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Ausgleich für Nachtarbeit nach § 6 Abs 5 ArbZG

ArbG Berlin – Az.: 31 Ca 8942/12 – Urteil vom 29.08.2012

I.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.956,90 EUR brutto (viertausendneunhundertsechsundfünfzig 90/100) zu zahlen oder der Klägerin 50,70 freie Tage im Umfang von 8 Stunden zu gewähren.

II.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 13 % und die Beklagte 87 % zu tragen.

IV.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.679,50 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht Ansprüche auf Ausgleichsleistungen für Nachtarbeit der Jahre 2009 bis 2011 geltend.

Die Beklagte ist ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der D… GmbH. Sie erbringt Serviceleistungen für Zugreisende im Nachtreiseverkehr („City Night Line“) sowie in Autozügen. Sie ist im Jahr 2002 aus dem Teilbereich Nachtreiseverkehr des Geschäftsbereichs „Service im Zug“ (SiZ) der M… AG entstanden und beschäftigt rund 45 Mitarbeiter im stationären Dienst sowie – saisonabhängig – rund 500 Mitarbeiter im Fahrdienst.

Die Klägerin ist seit seit mehreren Jahren bei der Beklagten bzw. Rechtsvorgängern als Servicechefin mit Zugführerfunktion beschäftigt und leistet im erheblichen Umfang Nachtarbeit. Die Rechte und pflichten der Parteien ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag (Anlage B 5, Bl. 43 ff d.A.).

Das BAG hat in einem Parallelfall mit Urteil vom 18.05.2011 – 10 AZR 369/10 – festgestellt, dass bei der Beklagten eine tarifliche Ausgleichsregelung nicht bestanden habe und deshalb ein Anspruch auf Ausgleich für Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG bestehe. Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 19.08.2011 – 10 Sa 1450/11 – gemeint, es sei ein Ausgleich in Höhe von 25 % zu gewähren.

Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass tarifliche Regelungen aufgrund vertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Nach einer Vereinbarung mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) im Zuge der Überleitung der Arbeitsverhältnisse von der M… AG zur Beklagten gelten bestimmte für den Geschäftsbereich SiZ der M… AG am 30. Juni 2002 geltende Tarifverträge fort, so der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden der M… AG vom 27. Juni 1997 (MTV) und der Ergänzungstarifvertrag über spezifische Regelungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Geschäftsbereichs SiZ – Service im Zug/Ost vom 27. Juni 1997 (ErgTV SiZ/Ost). Der MTV regelt ua. Folgendes:

§ 5 Zuschlagspflichtige Tätigkeiten

3. Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit – Zuschläge

Entsprechend dem besonderen Charakter des Gaststättengewerbes gelten die Sonntage als zuschlagsfreie Arbeitstage/Arbeitszeit. Davon kann nur einzelvertraglich im Rahmen der jeweils geltenden steuerlichen Bestimmungen abgewichen werden. Die Entlohnung der Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit richtet sich ausschließlich nach den Bestimmungen dieses Tarifvertrages. Soweit tariflich eine Öffnungsklausel vorhanden ist, kann einzelvertraglich vom Tarifvertrag nach dem Günstigkeitsprinzip abgewichen werden. Grundlohn im Sinne des Einkommenssteuergesetzes ist der jeweils geltende tarifliche Stundenlohn.

5. Nachtarbeit

Die Arbeit in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr gilt als Nachtarbeit.

Im regelmäßigen Schichtdienst beschäftigte Arbeitnehmer/innen erhalten für Nachtarbeit 15 % Zuschlag zum Tarifentgelt je Arbeitsstunde in dieser Zeit.“

Der ErgTV SiZ/Ost lautet auszugsweise:

§ 2 Anwendung des Tarifvertrages

Nachfolgende Regelungen ersetzen, ergänzen oder verändern die entsprechenden Regelungsgegenstände in dem jeweils gültigen M…-Entgelttarifvertrag und M… Manteltarifvertrag. Die nachfolgenden Vorschriften haben Tarifvorrang.

