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Befristung eines Arbeitsvertrages – Zweckfortfall

Befristetes Arbeitsverhältnis und dessen rechtliche Herausforderungen

Die rechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien dreht sich um die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin wurde von der Beklagten am 01.06.2021 befristet eingestellt, um einen erkrankten Mitarbeiter, Herrn W., zu vertreten. Bei Vertragsschluss wies die Beklagte darauf hin, dass sie davon ausging, dass Herr W., der bereits im Vorjahr für eine längere Zeit krank war und zurückkehrte, erneut zurückkehren könnte. Die Klägerin wurde im Bauhof als Krankheitsvertretung beschäftigt und erhielt ein monatliches Gehalt von ca. 2.640,00 € brutto.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Ca 1303/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Befristungskontrollklage ist zulässig und begründet.
  • Arbeitsverhältnis der Parteien durch vereinbarte Befristung nicht zum 30.09.2022 beendet.
  • Zweckbefristung gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG vereinbart, jedoch keine Zweckerreichung eingetreten.
  • Klägerin vertritt die Auffassung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht beendet sei.
  • Beklagte sieht Befristung als rechtmäßig an, da Vertretungsbedürfnis für erkrankten Arbeitnehmer bestand.
  • Entscheidungsgründe: Befristung nicht durch gesetzliche Fiktion beendet, sondern durch Vertragsauslegung.
  • Klägerin hat Recht auf Weiterbeschäftigung über den 30.09.2022 hinaus.
  • Beklagte muss Kosten des Rechtsstreits tragen.
  • Berufung für Beklagte nicht zuzulassen, außer in bestimmten Fällen.

Vertragsende und rechtliche Einwände

Befristung Arbeitsvertrag
Befristetes Arbeitsverhältnis: Klägerin vertritt erkrankten Mitarbeiter im Bauhof. (Symbolfoto: 4 PM production /Shutterstock.com)

Interessanterweise wurde auf Wunsch desweiterhin erkrankten Arbeitnehmers, Herrn W., am 21.06.2022 eine Vereinbarung getroffen, sein Arbeitsverhältnis zum 30.09.2022 aufzuheben. Später teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund des im Arbeitsvertrag genannten Sachgrundes zum 30.09.2022 enden würde. Die Klägerin war jedoch der Ansicht, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht beendet sei. Sie argumentierte, dass kein Sachgrund für die Befristung vorgelegen habe oder zumindest der Sachgrund für die Befristung nicht weggefallen sei.

Gerichtliche Entscheidung und ihre Begründung

Das Gericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 30.03.2021 am 30.09.2022 geendet hatte. Es wurde argumentiert, dass keine Zweckerreichung eingetreten sei und es sich eher um einen Fall des Zweckfortfalls handelte. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der vereinbarte Zweck nicht mehr eintreten kann. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Befristungszweck, dass Herr W. wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt, durch den mit ihm geschlossenen Aufhebungsvertrag nicht mehr erreicht werden konnte.

Schlussfolgerungen und Auswirkungen

Die Entscheidung des Gerichts unterstreicht die Komplexität und die rechtlichen Feinheiten, die bei befristeten Arbeitsverträgen zu berücksichtigen sind. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, dass beide Parteien, sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, ihre Rechte und Pflichten in Bezug auf befristete Arbeitsverträge vollständig verstehen. In diesem Fall wurde die Klägerin im Recht behalten, was bedeutet, dass Arbeitgeber vorsichtig sein sollten, wenn sie befristete Verträge aufgrund von Sachgründen abschließen.

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Befristung Arbeitsvertrag bei Zweckfortfall – kurz erklärt


Ein befristeter Arbeitsvertrag kann unter bestimmten Umständen abgeschlossen werden. Eine dieser Befristungsarten ist die Zweckbefristung. Bei dieser Art der Befristung wird der Arbeitsvertrag für einen bestimmten Zweck abgeschlossen, z.B. für die Dauer eines Projekts oder eines größeren Produktionsauftrags. Das zweckbefristete Arbeitsverhältnis endet automatisch, sobald der vereinbarte Zweck erreicht ist. Allerdings muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mindestens zwei Wochen vorher schriftlich darüber informieren, wann genau der Zweck erreicht sein wird. Wenn der Arbeitgeber diese Mitteilung nicht macht, kann nach § 15 Abs. 6 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstehen. Es ist wichtig zu beachten, dass befristete Arbeitsverträge schriftlich vereinbart werden müssen. Eine Vereinbarung per E-Mail reicht hierfür nicht aus.


