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Beratungsvertrag als freies Dienstverhältnis Abgrenzung zu Arbeitsverhältnis

Beratungsvertrag entpuppt sich als Scheinselbstständigkeit

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass trotz der Bezeichnung als „Beratungsvertrag“ und der Vereinbarung zur Nicht-Begründung eines Arbeitsverhältnisses faktisch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand. Dies begründet sich durch die Art der Tätigkeit, die enge Einbindung des Klägers in die betrieblichen Abläufe und die regelmäßige, weisungsgebundene Arbeitsweise. Die außerordentliche Kündigung durch die Beklagte wurde als unwirksam erklärt, da sie ohne Anhörung des Betriebsrats und nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgte.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Vertragsbezeichnung vs. tatsächliche Durchführung: Trotz der Bezeichnung als „Beratungsvertrag“ wurde die tatsächliche Vertragsdurchführung als Arbeitsverhältnis eingestuft.
  2. Einbindung in betriebliche Abläufe: Der Kläger war eng in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingebunden und führte weisungsgebundene Tätigkeiten aus.
  3. Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung: Die Kündigung war wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats und Nichteinhaltung der Kündigungsfrist unwirksam.
  4. Weisungsgebundenheit und Arbeitsorganisation: Die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in den betrieblichen Ablauf waren entscheidend für die Einstufung als Arbeitsverhältnis.
  5. Fehlende Rechtsgrundlage für ordentliche Kündigung: Eine Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung war ebenfalls unwirksam.
  6. Kein eigenständiges Unternehmerrisiko: Der Kläger trug kein eigenständiges Unternehmerrisiko und agierte nicht als selbstständiger Berater.
  7. Regelmäßige und dauerhafte Leistungserbringung: Die regelmäßigen und dauerhaften Tätigkeiten des Klägers waren typisch für ein Arbeitsverhältnis.
  8. Budget- und Projektkoordination: Der Kläger war in die Budget- und Projektkoordination eingebunden, was auf eine arbeitnehmerähnliche Position hinweist.

Der Beratungsvertrag und sein Verhältnis zum Arbeitsrecht

Beratervertrag ist Arbeitsverhältnis
(Symbolfoto: Roman Samborskyi /Shutterstock.com)

Die Abgrenzung zwischen einem Beratungsvertrag und einem Arbeitsverhältnis stellt in der Rechtspraxis eine wiederkehrende und bedeutsame Herausforderung dar. Das Verständnis für die wesentlichen Merkmale beider Vertragsarten ist entscheidend, um die rechtlichen Folgen und Pflichten korrekt einzuschätzen. Während ein Beratungsvertrag in der Regel ein freies Dienstverhältnis darstellt, in dem der Berater weitgehend autonom handelt und nicht in die Betriebsstruktur des Auftraggebers eingegliedert ist, zeichnet sich ein Arbeitsverhältnis durch eine stärkere Bindung und Abhängigkeit des Arbeitnehmers aus. Hierbei sind Aspekte wie Weisungsgebundenheit, Eingliederung in die Arbeitsorganisation und die Art der Tätigkeit von zentraler Bedeutung.

Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Vertragsarten hat weitreichende Konsequenzen, sowohl im Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche Aspekte als auch in Bezug auf arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen. Gerade bei Grenzfällen, in denen die Vertragsbeziehungen Elemente beider Vertragstypen aufweisen, sind die Urteile der Arbeitsgerichte wegweisend.

Lassen Sie uns nun einen Blick auf ein konkretes Urteil des Landesarbeitsgerichts werfen, das Licht auf die feinen Nuancen und entscheidenden Kriterien bei der Abgrenzung eines Beratungsvertrages von einem Arbeitsverhältnis wirft. Dieses Urteil illustriert beispielhaft, wie im Einzelfall geprüft wird, welche Vertragsnatur vorliegt und welche rechtlichen Folgen sich daraus ergeben.

Die Klärung der Vertragsnatur: Beratungsvertrag versus Arbeitsverhältnis

In einem wegweisenden Fall vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wurde die Natur eines Vertragsverhältnisses zwischen einem langjährigen Mitarbeiter und einem Unternehmen intensiv diskutiert. Der Kläger, ein ehemaliger Angestellter, wandte sich gegen die Kündigung seines Beratungsvertrags, den er nach seinem Renteneintritt mit dem Unternehmen abschloss. Er argumentierte, dass es sich trotz der Bezeichnung als Beratungsvertrag tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis handle.

Die Kernfrage drehte sich um die Unterscheidung zwischen einem freien Dienstverhältnis, wie es ein Beratungsvertrag darstellt, und einem Arbeitsverhältnis, das strengeren gesetzlichen Regelungen unterliegt. Der Kläger, der bereits seit 1966 für das Unternehmen tätig war, führte nach Erreichen des Rentenalters seine Tätigkeit unter einem Beratungsvertrag fort. Dieser Vertrag umfasste Aufgaben wie die Projektbetreuung eines Neubaus, die operative Betreuung von Mietverhältnissen und die Unterstützung bei der Werkstrukturplanung.

Die rechtliche Herausforderung: Bestimmung der Vertragsart

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der genauen Bestimmung der Art des Vertragsverhältnisses. Der Kläger legte dar, dass seine Tätigkeiten unter dem Beratungsvertrag identisch mit denen seines früheren Arbeitsverhältnisses waren und argumentierte, dass die tatsächliche Durchführung des Vertrags über seine Bezeichnung hinausging.

Er betonte, dass er keine eigenständigen unternehmerischen Entscheidungen traf und eng in die betrieblichen Abläufe des Unternehmens eingebunden war, was auf ein Arbeitsverhältnis hindeutet. Zudem führte er an, dass er regelmäßige und wiederkehrende Leistungen erbrachte, was ebenfalls ein Merkmal eines Arbeitsverhältnisses ist.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Unternehmen als Arbeitsverhältnis zu werten sei. Das Gericht stützte sein Urteil auf die Tatsache, dass der Kläger in seine Tätigkeit stark eingebunden und weisungsgebunden war und dass die Art seiner Tätigkeiten und Verantwortungen einem Angestelltenverhältnis glichen.

Implikationen des Urteils

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts hat weitreichende Implikationen für die Praxis der Vertragsgestaltung in Unternehmen. Es verdeutlicht, dass die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung eines Vertragsverhältnisses entscheidend für seine rechtliche Einordnung ist. Unternehmen müssen daher bei der Formulierung von Beratungsverträgen besonders darauf achten, dass diese nicht die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses aufweisen, um ungewollte rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Das Urteil zeigt auch, wie wichtig es für Arbeitnehmer ist, ihre Rechte zu kennen und gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen. Für den Kläger bedeutete dies die Bestätigung, dass sein Verhältnis zum Unternehmen nicht mit der Kündigung des Beratungsvertrags endete, sondern als Arbeitsverhältnis fortbestand, welches andere Kündigungsbedingungen erfordert.

Ausblick auf ähnliche Fälle

Das Urteil könnte als Präzedenzfall für ähnliche Auseinandersetzungen dienen, in denen die Abgrenzung zwischen einem freien Dienstverhältnis und einem Arbeitsverhältnis unklar ist. Es unterstreicht die Bedeutung einer klaren und eindeutigen Vertragsgestaltung und der tatsächlichen Praxis in der Durchführung von Verträgen. Dieser Fall zeigt, dass die Gerichte bereit sind, über die formale Bezeichnung eines Vertrages hinaus auf die realen Arbeitsbedingungen und -umstände zu schauen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt

Was kennzeichnet den Unterschied zwischen einem Beratungsvertrag und einem Arbeitsvertrag?

Ein Beratungsvertrag und ein Arbeitsvertrag unterscheiden sich hauptsächlich in Bezug auf die Art der erbrachten Leistung, die Weisungsgebundenheit und die soziale Absicherung.

Ein Beratungsvertrag ist in der Regel ein Dienstvertrag, bei dem der Berater sich verpflichtet, eine bestimmte Leistung zu erbringen, oft in Form von Beratung oder Unterstützung. Der Berater ist dabei nicht weisungsgebunden und weder wirtschaftlich noch sozial vom Auftraggeber abhängig. Dies bedeutet, dass der Berater in der Regel selbständig arbeitet und nicht als Arbeitnehmer eingestuft wird. Der Berater ist auch für seine eigene soziale Absicherung verantwortlich, da der Auftraggeber keine Beiträge zur Sozialversicherung leistet.

Ein Arbeitsvertrag hingegen ist ein Vertrag zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer, bei dem der Arbeitnehmer sich verpflichtet, in persönlicher Abhängigkeit Arbeit in Diensten des Arbeitgebers zu leisten. Der Arbeitnehmer ist weisungsgebunden, was bedeutet, dass er den Anweisungen des Arbeitgebers folgen muss. Im Gegensatz zum Beratungsvertrag ist der Arbeitnehmer sozial abgesichert, da der Arbeitgeber Beiträge zur Sozialversicherung leistet.

Es ist zu erwähnen, dass die Unterscheidung zwischen einem Beratungsvertrag und einem Arbeitsvertrag von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt. Daher ist es wichtig, bei der Ausarbeitung eines Beratungsvertrags auf eine eindeutige Abgrenzung zum Arbeitsvertrag zu achten, um eine mögliche Einstufung des Beraters als Arbeitnehmer zu vermeiden.

Wie definiert sich ein freies Dienstverhältnis im Gegensatz zum Arbeitsverhältnis?

Ein freies Dienstverhältnis unterscheidet sich von einem Arbeitsverhältnis hauptsächlich in Bezug auf die persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit. Im freien Dienstverhältnis besteht eine geringe oder keine persönliche Abhängigkeit, und die Weisungsbefugnis des Dienstgebers erstreckt sich lediglich auf die konkret zu verrichtenden Tätigkeiten, nicht jedoch auf die Art und Weise, wie die Leistungen zu erbringen sind. Freie Dienstnehmer können sich vertreten lassen und sind nicht in die betriebliche Organisation eingebunden. Sie unterliegen grundsätzlich nicht dem Schutz des Arbeitsrechts, jedoch gelten die Vorschriften über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen analog. Freie Dienstnehmer sind nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) pensions-, kranken- und unfallversichert.

Im Arbeitsverhältnis hingegen besteht eine persönliche Abhängigkeit, und der Arbeitnehmer ist weisungsgebunden. Der Arbeitnehmer ist in die betriebliche Organisation eingebunden und unterliegt dem Schutz des Arbeitsrechts. Der Arbeitgeber leistet Beiträge zur Sozialversicherung für den Arbeitnehmer.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 172/22 – Urteil vom 29.03.2023

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.05.2022, Az.: 8 Ca 1454/21, abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 18.11.2021 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht, das durch eine (außerordentliche) Kündigung vom 18.11.2021 nicht aufgelöst worden ist.

Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Betriebsrat ist gebildet.

Der 1951 geborene verheiratete Kläger war seit 01.04.1966 bei der Beklagten beschäftigt, beginnend als Auszubildender zum Betriebsschlosser, zuletzt als Leiter Technik/Facility Management für den gesamten Standort M.. Ihm war von der Beklagten unter dem 05.01.1998 (Bl. 106 d. A.) und der X. & X Immobilienverwaltung GmbH unter dem 06.08.2013 (Bl. 105 d. A.) Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB (auszuüben gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem Prokuristen) erteilt. In seinen Zuständigkeitsbereich fielen zuletzt Werkstrukturplanungsmaßnahmen, Reparaturen an Anlagen und Gebäuden, Instandhaltungsmaßnahmen, Energieversorgung, Versorgung mit Wasser, Druckluft, Gas, Fernwärme etc., Betreuung von Bauprojekten und Mietverhältnissen, Abfall-Logistik, Fassadenreinigung sowie Gebäudereinigung und Werksicherheit. Dabei trug der Kläger Verantwortung für 49 Beschäftigte, von denen ihm 28 direkt unterstellt waren.

