Skip to content

Auslegung einer vertraglichen Ausschlussfristenregelung

Grenzen der Verfallklausel bei vorsätzlicher Vertragsverletzung

Arbeitsverhältnisse sind häufig durch eine Vielzahl von Regelungen und Klauseln geprägt, die sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer binden und deren Rechte und Pflichten definieren. Eine solche Regelung ist die Ausschlussfristenregelung, die festlegt, innerhalb welcher Fristen bestimmte Ansprüche geltend gemacht werden müssen, um nicht zu verfallen. Diese Verfallklauseln sind ein wesentlicher Bestandteil vieler Arbeitsverträge und können weitreichende Konsequenzen für die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen haben.

Dabei ist die Klauselauslegung ein zentrales Element, um die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien zu bestimmen. Insbesondere bei Schadensersatzansprüchen und Vertragsstrafenansprüchen stellt sich die Frage, wie solche Fristenregelungen im Kontext vorsätzlicher Vertragsverletzungen zu interpretieren sind. Die juristische Auseinandersetzung mit diesen Themen erfordert ein tiefes Verständnis für die Bedeutung und Tragweite von Ausschlussfristen im Arbeitsrecht und deren Auswirkungen auf die Geltendmachung von deliktischen Ansprüchen und anderen Rechtsbehelfen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Ca 4/22 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die Ausschlussfristenregelung in Arbeitsverträgen umfasst keine Haftungsansprüche aus Vorsatz, sowohl im deliktischen als auch im vertraglichen Bereich.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Ausschlussfristenregelung: Ansprüche verfallen, wenn nicht fristgerecht Klage erhoben wird, ausgenommen sind Vertragsstrafen und bestimmte Schadensersatzansprüche.
  2. Vorsätzliche Vertragsverletzung: Das Gericht entschied, dass die Klausel Vorsatzansprüche nicht einschließt.
  3. Auslegung der Klausel: Sie erfolgt nach objektivem Inhalt und typischem Sinn, wie sie durchschnittliche Vertragspartner verstehen würden.
  4. Systematik der Klausel: Die explizite Nennung bestimmter Ansprüche deutet darauf hin, dass andere, nicht genannte Ansprüche grundsätzlich eingeschlossen sind.
  5. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: Frühere Entscheidungen, die Vorsatzhaftung nicht auszuschließen, wurden revidiert.
  6. Interessengerechte Auslegung: Die Klausel soll Vorsatzhaftung nicht umfassen, was den Interessen der Vertragsparteien entspricht.
  7. Rechtstheoretischer Grundsatz: Ausnahmen sind nicht zwingend eng auszulegen, sondern im Sinne des Parteiwillens und des Vertragstextes.
  8. Schutz des Arbeitnehmers: Die Inhaltskontrolle schützt vor einseitiger Ausnutzung der Vertragsgestaltung durch den Arbeitgeber.

Interpretation der Ausschlussfristenregelung im Arbeitsrecht

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht die Auslegung einer vertraglichen Ausschlussfristenregelung innerhalb eines Arbeitsvertrages. Die strittige Klausel besagt, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden und nicht spätestens innerhalb eines weiteren Monats nach Ablauf der Frist Klage erhoben wird. Ausgenommen von dieser Regelung sind Vertragsstrafenansprüche und Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfällen oder aus mit Strafe bedrohten Handlungen. Die rechtliche Auseinandersetzung wurde durch die Frage entfacht, ob diese Klausel auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung umfasst.

Die Herausforderung der Klauselauslegung

Das rechtliche Problem und die Herausforderung bei diesem Fall liegen in der Interpretation der Ausschlussfristenregelung. Es geht darum, ob die Formulierung der Klausel so zu verstehen ist, dass sie auch die Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung ausschließt. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Klausel einerseits einen umfassenden Verfall von Ansprüchen vorsieht, andererseits aber bestimmte Ausnahmen benennt. Die Frage ist, ob diese Ausnahmen so zu interpretieren sind, dass sie eine generelle Vorsatzhaftung ausschließen oder ob sie lediglich spezifische Fälle betreffen.

Gerichtsentscheidung: Vorsatzhaftung nicht erfasst

Das Gericht hat entschieden, dass die Ausschlussklausel Haftungsansprüche aus Vorsatz nicht erfasst. Dies schließt sowohl deliktische Ansprüche als auch Ansprüche aus vorsätzlich begangenen Vertragspflichtverletzungen ein. Die Begründung des Gerichts basiert auf der Auslegung der Klausel nach objektivem Inhalt und typischem Sinn, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern verstanden wird. Dabei wird nicht die Sichtweise des konkreten Vertragspartners, sondern die eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde gelegt.

Bedeutung des Urteils für Arbeitsverhältnisse

Weitere wichtige Informationen ergeben sich aus der Systematik der Klausel. Die explizite Nennung von „Ansprüchen aus unerlaubter Handlung“ lässt darauf schließen, dass alle anderen Ansprüche, die nicht ausdrücklich ausgenommen sind, grundsätzlich von der Verfallklausel erfasst werden. Jedoch sieht das Gericht in der Aufnahme von Vertragsstrafenansprüchen in die Klausel einen entscheidenden Unterschied, der darauf hindeutet, dass die Parteien die Vorsatzhaftung für den vertraglichen Bereich insgesamt aus dem Geltungsbereich der Ausschlussklausel herausnehmen wollten.

Die Auswirkungen dieses Urteils sind bedeutend, da es die Rechtsprechung in Bezug auf die Auslegung von Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen prägt. Es stellt klar, dass bei der Auslegung derartiger Klauseln die Interessen der Vertragsparteien und der Zweck der Regelung zu berücksichtigen sind. Dies kann dazu führen, dass trotz einer scheinbar umfassenden Formulierung bestimmte Ansprüche, insbesondere solche aus vorsätzlicher Handlung, nicht unter die Ausschlussfrist fallen.

Das Fazit des Urteils ist, dass die Ausschlussfristenregelung in dem vorliegenden Arbeitsvertrag so auszulegen ist, dass sie die Vorsatzhaftung nicht umfasst. Dies bedeutet, dass Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung nicht der dreimonatigen Ausschlussfrist unterliegen. Das Gericht betont damit die Bedeutung einer sorgfältigen und interessengerechten Auslegung von Vertragsklauseln, die die Rechte der Arbeitnehmer berühren.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was versteht man unter einer „Ausschlussfristenregelung“ im Arbeitsrecht?

Eine „Ausschlussfristenregelung“ im Arbeitsrecht bezieht sich auf eine Frist, innerhalb derer bestimmte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden müssen. Nach Ablauf dieser Frist verfallen die Ansprüche, es sei denn, sie wurden innerhalb der Frist auf die richtige Art und Weise gegenüber dem Schuldner geltend gemacht.

Ausschlussfristen können in Arbeitsverträgen oder in Tarifverträgen vereinbart sein und sind nicht im Gesetz enthalten. Solche Bestimmungen nennt man Ausschlussklauseln. Manchmal finden sich Ausschlussklauseln auch in Betriebsvereinbarungen.

Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und sollen eindeutig regeln, bis zu welchem Zeitpunkt aus einem Arbeitsverhältnis noch Ansprüche hergeleitet werden können. Sie können daher Ansprüche aller Art, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsverhältnisses haben, ersatzlos untergehen lassen. Praktisch sind in den meisten Fällen Vergütungsansprüche betroffen.

Eine Ausschlussfristenregelung in einem Arbeitsvertrag ist eine allgemeine Geschäftsbedingung. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar und verständlich darzustellen.