§ 3 Regelungsgegenstände

4. Zuschlagspflichtige Tätigkeiten

4.3 Nachtarbeit

Die Arbeit in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr gilt als Nachtarbeit. Stationär beschäftigte Arbeitnehmer/innen erhalten für Nachtarbeit 15 % Zuschlag zum Tarifentgelt je Arbeitsstunde in dieser Zeit.

Seit 01.01.2010 findet der Ergänzungstarifvertrag über spezifische Regelungen für die Arbeitnehmer/innen des Geschäftsbereiches SiZ – Service im Zug/West- der Mitteleuropäischen Schlafwagen und Speisewagen AG (M…) – im Folgenden ErgTV SiZ/West – Anwendung. Dieser lautet auszugsweise:

§ 2 Anwendung des Tarifvertrages

Nachfolgende Regelungen ersetzen, ergänzen oder verändern die entsprechenden Regelungsgegenstände in dem jeweils gültigen M…-Entgelttarifvertrag und M… – Manteltarifvertrag. Die nachfolgenden Vorschriften haben Tarifvorrang.

§ 3 Regelungsgegenstände

3.1 Arbeitszeit

3.2 Pausenanrechnung für das gewerbliche Fahrpersonal

Der Abzug der Pausen von der Arbeitszeit richtet sich nach der Länge der Dienstschicht, und zwar

Bis zu fünf Stunden 59 Minuten Arbeitszeit kein Abzug,

Bis zu 7 Stunden 59 Minuten Arbeitszeit 12 Min.,

Bis zu 9 Stunden 59 Minuten Arbeitszeit 30 Min.,

Bis zu 10 Stunden Arbeitszeit 60 Min. Pausenabzug.

Während der Pausen darf der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung herangezogen werden.

Bei der Ermittlung der Länge der Dienstschicht sind folgende Zeiten nicht mitzurechnen:

a) Unterbrechung der Tagschicht

b) Arbeitsbereitschaft

c) Arbeitszeiten zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr

3.9 Nachtarbeit

3.9.1

Die Arbeit in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr gilt als Nachtarbeit. Stationär beschäftigte Arbeitnehmer erhalten für Nachtarbeit 15 % Zuschlag zum Tariflohn/Tarifgehalt je Arbeitsstunde in dieser Zeit.

Die Lage der Arbeitszeiten der im Fahrdienst beschäftigten Mitarbeiter richtet sich nach den Verkehrszeiten der von der Beklagten betreuten und bewirtschafteten Züge. Die Dienstzeiten beschränken sich nicht auf die Nachtzeit. Bei Nachtreisezügen liegt der Dienstbeginn im Regelfall zwischen 19:30 Uhr und 22:00 Uhr und das Dienstende zwischen 7:30 Uhr und 10:00 Uhr des Folgetags. Bei internationalen Autoreisezügen kann der Dienst um 12:00 Uhr beginnen und um 16:00 Uhr des Folgetags enden.

Hinsichtlich der einzelnen von der Klägerin geltend gemachten Nachtarbeitsstunden bzw. der wahlweise geforderten freien Tage wird auf die Klageschrift vom 08.06.2012 verwiesen (Bl. 1 ff d. A.).

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.679,50 Euro brutto zu zahlen oder der Klägerin 57,95 freie Tage im Umfang von jeweils 8 Stunden zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die klägerseits behaupteten Ansprüche seien aufgrund der im Arbeitsvertrag vereinbarten Ausschlussfrist verfallen. Die Beklagte meint zudem, der Zuschlag dürfe für die Jahre zudem nur 10 % betragen, 25 % seien nicht angemessen. Seit der Geltung des SiZ/West, also seit 01.01.2010, bestehe eine tarifliche Ausgleichsregelung im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG. Diese folge aus der Pausenregelung in Ziffer 3.2 des Tarifvertrages. Die Beklagte ist der Auffassung, dass nur Zeit unter Abzug nichtzuschlagspflichtiger Pausenzeiten, Ruhezeiten und Tätigkeitsunterbrechungen gewertet werden könne. Insoweit wird auf den Schriftsatz vom 18.05.2012 und die beigefügten Zeitenaufstellungen, Anlage B 6 Bl. 46 ff d.A.) verwiesen. Für das Jahr 2011 sei schließlich auch für Dezember ein Tariflohn in Höhe von 12,92 Euro und nicht 13,11 Euro zugrunde zu legen. Die Entgelterhöhung greife erst zum 01.01.2012.