Zum Zeitpunkt des Erreichens des Rentenalters durch den Kläger dauerte bei der Beklagten ein größeres Bauprojekt (Produktions- und Lagerhalle L8) an, dessen Planungen bereits im Jahr 2016 begonnen hatten. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für das beklagte Unternehmen verfügte der Kläger in außergewöhnlichem Maß über (Detail-)Kenntnisse im Hinblick auf die Werkstruktur, die Beziehungen zu Dienstleistern etc., die niemand außer ihm in dieser Weise vorweisen konnte. Auch hatte der Kläger in der Vergangenheit umfangreiche Bauprojekte begleitet.

Unter dem Datum des 09.09.2016 schlossen die Parteien einen „Beratungsvertrag“ (Bl. 63 ff. d. A.), der unter anderem folgende Regelungen enthielt:

 

㤠1 Aufgabengebiet

(1) Der Berater wird X&X in den nachfolgend aufgeführten Bereichen beraten und folgende Leistungen erbringen:

A. Projektbetreuung Neubau Gebäude L8

a) Organisation und Koordination der Anforderungen an das Gebäude für die Bereiche A., X&X (IT, Technik, Produktion etc.), X&X Service & Logistik

b) Dokumentation des jeweiligen Projektstatus‘ und entsprechende regelmäßige Information an die Geschäftsleitung

c) Koordination zwischen X&X, Projektssteuerung, Generalplaner und Generalunternehmer und gegebenenfalls weiteren Personen

d) Monetoring/Abstimmung von Terminen, Kapazitäten und Logistik

e) Kostenmonitoring

B. Betreuung des „W.Geländes“ (X&X Immobilienverwaltung)

a) operative Betreuung der Mietverhältnisse/Mieter

b) Bearbeitung von Mängelanzeigen der Mieter inklusive Altfälle

C. Unterstützung bei der Werkstrukturplanung am Standort M.

(2) Der Berater hat seine Leistungen grundsätzlich persönlich zu erbringen. Er ist für die Durchführung des jeweiligen Auftrags/Projekts im Rahmen der Beratung selbst verantwortlich und unterliegt insoweit keinerlei Weisungen von X&X. Der Berater kann daher die Art und Weise der Ausübung sowie den Ort seiner Tätigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen frei bestimmen.

Seine Leistungen wird der Berater jedoch gemäß den Interessen und nach den Hinweisen und den allgemeinen Bestimmungen von X&X erbringen, wobei er die zeitliche Dauer und die konkreten Art und Weise selbst bestimmt. Der Berater wird bei seiner Tätigkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausüben.

(3) X&X stellt dem Berater für die Ausübung seiner Tätigkeit ein Büro und entsprechende Hilfsmittel (Laptop, Mobiltelefon) zur Verfügung.

§ 2 Vergütung

(1) Der Berater erhält für seine Tätigkeit eine stundenbezogene Vergütung mit einem Stundensatz in Höhe von 75,00 EUR. Die Vergütung versteht sich immer zuzüglich der eventuell anfallenden gesetzlichen Umsatzsteuer in der jeweils geltenden Höhe.

Die Parteien gehen von einem monatlichen Beratungsaufwand von maximal 80 Stunden aus. Die monatliche Vergütung für die Beratungsleistungen beträgt daher maximal 6.000,00 EUR.

Zeichnet sich in einem Monat ein Beratungsbedarf ab, der voraussichtlich über 80 Stunden hinausgeht, wird der Berater dies X&X frühzeitig anzeigen. Die Parteien werden den konkreten Beratungsbedarf für diesen Monat gemeinsam abstimmen und sich auf eine eventuelle Mehrvergütung auf Basis des Stundensatzes von 75,00 EUR einvernehmlich einigen.

Mit der Vergütung sind sämtliche Leistungen des Beraters abgegolten. Soweit dieser Vertrag nachfolgend nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, sind auch sämtliche Aufwendungen des Beraters mit der Vergütung abgegolten.

(2) Der Berater wird X&X jeweils zu Beginn des Folgemonats eine ordnungsgemäße Rechnung (inkl. Aufstellung der jeweils konkret erbrachten Leistungen) über die im vorangegangenen Monat erbrachten Leistungen ausstellen. Die Vergütung ist jeweils 15 Arbeitstage nach Eingang der jeweiligen Rechnung bei X&X zur Zahlung fällig.

(3) Steuern und eventuell anfallende Sozialabgaben führt der Berater selbst ab. Ansprüche auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestehen nicht. Es ist der ausdrückliche Wunsch des Beraters, dass das vorliegende Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis praktiziert wird, damit er auch anderen Tätigkeiten nachgehen und für Dritte tätig sein kann.

§ 3 Aufwendungsersatz

(1) Erbringt der Berater auf Veranlassung von X&X seine Beratungsleistungen an einem anderen Ort als dem Geschäftssitz von X&X, erstattet X&X dem Berater gegen entsprechende Originalnachweise die entstandenen Aufwendungen für solche Reisen, die in Ausübung seiner vertraglichen Pflichten entstehen, nach den Vorgaben der X&X- Reisekostenrichtlinie.

(2) Die Erforderlichkeit von Reisen sowie die voraussichtlich entstehenden Kosten sind grundsätzlich vor Reiseantritt mit X&X abzustimmen..

§ 4 Vertragsdauer

(1) Dieser Vertrag beginnt ab dem 1. März 2017 und endet automatisch zum 31. Dezember 2018, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

(2) Der Vertrag kann auch vor Ablauf der Vertragslaufzeit jeweils zum 15. eines Monats mit Wirkung zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.

(3) Das Recht der Parteien zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt.

(4) Die Kündigung bedarf zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform.

[…]

§ 8 Wettbewerbsklausel

Der Berater wird während der Dauer dieses Vertrages jeden Wettbewerb gegen X&X unterlassen; er wird sich weder unmittelbar noch mittelbar an einem Wettbewerbsunternehmen von X&X beteiligen oder ein solches in sonstiger Weise vertreten oder beraten.

[…].“

Mit Schreiben vom 07.12.2016 (Bl. 62 d. A.) kündigte der Kläger selbst sein ursprüngliches Arbeitsverhältnis zum 28.02.2017, da er sein „Rentenalter erreicht habe“. Seit dem 01.03.2017 bezog der Kläger ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 28.02.2017 (Bl. 146 ff. d. A.) eine Betriebsrente in Höhe von 507,36 €. Die Beklagte stellte die Rentenzahlungen im Dezember 2021 ein.

Der Kläger erhielt eine eigene nutzerbezogene E-Mail-Adresse () sowie ein I-Phone, dessen Kosten die Beklagte übernahm. Er verfügte über einen Generalschlüssel mit Zugang zu allen Räumlichkeiten der Beklagten und eine unbeschränkte Zutrittskarte zum Werksgelände. Seine Tätigkeiten wurden nicht in den Dienstplänen erfasst, er war nicht der Zeiterfassung der Arbeitnehmer unterworfen. Für seine Tätigkeit auf dem Gelände der Beklagten nutzte er nicht sein früheres Büro, sondern ein Büro in einem Nebengebäude, das sogenannte „Baubüro“.

Im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit dem Kläger war die erforderliche Verzahnung mit den betrieblichen Abläufen sichergestellt. Die in diesem Zusammenhang geführten Abstimmungen erfolgten während der Arbeitszeiten der Beklagten Der Kläger nahm an zahlreichen entsprechenden Abstimmungsterminen teil. Die Vielzahl der bei dem Projekt beteiligten unterschiedlichen Gewerke, deren Tätigkeit zu koordinieren waren, wobei Störungen der betrieblichen Abläufe weitestgehend vermieden werden mussten, machten ein betriebliches Monitoring erforderlich. Nur durch die Teilnahme des Klägers an den entsprechenden Abstimmungsterminen war es diesem möglich, die im Beratervertrag vereinbarte Leistung zu erbringen.

Der Kläger musste Urlaub weder ankündigen noch einreichen. Eine Anzeige der Arbeitsunfähigkeit erfolgte nicht, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wurden vom Kläger nicht vorgelegt. Die Beklagte forderte ihn auch nicht hierzu auf.

Das als „Beratungsvertrag“ bezeichnete Vertragsverhältnis wurde nach Beendigung des Bauprojekts L8 einvernehmlich stillschweigend über das ursprünglich vorgesehene Ende hinaus fortgesetzt.

Die Beklagte kündigte den „Beratungsvertrag“ mit Schreiben vom 18.11.2021, dem Kläger zugegangen am selben Tag, „mit sofortiger Wirkung“ und widerrief gleichzeitig die dem Kläger verliehene Handlungsvollmacht ebenfalls mit sofortiger Wirkung (Bl. 25 d. A.). Eine Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung erfolgte nicht.

Mit seiner am 08.12.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 24.12.2021 zugestellten Klage wandte sich der Kläger gegen die Beendigung des Vertragsverhältnisses, das er als Arbeitsverhältnis ansieht, durch die Kündigung vom 18.11.2021 oder durch andere Beendigungstatbestände.

Mit Schreiben vom 28.04.2022 (Bl. 112 d. A.) sprach die Beklagte vorsorglich für den Fall, dass das Arbeitsgericht das Beratungsverhältnis als Arbeitsverhältnis werten sollte, eine ordentliche Kündigung zum 31.05.2022 aus. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 28.04.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 04.05.2022 zugestellten Klageerweiterung. Diese und weitere klageerweiternde Anträge hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 30.05.2022 abgetrennt.

Der Kläger hat hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung vom 18.11.2021 das Bestehen eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB, die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB sowie die ordnungsgemäße Anhörung des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats bestritten. Eine ordentliche Kündigung wäre weder aus betrieblichen, verhaltensbedingten noch aus Gründen in seiner Person sozial gerechtfertigt. Er war der Ansicht, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis. Die Formulierung im Vertrag, wonach auf ausdrücklichen Wunsch kein Arbeitsverhältnis begründet werden solle, könne nicht über die allein entscheidende tatsächliche Durchführung als Arbeitsverhältnis hinwegtäuschen. Er hat vorgetragen,

er habe regelmäßig wiederkehrende, dauerhafte Leistungen erbracht. Seine Tätigkeiten seien vollkommen identisch zu den in der Zeit vor 2017 im (unstreitigen) Arbeitsverhältnis ausgeübten Tätigkeiten, die nahtlos fortgeführt worden seien und nach den vertraglichen Regelungen persönlich zu erbringen gewesen seien. Es habe sich um dauerhafte, täglich anfallende Aufgaben mit teils administrativem Charakter (z. B. Betreuung der Mietverhältnisse) und nicht um einen abgrenzbaren Leistungsgegenstand gehandelt.

