertrages geendet. Insoweit fehlt es bereits an übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien zur Begründung eines befristeten Arbeitsvertrages. Die Klägerin hat das ihr mit Schreiben vom 01.07.2010 unterbreitete Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages nicht angenommen (s. d. BAG, 16.04.2008 – 7 AZR 1048/06), sondern ein Änderungsangebot unterbreitet, welches die Beklagte konkludent nach dem 03.02.2011 angenommen hat. Auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen.

III.

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Befristungsabrede des Arbeitsvertrages nicht aufgelöst worden ist, war die Beklagte auf Antrag zur Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits zu verurteilen. Der Weiterbeschäftigungsanspruch ergibt sich aus den Grundsätzen, die der Große Senat des BAG im Beschluss vom 27.10.85 (GS 1/84 – AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) aufgestellt hat. Danach kann, solang in einem Kündigungsschutzprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung fehlendes Urteil besteht, die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr begründen. Hinzu kommen müssten dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen. Diese Grundsätze gelten im Streit um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristungsabrede entsprechend.

Umstände, die ein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung der Klägerin begründen könnten, sind weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen. Auch der Gesundheitszustand der Klägerin steht der tatsächlichen Beschäftigung in Teilzeit nicht entgegen. Entsprechende ärztliche Feststellungen über die Leistungsfähigkeit hat die Klägerin im Entlassbericht aufgrund der durchgeführten REHA-Maßnahme offengelegt.

Substantiierte Einwendungen hat die Beklagte insoweit nicht vorgebracht.

Nebenentscheidungen

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 ZPO. Sie sind der Beklagten aufzuerlegen, da sie im Rechtsstreit vollumfänglich unterlegen ist.

2. Die Streitwertentscheidung ist nach § 61 Abs. 1 ArbGG in den Urteilstenor aufzunehmen. Der insoweit festzusetzende Rechtsmittelstreitwert ist für den Antrag Ziffer 1 auf ein Vierteljahreseinkommen der Klägerin und für den Antrag Ziffer 2 auf ein Bruttomonatsentgelt festgesetzt worden (§ 3 ZPO).

3. Die Entscheidung über die Berufungszulassung ist nach § 64 Abs. 3 a ArbGG in den Urteilstenor aufzunehmen. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Arbeitsgericht nach § 64 Abs. 3 ArbGG liegen nicht vor, weshalb es bei der Zulässigkeit der Berufung in vom Gesetz nach § 64 Abs. 2 ArbGG angeordneten Fällen verbleibt.

 

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