Für das weitere Parteivorbringen wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen vom 08.06.2012 (Bl. 1 ff d.A.), vom 09.07.2012 (Bl. 10 ff d.A.), vom 17.07.2012 (Bl. 54 ff d.A.), vom 31.07.2012 (Bl. 60 ff d.A.) sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist – wie aus dem Tenor ersichtlich – teilweise begründet.

I.

Die Klägerin hat für den Zeitraum 2009 bis 2011 einen Anspruch auf Ausgleich für Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG in Höhe von 25 %, allerdings nur für die von der Beklagten mitgeteilten Nachtarbeitsstunden.

1.

Gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG hat der Arbeitgeber, soweit eine tarifliche Ausgleichsregelung nicht besteht, dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

2.

Der Arbeitgeber kann wählen, ob er den Ausgleichsanspruch des § 6 Abs. 5 ArbZG durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt. Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen erst dann, wenn der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausübt (vgl. BAG 18.05.2011, 10 AZR 369/10, Rn. 15).

3.

Die Klägerin war Nachtarbeitnehmerin iSv. § 2 Abs. 5 Nr. 2 iVm. § 2 Abs. 3 und Abs. 4 ArbZG. Sie leistete an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit von 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr umfasst.

4.

Es bestand jedenfalls bis 01.03.2012 keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung im Sine des § 6 Abs. 5 ArbZG. Weder der MTV noch der ErgTV SiZ/Ost noch ab 01.01.2010 der ErgTV SiZ/West sahen einen Ausgleich für die im Fahrdienst geleistete Nachtarbeit vor.

5.

§ 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit wegen der größeren Sachnähe den Tarifvertragsparteien und schafft nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, wie sie den Ausgleich regeln. Um den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu ersetzen, muss die tarifliche Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorsehen. Dies folgt aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“ und entspricht Sinn und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG. Der tarifliche Ausgleich kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend geregelt sein. Den allgemeinen tariflichen Arbeitsbedingungen kann eine stillschweigende Ausgleichsregelung aber nur entnommen werden, wenn entweder der Tarifvertrag selbst entsprechende Hinweise enthält oder sich dafür aus der Tarifgeschichte oder aus Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte ergeben (vgl. BAG 18.05.2011, 10 AZR 369/10, Rn. 18).

6.

Nach § 5 Ziff. 5 Satz 2 MTV erhalten Beschäftigte im regelmäßigen Schichtdienst und nach § 3 Ziff. 4.3 Satz 2 ErgTV SiZ/Ost die bei der Beklagten stationär Beschäftigten für Nachtarbeit 15 % Zuschlag. Für den Fahrdienst ist ein Nachtzuschlag nicht geregelt (BAG 18.05.2011, 10 AZR 369/10, Rn. 19 ff).

Auch nach dem ErgTV SiZ/West ist in § 3 Ziffer 3.9 für den Fahrdienst ein Nachtzuschlag nicht vorgesehen.

a.

Ausreichende Hinweise darauf, dass die Belastungen durch Nachtarbeit im Fahrdienst bei der Bemessung des tariflichen Grundentgelts berücksichtigt wurden, bestehen nicht (im einzelnen BAG 18.05.2011, 10 AZR 369/10, Rn. 21, 22).

b.