Die Werkstrukturplanung (Korrespondenz mit Dienstleistern, Angebotsvorlage, etc.) sei keinesfalls ein nur vorübergehendes Projekt. Sie sei im Jahr 1986 von ihm gemeinsam mit der damaligen Geschäftsleitung ins Leben gerufen worden. Sie habe zum Gegenstand, dass im regelmäßigen Turnus von vier Jahren mögliche Änderungen der Werkstruktur (Baumaßnahmen, Grundstücksfragen etc.) besprochen und dann näher konkretisiert bzw. geplant würden. Es handele sich um eine dauerhafte, ständig wiederkehrende Arbeit, in die er seit Jahren eingebunden gewesen sei.

Er habe weder ein eigenes unternehmerisches Risiko noch eigene Arbeitnehmer gehabt. Zudem sei er auch nicht werbend am Markt aufgetreten und ausschließlich für die Beklagte tätig gewesen.

Er sei räumlich und zeitlich eng in die betrieblichen Abläufe und die Teamarbeit eingebunden gewesen. Seine Arbeitsleistung habe er stets auf dem Betriebsgelände der Beklagten erbracht und von seinem dortigen Büro, für das er einen Schlüssel verfügt habe, sämtliche seiner Tätigkeiten koordiniert. Bei dem Baubüro handele es sich um eine abgeschlossene Einheit mit drei Zimmern im ehemaligen D.-Gebäude. Einer dieser drei Räume habe ihm exklusiv zur Verfügung gestanden. Für ihn sei Büroausstattung angeschafft worden (Drucker, Möbel, Aktenschrank etc.). In diesem Büro habe er auch die für seine Tätigkeit notwendigen Akten aus der Zeit vor 2016 aufbewahrt. Auf das Telefon „Baubüro“ sei seine alte Telefondurchwahl umgeleitet gewesen, so dass sowohl eigene Mitarbeiter als auch Externe ihn – sofern die alte Durchwahl bekannt gewesen sei – unter dieser hätten erreichen können. Auch im vor 2017 bestehenden Arbeitsverhältnis habe es keinerlei Arbeitszeitvorgaben und keinerlei Arbeitszeitkontrollen gegeben. Durch die erforderliche engmaschige Abstimmung und Verzahnung mit den betrieblichen Abläufen habe er gar nicht anders gekonnt als seine Leistung vor Ort und an festen Zeiten zu erbringen.

Von den ihm erteilten Handlungsvollmachten habe er regelmäßig Gebrauch gemacht und sei als Vertreter der Beklagten nach Außen in Erscheinung getreten. Er sei umfassend mit der Beauftragung von Bauleistungen und Dienstleistungen beschäftigt gewesen. Alle Auftragsvergaben, Gespräche und Begehungen hätten immer auf dem Gelände der Beklagten in seiner Anwesenheit stattgefunden. In der Regel seien für die Dienstleistungen verschiedene Angebote angefragt und nach enger Abstimmung mit dem kaufmännischen Geschäftsführer der Beklagten, Herr W., durch ihn beauftragt worden. Er habe im Anschluss die gesamte Aufsicht und Korrespondenz mit den beteiligten Unternehmen übernommen. Er sei auch zuständig gewesen für die im Rahmen der Baumaßnahmen anfallende Korrespondenz mit den Behörden.

Er habe seine Tätigkeiten in Zusammenarbeit mit anderen Arbeitnehmern der Beklagten ausgeübt. So hätten bei der Beklagten regelmäßig mittwochs von 8 bis 10 Uhr und donnerstags von 8 bis 10 Uhr Jours fixe stattgefunden, an denen er stets teilgenommen habe. Dabei sei er eng in die Entscheidungsfindung und Aufgabenverteilung im Team eingebunden gewesen. Er habe Weisungen gegenüber Mitarbeitern der Beklagten erteilt und sei eng in den betrieblichen Alltag eingebunden gewesen.

Da er sich nicht zu allen Zeiten im Betrieb aufgehalten habe, seien die Aufgaben der Fremddienstleister durch Mitarbeiter der gewerblichen Bereiche der Beklagten beaufsichtigt worden, mit denen er sich eng abgestimmt habe. Im Fall von Unklarheiten sei er regelmäßig telefonisch auf seinem Diensthandy informiert worden. Im Rahmen dieser Rücksprachen habe er entsprechende fachliche Weisungen erteilt, welche die Mitarbeiter der Beklagten dann umgesetzt hätten. Er habe Informationen an Mitarbeiter der Pforte (W.) gegeben, wenn Arbeiten von Fremdhandwerkern betriebsbedingt an Wochenenden hätten geleistet werden müssen. Er habe diese Mitarbeiter angewiesen, die Arbeiten mehrmals täglich zu kontrollieren und ihn über den Abschluss zu informieren. Über alle Leistungen von Dritten, die durch ihn beauftragt worden seien, habe zwischen ihm und den Fachbereichen (zum Beispiel Schlosserei, Elektrowerkstatt) ein ständiger Austausch über Vorgehensweisen, Maßnahmen und Sachstand von aktuellen Projekten stattgefunden. Es habe zudem eine ständige Abstimmung von ihm mit der Buchhaltung zu den Themen Anlagenbuchhaltung, Kontierung von Fremdhandwerkerrechnungen und Überarbeitung der Bestandslisten des Altgeländes stattgefunden. Die Suche und Festlegung neuer Räume für den Umzug der Feuerwehr (wegen des Verkaufs des Altgeländes) sei in enger Abstimmung mit der Betriebsfeuerwehr unter Leitung Facility Management einhergegangen.

Er habe umfassende Budgetverantwortung gehabt. Seine Aufgabe habe in der Ermittlung und Beurteilung der anfallenden Maßnahmen, Angebotsabfragen bei den verschiedenen Dienstleistern und in der Kostenschätzung bestanden. In enger Zusammenarbeit mit dem Controlling der Beklagten sei 2019 ein Budgetplan (ca. 2.000.000 € für die Jahre 2020 und 2021) für die anstehenden Maßnahmen beim Rückbau des Altgeländes und damit verbunden der Umsiedlung betrieblicher Einrichtungen (Abfallplatz, Werkstätten, Pforte und Feuerwehr) erarbeitet worden. Der Plan sei zwischen ihm und dem Geschäftsführer W. besprochen worden, der ihm anschließend die Freigabe erteilt habe.

Der Geschäftsleitung habe er auch regelmäßig Bericht erstatten müssen und nach deren Weisungen gehandelt. Hierzu habe ein regelmäßiger Jour fixe (mittwochs 8:00 bis 10:00 Uhr) stattgefunden. Er habe dort Informationen über die aktuellen Arbeiten übermittelt, Angebote abgestimmt und sich stets die Freigaben durch den Geschäftsführer geholt. Zudem sei er in diesen Terminen regelmäßig mit den dargestellten Aufgaben betraut worden. Die Jours fixe seien für ihn verpflichtend gewesen.

Er habe seiner Leistung zu regelmäßigen Zeiten abgeleistet, nämlich in Anwesenheit im Betrieb von Montag bis Donnerstag von 7:00 Uhr bis ca. 13:00 bis 14:00 Uhr, freitags nach Bedarf. Er sei zudem rund um die Uhr auf dem Firmenhandy telefonisch erreichbar gewesen. Die Arbeitszeiten seien an die betrieblichen Abläufe angepasst und auch mit externen Dienstleistern und deren Anwesenheiten abgestimmt gewesen, zum Beispiel für seine Kontrollen. In den Protokollen der Jours Fixe sei er stets als „Teilnehmer X & X“ geführt worden, während die externen Dienstleister getrennt ausgewiesen worden seien. Letztere hätten nur zeitlich und örtlich begrenzten Zutritt zum Werksgelände. Nach Befahren des Geländes müssten sie sich regelmäßig anmelden und würden dann zugewiesen.

Er war der Ansicht, weitere Regelungen im Vertrag sprächen für ein Arbeitsverhältnis, so die §§ 3 und 8.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 18.11.2021, zugegangen am selben Tag, nicht aufgelöst ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie war der Ansicht, seit 2017 bestehe zwischen den Parteien lediglich ein Beratungsvertrag.

Sie hat vorgetragen, die Nutzung des sogenannten „Baubüros“ habe dem Kläger nicht exklusiv zugestanden. Er habe für Telefonate in der Regel sein Mobiltelefon benutzt oder sich gelegentlich des Festnetzanschlusses im Besprechungsraum „Baubüro“ bedient. Als Berater habe der Kläger keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber ihrem Personal gehabt. Die vormalige Führungsverantwortung bzw. Weisungsbefugnis des Klägers sei von Herrn Dr. G., der als Nachfolger des Klägers eingesetzt worden sei, übernommen worden.

Nicht richtig sei, dass der Kläger die im Arbeitsverhältnis ausgeübten Tätigkeiten nahtlos fortgeführt habe.

Der Kläger sei im Rahmen seiner Tätigkeit als Berater auch keinerlei faktischer Weisungsgebundenheit unterworfen gewesen. Diesbezüglich sei lediglich eine Zielvorgabe durch sie erfolgt. Es sei der Entscheidung des Klägers überlassen geblieben, die Art und Weise zu bestimmen, wie er diese Ziele erreiche. Er habe keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Einteilung seiner Arbeitszeit erhalten. Er habe weitestgehend keine Zustimmungsvorbehalte zu berücksichtigen gehabt. Als freier Berater habe sich der Kläger bestimmten vereinbarten Themen gewidmet, die er in freier Zeiteinteilung bearbeitet habe. Er habe dafür die Zeit aufgewendet, die er für angemessen gehalten habe (oder habe erübrigen wollen). Vorgaben hierfür habe es nicht gegeben. Es sei weder ein fester Umfang der Arbeitszeit noch eine Verteilung der Arbeitszeit nach Wochentagen vereinbart worden. Für seine Tätigkeit habe der Kläger Rechnungen gestellt, die den Beratungsaufwand in Stunden genau aufgeführt hätten. Schon aus der erfolgten Rechnungslegung zeige sich, dass er an unterschiedlichen Tagen unterschiedlich viel Zeit in die Beratungstätigkeit eingebracht habe.

Der Kläger habe wie andere unternehmensfremde Dienstleister (zum Beispiel Architekten), die im Rahmen der Werkstrukturplanung für sie Leistungen erbracht hätten, an Abstimmungen teilgenommen. Vor dem Hintergrund der Planung und Abwicklung von solch umfangreichen Projekten wie der Werkstrukturplanung bei ihr sei eine andere Vorgehensweise nicht mit der unternehmerischen Sorgfalt in Einklang zu bringen. Die Abstimmungstermine seien überdies die einzigen Termine gewesen, an denen eine Anwesenheit des Klägers erwartet worden sei. Diese seien zwischen den Parteien und weiteren externen Beteiligten abgestimmt, also nicht einseitig von ihr vorgegeben worden. Zu seinen Aufgaben hätten gerade nicht mehr administrative Tätigkeiten gehört, wie sie sich aus buchhalterischen oder vertraglichen Themen ergäben.

Die vertraglich vereinbarte persönliche Leistungserbringung sei notwendige Grundlage für die Erfüllung der vereinbarten Aufgaben gewesen. Ohne die Verpflichtung der persönlichen Leistungserbringung wären die reibungslosen Abläufe gefährdet worden. Insbesondere hätte nicht sichergestellt werden können, dass es mit Blick auf „Kommunikationsverluste“ zu Störungen von Planung und Umsetzung gekommen wäre.

Mit Blick auf dem Kläger gegenüber erteilten Vollmachten habe sie im Herbst 2021 feststellen müssen, dass dieser seine Befugnisse mehrfach – auch in der Vergangenheit – erheblich überschritten habe. Ohne dazu beauftragt worden zu sein, habe der Kläger mehrfach seine Leistung aufgedrängt.