Es gibt jedoch bestimmte Anforderungen an Ausschlussfristen. Sie müssen transparent und verständlich sein und dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Sie müssen sowohl für Ansprüche des Arbeitnehmers als auch für solche des Arbeitgebers gelten, eine einseitige Regelung nur für eine Arbeitsvertragspartei ist unzulässig. Die Ausschlussfristenregelung darf nicht weniger als drei Monate betragen, damit eine ausreichende Gelegenheit besteht, die fälligen Ansprüche geltend zu machen.

Es ist auch zu beachten, dass Ausschlussfristenregelungen den Mindestlohnanspruch ausdrücklich ausnehmen müssen, um wirksam zu sein, da diese nach § 3 Mindestlohngesetz (MiLoG) unverzichtbar sind und die Parteien darüber nicht verfügen können.


Das vorliegende Urteil

ArbG Regensburg – Az.: 2 Ca 4/22 – Endurteil vom 31.10.2022

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 588.317,88 € festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin stellt an ihren Betriebsstandorten in A-Stadt, E-Stadt und F-Stadt Verpackungen aus Kunststoffen her. Sie ist ein stromkostenintensives Unternehmen, dem vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (nachfolgend auch „BAFA“) auf Antrag bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 63 ff. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine Begrenzung der EEG-Umlage gewährt wird.

Die Beklagte war in der Zeit von 11.01.1988 bis Ende 2020 bei der Klägerin zuletzt als Abteilungsleiterin der kaufmännischen Verwaltung mit Gesamtprokura gegen eine Bruttomonatsvergütung von 10.833,33 € beschäftigt. Zu dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 21.04.2002 (Bl. 21 ff. d. A.) vor. Letzterer lautet, soweit hier relevant, auszugsweise wie folgt:

„…

13. Ausschlussklausel

Alle Ansprüche aus dem und in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht binnen einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden und nicht spätestens innerhalb eines weiteren Monats nach Ablauf der Frist Klage erhoben wird. Dies gilt nicht für Vertragsstrafenansprüche und für Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfällen oder aus mit Strafe bedrohten Handlungen.

…“

Für das Kalenderjahr 2019 erhielt die Klägerin seitens des BAFA für ihren Stromverbrauch keine EEG-Umlage-Begrenzung bewilligt. Für eine entsprechende Beantragung war nach § 66 Abs. 2 Satz 1 EEG 2017 eine Einreichungsausschlussfrist bis 02.07.2018 vorgesehen, in der ein vollständiger elektronischer Antrag beim BAFA einzureichen gewesen war. Dieser musste insbesondere auch eine Wirtschaftsprüferbescheinigung nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 c) EEG 2017 nebst qualifizierter elektronischer Signatur beinhalten.

Im Rahmen der Antragstellung am 20.06.2018, an der die Beklagte nicht unmittelbar beteiligt war, unterlief ein formaler Fehler dergestalt, dass die erforderliche Wirtschaftsprüferbescheinigung nicht mit dem elektronischen Antrag bei dem BAFA eingereicht wurde. Es ereignete sich so, dass die mit der Erstellung der Wirtschaftsprüfer-Bescheinigung inklusive erforderlicher qualifizierter elektronischer Signatur beauftragte Gesellschaft

……..GmbH & Co. KG der Klägerin in Person der Sachbearbeiterin Z.Z. am 18.06.2018 per

E-Mail zwei Dateien mit den Dateinamen „Bericht2018.pdf.pkcs7“ und „Bericht2018 komprimiert.pdf“ (Bl. 62 d. A. = Anlage K 4) übersandte. Die Sachbearbeiterin Z.Z., welche unstreitig auch für die Abteilung der Beklagten arbeitete, hängte dem Antrag irrig nur eine der beiden übersandten Dateien an, weil sie die Datei „Bericht2018.pdf.pkcs7“ aufgrund der Dateiendung für die signierte Version der Wirtschaftsprüfer-Bescheinigung hielt. In Wahrheit handelte es sich indes dabei um die bloße Signaturdatei. Als die Klägerin von dem BAFA durch das Anhörungsschreiben vom 21.08.2018 (Bl. 63 ff. d. A. = Anlage K 5) auf das Antragsdefizit hingewiesen wurde, versuchte sie eine Nachreichung der fehlenden Unterlage. Allerdings erfolgte mit Schreiben des BAFA vom 09.10.2018 (Bl. 66 ff. d. A. = Anlage K 6) der Ablehnungsbescheid unter Hinweis auf die am 02.07.2018 verstrichene materielle Ausschlussfrist. Hierdurch entstanden nach der Berechnung der Klägerin Mehrkosten in Höhe von 1.576.635,76 €, wobei die Beklagte die Höhe der Kosten bestritten hat.

6

In einem schadensersatzrechtlichen Rechtsstreit vor dem Landgericht F-Stadt (Az: 34 O 845/19 Rae) gegen die mit der Erstellung der Bescheinigung beauftragte Wirtschaftsprüfergesellschaft schloss die Klägerin einen Vergleich über eine Zahlung von 400.000,00 € ab (vgl. Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung am 04.10.2022, Bl. 494 ff. d. A.).

Mit Schreiben vom 17.12.2021 trat die Klägerin erstmals schriftlich an die Beklagte mit der Forderung heran im Zusammenhang mit dem ihr entstandenen Schaden und einem behaupteten Ersatzanspruch gegenüber der Beklagten einen befristeten Verjährungsverzicht bis 31.03.2022 zu erklären, damit eine außergerichtliche Lösung ausgelotet werden könne (Bl. 441 f. d. A. = Anlage K 20). Sodann ging unter dem 30.12.2021 beim Arbeitsgericht Regensburg – Kammer Landshut – die streitgegenständliche Klage ein, die der Beklagten ausweislich Postzustellurkunde (vgl. B. 449 d. A./RS) am 12.01.2022 zugestellt worden ist.

Die Klägerin trägt vor, dass die Betreuung der Antragstellung im Hinblick auf die EEGBegrenzung zu den Aufgaben der Beklagten gehört habe. Der Geschäftsführer hingegen sei zwar für das Energiemanagement bei der Klägerin verantwortlich. Dies betreffe aber nur die Verantwortung für den Inhalt der beim BAFA einzureichenden Unterlagen und nicht die formale Abwicklung des EEG-Umlage-Begrenzungsantrags im Sinne eines vollständigen Hochladens der erforderlichen Dokumente bzw. Dateien. Im Betrieb sei zudem ein „VierAugen-Prinzip“ fest verankert. Hätte die Beklagte die Sachbearbeiterin Z.Z. bei der Antragstellung überwacht, wäre ihr aufgefallen, dass die angehängte Datei „Bericht2018.pdf.pkcs7“ wegen ihrer geringen Größe von nur vier KB unmöglich auch die zwingend erforderliche Wirtschaftsprüferbescheinigung enthalten konnte. Die Beklagte hätte entsprechend reagieren und eine vollständige fristgerechte Antragstellung gegenüber dem BAFA ermöglichen können. Hierdurch hätte der entstandene Schaden abgewendet werden können.