Das vorliegende Urteil

ArbG Gera-  Az.: 3 Ca 1303/22 – Urteil vom 09.05.2023

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 30.03.2021 am 30.09.2022 endete.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den Ablauf des 30.09.2022 weiter zu beschäftigen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.560,00 € festgesetzt.

5. Soweit die Berufung nicht kraft Gesetzes statthaft ist, wird sie nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte stellte die Klägerin zum 01.06.2021 befristetet wegen Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 Teilzeit– und Befristungsgesetz als Krankheitsvertretung für Herrn W. ein. Wegen der Vertragsbedingungen wird auf den schriftlichen Arbeitsvertrag vom 30.03.2021 verwiesen. Bei Vertragsschluss wies die Beklagte darauf hin, dass sie davon ausgehe, dass Herr W., der bereits im Jahr zuvor einmal lange Zeit krank gewesen war und auf seine Stelle zurückgekehrt war, wieder zurückkehren könne. Die Klägerin wurde im Bauhof als Krankheitsvertretung beschäftigt und bezog zuletzt ein Gehalt in Höhe von monatlich ca. 2.640,00 € brutto.

Auf Wunsch des weiterhin erkrankten Arbeitnehmers Herrn W. vom 21.06.2022 vereinbarte die Beklagte mit diesem die Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2022. Der ebenfalls im Bauhof zuletzt als stellvertretender Bauhofleiter beschäftigte Mitarbeiter Herr A. hatte sein Arbeitsverhältnis gekündigt und am 13.09.2022 gegenüber der Beklagten bekannt gegeben, dass er seine Kündigung gerne rückgängig machen wolle, worauf die Beklagte einging. Da seine bisherige Stelle bereits zum 15.10.2022 mit einem neuen Mitarbeiter besetzt worden war, wies die Beklagte ihm die von Herrn W. bzw. der Klägerin inne gehabte Stelle zu.

Mit Schreiben vom 14.09.2022 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der im Arbeitsvertrag genannte Sachgrund zum 30.09.2022 entfalle und ihr Arbeitsverhältnis zum 30.09.2022 ende.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht beendet. Ein Sachgrund der Befristung habe nicht vorgelegen, zumindest sei der Sachgrund für die Befristung nicht weggefallen, da der Befristungszweck nicht erreicht sei.

Die Klägerin stellt die Anträge:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristungsvereinbarung vom 30.03.2021 am 30.09.2022 geendet hat, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den Ablauf des 30.09.2022 weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Befristung sei rechtmäßig vereinbart worden, da bei Vertragsschluss das Vertretungsbedürfnis für den aus damaliger Sicht der Vertragsparteien vorübergehend erkrankten Arbeitnehmer Herrn W. bestanden habe. Der spätere Wegfall des sachlichen Grundes führe nicht zu einer Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, da die Klägerin dann mehr erhalten würde, als sie bei Vertragsschluss annehmen durfte. Der Sachgrund der Vertretung des Herrn W. sei mit Auflösung dessen Arbeitsverhältnisses zu 30.09.2022 entfallen. Zudem sei Herr A. der geeignetere Mitarbeiter auf der Stelle.

Entscheidungsgründe

I. Die Befristungskontrollklage ist zulässig und begründet. Das am 01.06.2021 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die vereinbarte Befristung nicht zum 30.09.2022 beendet.

1. Die Befristungswirkung ist nicht kraft gesetzlicher Fiktion gemäß § 17 TzVfG, § 7 KSchG eingetreten, da die Klage rechtzeitig innerhalb von 3 Wochen nach dem mitgeteilten Befristungsende 30.09.2022, nämlich mit Eingang der Klage am 06.10.2022 und ihrer alsbaldigen Zustellung am 21.10.2022 erhoben wurde, §§ 253,167 ZPO.

