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Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel als große dynamische Verweisungsklausel

Landesarbeitsgericht Bremen, Az.: 2 Sa 104/09, Urteil vom 13.01.2010

Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin als Weihnachtsgeld/Jahressonderzuwendung für das Kalenderjahr 2007 2.492,90 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Kosten 1. Instanz trägt die Klägerin zu ¾, die Beklagte zu ¼. Die Kosten der 2. Instanz trägt die Klägerin zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung der Zuwendung für das Jahr, den Anspruch der Klägerin auf Jahressonderzahlungen fühlen die Jahre 2006, 2007 und restliche Zahlungen für 2008 sowie den Anspruch der Klägerin auf Urlaubsgeld für die Jahre 2006, 2007 und 2008.

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel als große dynamische Verweisungsklausel
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Die am … geborene Klägerin ist seit dem 18.08.1984 als Altenpflegerin im Betrieb der S…. auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 12.08.1987, unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe KR IV BAT beschäftigt. Der damalige Arbeitgeber war die Stadt B….

§ 2 des Arbeitsvertrages vom 12.08.1987 lautet:

„(…) das Arbeitsverhältnis ist privatrechtlich. Zwischen den Vertragsparteien gilt der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und die zur Änderung und Ergänzung abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweiligen geltenden Fassung (….).

Die S…. wurden durch die Stadt im Jahre 1994 in eine GmbH überführt, deren Gesellschafterin der Stadt B…. war. Sie sind dann auf die Beklagte übergegangen. Deren Gründung wurde am 17.07.2002 vorgenommen. Dem 1991 gegründeten Kommunalen Arbeitgeberverband Bremen ist die Alt-GmbH im Jahre 1994 beigetreten. Die Beklagte war bis zum 31.12.2007 Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Bremen e.V., dessen Mitgliedschaft nicht automatisch zur Tarifbindung führt.

In einem Schreiben vom 12.12.2008 an eine Rechtsanwaltskanzlei teilt der Oberbürgermeister der Seestadt B…. mit, die Seestadt B…. habe keinem Arbeitgeberverband angehört, sondern habe seine Tarifverträge gemäß § 3 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz selbst abgeschlossen. Mit der ÖTV-Kreisverwaltung Bremerhaven sei ein sogenannter Übernahmetarifvertrag geschlossen worden, der vorgesehen habe, dass die zwischen der TDL und der ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge auch für B…. gelten sollten.

Die Klägerin hat für das Jahr 2005 keine Zuwendung und für die Jahre 2006 und 2007 keine Jahressonderzahlungen erhalten. Sie hat außerdem in den Jahren 2006 – 2008 kein Urlaubsgeld erhalten. Für das Jahr 2008 hat sie eine Jahressonderzahlung in Höhe von 2372,76 brutto erhalten, die mit der Verdienstabrechnungen vom 23.03.2009 (Blatt 130 der Akte) abgerechnet worden ist.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 28.05.2008 (Blatt 13 der Akte) diese Ansprüche gegenüber dem Oberbürgermeister der Stadt B…. und gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.06.2008 zurückgewiesen. Mit der am 25.09.2008 bei Gericht eingereichten Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Zwischen der S…. GmbH und der B…. mbH einerseits und der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Landesbezirk Niedersachsen-Bremen wurde am 27.07./26.09.2006 ein Restrukturierungstarifvertrag abgeschlossen, der gemäß § 10 rückwirkend mit Wirkung ab 15.11.2005 in Kraft trat.

In dessen § 2 wird vereinbart, dass unter anderem die Beklagte für die Dauer der Laufzeit dieses Tarifvertrages mit Ausnahme einer nicht abwendbaren Insolvenz auf eine Betriebsaufgabe des Pflegebetriebs verzichtet und dass betriebsbedingte Kündigungen für die Laufzeit des Vertrages ausgeschlossen sind.