Dem Kläger sei ein Budgetrahmen eröffnet worden. Über die konkrete Nutzung hätten sodann Abstimmungen stattgefunden.

Die Reisekostenrichtlinie sei auch als Referenz für die Berechnung der Reisekosten externer Berater herangezogen worden. Grund dafür sei, dass sie in aller Regel nur solche Reisekosten erstatte, die sie für angemessen halte. Eine Spesenerstattung sei dagegen nicht vorgesehen gewesen und habe auch nicht stattgefunden. Die vereinbarte Wettbewerbsklausel sei lediglich darauf gerichtet, dem Kläger während der Laufzeit des Vertrages Leistungen für ihre Konkurrenten zu untersagen.

Alle Aufgaben, mit denen der Kläger durch sie beauftragt worden sei, hätten im Zusammenhang mit den Projekten „Verkauf Altgelände“ bzw. „Werkstrukturplanung“ gestanden. Dabei habe es sich nicht um tagesgeschäftliche Themen oder um Themen gehandelt, die auch nur ansatzweise regelmäßig aufträten.

Es habe vor allem dem Bedürfnis des Klägers entsprochen, das durch Eigenkündigung beendete Arbeitsverhältnis nicht fortzusetzen. Der Kläger habe sowohl die Zeit als auch die Möglichkeit gehabt, andere Beratungsmandate zu betreuen. Sie gehe davon aus, dass er auch tatsächlich für Dritte tätig geworden sei.

Sie habe das Beratungsverhältnis mit dem Kläger aus berechtigtem, wichtigem Grund gekündigt, § 627 BGB. Der Kläger leiste Dienste höherer Art im Sinn des § 627 BGB. Sie habe sich vor folgendem Hintergrund zur Kündigung des Beratungsvertrags gezwungen gesehen: Im Oktober 2021 hätten sich erste Anzeichen für Unregelmäßigkeiten in den Projekten/Themen, die vom Kläger betreut worden seien, gezeigt. Auslöser sei eine Ausschreibung des Pakets Gebäudereinigung am Standort M. gewesen. Sie habe daraufhin interne Ermittlungen aufgenommen, mit der sie ihre Compliance-Abteilung beauftragt habe und die durch Z. (International Compliance Officer) geführt worden seien. Im Wesentlichen hätten die Ermittlungen ergeben, dass das Verhalten des Klägers im Hinblick auf zwei Themenkomplexe zu unzumutbaren Belastungen für das Vertragsverhältnis geführt habe: Im seit langen Jahren bestehenden Vertrag mit der W. über Security Services an ihrem Standort in M. seien Rückvergütungen vereinbart worden, für den Fall, dass ein bestimmtes Umsatzvolumen pro Jahr erreicht worden sei. Diese Rückvergütungen seien trotz Vorliegens der Voraussetzungen nicht bei der W. geltend gemacht worden. Stattdessen habe es „unter der Hand“ Vereinbarung gegeben, dass bestimmte Beträge nicht an sie, sondern an den Sportverein G. als Spende ausgezahlt würden. Diese Praxis sei bereits zu der Zeit eingeführt worden, in der der Kläger noch Arbeitnehmer bei ihr gewesen sei. Auch im Rahmen seiner Beratungstätigkeit sei der Kläger gegenüber W. als ihr Vertreter aufgetreten und habe dafür gesorgt, dass dies weiter fortgeführt worden sei. Da es sich im Einzelfall nicht um immens hohe Beträge gehandelt habe, sei dies im Gesamtkontext zunächst nicht aufgefallen.

Der Gebäudereiniger A & A sei im Jahr 2013 sehr spontan im Rahmen der Reinigung von einigen Gebäuden auf dem Werksgelände (vorwiegend im Logistikbereich) für sie tätig geworden. Die Zusammenarbeit mit dem Dienstleister, der diese Leistungen vorher erbracht gehabt habe, sei auf Veranlassung des Klägers kurzfristig beendet worden. Die Preise, die A & A für die Leistungen abgerechnet habe, hätten ca. 80 % höher gelegen als die des vorherigen Dienstleisters. Der Kläger habe insofern eigenmächtig gehandelt. Eine Ausschreibung oder Rücksprache mit Entscheidern auf ihrer Seite habe es nicht gegeben. Es hätten sich Verdachtsmomente ergeben, dass es zwischen dem Kläger und der Geschäftsführung von A & A zu Kontakten (auch) über den Fußballverein M. gekommen sei und man sich dort in der VIP-Lounge getroffen habe. Weiter gebe es Indizien dafür, dass A & A Hotelrechnungen des Klägers im Zusammenhang mit Auswärtsspielen von M. bezahlt habe. Anfänglich sei eine Leistungserbringung nur gegenüber der B & B erfolgt. Es sei dann jedoch eine Ausweitung des Tätigkeitsbereichs auch auf sie erfolgt.

Nachdem sich erste Verdachtsmomente auf Unregelmäßigkeiten verdichtet gehabt hätten, sei am 09.11.2021 mit dem Kläger um 9:30 Uhr ein Anhörungsgespräch von circa anderthalb Stunden Dauer geführt worden. An diesem Gespräch hätten neben dem Kläger ihr Geschäftsführer W. (CFO) und Frau Z. teilgenommen. Im Rahmen dieser Anhörung sei es zu teilweise geständigen Einlassungen des Klägers gekommen. Er habe eingeräumt „Fehler gemacht zu haben“. Überdies habe der Kläger „Überlegungen“ offenbart, die von der W. an den Sportverein geleisteten Spenden mit eigenen Mitteln zu erstatten. Der Kläger habe dabei auch erklärt: „[…] ich habe da wohl private und dienstliche Angelegenheiten nicht mehr voneinander getrennt“. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse habe sie sich zur Kündigung des Beratervertrages gezwungen gesehen.

Der Kläger hat erwidert, die von der Beklagten in der Klageerwiderung geschilderten Vorfälle seien unsubstantiiert. Es werde bestritten, dass nicht geltend gemachte Rückvergütungen bezüglich der Firma W. in seine Verantwortung gefallen seien. Er sei nicht für das Controlling oder die Buchhaltung zuständig gewesen. Die Geltendmachung von Forderungen habe in der alleinigen Verantwortung der Beklagten gelegen. Es habe auch keine irgendwie gearteten „Unter-der-Hand“-Vereinbarungen gegeben, wonach bestimmte Beträge an den Sportverein G. hätten fließen sollen. Er habe eine entsprechende Praxis auch nicht fortgeführt. Der beschriebene Vorgang mit der Firma A & A müsste aus dem Jahr 2013 stammen, habe aber nicht die Beklagte, sondern allein die X & X Service & Logistik GmbH betroffen. Zu dieser habe seinerseits – zumindest formell – kein Vertragsverhältnis bestanden. Nachdem damals die Geschäftsführung der X & X Service & Logistik GmbH den Vertrag mit B. beendet habe, habe kurzfristig Ersatz beschafft werden müssen. In Abstimmung mit der Geschäftsführung der Betriebsleitung der X & X Service & Logistik GmbH sei ein Vertragsverhältnis mit dem neuen Dienstleister A & A abgeschlossen worden. Der Vertrag sei sowohl von ihm als auch einem der Vertreter von X & X Service & Logistik GmbH unterzeichnet worden. Es werde bestritten, dass die abgerechneten Leistungen um ca. 80 % höher hätten liegen sollen als die des vorherigen Dienstleisters. Er habe unter keinen Umständen eigenmächtig gehandelt. Die Geschäftsführung von A & A, die die Unterhaltsreinigung im Stadion von M. bestritten habe, habe gleichzeitig eine sogenannte Hospitality Lounge unterhalten, in der man zwischen acht bis zehn Gäste separat habe empfangen und bewirten können. Er sei privat bis circa 2019 Besitzer von zwei VIP-Karten gewesen. Tatsächlich habe man sich beim „Kommen“ gesehen und auch unterhalten. Er sei jedoch nie eingeladener Gast in der Hospitality Lounge von A & A gewesen. Zu keinem Zeitpunkt habe A & A Hotelrechnungen von ihm im Zusammenhang mit Auswärtsspielen von M. bezahlt, auch nicht zu anderen Gelegenheiten.

Er habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber Frau Z. und Herrn W. irgendein Fehlverhalten eingeräumt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 30.05.2022 abgewiesen. Es hat – zusammengefasst – zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt, die Klage sei zwar als sogenannter Sic-non-Fall vor dem Arbeitsgericht zulässig, aber unbegründet, da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden habe und hilfsweise ein solches auch durch die fristlose Kündigung wirksam beendet worden wäre, was unabhängig voneinander zur Unbegründetheit beider Klageanträge führe. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 229 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 09.06.2022 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 01.07.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 10.07.2022 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 22.12.2022 und 17.02.2023, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 249 ff., 350 ff., 406 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

die gewählte Vertragsgestaltung habe auch für die Beklagte Vorteile gehabt, da sie bei expliziter Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses zur Abführung der Arbeitgebersozialbeiträge verpflichtet gewesen wäre und im freien Dienstverhältnis einen Vorsteuerabzug für die an ihn gezahlte Mehrwertsteuer habe geltend machen könne.

Den Vertragsparteien sei es nicht ermöglicht, zwingende gesetzliche Vorschriften durch beiderseits übereinstimmenden Willen zu umgehen. Über die rechtliche Einordnung des Rechtsverhältnisses als Dienst- oder Arbeitsvertrag entscheide der Geschäftsinhalt. Auch wirtschaftliche Hintergründe oder Motive spielten keine Rolle bei der Beurteilung der Frage, ob durch den Vertrag ein Arbeitsverhältnis begründet worden sei oder nicht. Ebenso wenig spiele es eine Rolle, ob er wirtschaftlich abgesichert sei. Es sei zudem die Beklagte gewesen, die auf ihn zugegangen sei und ihm den Wunsch nach einer Fortsetzung der Tätigkeiten vorgeschlagen habe. Der Vertrag sei auch von der Beklagten entworfen worden und falle daher unter den Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB. Er habe bis auf wenige Punkte (Vertragsdauer, Vergütung) keinerlei Möglichkeit gehabt, auf den Inhalt der Vertragsklauseln Einfluss zu nehmen, so dass eine reale Wahlmöglichkeit für ihn nicht bestanden habe. Eine Klauselgestaltung, die versuche, durch vorformulierte Vertragsbedingungen – entgegen der tatsächlichen Vertragsdurchführung – die Vertragsart zu bestimmen, könne eine unangemessene Benachteiligung darstellen, sofern hierdurch wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergäben, so eingeschränkt würden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet sei. Eben hierdurch ergebe sich die Missbräuchlichkeit. Dass er sein altes Arbeitsverhältnis mit einem Verweis auf seinen Renteneintritt zu einem Zeitpunkt gekündigt habe, als der streitige Vertrag bereits geschlossen gewesen sei, könne bei der Gesamtbetrachtung keine Rolle spielen.