2. Die Parteien haben mit Vertragsschluss vom 30.03.2022 eine sogenannte Zweckbefristung gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG vereinbart, welche zum einen die Zweckerreichung und zum anderen die schriftliche Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über die Zweckerreichung erfordert. An letzterer Voraussetzung mangelt es nicht, da die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 14.09.2022 über die aus ihrer Sicht eingetretene Zweckerreichung und die damit verbundene Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2022 informiert hat.

Es ist keine Zweckerreichung eingetreten. Es liegt ein mit der Zweckerreichung nicht gleichzusetzender Fall des Zweckfortfalls bzw. Zweckwegfalls vor. Ein solcher liegt vor, wenn der vereinbarte Zweck nicht mehr eintreten kann. In diesem Fall ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu ermitteln, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht, vgl. Rennpferd in Henssler/Willemsen/Kalb 10. Aufl. 2022, § 15 TzBfG Rn. 10., LAG Schleswig-H. v. 12.09.2007, 6 Sa 113/07, LAG Düsseldorf v. 31.08.2007, 9 Sa 685/07, BAG v. 26.06.1996, 7 AZR 674/95.

Vordergründig liegt der in der Befristungsvereinbarung genannte Fall der Krankheitsvertretung des Herrn W. aufgrund des zum 30.09.2022 mit ihm geschlossenen Aufhebungsvertrages nicht mehr vor. Jedoch stellten sich die Vertragsparteien als Zweckerreichung vor, dass der erkrankte Arbeitnehmer Herr W. wieder auf seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Auf dieses Risiko hatte die Beklagte die Klägerin bei Vertragsschuss hingewiesen. Nur unter der Annahme der Parteien, dass Herr W. nach überstandener Krankheit wieder auf seinen Arbeitsplatz zurückkehrt, bestand für die Befristungsvereinbarung der sachliche Grund der Vertretung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG. Wären die Parteien bei Abschluss der Befristungsabrede davon ausgegangen, dass der erkrankte Arbeitnehmer Herr W. nicht mehr auf seinen Arbeitsplatz zurückkehrt, so hätte der Sachgrund der Vertretung nicht vorgelegen. Die Beklagte hätte ihren Arbeitskräftebedarf nur durch den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages oder allenfalls einen nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristeten Vertrages decken können. Der Befristungszweck, dass Herr W. wieder auf seinen Arbeitsplatz zurückkehrt, konnte durch den auf seinen Wunsch vom 21.06.2022 zum 30.09.2022 geschlossenen Aufhebungsvertrag nicht mehr erreicht werden.

Es ist eine auslegungsbedürftige und auslegungsfähige Regelungslücke entstanden. Hätten die Parteien bei Vertragsschluss gewusst, dass Herr W. nicht mehr auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird, hätten sie ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vereinbart, um den durch den Ausfall des Herrn W. entstandenen Arbeitskraftbedarf zu decken.

3. Die Klägerin hat mit dem Zusatz in ihrem Antrag zu 1., „sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht“, keinen eigenständigen Feststellungsantrag gestellt, wie sie auf Nachfrage des Gerichtes klargestellt hat. Aus diesem Grunde war ein solcher auch nicht zu bescheiden.

II. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin über den 30.09.2022 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Befristungsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 30.03.2021 weiter zu beschäftigen. Der Anspruch ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem allgemeinen, aus Art. 1 und Art 2 GG resultierenden Persönlichkeitsrecht. Die zum Kündigungsschutzstreit entwickelte Rechtsprechung des BAG v. 27.02.1985, GS1/84 kann auf den Befristungsstreit übertragen werden. Die Klägerin hat in der ersten Instanz obsiegt. Überwiegende Gründe, die für eine Nichtbeschäftigung sprechen, sind von der Beklagten nicht vorgetragen. Bei Rechtskraft dieser Entscheidung besteht der allgemeine arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch.

III. Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG hat die im Rechtsstreit unterlegene Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Wert des Streitgegenstandes wird unter Berücksichtigung von § 3 ZPO, 42 Abs. 2 GKG entsprechend dem Entgelt der Klägerin bei der Beklagten für 3 Monate bemessen.

V. Die Berufung ist nicht gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 64 Abs. 3 ArbGG nicht ersichtlich sind. Unberührt von dieser Entscheidung bleibt die Statthaftigkeit der Berufung für die Beklagte gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG.

 

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