In § 3 des Vertrages verpflichten sich die Tarifvertragsparteien, ein Restrukturierungskonzept und einen Maßnahmenkatalog gemeinsam mit dem Wirtschaftsausschuss und der Gewerkschaft ver.di zu verfolgen und zu entwickeln. Im § 4 wird vereinbart, dass der bereits bestehende Wirtschaftsausschuss bei der Beklagten unter Begleitung von Vertretern von ver.di beziehungsweise der Betriebsparteien das Restrukturierungskonzept und die Umsetzung begleiten.

In „§ 5 Zuwendung 2005/2006/2007″ des Restrukturierungstarifvertrages ist folgendes geregelt:

„Im Jahr 2005 besteht kein Anspruch auf Zuwendung (Weihnachtsgeld). In den Jahren 2006 und 2007 besteht kein Anspruch auf Urlaubsgeld und Zuwendung (Weihnachtsgeld).“

In § 9 des Vertrages verpflichten sich die Tarifvertragsparteien im Jahre 2006 2007 Tarifvertragsregelungen für die S…. GmbH und die B…. mbH zu verhandeln, mit dem Ziel, die bisherigen Tarifvertragsregelungen beziehungsweise Restrukturierungstarifvertragsregelungen zum 01.01.2008 zu ersetzen.

In § 7 wird festgelegt, dass § 5 „zum Datum des Inkrafttretens außer Kraft“ tritt, sollten die Beklagte oder die B…. GmbH die Verpflichtung aus diesem Vertrag nicht einhalten.

In „§ 10 Laufzeit“ des Restrukturierungstarifvertrages ist folgendes geregelt:

„Dieser Restrukturierungstarifvertrag tritt mit Wirkung vom 15.11.2005 in Kraft und gilt bis zum 31.12.2007. Die Nachwirkung ist für § 5 des Restrukturierungstarifvertrages ausgeschlossen.“

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe Anspruch auf Zuwendung (Weihnachtsgeld) für das Jahr 2005, Jahressonderzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 sowie Urlaubsgeld für die Jahre 2006 – 2008, denn die Beklagte habe im Sinne von § 7 des Restrukturierungstarifvertrags die Verpflichtungen aus diesem Tarifvertrag nicht eingehalten, sodass § 5 Restrukturierungstarifvertrags außer Kraft getreten sei. Die Beklagte habe entgegen des § 9 letzter Absatz des Restrukturierungstarifvertrags nicht im Jahr 2006/2007 Tarifvertragsregelungen mit der Gewerkschaft verhandelt. Die Tarifvertragsparteien hätten im Restrukturierungstarifvertrag keinen endgültigen Verzicht auf das Weihnachts- und Urlaubsgeld vereinbaren wollen. Dies ergebe sich aus den §§ 7,9 und 5 des Restrukturierungstarifvertrags.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Weihnachtsgeld für das Kalenderjahr 2005 € 2.786,84 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Urlaubsgeld für das Kalenderjahr 2006 € 332,34 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2006 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin als Weihnachtsgeld für das Kalenderjahr 2006 € 2.752,72 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Urlaubsgeld für das Kalenderjahr 2007 € 332,34 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2007 zu zahlen,

5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Weihnachtsgeld für das Kalenderjahr 2007 € 2.769,89 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen,

6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Urlaubsgeld für das Kalenderjahr 2008 € 332,34 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen,

7. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Restbetrag Jahressonderzahlung 2008 € 95,09 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen,

8. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als einmalige Sonderzahlung gem. § 2 des Tarifvertrages über die einmalige Sonderzahlung 2009 vom 31.03.2008 € 225,00 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2009 zu zahlen