Eine Vielzahl der nach § 1 des Vertrags geschuldeten Tätigkeiten sei nicht auf Beratungsleistungen gerichtet, sondern auf Aufgaben, die einer Konkretisierung und inhaltlichen Ausgestaltung bedürften und daher typischerweise nur in einem Arbeitsverhältnis erbracht würden. Dies gelte insbesondere für die Tätigkeiten Koordination zwischen X & X, Projektsteuerung, Generalplaner und Generalunternehmer und gegebenenfalls weiteren Personen, Monitoring/Abstimmung von Terminen, Kapazitäten und Logistik, operative Betreuung der Mietverhältnisse/Mieter und Bearbeitung von Mängelanzeigen der Mieter inklusive Altfälle.

Es handele sich hierbei erkennbar um ständig wiederkehrende, administrative und organisatorische Aufgaben. Die Abstimmung von Terminen und Kapazitäten, die operative Betreuung der Mietverhältnisse und Bearbeitung von Mängelanzeigen setze per se eine Einbindung in die betriebliche Organisation und eine Weisungsgebundenheit voraus. Mängelanzeigen könnten gehäuft und ohne Vorankündigung auftreten und müssten dann unverzüglich bearbeitet werden. Die operative Betreuung der Mietverhältnisse bringen nach der allgemeinen Lebenserfahrung viele im Voraus nicht zu definierende Aufgaben mit sich, angefangen von dem Abschluss der Mietverträge über die Bearbeitung von Anfragen, der Erstellung von Nebenkostenabrechnungen bis hin zur Beendigung von Mietverhältnissen.

Die nach dem Vertrag geschuldeten Tätigkeiten richteten sich nach im Voraus nicht definierbaren, bedarfsorientierten Anforderungen der Beklagten und erforderten – wie es auch in der gelebten Vertragspraxis unstreitig der Fall gewesen sei – eine sehr enge Abstimmung zwischen allen Beteiligten und ein arbeitsteiliges Vorgehen. Die Parteien hätten vorliegend auch keinen Rahmenvertrag geschlossen, bei dem eine Konkretisierung des Einzelauftrages und des geschuldeten Arbeitsergebnisses jeweils in einer gesonderten Vereinbarung erfolge. Es seien zu keinem Zeitpunkt nach Beginn des Vertrages konkrete Projekte und seine damit einhergehenden Aufgaben vereinbart worden. Die Konkretisierung der Tätigkeiten habe nur durch Weisung erfolgen können.

Die vertragliche Formulierung „Beratervertrag“ bzw. die Regelung, wonach kein Arbeitsverhältnis begründet werden solle, sei daher im Rahmen der Gesamtbetrachtung vollkommen außer Betracht zu lassen.

Bei den Tätigkeiten handele es sich auch nicht um Dienste höherer Art nach § 627 BGB. Solche seien vertraglich von ihm nicht geschuldet gewesen.

Die vertraglich vereinbarte persönliche Leistungserbringung sei ein starkes Indiz für die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses. Der Vertrag regele klar, dass die Beklagte ihm die Hilfsmittel (z. B. Laptop, Handy) und ein Büro zur Verfügung stelle. Auch das arbeitsvertragstypische vertragliche Wettbewerbsverbot und die Abrechnung der Reisekosten nach der für die Arbeitnehmer geltenden Reisekostenrichtlinie seien gewichtige Indizien für ein Arbeitsverhältnis.

Er habe in wesentlichen Teilen identische Tätigkeiten wie zuvor im Arbeitsverhältnis fortgeführt.

Schon die vertragliche Vereinbarung in § 1 habe Tätigkeiten zum Gegenstand, die typischerweise durch Weisung konkretisiert werden müssten. Er habe mit der Geschäftsleitung der Beklagten a) Budgetrahmen erarbeitet, auf deren Grundlage die Werkstrukturplanung aufgebaut worden sei. Im Rahmen dieses Budgets habe er b) Angebote der verschiedenen Dienstleister und Gewerke eingeholt und diese dann an den kaufmännischen Geschäftsführer weitergeleitet. Erst nach c) Freigabe durch Herrn W. habe er die Baumaßnahmen gemeinsam mit Herrn W. in Auftrag gegeben und d) die operative Umsetzung betreut.

Es hätten jeweils im September eines Jahres für das folgende Jahr Besprechungen mit dem Leiter Controlling Herrn M., dem Mitarbeiter Herrn K., Herrn W. und ihm stattgefunden. Er habe in diesen Terminen eine Projektliste für geplante Arbeiten vorgelegt (z. B. Rückbau Altgelände, Anpassungen Fernwärmeleitungen, Neuverlegung 20 KV, Verlegung Brunnenwasser- und Stadtwasserleitungen, Verlagerung Denkmal F., Umzug Archiv). Für jede der genannten Arbeiten seien Kostenschätzungen von seiner Seite hinzugefügt worden. Die Arbeiten und Kosten seien von allen Beteiligten besprochen, von Herrn W. bestätigt und von den Mitarbeitern des Controllings in deren Planungszahlen übernommen worden.

Auf der Grundlage der in diesen Terminen getroffenen kaufmännischen Entscheidungen der Beklagten sei er angewiesen worden, Angebote zu einzelnen Gewerken einzuholen. Hierbei sei er als Vertreter der Beklagten auf deren Briefkopf aufgetreten. Zwecks Erstellung der Angebote seien zahlreiche Termine mit den Dienstleistern vor Ort erforderlich gewesen, da die Planungen der oft umfangreichen und komplexen Arbeiten sowie die Örtlichkeiten hätten begutachtet werden müssen. Ferner hätten häufige Ortsbegehungen mit dem Geschäftsführer stattgefunden. Die Baumaßnahmen hätten ausnahmslos auf dem Betriebsgelände der Beklagten stattgefunden. In den nachfolgend regelmäßig stattfindenden und für ihn verpflichtenden Jours fixe mit Herrn W. seien die eingeholten Angebote durch ihn – den Kläger – vorgestellt worden. Wenn Herr W. mit den Angeboten einverstanden gewesen sei, sei er zur Beauftragung der Leistungen angewiesen worden. Er habe aber nicht eigenständig Aufträge vergeben dürfen, sondern habe stets eine Unterschrift von Herrn W. einholen müssen. Nach der Beauftragung der Dienstleister sei er weitgehend mit Terminkoordinationen zwischen allen Beteiligten, Ortsbegehungen, Mängelkontrollen, Abnahmen und Reportings an die Geschäftsleitung beschäftigt gewesen. Im weiteren Verlauf seien auch regelmäßig Weisungen an ihn erteilt worden, die sich auf die Ausführung bestimmter Arbeiten bezogen hätten und oft fristgebunden gewesen seien.

Aus den zur Akte gereichten Protokollen der Jours fixe (bei denen er immer als Vertreter der Beklagten genannt werde) ergäben sich unzweifelhaft Weisungen. Zwar hätten auch andere externe Dienstleister an den Terminen teilgenommen. Ihm habe aber die Terminkoordination und Organisation im Interesse der Beklagten oblegen. Er sei als Vertreter der Beklagten ständig verfügbarer Ansprechpartner der anderen Beteiligten gewesen, was ihn von diesen maßgeblich unterschieden habe.

Er sei regelmäßig im Umfang von vier Tagen pro Woche von Montag bis Donnerstag und im Schnitt 112,5 Stunden pro Monat beschäftigt gewesen. Der Gesamtumfang seiner Tätigkeit habe sich wie folgt dargestellt: 2017: 880,50 Stunden, 2018: 1.312,25 Stunden, 2019: 1.382,23 Stunden, 2020: 1.243,00 Stunden und 2021: 1.136,75 Stunden.

Die Terminkoordination, die interne Organisation der Aufgaben und Überwachung der Baumaßnahmen, die Berichterstattung und Betreuung der Mietverhältnisse seien seine Hauptaufgaben gewesen und hätten zwingend eine örtliche Verfügbarkeit in einem vordefinierten Zeitrahmen vorausgesetzt. Unstreitig sei seine Anwesenheit auf den Jours fixe zweimal wöchentlich erwartet worden. Ihm seien auch auf den Jours fixe regelmäßig neben anderen Arbeitnehmern Verantwortlichkeiten zugewiesen worden.

Die Beklagte verfüge aufgrund der verstetigten Leistungserbringung durch ihn über ein derart hohes Maß an Planungssicherheit, dass ein Arbeitsverhältnis angenommen werden müsse.

Über das Handy sei er auch in das Terminmanagement eingebunden gewesen und habe auf diesem Weg neben den eingetragenen Jours fixe auch Einladungen zu verschiedenen Abstimmungsterminen (z. B. Gespräche mit externen Anwälten betr. Vertragsgestaltung Verkauf Altgelände) erhalten. Sein Erscheinen sei hier stets vorausgesetzt gewesen.

Die Arbeiten am Neubau L8 (Teil A des Vertrages) seien bereits im Mai 2019 abgeschlossen gewesen. Es habe auch eine Einweihungsfeier für den Neubau stattgefunden. Er sei neben weiteren Mitarbeitern der Beklagten Mitglied im Organisationsteam für diese Veranstaltung gewesen und habe sich in Abstimmung mit den anderen Mitarbeitern um die Koordination des Außenbereiches (Stromversorgung, Wasser, Sanitär) gekümmert, was wiederum seine starke betriebliche Einbindung verdeutliche. Nach Mai 2019 seien seine Haupttätigkeiten für 2,5 Jahre ausschließlich im Rahmen der Unterstützung bei der Werkstrukturplanung und bei der Betreuung des W.-Geländes angesiedelt gewesen, Teil B und C des Vertrages. Für den Bereich B (ca. 10 % seiner Arbeitszeit) hätten sich seine Aufgabenstellungen einerseits aus den jährlichen Projekt- und Budgetplanungen im Hinblick auf erforderliche Bau- und Erhaltungsmaßnahmen und andererseits aus dem täglichen Bedarf der Mieter ergeben. Er sei ständiger Ansprechpartner der Mieter gewesen. Diese hätten ihre baulichen und technischen Wünsche an ihn herangetragen. Er habe anschließend die Budgetplanung für die Maßnahmen in Abstimmung mit den Vertretern der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen Frau S. und Herr F. übernommen. Dieses Budget sei dem Geschäftsführer Herrn W. vorgelegt und von ihm genehmigt worden. Er sei auch hier von Herrn W. mit der Durchführung der einzelnen Maßnahmen beauftragt worden und habe ihm laufend Bericht erstattet. Eine weitere seiner Aufgaben sei die Entgegennahme und Bearbeitung von Mängelanzeigen durch die Mieter gewesen. Er habe hierzu ebenfalls regelmäßig an Herrn W. berichtet und nach dessen Freigabe die Beauftragung der Dienstleister und Überwachung der Mängelbeseitigung durchgeführt.

Für den nur rahmenmäßig beschriebenen Teil C des Vertrages habe sich die Aufgabenstellung aus den Wünschen der Geschäftsführung oder den regelmäßig anfallenden betrieblichen Notwendigkeiten ergeben. Er sei im Rahmen der Werkstrukturplanung maßgeblich mit dem Verkauf des sogenannten Altgeländes und einer Vielzahl an weiteren Aufgaben beschäftigt gewesen, die sich teilweise miteinander überschnitten hätten und bei denen eine klare Trennung nach Tätigkeit und konkretem Arbeitsergebnis nicht möglich sei.