Die Klägerin vertritt die Rechtsauffassung, dass die Beklagte als Führungsposition und Leiterin der kaufmännischen Verwaltung die Aufgabe gehabt habe, einen Vorgang von derart elementarer wirtschaftlichen Bedeutung wie die Abwicklung des EEG-Begrenzungsantrags persönlich zu betreuen. Die Überlassung der Antragstellung an die „einfache“ Sachbearbeiterin Z.Z. sei in jedem Falle grob fahrlässig gewesen. Die Beklagte hafte jedenfalls in Höhe von 588.317,88 €, also auf die Hälfte der Gesamtschadenssumme unter Abzug der Schadensminderung durch 400.000,00 € aus dem Vergleich mit der Wirtschaftsprüfergesellschaft. Soweit sich die Beklagte auf die Ausschlussfrist nach Ziff. 13 des Arbeitsvertrags berufe, sei diese Klausel nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nichtig, weil die Vorsatzhaftung nicht ausgenommen sei. Die Klägerin als Verwenderin der Klausel müsse sich nach den vom BAG aufgestellten Grundsätzen auch nicht an dieser festhalten lassen. Die Nichtigkeit der Ausschlussfrist gelte für beide Parteien gleichermaßen.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 04.10.2022 den ursprünglichen Feststellungsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz in einen Zahlungsantrag umgestellt.

Die Klägerin beantragt zuletzt, die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 588.317,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte behauptet, dass die Verantwortlichkeit für den Antrag auf Begrenzung der EEG-Umlage bei dem BAFA seit Jahren bei dem Geschäftsführer gelegen habe. Jener habe auch den Antrag und die eingereichten Unterlagen unterzeichnet und sei bei der Antragstellung zugegen gewesen. Sie selbst sei bei der streitgegenständlichen Antragstellung indes gar nicht involviert gewesen. Die Beklagte habe erstmals mit E-Mail von dem Herrn Dr. S.S. am 26.08.2018 erfahren, dass ein Desaster passiert sei.

Die Beklagte ist insbesondere der Rechtsauffassung, dass sie den Schaden nicht zu verantworten habe. Sie habe keine arbeitsvertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt. Das Versäumnis habe allein bei dem Geschäftsführer gelegen. Im Übrigen sei der klageweise geltend gemachte Schadensersatzanspruch jedenfalls durch die Ausschlussfrist nach Ziff. 13 des Arbeitsvertrags verfallen. Die Klägerin habe bereits die erste Stufe der Geltendmachung nicht eingehalten. Die Klausel selbst sei nicht nichtig. Sie enthalte Ausnahmen hinsichtlich von Ansprüchen aus Vorsatzhandlungen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 495 Abs. 1, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergänzend auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle der Güteverhandlung vom 15.03.2022 (Bl. 467 f. d. A.) und der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2022 (Bl. 494 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.

A.

I. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) ArbGG eröffnet, da es sich um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis handelt, auch wenn dieses zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits beendet war (Schlewing, in: Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 9. Auflage 2017, § 2 ArbGG Rn. 53).

II. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Regensburg – Kammer Landshut – ergibt sich aus § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 12, 13 ZPO, da die Beklagte ihren Wohnsitz in C-Stadt und damit im Arbeitsgerichtsbezirk des Arbeitsgerichts Regensburg – Kammer Landshut – hat.

B.

Die Klage ist zulässig.

I. Die Umstellung des Klageantrags durch den Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung am 04.10.2022 von einem Feststellungsantrag hin zu einem Leistungsantrag war ohne Weiteres nach § 264 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG und § 495 ZPO möglich. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher das erkennende Gericht folgt, kann ein Kläger problemlos von der Feststellungsklage auf die Leistungsklage oder umgekehrt wechseln, wobei es sich um eine Klageerweiterung bzw. -beschränkung (§ 264 Nr. 2 ZPO) und nicht um eine Klageänderung (§ 263 ZPO) handelt, wenn sich der neue Antrag – wie vorliegend – auf dasselbe Rechtsverhältnis bezieht (BGH, Urt. v. 12.05.1992 – VI ZR 118/91 = NJW 1992, 2296; OLG Frankfurt, Urt. v. 17.03.2021 – 13 U 338/19 = BeckRS 2021, 6730). Die ausdrücklich zu Protokoll erklärte Zustimmung der Beklagten zur Antragsumstellung in der mündlichen Verhandlung war daher überobligatorisch, da es im Rahmen des § 264 ZPO weder entscheidend auf eine Zustimmung der Gegenseite noch auf Sachdienlichkeitserwägungen ankommt.

II. Der zuletzt gestellte Leistungsantrag ist in der Hauptforderung exakt beziffert, so dass an der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit im Sinne von §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 495 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG keine Zweifel bestehen.

C.

Die zulässige Klage ist indes unbegründet.

I. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin wäre, unabhängig von der Rechtsgrundlage auf die er gestützt werden könnte, jedenfalls mangels rechtzeitiger Geltendmachung gemäß der in Ziffer 13 des Arbeitsvertrags der Parteien geregelten Ausschlussfrist verfallen und damit erloschen. Die inhaltliche Prüfung eines Schadensersatzanspruchs dem Grund und der Höhe nach kann daher vorliegend dahinstehen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch im Ergebnis unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Die in Ziff. 13 des Arbeitsvertrags geregelte Ausschlussfrist (Bl. 21 d. A.) ist nach gebotener Auslegung nicht wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig.

a) Die Regelungen des computergeschriebenen Arbeitsvertrags (Bl. 18 ff. d. A. = Anlage K 1) stellen allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB dar.

Die Klägerin selbst geht anhand ihrer Ausführungen zur Klauselkontrolle, vgl. etwa im Schriftsatz vom 10.05.2022 (Bl. 474 ff. d. A.), von dem Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB angesichts der mit Anlage K 1 (Bl. 18 ff. d. A.) vorgelegten arbeitsvertraglichen Regelungen aus. Dies ist auch zutreffend. Bei dem zwischen den Parteien vereinbarten Formularvertrag handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB, welche die Klägerin gestellt hat. Dies ist mit der nötigen Eindeutigkeit schon aus der äußeren Gestaltung des Vertrags erkennbar (vgl. BAG, Urt. v. 26.11.2020 – 8 AZR 58/20 = AP BGB § 306 Nr. 7; BAG, Urt. v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07 = NZA-RR 2010, 7). Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere die hier streitgegenständliche Klausel in Ziffer 13 des Anstellungsvertrags zwischen den Parteien im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ausgehandelt worden sei, liegen nicht vor und hat die Klagepartei auch nicht behauptet. In Bezug auf das Tatbestandsmerkmal des Stellens gilt die Vermutung aus § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB, da es sich vorliegend um einen Verbrauchervertrag zwischen der Klägerin als Unternehmerin (§ 14 BGB) und der beklagten Arbeitnehmerin als Verbraucherin (§ 13 BGB) handelt (grundliegend dazu BAG, Urt. v. 25.05. 2005 – 5 AZR 572/04 = NZA 2005, 1111).

b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind (BAG, Urt. v. 19.03.2008 – 5 AZR 429/07 = AP BGB § 305 Nr. 11 m.w.Nw.). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners. Der Verwender ist demgemäß verpflichtet, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind schließlich auch der von den Arbeitsvertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten (vgl. BAG, Urt. v. 19.03.2008 – 5 AZR 429/07 = AP BGB § 305 Nr. 11 m.w.Nw.).

c) Das Bundesarbeitsgericht hat in Bezug auf die Problematik von arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen zuletzt unter Aufgabe der früheren Rechtsauffassung (vgl. noch BAG, Urt. v. 20.06.2013 – 8 AZR 280/12 = NJW 2013, 3741) entschieden, dass von einer pauschalen Ausschlussklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder vorformulierten Vertragsbedingungen i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB – wie derjenigen in Ziff. 13 des von der Klägerin vorgelegten Arbeitsvertrags aus der Zeit nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes – wonach ausnahmslos alle Ansprüche verfallen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen vom Anspruchsinhaber geltend gemacht und eingeklagt werden, auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung erfasst werden (BAG, Urt. v. 26.11.2020 – 8 AZR 58/20 = AP BGB § 306 Nr. 7).