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der von der Klägerin geltend Anspruch sei durch den Restrukturierungstarifvertrag vom 26.09/ 27.07.2006 ausgeschlossen worden. Sie habe ihre Verpflichtungen aus dem Restrukturierungstarifvertrag eingehalten, die Klägerin könne sich deshalb nicht darauf berufen, dass entsprechend § 7 des Restrukturierungstarifvertrags die nach § 5 ausgeschlossenen Ansprüche auf Zuwendungen wieder auflebten. Es habe kontinuierlich Verhandlungen mit der Gewerkschaft gegeben. Letztmalig seien am 23.02.2009 Gespräche über ein ablösendes Tarifwerk geführt worden, wobei auch der Betriebsratsvorsitzende an diesen teilgenommen habe. Außerdem hätten sich die Mitarbeiter im März 2008 entschlossen, der Gewerkschaft ver.di das Mandat für weitere Verhandlungen zu entziehen. Der Wirtschaftsausschuss sei nach dem Restrukturierungstarifvertrag unterrichtet worden. Entsprechende Unterlagen seien auch an den beauftragten Diplom-Volkswirt zur wirtschaftlichen Bewertung einer möglichen wirtschaftlichen Notlage gegeben worden. Dieser habe am 14.04.2008 eine Stellungnahme zur wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Beklagten und der B…. mbH für die Geschäftsjahre 2006-2007 abgegeben. „Verpflichtungen aus diesem Vertrag“ im Sinne von § 7 des Restrukturierungstarifvertrags bezögen sich auch nur auf Regelungen mit normativer Wirkung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in 1. Instanz wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat am 07.05.2005 folgendes Urteil verkündet:

I.

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 95,09 brutto restliche Jahressonderzahlung 2008 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen:

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 12.006,20 festgesetzt.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf die restliche Zahlung der Jahressonderzuwendung für 2008. Dass der Klägerin ein entsprechender Anspruch zustehe, sei zwischen den Parteien nicht mehr strittig. Ein Anspruch auf Zuwendung für die Jahre 2005-2007 bestehe hingegen nicht. Offen bleiben könne dabei, die Klägerin ihre Ansprüche rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist nach § 37 TVöD-VKA geltend gemacht habe.

Der Restrukturierungstarifvertrag finde durch die Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages vom 12.08.1987 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Es handele sich bei der verwendeten Klausel um eine Gleichstellungsabrede und um eine große dynamische Verweisung, deren Zweck darin bestehe, tarifgebundene Arbeitnehmer und nicht tarifgebundene gleich zu behandeln. Die Tarifvertragsparteien seien durch den Restrukturierungstarifvertrag berechtigt gewesen, eine ausdrücklich vom TVG-VKA und TVöD-VKA abweichende Regelung hinsichtlich der Zuwendungen für die Jahre 2005-2007 zu treffen, selbst wenn Sie gegenüber diesen Tarifverträgen Verschlechterungen enthielten.

Die Beklagte habe nicht gegen den Restrukturierungstarifvertrag verstoßen, so dass § 5 des Restrukturierungstarifvertrags für die Jahre 2005-7 Anwendung finde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Blatt 141-150 der Akte) verwiesen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven wurde der Klägerin am 07.07.2009 zugestellt. Deren Berufung ging am 07.08.2009, die Berufungsbegründung am 07.09.2009 beim Landesarbeitsgericht Bremen ein.

Die Klägerin greift die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Tatsachenvortrages mit Rechtsausführungen an.

Die Klägerin trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht eine Tarifgebundenheit der Beklagten angenommen und deshalb § 2 des Arbeitsvertrages als typische Gleichstellungsabrede behandelt. Die Beklagte sei bis zu ihrem Austritt am 31.12.2007 Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bremen e.V. gewesen. Mit der Mitgliedschaft sei jedoch keine unmittelbare Tarifbindung verbunden, eine Besonderheit im Lande Bremen. Fehlerhaft sei auch, dass das Gericht von einer so genannten großen dynamischen Verweisungsklausel ausgegangen sei. Tatsächlich handele es sich um eine kleine dynamische Verweisungsklausel.