Seine Tätigkeit bei dem Verkauf des Altgeländes habe in der Mitarbeit bei der Vertragsgestaltung (unter anderem Führung der Interessenten über das Gelände, Zusammentragung von für die Vertragsgestaltung notwendigen Daten und Informationen) bestanden. Hier sei die Aufgabenverteilung in den Gesprächen, die mit den Anwälten des Kaufinteressenten O und der Rechtsabteilung geführt worden seien, erfolgt. Diese Gespräche hätten in der Regel an Nachmittagen stattgefunden und er sei explizit durch die Geschäftsführung dazu geladen worden. Die Aufgabenstellungen für ihn hätten sich aus den Vorgaben der Rechtsabteilung der Beklagten ergeben. Diese habe ihn fortlaufend zur Einholung von Auskünften, Informationen und Unterlagen aufgefordert. Eine Vielzahl der Aufgaben habe sich auch aus Wünschen der Kaufinteressenten und darauf von der Geschäftsleitung unternommenen Versuchen, diese umzusetzen, ergeben.

Neben dem Verkauf des Altgeländes seien eine Vielzahl weiterer Aufgaben für ihn angefallen, die in Teamarbeit mit den bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeitern hätten abgearbeitet worden seien, so z. B. der Umbau der Halle A8, die Planung einer neuen Werkspforte, der Umzug der Werkstätten, der Rückbau Brunnen, der Umzug der Werksfeuerwehr etc. Diese Aufgaben habe er sich ebenfalls nicht aussuchen können. Es habe vielmehr eine arbeitsteilige Verteilung der zu erledigenden Aufgaben im Team stattgefunden und jeder habe dabei seinen eigenen Beitrag je nach fachlicher Kompetenz und zeitlicher Verfügbarkeit geleistet. Die Tätigkeiten seien üblicherweise in Teilprojekte aufgegliedert worden, an deren Erfüllung neben ihm die Mitarbeiter der Beklagten und weitere Akteure beteiligt gewesen seien, ohne dass ein konkretes Arbeitsergebnis von ihm geschuldet worden oder erkennbar gewesen sei. Die abzuarbeitenden Projekte hätten dabei im Wesentlichen auf Wünschen der Geschäftsleitung oder der Fachabteilungen basiert. Die Anliegen seien auf die Tagesordnung genommen und anschließend verteilt worden, bis keine Aufgaben mehr übrig gewesen seien. Die Aufgaben seien zwingend zu erledigen gewesen.

Auch nach Beendigung des Projektes L8 sei er mit einer Vielzahl an Änderungswünschen seitens der Geschäftsführung beauftragt worden, die außerhalb der Projektplanung gelegen hätten, so Tätigkeiten für das Projekt auf dem Dachgarten des Obergeschosses von L8 einen Garten im japanischen Stil anzulegen, betreffend die nachträgliche Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gebäudes L8 im Sommer 2019, betreffend die Beschaffung weiterer Parkplätze im Oktober 2021, die Suche nach Archivräumen ca. 2018/2019, die Beschaffung eines Containers für Coronatests für die Mitarbeiter, den Rückbau störender Fahnenmaste und die Sanierung der Werbefigur F.

Das Arbeitsgericht führe rechtsfehlerhaft aus, dass die Kündigung selbst bei unterstelltem Arbeitsverhältnis jenes aufgelöst habe. Die Beklagte habe an keiner Stelle ihres Vortrags ausgeführt, welcher Pflichtverstoß ihm genau vorgeworfen werde. Es werde bestritten, dass er substantielle finanzielle Schäden gezielt verursacht habe und sich in zwei Fällen der Untreue schuldig gemacht habe. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Er sei kein leitender Angestellter gewesen, so dass der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören gewesen wäre.

Der Kläger beantragt, das am 30.05.2022 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Mainz zu Az.: 8 Ca 1454/21 aufzuheben und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 18.11.2021 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 12.08.2022 sowie des Schriftsatzes vom 30.01.2023, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 298 ff., 372 ff. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen als rechtlich zutreffend.

Ihre vermeintlichen Vorteile durch die Vertragsgestaltung wirkten sich nicht gleichzeitig negativ für den Kläger aus. Der Kläger habe unstreitig selbst erhebliche Vorteile aus der Beschäftigung im Rahmen des in Streit stehenden Vertragsverhältnisses gezogen. Der sich für ihn daraus ergebende Hinzuverdienst zu den Altersbezügen stelle schon allein ob seiner Höhe ein erhebliches Indiz dar. Der Kläger habe auch deshalb das (vormalige) Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung beendet, ihr wäre dies nicht möglich gewesen. Der Kläger selbst habe seinerzeit mitgeteilt, dass er sich nach einer langen Karriere als Angestellter anderen Dingen widmen wolle – seiner Familie, Freizeitaktivitäten etc. und dass er nebenbei auch eine Beratungstätigkeit bei Bauprojekten, der Suche von Immobilienprojekten o. ä. aufbauen wolle.

Sie habe dem mehrfach ausdrücklich bekundeten Willen des Klägers, eine Tätigkeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses umzusetzen, entsprochen. Diesem Umstand Rechnung tragend, habe sie dem Kläger ein entsprechendes Vertragsangebot unterbreitet. Dem Kläger gegenüber sei dabei auch ausdrücklich kommuniziert worden, dass man bereit sei, Vertragsanpassungen auf seinen Wunsch hin vorzunehmen bzw. über diese zu verhandeln.

Die aufgezählten Tätigkeiten seien Kernaufgaben externer Projektsteuerung, freier Architekten oder Gebäudeverwalter. Bestritten werde, dass der Kläger wiederkehrende administrative Aufgaben und die operative Betreuung der Mietverhältnisse übernommen habe. Gerade die administrative Betreuung der Mietverhältnisse (insbesondere die Erstellung der Nebenkostenabrechnungen) sei durch ihre Buchhaltung übernommen worden. Der Abschluss und die Beendigung von Mietverträgen sei von ihrer Rechtsabteilung umgesetzt worden.

Es sei gerade das „besondere Vertrauensverhältnis“ gewesen, welches überhaupt zum Vertragsschluss geführt habe.

Bei seiner Beratertätigkeit sei der Kläger nicht mehr dem Geschäftsbereich Produktversorgung zugeordnet gewesen. Er habe sich im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit hinsichtlich seiner Auftragserteilung ausschließlich mit dem kaufmännischen Geschäftsführer abgestimmt. Der Kläger habe im Zusammenhang mit seiner selbstständigen Tätigkeit nicht mehr, wie noch während seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer, Wartungs- und Reparaturaufträge vergeben sollen. Insbesondere habe es nicht mehr zu seinem Auftrag gehört, buchhalterische Abwicklungen oder Betriebskostenabrechnungen für vermietete Gebäude zu prüfen.

Es solle nicht bestritten werden, dass es hinsichtlich der Themengebiete, mit denen sich der Kläger zum einen im Rahmen seines Arbeitsvertrages und dann später als Berater beschäftigt habe, Überschneidungen gegeben habe. Bestritten werde allerdings, dass er dies als Berater ebenfalls weisungsgebunden getan habe. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer habe der Kläger keine eigene Wahl gehabt, welchen Themengebieten er sich habe widmen wollen. Umgekehrt sei es ihm im Rahmen der Beratungstätigkeit nicht mehr gestattet gewesen, ihren „Leistungsapparat“ zu nutzen. Er habe nicht nur keine Weisungen erteilt bekommen, sondern habe auch selbst keine Weisungen gegenüber den bei ihr Beschäftigten erteilen können.

Wenn der Kläger behaupte, dass er seine Leistung „in Abstimmung“ mit den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern“ erbracht habe, werde dies bestritten. Eine Absprache sei mit der Geschäftsführung erfolgt. Insoweit sei es sogar vorgekommen, dass der Kläger ohne vorherige Abstimmung und ohne entsprechende Befugnis auf ihre Arbeitnehmer zugegriffen und diesen Weisungen erteilt habe. Dies habe er getan, ohne sich zuvor mit den zuständigen Bereichsleitern abgestimmt zu haben oder gar deren Zustimmung eingeholt zu haben. Er habe dabei völlig eigenmächtig gehandelt. Genauso wenig habe es die vom Kläger behaupteten „Arbeitskontrollen“ gegeben.

Im Vergleich zu seiner Beschäftigung im Arbeitsverhältnis bei ihr hätten bezüglich seiner „Arbeitszeit“, der Vergütung bzw. des Honorars, der Personalverantwortung und hinsichtlich des Tätigkeitsfeldes erhebliche Unterschiede bestanden.

Der Kläger sei nicht in ein bei ihr etabliertes Team eingegliedert worden.

Er habe gerade keinen Terminkalender führen müssen, der eine Terminübersicht und Zeitnachweise enthalten hätte.

Da ihrem Geschäftsführer, Herrn W., die Funktion der Kostenplanung und Überwachung bestimmter Projekte obliegen habe, sei die Auftragserteilung an den Kläger und die entsprechende Kommunikation durch und mit ihm erfolgt. Eine fachliche Steuerung und Ausrichtung, respektive Weisungserteilung, sei seitens des für die Produktversorgung zuständigen Geschäftsführers Herrn M. in der neuen Rolle des Klägers diesem gegenüber nicht mehr notwendig gewesen und sei entsprechend auch nicht mehr erfolgt,

Der Einzug in den Neubau L8 habe erst im November/Dezember 2019 stattgefunden. Auch danach habe es weitere Arbeiten an und um das Gebäude herum gegeben. Es werde bestritten, dass dem Kläger durch sie die Weisung erteilt worden sei, die Einweihungsfeier zu organisieren.

Die Beratungsleistung, die der Kläger im Rahmen seines Beratungsvertrages erbracht habe, könne auch schon deshalb nicht mit seinen Tätigkeiten als Arbeitnehmer gleichgesetzt werden, weil sie bereits nach Art und Umfang der Projekte nicht ansatzweise vergleichbar gewesen seien. Während er im Arbeitsverhältnis einen ständigen Bedarf befriedigt habe, wobei sich dieser im Wesentlichen auf die Erhaltung und Funktionsfähigkeit der betrieblichen Anlagen fokussiert habe, habe er als Berater Projekte begleitet, die – mit Blick auf die Firmenhistorie – beispiellos seien. Im Kern habe sich dabei um die umfassende Neuaufstellung des Betriebsgeländes behandelt. Dies habe die Vorbereitung des Verkaufs eines Teils des Betriebsgeländes, des sogenannten „Altgeländes“, und damit einhergehende bauliche Maßnahmen (zum Beispiel Verlegung der Pforte zum Betriebsgelände, Verlegung des Abfallplatzes, Änderung von Lagerräumen, Rückbau von Altgebäuden, Veränderung der Anschlusssituation von Elektrizität, Löschwasser, Fernwärme etc.) und die Errichtung des neuen Gebäudes L8, einer Kombination aus Produktions-, Lager- und Bürogebäude, gehandelt. Letzteres sei das größte Investitionsprojekt der Unternehmensgeschichte gewesen. Diese Projekte seien überdies auch von anderen Projektsteuerern und Architekten begleitet worden.

Die Tätigkeit des Klägers bezüglich der „Umsetzung und Koordinierung des Vorhabens“ Verkauf des Altgeländes habe in der Beratung und Begleitung des Projekts bzw. Bereithaltung von Informationen bestanden. Sie habe die Maklerfirma J. mit der Suche nach Kaufinteressenten für das Gelände beauftragt. Die vertragsgestaltenden Tätigkeiten im Rahmen des Verkaufs seien durch die Rechtsabteilung in Zusammenarbeit mit einer auf Immobilien- und Baurechtsthemen spezialisierten Kanzlei übernommen worden.