Denn nach § 202 Abs. 1 BGB in der seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden Fassung könne die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden, wobei es sich um eine Verbotsnorm i.S.v. § 134 BGB handle. Das Verbot des § 202 Abs. 1 BGB gelte für alle Schadensersatzansprüche aus Delikt und Vertrag. Das Gesetz bezwecke mit der Regelung in § 202 Abs. 1 BGB in Ergänzung von § 276 Abs. 3 BGB einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. Die Norm des § 202 Abs. 1 BGB erfasse nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. Infolge des gesetzlichen Verbots könne eine Haftung aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung nicht (mehr) durch vertragliche Ausschlussfristen ausgeschlossen werden (BAG, Urt. v. 26.11.2020 – 8 AZR 58/20 = AP BGB § 306 Nr. 7; BAG, Urt. v. 09.03.2021 – 9 AZR 323/20 = BeckRS 2021, 21222). Verstoße eine als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte Ausschlussfristenregelung gegen § 202 Abs. 1 BGB, führe dies zur Gesamtunwirksamkeit einer insoweit nicht teilbaren Klausel (BAG, Urt. v. 09.03.2021 – 9 AZR 323/20 = BeckRS 2021, 21222). An ihre Stelle würden dann die gesetzlichen Vorschriften des Verjährungsrechts treten (BAG, Urt. v. 26.11.2020 – 8 AZR 58/20 = AP BGB § 306 Nr. 7).

d) Der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat sich in einer weiteren Entscheidung aus 2021 (BAG, Urt. v. 09.03.2021 – 9 AZR 323/20 = BeckRS 2021, 21222) mit der Auslegung einer Ausschlussfristenklausel beschäftigt, welche Ansprüche aus unerlaubter Handlung aus dem Geltungsbereich der vertraglichen Ausschlussklausel ausgenommen hatte. In diesem Zusammenhang führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass ausgehend von den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsgrundsätzen, der in der dort streitgegenständlichen Ausschlussfristenklausel geregelte Ausnahmetatbestand der unerlaubten Handlung Haftungsansprüche aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung nicht erfasse.

Zur Begründung führte der 9. Senat an, dass für dieses Ergebnis der Wortlaut der Klausel spreche. Bediene sich der Arbeitgeber mit dem Begriff der unerlaubten Handlung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, sei der Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Sinnzusammenhang der Klausel etwas anderes ergebe.

Das Haftungsrecht unterscheide zwischen Haftungsansprüchen aus unerlaubter Handlung, die u.a. in den §§ 823 ff. BGB geregelt seien, und vertraglichen Haftungsansprüchen, auch wenn zwischen diesen, sofern sie auf einem einheitlichen Lebensvorgang beruhen, Anspruchskonkurrenz bestehe. Die in §§ 823 ff. BGB geregelten deliktischen Ansprüche „aus unerlaubter Handlung“ würden Verpflichtungen zum Schadensausgleich auf außervertraglicher Grundlage meinen. Gegenstand des Deliktsrechts seien Ansprüche, die nicht auf einem vertraglichen Versprechen beruhen noch die Nicht- bzw. Schlechterfüllung eines auf sonstige Leistung gerichteten vertraglichen Primäranspruchs sanktionierten.

Ein durchschnittlicher Vertragspartner des Verwenders könne auch aufgrund der Systematik von der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung nicht davon ausgehen, die Verfallklausel erfasse Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzungen nicht. Die ausdrückliche Nennung allein der „Ansprüche aus unerlaubter Handlung“ in der der Entscheidung zu Grunde liegenden Klausel zeige im Umkehrschluss, dass sich der Anwendungsbereich auf alle Ansprüche erstrecken soll, die nicht als ausgenommen aufgeführt sind. Zu den von der Ausschlussfristenregelung erfassten Ansprüchen gehörten damit auch Haftungsansprüche aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung (zu Vorstehendem BAG, Urt. v. 09.03.2021 – 9 AZR 323/20 = BeckRS 2021, 21222 m.w.Nw.).

e) Unter Berücksichtigung der vorzitierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und der anzuwendenden Auslegungsgrundsätze ist die Kammer für vorliegenden Fall der Auffassung, dass eine interessengerechte Auslegung der arbeitsvertraglichen Klausel in Ziff. 13 des Anstellungsvertrags ergibt, dass die Ausschlussklausel Haftungsansprüche aus Vorsatz nicht erfasst – und zwar sowohl im Hinblick auf Deliktsrecht als auch hinsichtlich Ansprüchen aus vorsätzlich begangenen Vertragspflichtverletzungen.

aa) Der 9. Senat kassierte in dem benannten Urteil die dort streitgegenständliche Klausel offensichtlich (allein) mit der Begründung, dass die Herausnahme von „Ansprüchen aus unerlaubten Handlungen“ deswegen unzureichend sei, weil damit lediglich für die deliktische nicht aber für die vertragliche Seite klar sei, dass Haftungsansprüche wegen Vorsatzes von der Klausel nicht erfasst würden. Die für hiesigen Fall relevante Klauselformulierung stellt indes neben den „Handlungen aus mit Strafe bedrohten Fällen“ und „Schadensersatzansprüchen aus Verkehrsunfällen“ auch auf „Vertragsstrafenansprüche“ ab. Für die Auslegungsfrage, ob die streitgegenständliche Klausel mit ihren Ausnahmeregelungen die Vorsatzhaftung hinreichend aus dem Geltungsbereich des sonst umfassenden Verfalls von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis ausklammert, hält die Kammer die an zweiter Stelle genannten Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfällen für eine wenig ergiebige Sonderfallregelung. Die dritte Gruppe der ausgenommenen Ansprüche, also die Handlungen, die mit Strafe bedroht sind, entsprechen inhaltlich den unerlaubten Handlungen, welche Gegenstand der Entscheidung des 9. Senats waren, und die das Bundesarbeitsgericht in der dargestellten Entscheidung offensichtlich für den deliktischen Bereich im Wege der Auslegung hätte ausreichen lassen, um der Klausel hinreichend zu entnehmen, dass die Vorsatzhaftung für die deliktische Seite nicht von der Ausschlussfrist umfasst sei. So sieht das auch die erkennende Kammer für die vorliegende Formulierung des Ausschlusses der mit Strafe bedrohten Handlungen. Denn insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Mehrzahl der mit Strafe bedrohten Tatbestände solche aus vorsätzlicher Tatbegehung sind, geht das Gericht davon aus, dass der zu fordernde Bezug zwischen dem Wortlaut der Regelung und dem Auslegungsergebnis, dass damit die Vorsatzhaftung für die deliktische Ebene ausgenommen sein soll, hinreichend hergestellt ist. Das entspricht jedenfalls dem Verständnis eines durchschnittlichen Vertragspartners. Insoweit dürfte sich das hiesige Verständnis mit der Auffassung des 9. Senats für die deliktische Ebene decken.

bb) Die Formulierung der Ausnahmen von dem Geltungsbereich der Ausschlussklausel geht indessen in vorliegendem Fall noch weiter. Den entscheidenden Unterschied zwischen der Klausel, welche der Entscheidung des 9. Senats zu Grunde lag und der hiesigen, sieht die erkennende Kammer darin, dass vorliegend auch die vertragliche Seite mitberücksichtigt worden ist. Denn die Regelung in Ziff. 13 des Arbeitsvertrags erfasst ausweislich ihres Wortlauts auch Vertragsstrafenansprüche, mithin Ansprüche aus Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten, und nimmt diese von dem Geltungsbereich der Ausschlussfristen ausdrücklich aus.

Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, dass die Arbeitsvertragsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags nach Aktenlage noch keine konkreten Vertragsstrafen vereinbart hatten. Denn von der Formulierung in der Ausschlussklausel werden abstrakt-generell gesehen jegliche Vertragsstrafenansprüche – auch zukünftige – erfasst. Es ist weiter festzustellen, dass das Verwirken einer Vertragsstrafe im arbeitsvertraglichen Bereich nach zutreffender höchstrichterlicher Auffassung ein Verschulden voraussetzt. Dabei wird sogar verschiedentlich angenommen, dass als Verschulden nur (mindestens) bedingter Vorsatz in Betracht kommt (LAG Berlin, Urt. v. 06.12.1966 – 5 Sa 96/66; Künzl, in: Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Auflage 2000, Kapitel 2.1 Rn. 225).

Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut der Klausel damit nicht ausdrücklich und allumfassend, dass jegliche vertragliche Vorsatzhaftung von dem Geltungsbereich der Ausschlussfrist ausgenommen ist. Jedoch ist die Klausel in diesem Punkt auslegungsfähig. Die Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass mit der in der Klausel gewählten Formulierung der „Vertragsstrafenansprüche“ die Vorsatzhaftung für den vertraglichen Bereich insgesamt aus dem Geltungsbereich der Ausschlussklausel herausgenommen werden sollte. Denn der Vertragstext ist in diesem Punkt jedenfalls aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise in Richtung eines umfassenden Vorsatzausschlusses für vertragliche Ansprüche zu verstehen, was auch der von den Arbeitsvertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die Interessenlage der Beteiligten widerspiegeln. Der Arbeitgeber will sich in der Gesamtschau der Ausnahmeformulierungen innerhalb der Ausschlussklausel gerade vor vorsätzlich begangenen Pflichtverletzungen und deliktischer Handlungen des Arbeitnehmers schützen. Umgekehrt gibt es eine ähnlich gelagerte Interessenlage des Arbeitnehmers, dass Ansprüche aus etwaigen mit Strafe bedrohten, vorsätzlichen Handlungen des Arbeitgebers nicht unter die kurze Ausschlussfrist fallen.

cc) Das erkennende Gericht ist im Rahmen der vorgenommenen Auslegung auch der Auffassung, dass die hier angelegten Auslegungsmaßstäbe nicht gegen den rechtstheoretischen Grundsatz verstoßen, dass Ausnahmen grundsätzlich eng auszulegen sind. Im Zusammenspiel dieses Grundsatzes und systematischer Überlegungen ließe sich zwar zugegebenermaßen argumentieren, dass die Tatsache, dass die Klausel nur drei Teilbereiche im Sinne von drei Ausnahmen (namentlich die Ansprüche aus Vertragsstrafen, aus Verkehrsunfällen und mit Strafe bedrohten Handlungen) regle und eben nicht eine umfassende Herausnahme der Vorsatzhaftung an sich in vertraglicher und deliktischer Sichtweise vornehme, gegen ein weitergehendes Verständnis im Sinne der hier seitens des Gerichts vorgenommenen Auslegung spreche. Letzterer Ansatz, der sich auch an dem Grundsatz „singularia non sunt extendenda“ orientiert, verfängt indes vorliegend nicht.

Es kann vorliegend für die Auslegung nicht ausgeblendet werden, dass die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bis zur aufgezeigten Kehrtwende davon ausging, dass Klauseln, welche die Vorsatzhaftung gar nicht ausgenommen hatten, weil sie keinerlei Ausnahmen von dem Geltungsbereich regelten, unbedenklich seien. Denn verständige Parteien hätten nicht geregelt, was sie gesetzlich nicht regeln dürfen, nämlich die Erstreckung der Ausschlussfristen auf Vorsatzhaftung (vgl. hierzu etwa noch BAG, Urt. v. 20.06. 2013 – 8 AZR 280/12 = NJW 2013, 3741).

Der vorliegende Vertrag, der die streitgegenständliche Klausel enthält, stammt aus dem Jahr 2002. Zu diesem Zeitpunkt war nicht im Ansatz davon auszugehen, dass das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zu der Auslegung von Ausschlussklauseln bezüglich der Vorsatzhaftung knapp 20 Jahre später komplett drehen würde. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass das Bundesarbeitsgericht keinen Vertrauensschutz in seine Rechtsprechung zulassen möchte (vgl. BAG v. 9.3.2021 – 9 AZR 323/20 = NZA 2021, 1257 Rn. 30 f.), was teilweise nicht unerheblich kritisiert wird (Bayreuther, NZA 2021, 1375). Allerdings muss dann, wenn man schon keinen Vertrauensschutz für vor der Rechtsprechungsänderung geregelte Klauseln gewährt, es zumindest möglich sein, dass Formulierungen der Parteien, die „in die richtige Richtung“, also Richtung Herausnahme der Vorsatzhaftung aus dem Geltungsbereich der vertraglichen Ausschlussfrist gehen, weiter ausgelegt werden können. Der rechtsmethodologisch aus der Gesetzesauslegung stammende Grundsatz, dass Ausnahmen eng auszulegen sind (singularia non sunt extendenda), widerspricht einem ausdehnenden Verständnis, das die Kammer hier anlegt, im Ergebnis nicht. Zum einen folgt aus diesem Grundsatz richtigerweise schon nicht, dass Ausnahmen zwingend so eng wie möglich auszulegen sind, sondern allenfalls, dass durch Auslegung von Ausnahmevorschriften der Wille der Parteien und der Wortlaut nicht ins Gegenteil verkehrt werden sollen (Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage 1995, S. 251/252). Letzteres findet gerade nicht statt, denn die vorgenommene Auslegung unterstützt den Willen der Parteien, der im Wortlaut der geregelten Teilbereiche hinreichend deutlich angelegt ist.

Weiter hat das Bundesarbeitsgericht für in tariflichen Ausschlussfristenregelungen enthaltene Ausnahmeregelungen – anders als die Ausschlussfristenregelung selbst – bereits mehrfach entschieden, dass diese gerade nicht eng, sondern weit auszulegen sind (vgl. BAG, Urt. v. 18.05.1995 – 8 AZR 434/94 = BeckRS 1995, 30755012; BAG, Urt. v. 19.11.1968 – 1 AZR 195/68 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 39). Dieser Ansatz für die Auslegungsmöglichkeit von Rückausnahmen in tariflichen Ausschlussfristen, der dazu dient, eine Klausel nicht für nichtig erklären zu müssen, ist auf die vertragliche Ebene ohne weiteres übertragbar.

Zudem gibt es auch im europäischen Kontext den Ansatz, dass der Grundsatz „singularia non sunt extendenda“, den auch der EuGH regelmäßig in seinen Judikaten zur Anwendung bringt, zutreffend zu ergänzen sei um den Zusatz „praeter necessitatem“, also über das notwendige Maß hinaus (vgl. etwa die Abhandlung von Herberger, Ausnahmen sind eng auszulegen, Die Ansichten beim Gerichtshof der Europäischen Union, erschienen in: Internationale Schriftenreihe Band 217 des Duncker & Humblot Verlags Berlin 2016). Das bedeutet mit anderen Worten, dass Ausnahmen zwar nicht ohne Grund weit ausgelegt werden sollen; wenn es indes einen vernünftigen Grund gibt, zwingt der methodologische Grundsatz nicht zu einer engen Auslegung.