Vom Wortlaut des Arbeitsvertrages sei ein Haustarifvertrag der Beklagten nicht erfasst. Der Fall einer Tarifkonkurrenz sei nicht gegeben. Es gelte vielmehr das Günstigkeitsprinzip. Die Regelungen des Haustarifvertrages seien schlechter als die des TVöD-VKA.

Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass die Beklagte gegen die in § 9 Abs. 6 Restrukturierungstarifvertrag geregelte Verpflichtung zur Verhandlung über einen nachfolgenden Tarifvertrag verstoßen habe. Verhandlungen seien im Wesentlichen erst im Kalenderjahr 2008 geführt worden. Im Jahr 2006 habe kein Treffen zischen den Tarifvertragsparteien stattgefunden und im Jahr 2007 nur ein einziges.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 07.05.2009, Az.: 10 Ca 10350/08, wird aufgehoben, soweit die Klage darin abgewiesen wurde;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Zuwendung (Weihnachtsgeld) für das Kalenderjahr 2005 € 2.786,84 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin als Zuwendung (Weihnachtsgeld) für das Kalenderjahr 2006 € 2.477,45 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin als Zuwendung (Weihnachtsgeld) für das Kalenderjahr 200 € 2.492,90 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen,

die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrages mit Rechtsausführungen.

Die Beklagte ist der Auffassung, mit dem Schreiben vom 28.05.2008 sei eine fristwahrende Geltendmachung unter Berücksichtigung der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 37 TVöD zumindest hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche für die Jahre 2005 und 2006 nicht erfolgt. In diesem Zusammenhang komme es auf die Tarifbindung der Beklagten nicht an.

Die im Arbeitsvertrag der Klägerin verwendete Klausel erfasse auch den Restrukturierungstarifvertrag. Es sei auch davon auszugehen, dass die Klägerin Mitglied der Gewerkschaft ver.di gewesen und demzufolge als Mitglied der tarifschließenden Partei unmittelbar betroffen gewesen sei.

Die Beklagte sei davon ausgegangen, dass durch die Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband eine originäre Tarifbindung auf Arbeitgeberseite bestehe. Außerdem sei ein Betrag von 57,38 € monatlich zu verrechnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in 2. Instanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Klägerin war im Hinblick auf den in erster Instanz festgesetzten Streitwert, der dem Beschwerdewert entspricht, statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin hat für das Jahr 2007 einen Anspruch auf eine Sonderzahlung in der durch den TVöD-VKA festgelegten Höhe. Mit der Klausel des Arbeitsvertrages vom 12.08.1987 wurde für das Arbeitsverhältnis der Klägerin festgelegt, dass die Tarifverträge für Angestellte des öffentlichen Dienstes in der jeweiligen Fassung gelten sollen. Mit dem Restrukturierungstarifvertrag, konnte die Beklagte und die Betreuung- und Pflegedienstleistungsgesellschaft mbH als Tarifvertragspartei die uneingeschränkte individualrechtliche Geltung der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge nicht abändern. Die arbeitsvertragliche Klausel der Klägerin erfasst die von der Beklagten abgeschlossenen Tarifverträge nicht.

Die Forderung der Klägerin für 2007 ist zwischen den Parteien rechnerisch nicht streitig. Soweit die Klage begründet ist, ist die Beklagte nicht berechtigt einen Betrag von 57,38 € abzuziehen. Eine nachvollziehbare Begründung der Beklagten hierfür liegt nicht vor.

1. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klausel des Arbeitsvertrages durch seine dynamische Verweisung auf den BAT und die ihn ändernden und ergänzenden Tarifverträge im Grundsatz zur Anwendung des TVöD-VKA führt. Hiergegen wendet sich auch die Beklagte nicht. Allerdings teilt die Berufungskammer die Auffassung des Arbeitsgerichts nicht, es handle sich um eine große dynamische Verweisungsklausel. Dies ergibt eine Auslegung der Verweisungsklausel des Arbeitsvertrages.