In § 3 Ziffer 15.3 ErgTV SiZ/West sind spezielle Entgeltregelungen für Mitarbeiter des Fahrdienstes vorgesehen. Aber auch diese lassen keine relevanten Differenzierungen nach Mitarbeitern im Nachtdienst und ohne Nachtdienst erkennen. Zwar erhalten Mitarbeiter im Nachtreiseverkehr zusätzlich zum Stundenlohn 11,34 % vom Brutto-Umsatz aus dem Verkauf von Speisen und Getränken, doch die gleiche Regelung gilt auch für Fahrdienstmitarbeiter im Tagservice. Soweit die Mitarbeiter im Nachtreiseverkehr zusätzlich noch 1,5 % vom Endpreis der benutzten Bett- und Liegekarten erhalten, ist nicht erkennbar, dass damit gerade die besonderen Belastungen ausgeglichen werden sollen, die mit der Nachtarbeit verbunden sind.

c.

Soweit § 3 Ziffer 3.2 ErgTV SiZ/West eine Pausenanrechnung für das gewerbliche Fahrpersonal regelt, ergibt sich auch daraus nicht, dass für den Fahrdienst ein tariflicher Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorgesehen ist. Aus dem Zusammenhang mit der Regelung in § 3 Ziffer 3.9 ErgTV SiZ/West zur Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags allein für die stationär beschäftigten Arbeitnehmer folgt gerade im Gegenteil, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für Nachtarbeit im Fahrdienst weder eine zusätzliche Vergütung noch ein bezahlter Freizeitausgleich gewährt werden sollte. Das folgt auch daraus, dass Nachtarbeit in § 3 Ziffer 3.9 ErgTV SiZ/West definiert wird als die Zeit ab 22.00 Uhr, während § 3 Ziffer 3.2 ErgTV SiZ/West bereits Arbeitszeiten ab 20.00 Uhr erfasst, weshalb ein Zusammenhang mit einem Ausgleich gerade für „Nachtarbeit“ nicht gesehen werden kann. Um den gesetzlichen Ausgleichsanspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG zu ersetzen, muss eine tarifliche Regelung aber eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorsehen (BAG 18.05.2011, 10 AZR 369/10, Rn. 23). Daran fehlt es.

7.

Geschuldet ist ein Zuschlag in Höhe von 25 %. Das hat das LAG Berlin-Brandenburg in dem Urteil vom 19.08.2011 – 10 Sa 1450/11 – ausführlich begründet. Darauf wird verwiesen. Das erkennende Gericht folgt dem. Die Beklagte bringt keine Argumente, die nicht bereits das LAG bei seiner Entscheidung berücksichtigt hätte.

8.

Soweit die Klägerin das Wahlrecht der Beklagten zwischen Geld- und Freizeitausgleich in ihrem Antrag zutreffend berücksichtigt hat, gilt ein einheitlicher Maßstab. Es ist der gleiche prozentuale Aufschlag in Geld oder Zeit zu gewähren. Danach kann die Klägerin bei einem Acht-Stunden-Tag für je 32 in der Nacht zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr geleistete Stunden einen bezahlten freien Tag beanspruchen.

9.

Zu berücksichtigen sind die von der Beklagten mitgeteilten Nachtarbeitsstunden und tariflichen Stundenentgelte.

Die Beklagte hat eine umfassende Auflistung der dem Grunde nach zuschlagspflichtigen Nachtarbeitsstunden vorgelegt (Anlage B 6, Bl. 46 ff d. A.). Zu berücksichtigen ist nur die tatsächliche Arbeitszeit. Pausenzeiten sind in Abzug zu bringen. Soweit die Klägerin geltend macht, dass weitere Stunden als tatsächliche Arbeitszeit zu berücksichtigen wären, kann sie damit nicht durchdringen. Die Beklagte musste (noch) nicht die den Zeiten zugrunde liegenden Schichtablaufpläne vorlegen. Die Beklagte hat auf die klägerseits pauschal behauptete Anzahl der jährlichen Nachtarbeitsstunden eine tagegenaue Auflistung der Arbeitszeiten vorgelegt. Erst wenn die Klägerin diese zumindest in Teilen substantiiert bestritten hätte, in dem sie abweichende Arbeitszeiten behauptet hätte, hätte es eines Beweises bedurft. Vielmehr hat die Klägerin mit keinem Wort erläutert, wie sie auf die behauptete Stundenanzahl gekommen ist.