Die Auftragserteilung gegenüber dem Kläger durch Herrn W. sei nicht im Rahmen „arbeitsrechtlicher“ Weisungen erfolgt. Natürlich seien Vorgaben durch die Beklagte erteilt worden, wie sie aber eben auch anderen externen Unternehmen bzw. Auftragnehmern gegenüber erteilt worden seien.

Bei den vom Kläger zitierten „Aufgaben“ habe es sich jeweils immer um Folge- oder Unterprojekte gehandelt, die im direkten Zusammenhang mit der Neuordnung des Werksgeländes gestanden hätten. Die Erschließung oder „Anweisung“ neuer Tätigkeitsbereiche habe es insofern gerade nicht gegeben.

Schon dass nach dem Vortrag des Klägers weitere externe Dienstleister und Berater an genau den Projekten mitgewirkt hätten wie er selbst, verdeutliche die Komplexität der Projekte und die Erforderlichkeit der Einbindung unterschiedlicher – eben auch externer – Experten. Aufgrund dieser Komplexität seien intensive Abstimmungen bzw. Absprachen zwischen der Beklagten und ihren externen Beauftragten unerlässlich gewesen.

Soweit der Kläger sagen möge, dass er persönlich angewiesen worden sei, definierte bzw. vereinbarte Aufgaben in einer bestimmten Art und Weise und in einem zeitlich fixierten Rahmen umzusetzen, bestreite sie, dass dies der Fall gewesen sei. Ihr erschließe sich auch nicht, welche Sanktionierungsmittel ihr zur Verfügung gestanden hätten, um dies durchzusetzen.

Durch den Kläger habe es weder die Zusage der ständigen Dienstbereitschaft gegeben noch sei ihm dies abverlangt worden. Der Kläger sei frei in seiner Zeiteinteilung gewesen. Es habe hinsichtlich einer Urlaubsplanung des Klägers weder Vorgaben noch Prozesse geben. Eine wie auch immer geartete Vorgabe, welchen zeitlichen Aufwand der Kläger zu betreiben, wie er diese einzuteilen oder wann er zu Verfügung zu stehen gehabt habe, habe es zu keiner Zeit gegeben. Mit dem Kläger seien lediglich Terminabsprachen getroffen worden, um einen reibungslosen Projektablauf zu gewährleisten. Als Berater habe er die zeitlichen Freiheiten auch genutzt um sich am Ende seiner Beratertätigkeit insbesondere seinem Enkel zu widmen. Weder seien bei ihr entsprechende Freizeiten beantragt noch abgesprochen worden.

Bei ihren Vorgaben handele es sich um sachbezogene und ergebnisorientierte Leitlinien, die die Rechtsprechung typischerweise in Einklang bringe mit Leistungsanweisungen Selbstständigen gegenüber.

Die Aufgabe, Termine zu organisieren, begründe nicht die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers ihr gegenüber.

Die vom Kläger dargestellten Projekte seien allesamt der Werkstrukturplanung zuzuordnen. Dabei sei der Kläger aber nicht für die Abstimmung mit den internen Abteilungen zuständig gewesen. Tatsächlich sei es immer wieder dazu gekommen, dass der Kläger ohne jegliche Abstimmung eigenmächtig gehandelt und Dritte zur Ausführung von Tätigkeiten bestimmt habe. Dies habe wiederholt zu Spannungen mit ihren Mitarbeitern geführt.

In seinem vormaligen Arbeitsverhältnis habe der Kläger erhebliche Personalverantwortung übernommen gehabt. Er sei in diesem Zusammenhang befugt gewesen, eigenständig Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen, wobei er von dieser Befugnis auch gebraucht gemacht habe. Insofern sei er in seinem Arbeitsverhältnis leitender Angestellter gewesen.

Die Kündigung sei aus wichtigem Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB erfolgt, da sie davon überzeugt sei, dass der Kläger wiederholt und fortgesetzt erhebliche Pflichtverletzungen zu ihrem Nachteil begangen habe, die mindestens teilweise auch Straftatbestände verwirklicht hätten. Sie sei zur Überzeugung gelangt, dass der Kläger spätestens seit 2005 (Sachverhalt W.) bzw. seit 2013 (Sachverhalt A & A) im Zuge seiner langjährigen Tätigkeit für sie unter evidenter und gravierender Verletzung seiner Pflichten gegenüber dem Unternehmen substantielle finanzielle Schäden gezielt verursacht habe und sich somit in zwei Fällen der Untreue gemäß § 266 StGB jeweils in einem besonders schweren Fall (wegen des Vermögensverlustes größeren Ausmaßes gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 2 in Verbindung mit § 266 Abs. 2 StGB) schuldig gemacht habe. Es sei im Sachverhalt W. zudem sicher und im Sachverhalt A & A naheliegend, dass der Kläger diese Pflichtverletzungen gegenüber dem Unternehmen tatmehrheitlich im Rahmen von Unrechtsvereinbarungen im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB begangen habe, weil er Zuwendungen für sich oder Dritte als Gegenleistung sowohl für seine Pflichtverletzung (zu ihren Lasten) wie auch für die wettbewerbswidrige Bevorzugung einzelner Dienstleister (zu ihrem Schaden) erhalten habe; auch hier komme jedenfalls im Sachverhalt W. wegen des Vorteils großen Ausmaßes ein besonders schwerer Fall konkret in Betracht (§ 300 Satz 2 Nummer 1 StGB).Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 30.11.2022 und 29.03.2023 (Bl. 337 ff., 412 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung des Klägers Erfolg.

I.

Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Feststellungsantrag steht nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht die vom Kläger klageerweiternd gestellten Anträge, insbesondere den Hilfsantrag im Schriftsatz vom 14.04.2022 auf Feststellung, dass das Vertragsverhältnis nicht durch außerordentliche Kündigung, sondern nur durch ordentliche Kündigung zum 31.12.2021 aufgelöst worden ist, verfahrensfehlerhaft abgetrennt hat.

Eine Abtrennung gemäß § 145 ZPO setzt voraus, dass die einzelnen Verfahrensteile Ansprüche betreffen, über die unabhängig voneinander entschieden werden kann. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn der Gegenstand des abgetrennten Verfahrens in einem zulässigen Eventualverhältnis zum Gegenstand des ursprünglichen Verfahrens steht. Mit der Abtrennung entstünde nämlich ein neues Verfahren, dessen Hauptantrag unter einer Bedingung steht. Eine Klage dieses Inhalts müsste als unzulässig abgewiesen werden und zwar auch dann, wenn die Bedingung später eintritt. Eine Verfahrenstrennung mit dieser Folge ist mit § 145 ZPO nicht vereinbar (BGH 19.05.2015 – X ARZ 61/15 – Rn. 13 mwN., juris).

Dieser Verfahrensfehler ist aber nicht so schwerwiegend, dass er der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den verbliebenen Teil entgegenstehen würde. Zwar ist eine fehlerhafte Verfahrenstrennung nicht selbstständig mit Rechtsmitteln angreifbar. Als dem Endurteil vorausgegangene Entscheidung unterliegt sie aber der Nachprüfung im Verfahren über ein Rechtsmittel gegen die Endentscheidung (BGH 19.05.2015 – X ARZ 61/14 – Rn. 13 mwN., juris).

Der Kläger hat mit seiner Berufung nicht gerügt, dass das Urteil bereits deshalb aufzuheben ist, weil die Verfahrenstrennung zu Unrecht erfolgt ist. Vielmehr haben beide Parteien im ersten zweitinstanzlichen Kammertermin ausdrücklich erklärt, es bestünden keine Bedenken hinsichtlich der vorgenommenen Abtrennung und der Fortführung dieses Verfahrens lediglich mit dem Kündigungsschutzantrag. Dem Kläger entsteht dadurch auch kein unzumutbarer Nachteil, da er seinen vor dem Arbeitsgericht verbliebenen Hilfsantrag unbedingt geltend machen kann. Eine hierin liegende Klägeränderung wäre schon im Hinblick auf die besondere Verfahrenssituation als sachdienlich anzusehen (vgl. BGH 19.05.2015 – X ARZ 61/15 – Rn. 16, juris).

II.

1.

Die Klage ist zulässig, insbesondere besteht ein Interesse des Klägers im Sinn des § 256 Abs. 1 ZPO festzustellen, dass es sich bei dem zwischen den Parteien seit dem 01.03.2017 bestehenden Vertragsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelt, das durch die außerordentliche Kündigung vom 18.11.2021 nicht aufgelöst worden ist.

Gegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 (§ 13 Abs. 1 Satz 2) KSchG ist das Begehren festzustellen, dass „das Arbeitsverhältnis“ durch die konkrete, mit der Klage angegriffene Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Die betreffende Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (BAG 21.05.2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 10 mwN.). Die Gerichte für Arbeitssachen haben deshalb inzidenter zu prüfen, ob das Rechtsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Besteht kein Arbeitsverhältnis, kann ein der Klage stattgebendes Urteil nicht ergehen; vielmehr ist die Klage schon aus diesem Grund abzuweisen (BAG 30.11.2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 28; 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 27 mwN.; 21.05.2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 10 mwN.).

2.

Die Kündigungsschutzklage ist auch begründet. Zwischen den Parteien bestand zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Arbeitsverhältnis. Dieses ist durch die Kündigung vom 18.11.2021 bereits deshalb nicht beendet worden, weil der bei der Beklagten gewählte Betriebsrat vor ihrem Ausspruch nicht angehört worden ist (§ 102 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BetrVG). Die Beklagte hat zudem nicht dargelegt, dass die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB bei Ausspruch der Kündigung gewahrt war.

a)

Das zwischen den Parteien seit dem 01.03.2017 bestehende Vertragsverhältnis ist nach Auffassung der Kammer bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände ein Arbeitsverhältnis.

aa) Nach dem – seit dem 01.04.2017 geltenden – § 611a Abs. 1 BGB ist Arbeitnehmer, wer durch einen Arbeitsvertrag im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet wird (Satz 1). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen (Satz 2). Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (Satz 3). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (Satz 4). Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen (Satz 5). Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich danach von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit des Verpflichteten. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Die Begriffe der Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmung sind eng miteinander verbunden und überschneiden sich teilweise. Eine weisungsgebundene Tätigkeit ist in der Regel zugleich fremdbestimmt. Die Weisungsbindung ist das engere, den Vertragstyp im Kern kennzeichnende Kriterium, das durch § 611a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BGB näher ausgestaltet ist. Es kann, muss aber nicht gleichermaßen Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Nur wenn jedwede Weisungsgebundenheit fehlt, liegt in der Regel kein Arbeitsverhältnis vor. Das Kriterium der Fremdbestimmung erfasst insbesondere vom Normaltyp des Arbeitsvertrags abweichende Vertragsgestaltungen. Sie zeigt sich insbesondere in der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers (vgl. nur BAG 30.11.2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 31 mwN.; 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 31 mwN.).

Weisungsgebundenheit kann in verschiedenen Erscheinungsformen bestehen. In der Regel wird eine vertraglich nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht, d. h. die dem Umfang nach bereits bestimmte Leistung des Beschäftigten – durch die Ausübung des Weisungsrechts konkretisiert. Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. § 106 Satz 2 GewO erkennt zusätzlich die Ordnung und das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb als Gegenstand des Weisungsrechts an. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers korrespondiert mit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Durch die Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 Satz 2 GewO wird regelmäßig erst die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Beschäftigte seine Arbeit leisten und das Rechtsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann (BAG 30.11.2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 32 mwN.). Weisungsgebundenheit kann sich aber auch – wie § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB zeigt – aus einer detaillierten und den Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung stark einschränkenden rechtlichen Vertragsgestaltung oder tatsächlichen Vertragsdurchführung ergeben (BAG 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 33 mwN.).