2. Eine große dynamische Verweisungsklausel bezieht die einschlägigen Tarifverträge der jeweils einschlägigen Branche mit einem (ErfKom-Franzen, § 3 TVG Anmerkung 36). Das Bundesarbeitsgericht nimmt eine große dynamische Verweisung dann an, wenn mit der Verweisungsklausel auf die „Bedingungen des jeweils gültigen Tarifvertrages“ verwiesen wird. In seiner Entscheidung vom 16.10.2002 (Az.: 4 AZR 467/01 – AP Nr. 22 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag) hat das Bundesarbeitsgericht darin eine Tarifwechselklausel gesehen. Wird hingegen in einer Bezugnahmeklausel die Anwendbarkeit oder Geltung eines bestimmten, dort genannten Tarifvertrages oder Tarifwerks vereinbart, kann nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts die Klausel über ihren Wortlaut hinaus nur dann als Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich geltenden Tarifvertrag ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt (BAG, AP Nr. 12 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Bei der Auslegung vertraglicher Regelungen kommt es, sofern aus besonderen Umständen Rückschlüsse auf den Inhalt der Regelungen gezogen werden sollen, auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an (vergleiche dazu: BAG, Urteil vom 29.07.2003 – Az.: 9 AZR 10/02 – AP Nr. 15 zu § 611 BGB Nettolohn).

Aus dem Wortlaut der von den Parteien des Arbeitsvertrags verwendeten Bezugnahmeklausel kann nicht geschlossen werden, dass die Tarifverträge einer Branche in Bezug genommen werden sollen und somit auch bei einem Wechsel des Arbeitgebers in den Geltungsbereich anderer Tarifverträge die neuen gelten sollen. Die Klausel nimmt ausdrücklich den BAT in Bezug und die diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge.

Es wird somit auf einen konkret benannten Tarifvertrag verwiesen, der für alle Angestellten des öffentlichen Dienstes unabhängig von der „Branche“ gilt. Der öffentliche Dienst umfasst eine Vielzahl von Branchen und weicht in seiner Tarifpraxis von der in der Privatwirtschaft historisch gewachsenen Übung ab, nach Art der Produktion oder Dienstleistung und der damit verbundenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unterschiedliche Tarifwerke zu erstellen.

Die Klägerin hat keinen Arbeitsvertrag als Altenpflegerin in einem der Pflegebranche angehörenden Privatbetrieb abgeschlossen. Ihr Vertragspartner war eine Kommune. Deshalb kann unterstellt werden, dass es nicht gemeinsamer Wille der Arbeitsvertragsparteien gewesen ist, dass eine Privatisierung durch Ausgliederung der kommunalen Altersheime aus dem öffentlichen Dienst auch zu einem Tarifwechsel führen soll. Zwar waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Privatisierungsvorhaben für einzelne Bereiche des öffentlichen Dienstes im Gespräch und zum Teil auch bereits umgesetzt. Hätte der damalige Arbeitgeber der Klägerin allerdings sicherstellen wollen, dass ein „Branchenwechsel“ auch zur Anwendung eines anderen Tarifvertrages führen sollte, hätte er entsprechend formulieren müssen. Die Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages ist mithin lediglich als begrenzt dynamische Verweisung zu interpretieren.

Der Restrukturierungstarifvertrag wird von der verwendeten Verweisungsklausel des Arbeitsvertrages nicht erfasst. Er ist mithin kein den BAT beziehungsweise dessen Nachfolgetarifvertrag TVöD ändernder oder ergänzender Tarifvertrag im Sinne der verwendeten Bezugnahmeklausel.