Damit ist aus Sicht der erkennenden Kammer aber gerade der Weg bereitet, bei arbeitsvertraglichen Klauseln aus der Zeit vor der Rechtsprechungsänderung im Hinblick auf die Vorsatzhaftung bei Ausschlussfristen die vom Anwendungsregime der Klausel herausgenommenen Teilbereiche durch Auslegung auf die Vorsatzhaftung insgesamt zu erstrecken.

f) Im Ergebnis kann nach alledem bei gebotener interessengerechter Auslegung der streitgegenständlichen Klausel daher nicht von deren Nichtigkeit ausgegangen werden.

2. Der streitgegenständliche Zahlungsanspruch aus Arbeitnehmerhaftung unterfällt dem Regelungsregime der Ausschlussfrist. Die Klägerin hat die erste Stufe der Ausschlussfrist aus Ziff. 13 des Arbeitsvertrags nicht gewahrt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterfallen insbesondere vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche einer Klausel, die „alle … Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ einer bestimmten Frist zur Geltendmachung unterwirft (vgl. nur BAG, Urt. v. 18.08.2011 – 8 AZR 187/10 = BeckRS 2011, 77790), wie es auch vorliegend der Fall ist. Der streitgegenständliche Anspruch ist ersichtlich keiner der drei als Ausnahmen geregelten Fallgruppen zuzuordnen, da es nicht um Vertragsstrafe, Haftung aus einem Verkehrsunfall oder um mit Strafe bedrohten Handlungen geht.

Auch handelt es sich vorliegend nicht um einen Anspruch aus vorsätzlicher Schädigung. Ansprüche aus einer vorsätzlichen Schädigungshandlung könnten wegen § 202 Abs. 1 BGB nicht einer Ausschlussfrist anheimfallen, weil sich die arbeitsvertragliche Klauselregelung insoweit gegen § 202 Abs. 1 BGB jedenfalls nicht durchsetzen kann. Wenn die Klägerin selbst der Beklagten nach ihrem Vortrag (lediglich) grobe Fahrlässigkeit anlastet, geht sie selbst allerdings ausdrücklich nicht von einer vorsätzlichen Schädigungshandlung der Beklagten aus. Für eine Vorsatzannahme gibt es auch aus dem Vortrag heraus keinerlei Anhaltspunkte. Die Kammer hält gerade die subjektive Seite im Sinne eines auf eine bestimmte Schadenszufügung gerichteten Vorsatz bei der Beklagten (zu diesem Erfordernis vgl. BAG, Urt. v. 18.06.1970 – 1 AZR 520/69 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 57; BAG, Urt. v. 18.04.2002 – 8 AZR 348/01 = NZA 2003, 37) für abwegig. Zudem ist die Klägerin ausweislich des in Vorlage gebrachten Ablehnungsbescheids des BAFA (Bl. 66 ff d. A. = Anlage K 6) im Verwaltungsverfahren offensichtlich von einem unverschuldeten Versehen der unmittelbar handelnden Sachbearbeiterin ausgegangen (vgl. Zusammenfassung des klägerischen Vortrags vor dem BAFA Bl. 67 d. A.). Dass und wie sich daraus dann für die bestenfalls mittelbar als Vorgesetzte involvierte Beklagte, die mit der konkreten Antragstellung unstreitig unmittelbar nichts zu tun hatte, eine vorsätzliche Pflichtverletzung ergeben sollte, die eine vorsätzliche Schadenszufügung in konkreter Höhe mitbeinhaltet, ist nicht ersichtlich.

b) Die Klägerin hat die erste Stufe der vertraglichen Ausschlussfrist nicht eingehalten, was zum Verfall des Anspruches führt.

Mit Schreiben vom 17.12.2021 trat die Klägerin erstmals schriftlich an die Beklagte mit der Forderung heran, im Zusammenhang mit dem ihr entstandenen Schaden und einem behaupteten Ersatzanspruch gegenüber der Beklagten einen befristeten Verjährungsverzicht bis 31.03.2022 zu erklären, damit eine außergerichtliche Lösung ausgelotet werden könne (Bl. 441 f. d. A. = Anlage K 20). Das ist für einen Schadensersatzanspruch aus dem Kalenderjahr 2019, der spätestens mit Abschluss desselben anhand der Strompreisdifferenzen auch bezifferbar war, ersichtlich weit außerhalb der Drei-Monats-Frist im Sinne der ersten Stufe der vertraglichen Ausschlussfrist.

Nur vorsorglich sei an dieser Stelle festgehalten, dass der Klägerin weitere Unzulänglichkeiten der von ihr verwendeten Klausel nicht zu Gute kommen. Auf eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel aus AGBrechtlicher Sicht kann sich der Verwender der Klausel nach den Grundsätzen der personalen Teilunwirksamkeit nämlich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung – jedenfalls für den hier angenommenen Fall, dass die Ausschlussklausel nicht nichtig ist – nicht berufen (vgl. nur BAG, Urt. v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15 = NZA 2018, 589), so dass eine weitergehende Prüfung einer AGBrechtlichen Unwirksamkeit der Klausel an dieser Stelle dahinstehen kann.

3. Selbst wenn man der hier vorgenommenen Auslegung der Kammer in Bezug auf die hinreichende Herausnahme der Vorsatzhaftung aus dem Geltungsbereich der vertraglichen Ausschlussfrist nicht folgen wollte, wäre zwar mit dem Bundesarbeitsgericht Klausel zunächst wegen Verstoßes gegen §§ 202 Abs. 1, 134 BGB für nichtig zu erachten. Daneben begründete der Gesetzesverstoß nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen allerdings auch die Unwirksamkeit der Klausel im Wege der Inhaltskontrolle, welcher § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht entgegensteht, weil Ziff. 13 des Arbeitsvertrags eine von den Rechtsvorschriften des Verjährungsrechts und der Verwirkung i.S.d. § 242 BGB abweichende Regelung darstellt. Dies mag über § 309 Nr. 7a) und b) BGB – nach dem im Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers soll auch die Verkürzung von Verjährungsfristen unter § 309 Nr. 7 BGB fallen (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 156) – oder über § 307 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet sein. Weiter ist die Klausel intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sich ihrem Wortlaut nicht mehr verlässlich entnehmen lässt, wie weit sie in Wirklichkeit reicht (so auch LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 10.08.2022 – 10 Sa 94/21 = BeckRS 2022, 21976 Rn. 43; Bayreuther, NZA. 2021, 1375, 1376). Die – zusätzliche – Unwirksamkeit der Klausel nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre neben der Nichtigkeit nach §§ 202 Abs. 1, 134 BGB nicht bedeutungslos, sondern würde sich – anders als es das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 26.11.2020 – 8 AZR 58/20) meint – jedenfalls im Bereich des sog. „Grundsatzes der personalen Teilunwirksamkeit“ auswirken.