Für Dezember 2011 ist entgegen der Ansicht der Klägerin ebenso von einem tariflichen Stundenentgelt in Höhe von 12,92 Euro brutto auszugehen. Unstreitig wirkte die Tariferhöhung erst zum 01.01.2012. Die Beklagte hat Dezember 2011 auch nicht ansonsten auf der Basis von 13,11 Euro brutto pro Stunde abgerechnet. Aus der Abrechnung für Dezember 2011 ergibt sich eine Berechnung mit 12,92 Euro brutto (Bl. 61 d.A.). Die klägerseits vorgelegte Stundenabrechnung trägt die zum Abrechnungsdatum am 27.01.2012 gültigen Daten und damit zutreffend die 13,11 Euro brutto Stundenlohn.

Daraus ergibt sich folgende Berechnung:

2009: 723 Nachtarbeitsstunden x 11,63 Euro x 25 % = 2.102,12 Euro

2010: 627,75 Nachtarbeitsstunden x 12,60 Euro x 25 % = 1.977,41 Euro

2011: 271,63 Nachtarbeitsstunden x 12,92 Euro x 25 % = 877,37 Euro

Das ergibt in der Summe 4.956,90 Euro.

Das entspricht für 1.622,38 Nachtarbeitsstunden (geteilt durch 32) 50,70 freien Tage.

13.

Der Anspruch auf Gewährung eines angemessenen Ausgleichs für geleistete Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 ArbZG ist nicht nach § 16 MTV oder nach § 8 ErgTV SiZ/Ost verfallen. Der Anwendungsbereich beider Tarifnormen bezieht sich lediglich auf „Ansprüche aus den Tarifverträgen der M… AG“ bzw. auf „Ansprüche aus diesem Ergänzungstarifvertrag“. Die Klägerin verfolgt einen gesetzlichen Anspruch (vgl. BAG 18.05.2011, 10 AZR 369/10, Rn. 24).

14.

Ein Verfall der Ansprüche folgt auch nicht aus der Regelung in Ziffer 7 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 13.01.2004 (Anlage B 5, Bl. 43 ff d.A.). Es handelt sich unstreitig um ein zur mehrfachen Verwendung bestimmtes Arbeitsvertragsformular der Beklagten.

Die Regelung in Ziffer 7 des Arbeitsvertrages vom 13.01.2004 ist mehrdeutig und damit unklar im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB. Nach ihrem Wortlaut sollen die Parteien Ansprüche innerhalb von drei Monaten geltend machen. Ab wann die Ausschlussfrist zu laufen beginnen soll, ist nicht genannt. Häufig wird der Beginn des Laufes einer Ausschlussfrist an das Entstehen oder an die Fälligkeit eines Anspruchs oder auch an die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geknüpft. Denkbar sind weitere Vertragskonstruktionen (wie Erhalt einer Abrechnung oder Beginn ab einem bestimmten Datum oder ab Ende des jeweils laufenden Jahres und weiteres mehr).

Auslegungszweifel gehen nach der Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) zu Lasten der Beklagten. Vorliegend führt die objektive Auslegung zu dem Ergebnis, dass die vom Arbeitgeber verwendete Klausel nach dem Wortlaut unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Würdigung zu ermittelnden Sinns und Zwecks objektiv mehrdeutig ist. Die Klägerin konnte nicht erkennen, wann der Lauf in Gang gesetzt werden sollte. Kann die Mehrdeutigkeit nicht beseitigt werden, greift die arbeitnehmerfreundlichste Auslegung ein (vergleiche BAG 19.03.2008, 5 AZR 430/07 – juris – mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Demgemäß war nicht von dem Beginn des Laufs der Ausschlussfrist vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien noch besteht, hat die Frist noch nicht zu laufen begonnen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 2 ZPO. Die Parteien haben die Kosten im Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens zu tragen.

III.

Gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG war der Streitwert im Urteil festzusetzen. Er war in Höhe des Zahlungsantrages zu bemessen, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 3 ZPO.

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