Die Tarifvertragsparteien des Restrukturierungstarifvertrags können das Tarifwerk des öffentlichen Dienstes nicht ändern. Dies können nur die Tarifvertragsparteien des BAT beziehungsweise TVöD oder TV-L, die diese vereinbart haben. Ein Firmentarifvertrag mit anderen Tarifvertragspartnern kann mithin einen konkret im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Flächentarifvertrag nicht ganz oder teilweise verdrängen (vergleiche LAG Schleswig Holstein, Urteil vom 14.01.2009 – Juris). Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien des Arbeitsvertrages auch solche Tarifverträge haben mit einbeziehen wollen, die den BAT nur deshalb ersetzen, weil sich die Tarifbindung des Arbeitgebers geändert hat, sind nicht ersichtlich. Andere Umstände, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jahre 1987 vorlagen, und die den Schluss ermöglichen, die Parteien hätten mit einem Tarifwechsel des Arbeitgebers gerechnet und dies auch durch die vertragliche Gestaltung für das Arbeitsverhältnis bestimmend hätten machen wollen, sind nicht ersichtlich.

3. Als Gleichstellungsabrede im Sinne der alten Rechtsprechung des BAG für vor der großen Schuldrechtsreform abgeschlossenen dynamischen Verweisungsklauseln (vergleiche hierzu BAG, Urteil vom 18.04.2007 – Az.: 4 AZR 652/08 – AP Nr. 53 zu § TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag) kann die Klausel schon deshalb nicht angesehen werden, weil die Seestadt Bremerhaven zum damaligen Zeitpunkt nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes war, der als Tarifvertragspartei den BAT vereinbart hat. Nach § 1 BAT in der damals gültigen Fassung galt der BAT für die Länder und die Stadtgemeinde Bremen. Seinen räumlichen und fachlichen Geltungsbereich haben die Tarifvertragsparteien nicht auf Bremerhaven erstreckt. Die Stadt Bremerhaven hat 1994 durch einen Übernahmetarifvertrag mit der ÖTV festgelegt, dass das jeweils geltende Tarifrecht für Angestellte im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und das bezirkliche Tarifrecht des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bremen gelten soll (vergleiche BAG, Urteil vom 29.8.2007 – Az.: 4 AZR 561/06 – AP Nr. 27 zu § 4 TVG). Ob die Stadt zuvor ebenfalls ein Tarifvertrag abgeschlossen hat, der dynamisch auf den BAT verweist, kann dahingestellt bleiben. Tarifvertragspartei des BAT war sie dadurch jedenfalls nicht geworden.

Der von der Beklagten geäußerten Vermutung, die Klägerin sei Mitglied der Gewerkschaft ver.di musste nicht weiter nachgegangen werden. Die Klägerin kann ihre Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag vom 12.08.1987 ableiten. Arbeitsvertragliche Ansprüche können aber nicht durch Tarifvertrag beseitigt werden.

Die Klägerin kann allerdings nur die weihnachtliche Zuwendung für 2007 beanspruchen. Da ihr Arbeitsverhältnis durch den TVöD-VKA inhaltlich gestaltet wird, findet auch die dort normierte Ausschlussfrist Anwendung. Nach § 37 sind Ansprüche innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten schriftlich geltend zu machen. Die Zuwendung war nach § 20 Abs. 5 mit dem Monatsgehalt für November 2007 fällig. Dieses wiederum wird nach § 24 Abs. 1 S. 2 mit dem Monatsende fällig. Das Geltendmachungsschreiben der Klägerin vom 28. Mai 2008 wahrt diese Frist nur für die Zuwendung für 2007.

Ein anderes Ergebnis wäre nur dann anzunehmen, wenn die Klägerin ihre Ansprüche darauf stützen könnte, dass § 5 des Restrukturierungstarifvertrags deswegen rückwirkend entfallen wäre, weil die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten im Sinne von § 7 verletzt hat. Maßgeblicher Fälligkeitszeitpunkt könnte dann der Tag sein, an dem offenkundig geworden ist, dass § 7 des Restrukturierungstarifvertrags anzuwenden ist. Da dieser Tarifvertrag das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht gestaltet, entfällt ein hieraus abgeleiteter Anspruch der Klägerin.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision bestand für die Kammer nicht. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben, wird hingewiesen (§ 72a ArbGG).

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