Das erkennende Gericht ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass der Arbeitgeber sich als Verwender der – an dieser Stelle unterstellt – nichtigen Klausel auf deren Nichtigkeit nicht zu seinen Gunsten berufen könnte. Soweit das Bundesarbeitsgericht diesen Grundsatz der personalen Teilunwirksamkeit für Fälle von nichtigen Ausschlussklauseln ausdrücklich ablehnt (BAG, Urt. v. 26.11.2020 – 8 AZR 58/20 = AP BGB § 306 Nr. 7 Rn. 68) und dem Verwender – besonders deutlich für Fälle der Arbeitnehmerhaftung wie hier – damit gleichsam ein Geschenk des Himmels bereitet, vermag die erkennende Kammer dem nicht zu folgen. Das Gericht hält es für vorliegende Fallgestaltung nicht nur wertungsmäßig für erforderlich, dem Arbeitgeber als Verwender der Klausel das Berufen auf die Nichtigkeit derselben abzuschneiden, sondern auch unionsrechtlich für geboten.

a) Im Rahmen der Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist anerkannt, dass der Verwender von unwirksamen Klauseln sich nicht zu seinem Vorteil auf die Unwirksamkeit berufen kann (BAG, Urt. v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15 = NZA 2018, 589; BGH, Urt. v. 05.05.2015 – XI ZR 214/14 = NJW 2015, 2412). Die Inhaltskontrolle schafft nämlich lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Klauselverwender, sie dient aber nicht seinem Schutz vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen. Die Zielsetzung der §§ 307 ff. BGB, den Verwender an der einseitigen Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit zu seinen Gunsten zu hindern, steht der Anerkennung vorformulierter Bedingungen zu seinen Lasten nicht entgegen (BAG, Urt. v. 26.11.2020 – 8 AZR 58/20 = AP BGB § 306 Nr. 7 Rn. 69).

b) Dem Bundesarbeitsgericht ist zuzugeben, dass die Nichtigkeit einer Klausel (bereits) nach § 134 BGB i.V.m. § 202 Abs. 1 BGB an sich völlig unabhängig und ggf. auch vorrangig vor einer Unwirksamkeit im Rahmen einer Klauselkontrolle entsprechend der §§ 305 ff. BGB stehen mag. Das zwingt indes nicht zu der vom Bundesarbeitsgericht im Weiteren angenommenen Rechtsfolge, wonach der Grundsatz der personalen Teilunwirksamkeit in einer solchen Fallgestaltung nicht Platz greifen könne – dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich um eine Fallgestaltung im Fokus des Unternehmer-Verbraucher-Bereichs handelt (vgl. auch Bayreuther NZA 2021, 1375).

c) Hier stehen aus Sicht des erkennenden Gerichts zwei grundsätzliche Überlegungen im Vordergrund, die für die Anwendbarkeit der Grundsätze der personalen Teilunwirksamkeit auch und gerade in Fallkonstellationen wie der hiesigen sprechen.

aa) Zum einen hat der Bundesgerichtshof – völlig unabhängig von einem AGBrechtlichen Zusammenhang – bereits verschiedentlich judiziert, dass das Sich-Berufen auf eine tatsächlich vorliegende Nichtigkeit einer Regelung wegen Gesetzesverstoßes im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen und eine unzulässige Rechtsausübung i.S.d. § 242 BGB darstellen kann (vgl. BGH, Urt. v. 23.09.1982 – VII ZR 183/80 = NJW 1983, 109; BGH, Urt. v. 01.02.2007 – III ZR 281/05 = NJW 2007, 1130; BGH, Urt. v. 20.07.2012 – V ZR 217/11 = NJW 2012, 3424). Dafür wird regelmäßig eine umfassende Abwägung der Einzelfallumstände vorgenommen. Die Ausübung eines Rechts wird dabei unter anderem für unzulässig erachtet, wenn sich der Berechtigte mit seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt und für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 05.05.1992 – X ZR 134/90 = NJW 1992, 2557). So liegt der Fall aber gerade in streitgegenständlicher Konstellation aus dem Bereich des Rechtsverkehrs zwischen Unternehmer und Verbraucher. Der Arbeitgeber als strukturell überlegene Partei des Arbeitsvertrags stellt als Klauselverwender dem Arbeitnehmer eine Ausschlussfristenklausel. An dieser will er sich dann allerdings – wenn sie als gesetzeswidrig und damit nichtig einzustufen ist – nicht mehr festhalten lassen. Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts würde dem Klauselverwender dieses Ergebnis sogar „aufdrängen“. Das überzeugt die Kammer nicht, stellt diese Fallkonstellation doch eine Variante des „venire contra factum proprium“ – also des widersprüchlichen Verhaltens – i.S.v. § 242 BGB dar. Der klauselverwendende Arbeitgeber mit überschießender Regelungstendenz führt eine Regelung in den Arbeitsvertrag ein, der Arbeitnehmer vertraut auf die Gültigkeit der ihm gestellten Regelungen, rechnet damit und stellt sich für das die Durchführung des Arbeitsverhältnisses ggf. über viele Jahre – im vorliegenden Fall fast 20 Jahre – darauf ein. In einer Konstellation wie der hiesigen verbietet es § 242 BGB dem klauselverwendenden Arbeitgeber sich auf die Nichtigkeit der von ihm in den Vertrag eingeführten Klausel zu seinen Gunsten zu berufen, um Ansprüche aus Arbeitnehmerhaftung außerhalb des von ihm selbst aufgestellten Fristenregimes geltend machen zu können. Es ist wertungsmäßig nicht darstellbar, weshalb bei einem Arbeitgeber, der „nur“ unwirksame Klauseln stellt, die Rechtsfolge so sein soll, dass dieser sich nicht auf die Unwirksamkeit der Klausel zu seinen Gunsten berufen kann, wohingegen der besonders rechtswidrig handelnde Arbeitgeber, der nicht nur unwirksame, sondern gar nichtige Klauseln stellt, sich im Ergebnis an diesen aber nicht festhalten lassen müsste.

bb) Weiter kann bei der Rechtsfolgenbetrachtung in Bezug auf die Frage, ob der klauselverwendende Arbeitgeber sich auf die Nichtigkeit der von ihm gestellten vertraglichen Regelung berufen darf, auch aus unionsrechtlicher Sicht nicht ausgeblendet werden, dass die nichtige Klausel von dem Arbeitgeber als Unternehmer gestellt wurde und dem Arbeitnehmer als Verbraucher gleichsam auferlegt wurde. Das Machtgefälle im Verhältnis Unternehmer-Verbraucher, zu dem der arbeitsvertragliche Bereich ebenso gehört, ist gerade dort besonders zu beachten, wo der strukturell überlegene Arbeitgeber als Verwender einer Klausel besonders grob gegen Gesetzesrecht verstößt, so dass die von ihm gestellte Klausel nicht nur unwirksam, sondern gar nichtig ist. Gerade dort bedarf der Arbeitnehmer als Verbraucher einen besonderen Schutz vor dem besonders überschießend handelnden Unternehmer, welcher sich mit der von ihm gestellten Klausel außerhalb der Rechtsordnung bewegt.

Der EuGH löst derartige Fallkonstellationen im Regelungsbereich der RL 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen so auf, dass missbräuchliche Vertragsklauseln unangewendet bleiben und den Verbraucher nicht binden, sofern der Verbraucher nicht widerspricht, etwa weil ihm die unwirksame Klausel im Einzelfall einen Vorteil verschafft (vgl. EuGH, Urt. v. 27.01.2021 – C-229/19, C-289/19 = BeckRS 2021, 567 Rn. 62 m.w.Nw.). Die europäische Rechtsprechung löst im Geltungsbereich der RL 93/13/EWG regelmäßig so auf, dass sie dem Verbraucher ein Wahlrecht einräumt, ob er die kritische Klausel gegen sich gelten lassen will oder nicht. Denn nach Art. 7 RL 93/13 EWG haben die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass im Interesse der Verbraucher angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird. Dieser durch Art. 7 RL 93/13 EWG intendierten Abschreckungswirkung (vgl. EuGH, Urt. v. 27.01.2021 – C-229/19, C-289/19 = BeckRS 2021, 567 Rn. 64 m.w.Nw.) würde nicht ausreichend Rechnung getragen, wenn sich der Verwender missbräuchlicher Klauseln nicht an die von ihm gestellten Klauseln festhalten lassen müsste, jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer als Verbraucher entscheidet, sich auf den Schutz vor missbräuchlichen Klauseln im Einzelfall – wie hier in Fällen arbeitgeberseitiger Schadensersatzansprüche – nicht berufen zu wollen. Im Einklang mit dieser Überlegung hat der Europäische Gerichtshof zum wiederholten Male entschieden, dass das System zum Schutz vor missbräuchlichen Klauseln dem Verbraucher dient und daher keine Anwendung findet, wenn er sich nicht auf diesen Schutz berufen möchte und somit der betreffenden Klausel freiwillig und aufgeklärt zustimmt (EuGH, Urt. v. 03.10.2019 – C- 260/18 = BeckRS 2019, 23099 Rn. 53 ff.).

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Leitentscheidung (BAG, Urt. v. 26.11.2020 – 8 AZR 58/20 = NZA 2021, 702 Rn. 75) zwar den europäischen Richtlinienhintergrund behandelt, allerdings die Ausführungen zu den Schutzgedanken der Richtlinie an der Stelle abgebrochen, als festgestellt wurde, dass der EuGH ausgeführt habe, dass es einem nationalen Gericht gem. Art. 6 Abs. 1 der RL 93/13/EWG obliege, die missbräuchlichen Klauseln für unanwendbar zu erklären, damit sie den Verbraucher nicht binden bzw. eine Vertragsklausel, die es für missbräuchlich hält, unangewendet zu lassen, damit sie den Verbraucher nicht bindet bzw. eine für missbräuchlich erklärte Vertragsklausel grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen, so dass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann. Diese Voraussetzung hielt der Senat für den zu entscheidenden Fall ohne weitere Ausführungen für erfüllt, was vor allem angesichts der Tatsache erstaunt, dass sich die Annahme, dass der Arbeitgeber sich auf die Nichtigkeit und AGBrechtliche Unwirksamkeit der selbstgestellten Klausel berufen können soll, in Fällen wie der hiesigen Arbeitgeberklage allein nachteilig für den Verbraucher auswirkt. Hierdurch wird die Schutzstoßrichtung des EuGH, die fraglos auf Seiten des Verbrauchers liegt, aber doch gerade in ihr Gegenteil verkehrt. Dem Verbraucher wird das ihm ansonsten zugebilligte Wahlrecht, ob er sich nicht auf den Schutz der Unwirksamkeit berufen möchte oder nicht und somit die autonome Entscheidung, ob er der betreffenden Klausel freiwillig und aufgeklärt zustimmt, genommen. Es ist nicht einsichtig, wie dies zu rechtfertigen wäre. Wenn der Ansatz sein sollte, dass es hier in erster Linie um die Nichtigkeit der betreffenden Ausschlussfristenklausel geht und nicht (lediglich) um eine Unwirksamkeit nach AGB-Recht, so überzeugt dies nicht. Denn auch im Rahmen von Nichtigkeitsüberlegungen ist die Schutzrichtung der Rechtsprechung des EuGH im Geltungsbereich der RL 93/13/EWG stets auf Seiten des Verbrauchers. So hält der EuGH etwa eine nationale Regelung für mit europäischem Recht vereinbar, die es erlaubt, einen Vertrag, den ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat und der eine oder mehrere missbräuchliche Klauseln enthält, in seiner Gesamtheit für nichtig erklären zu lassen, wenn sich erweist, dass dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet wird (EuGH, Urt. v. 08.09.2022 – C-80/21, C-81/21 = BeckRS 2022, 22721 Rn. 82 m.w.Nw.).

Vor diesem Hintergrund hält die Kammer es auch für unionsrechtlich geboten, dass dem Arbeitnehmer im Falle einer nichtigen Klausel das Wahlrecht verbleiben muss, ob er die Klausel gelten lassen möchte oder nicht. Die Annahme der Nichtigkeit der Klausel zu Lasten des Verbrauchers und zu Gunsten des Verwenders hingegen erscheint vor dem europarechtlichen Hintergrund und der verbraucherschützenden Rechtsprechung des EuGH nicht überzeugend und auch nicht konsequent.

d) Der Klägerin wäre es also im Ergebnis selbst bei unterstellter Nichtigkeit der streitgegenständlichen Ausschlussklausel unionsrechtlich und unter besonderer Berücksichtigung von § 242 BGB (in diese Richtung auch Marski, NZA 2021, 1381) verwehrt, sich auf die Nichtigkeit der von ihr gestellten Klausel zu berufen, so dass sie die von ihr gestellte Ausschlussfristenregelung gegen sich gelten lassen müsste. Die Klägerin ist damit aber auch für diesen Fall mangels Wahrung der Geltendmachungsfrist der ersten Stufe der Ausschlussfrist jedweden potentiellen Schadensersatzanspruchs verlustig gegangen.

4. Wegen der von der erkennenden Kammer vertretenen Rechtsauffassung kommt es für die Entscheidung nicht mehr maßgebend auf weitere festzustellende Unzulänglichkeiten der streitgegenständlichen Ausschlussklausel, wie etwa das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung auf erster Stufe entgegen § 309 Nr. 13b) BGB, die mit lediglich einem Monat zu kurz geratene Frist für die Wahrung der zweiten Stufe, die Nichtherausnahme des Mindestlohns entgegen § 3 MiLoG an, da eine zusätzlich anzunehmende AGBrechtliche Unwirksamkeit an dem gefundenen Ergebnis, dass der Arbeitgeber als Unternehmer sich auf die AGBrechtliche Unwirksamkeit der von ihm gestellten Klauseln nicht berufen kann, nichts ändern würde. Diesbezüglich sei lediglich der Abrundung halber an dieser Stelle ausgeführt, dass die Nichtausnahme von Mindestlohnansprüchen und das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung die streitgegenständliche Klausel aus dem Jahr 2002, welche damit deutlich vor den entsprechenden Gesetzesänderungen zum 01.01.2015 (Einführung des gesetzlichen Mindestlohns) und 01.10.2016 (Einführung von § 309 Nr. 13b) BGB bzgl. strengerer Formvorschriften als Textform) geschlossen wurde, nicht unwirksam werden ließen (vgl. für den Mindestlohn BAG, Urt. v. 30.1.2019 – 5 AZR 43/18 = NZA 2019, 768 und für das Schriftformerfordernis BAG, Urt. v. 22.10.2019 – 9 AZR 532/18 = NZA 2020, 513). Weiter würde bei Streichung der zu kurzen zweiten Stufe einer sprachlich und inhaltlich teilbaren Ausschlussfrist nach dem blue-pencil-Test die erste Stufe als eigener sinnhafter Regelungsbereich bestehen bleiben (BAG, Urt. v. 24.05.2022 – 9 AZR 461/21 = AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 119).

II. Da der Hauptantrag abzuweisen war, ist auch der geltend gemachte Zinsanspruch unbegründet.

E.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Regelung des § 12a ArbGG bleibt unberührt.

F.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 1 Abs. 2 Nr. 4, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO. Für die Bewertung des Zahlungsantrags ist die Höhe der eingeklagten Hauptforderung von 588.317,88 € maßgebend.

G.

Die Berufung ist nicht gesondert zuzulassen, da kein Grund für die Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG vorliegt. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Regelung des § 64 Abs. 2 ArbGG bleibt unberührt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Arbeitsrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Arbeitsrecht. Vom Arbeitsvertrag bis zur Kündigung. Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Arbeitsrecht einfach erklärt

Weitere interessante arbeitsrechtliche Urteile

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!