In zeitlicher Hinsicht besteht eine Abhängigkeit von Weisungen, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeitszeiten letztlich „zugewiesen“ werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben (BAG 30.11.2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 33 mwN.; 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 34 mwN.). Allerdings können Weisungsrechte auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses bestehen. Weisungsgebundenheit iSv. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB setzt voraus, dass der Beschäftigte in der Gestaltung seiner Tätigkeit nicht „im Wesentlichen frei“ ist. Zeitliche Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind für sich allein kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis (BAG 30.11.2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 34; 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 35 mwN.). Auch gegenüber einem freien Mitarbeiter können Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne dass daraus eine arbeitnehmertypische zeitliche Weisungsgebundenheit folgt (BAG 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 35 mwN.). Zudem steht einem Auftraggeber gegenüber einem freien Mitarbeiter grundsätzlich das Recht zu, Anweisungen hinsichtlich des Arbeitsergebnisses zu erteilen. Die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis ist daher gegenüber dem Weisungsrecht für Vertragsverhältnisse mit Selbstständigen und Werkunternehmern abzugrenzen: Die Anweisung gegenüber einem Selbstständigen ist typischerweise sachbezogen und ergebnisorientiert und damit auf die zu erbringende Dienst- oder Werkleistung ausgerichtet. Im Unterschied dazu ist das arbeitsvertragliche Weisungsrecht personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert geprägt. Für die Bestimmung des Vertragstyps kommt es indiziell darauf an, inwieweit der Arbeitsvorgang durch verbindliche Weisungen vorstrukturiert ist (BAG 30.11.2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 34; 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 35). Weisungen, die sich ausschließlich auf das vereinbarte Arbeitsergebnis beziehen, können auch gegenüber Selbstständigen erteilt werden. Wird die Tätigkeit aber durch den „Auftraggeber“ geplant und organisiert und der Beschäftigte in einen arbeitsteiligen Prozess in der Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche Organisation der Erstellung des vereinbarten „Arbeitsergebnisses“ faktisch ausschließt, liegt ein Arbeitsverhältnis nahe (BAG 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 35). Richten sich die vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem jeweiligen Bedarf des Auftraggebers, so kann auch darin ein Indiz gegen eine werk- und für eine arbeitsvertragliche Beziehung liegen, wenn mit der Bestimmung von Leistungen auch über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit entschieden wird (BAG 30.11.2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 34).

Auch tatsächliche Zwänge durch eine vom Auftraggeber geschaffene Organisationsstruktur können geeignet sein, den Beschäftigten zu dem gewünschten Verhalten zu veranlassen, ohne dass dazu konkrete Weisungen ausgesprochen werden müssen (BAG 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 33 mwN.). So ist von einem Arbeitsverhältnis auszugeben, wenn der Auftraggeber in der Lage ist, Art und Umfang der Beschäftigung maßgeblich zu steuern und dadurch über eine Planungssicherheit verfügt, wie sie bei einem Einsatz eigener Arbeitnehmer typisch ist (BAG 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 36).

In die Beurteilung, ob der – für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche – Grad der persönlichen Abhängigkeit erreicht ist, ist nach § 611a Abs. 1 Satz 4 BGB die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit einzubeziehen. Die Art der Dienstleistung und die Zugehörigkeit der Tätigkeit zu einem bestimmten Berufsbild können den zugrundeliegenden Vertragstyp ebenso beeinflussen wie die Organisation der zu verrichtenden Arbeiten (BAG 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 37). Bestimmte Tätigkeiten lassen sich sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch in einem Werk- oder freien Dienstvertrag verrichten, während andere regelmäßig im Rahmen des Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden. Bei untergeordneten einfachen Arbeiten besteht eher eine persönliche Abhängigkeit als bei gehobenen Tätigkeiten (BAG 30.11.2021 – 9 AZR 145/21 – Rn. 35; 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 37 mwN.). Ein Arbeitsverhältnis kann aber auch bei Diensten höherer Art gegeben sein, selbst wenn dem Dienstverpflichteten ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbstständigkeit verbleibt (BAG 26.05.1999 – 5 AZR 469/98 – Rn. 33).

Nach § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB bedarf es für die Feststellung des Rechtsverhältnisses im konkreten Fall einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls. Anknüpfungspunkt für die Zuordnung des Rechtsverhältnisses zu einem bestimmten Vertragstyp sind insbesondere die in § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB genannten Abgrenzungskriterien, können aber auch weitere Umstände sein, die teleologisch zur Abgrenzung beitragen können. Von dem Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses kann (erst) dann ausgegangen werden, wenn den Kriterien, die für eine persönliche Abhängigkeit sprechen, im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung hinreichendes Gewicht beizumessen ist oder sie dem Rechtsverhältnis ihr Gepräge geben (BAG 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 38).

Ein Widerspruch zwischen Vertragsbezeichnung und Vertragsdurchführung wird durch gesetzliche Anordnung zugunsten letzterer aufgelöst. Für die Bestimmung des Vertragstyps ist dann allein die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses maßgeblich. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben (vgl. nur BAG 01.12.2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 39 mwN.).

bb) Für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist der Beschäftigte darlegungs- und beweispflichtig, sofern er sich hierauf beruft (Schaub ArbR-HdB/Vogelsang, 19. Aufl 2021, § 8 Rn. 43).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen und bei einer Gesamtbetrachtung des zwischen den Parteien seit dem 01.03.2017 bestehenden Vertragsverhältnisses ist dieses nach Auffassung der Kammer ein Arbeitsverhältnis. Zwar haben die Parteien ihren Vertrag ausdrücklich mit „Beratungsvertrag“ überschrieben und in diesen – jedenfalls zum Teil – entsprechende Regelungen aufgenommen. Der schriftliche Beratungsvertrag enthält jedoch auch Regelungen die auf ein Arbeitsverhältnis hindeuten. Praktisch haben die Parteien das Vertragsverhältnis jedoch – entsprechend dem zuvor zwischen ihnen jahrzehntelang bestehenden Rechtsverhältnis – als Arbeitsverhältnis gelebt. Dieser teilweise Widerspruch zwischen der Vertragsbezeichnung und im Arbeitsvertrag enthaltenen Regelungen und der tatsächlichen Vertragsdurchführung ist entsprechend der gesetzlichen Anordnung zugunsten des Arbeitsverhältnisses aufzulösen. Im Einzelnen:

(1) Die Parteien haben den Vertrag ausdrücklich mit „Beratungsvertrag“ überschrieben. Der Kläger wird im Beratungsvertrag nicht als Arbeitnehmer, sondern ausdrücklich als „Berater“ bezeichnet. In § 2 Ziff. 3 Satz 2 des Beratungsvertrages haben die Parteien ausdrücklich festgehalten, dass es der „ausdrückliche Wunsch des Beraters“, das heißt des Klägers ist, „dass das vorliegende Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis praktiziert wird, damit er auch anderen Tätigkeiten nachgehen und für Dritte tätig sein kann.“ Dem entspricht, dass der Kläger selbst nach Abschluss des Beratungsvertrages am 09.09.2016 mit Schreiben vom 07.12.2015 sein ursprünglich mit der Beklagten bestehendes, langjähriges Arbeitsverhältnis zum 28.02.2017 gekündigt hat, da er sein „Rentenalter erreicht habe“.

Wie sich aus § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag jedoch dann nicht an, wenn die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses zeigt, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das bereits vor Inkrafttreten des § 611a BGB davon ausging, dass über die rechtliche Einordnung des Rechtsverhältnisses als Dienst- oder Arbeitsvertrag der Geschäftsinhalt entscheidet und nicht die von den Parteien – möglicherweise auch übereinstimmend – gewünschte Rechtsfolge oder Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht (BAG 21.05.2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 13 mwN.; 21.03.1984 – 5 AZR 462/82 – Rn. 30 mwN., juris).

Auch weitere Regelungen im schriftlichen Beratungsvertrag deuten auf ein freies Dienstverhältnis hin:

In § 1 Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 des Beratungsvertrages haben die Parteien vereinbart, dass der Kläger „für die Durchführung des jeweiligen Auftrags/Projekts im Rahmen der Beratung selbst verantwortlich“ ist und „insoweit keinerlei Weisungen“ der Beklagten „unterliegt“. Er soll „daher die Art und Weise der Ausübung sowie den Ort seiner Tätigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen frei bestimmen“ können (§ 1 Ziff. 2 Abs. 1 Satz 3 des Beratungsvertrages). Nach § 1 Ziff. 2 Abs. 2 Satz 1 des Beratungsvertrages soll der Kläger „die zeitliche Dauer und die konkreten Art und Weise“ seiner Leistungen selbst bestimmen können. Er „wird bei seiner Tätigkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausüben“ (§ 1 Ziff. 2 Abs. 2 Satz 2 des Beratungsvertrages).

In § 2 Ziff. 1 Abs. 1 Satz 1 des Beratungsvertrages haben die Parteien eine „stundenbezogene Vergütung mit einem Stundensatz in Höhe von 75,00 €“ vereinbart, wobei „die Vergütung […] sich immer zuzüglich der eventuell anfallenden gesetzlichen Umsatzsteuer in der jeweils geltenden Höhe“ versteht (§ 2 Ziff. 1 Abs. 1 Satz 2 des Beratungsvertrages).

Dem entspricht die in § 2 Ziff. 2 Satz 1 des Beratungsvertrages von den Parteien vereinbarte Verpflichtung des Klägers, der Beklagten „jeweils zu Beginn des Folgemonats eine ordnungsgemäße Rechnung (inkl. Aufstellung der konkret erbrachten Leistungen) über die im vorangegangenen Monat erbachten Leistungen“ zuzustellen, sowie die vereinbarte Fälligkeit der Vergütung „jeweils 15 Arbeitstage nach Eingang der jeweiligen Rechnung“, § 2 Ziff. 2 Satz 2 des Beratungsvertrages.

Die Bestimmungen über das Stundenhonorar und die Abrechnungsmodalitäten spielen für die Abgrenzungen verschiedener Vertragstypen jedoch keine Rolle, da sich die persönliche Abhängigkeit des Verpflichteten danach bestimmt, inwieweit die Ausführung der versprochenen Leistungen weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Entscheidend sind die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Vergütungszahlung (vgl. BAG 21.05.2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 21; 27.06.2017 – 9 AZR 851/16 – Rn. 29 mwN.).

Gegen eine freie Beratungstätigkeit spricht jedoch, dass der Kläger zwar Rechnungen erstellte, diese jedoch lediglich die Anzahl der angefallenen Stunden und – auch noch im Jahr 2021 – den Betreff: „Projektbetreuung gem. Vertrag vom 09.09.2016“ auswiesen, nicht jedoch detaillierter angaben, für welche konkreten Tätigkeiten der Zeitaufwand angefallen ist (vgl. Rechnung Nr. 10_2021 vom 01.11.2021, Bl. 150 f. d. A., Rechnung Nr. 11_2021 vom 02.12.2021, Bl. 157 f. d. A.).

Korrespondierend zur vereinbarten Stellung von Rechnungen durch ihn führt der Kläger „Steuern und eventuell anfallende Sozialabgaben […] selbst ab“. Aber auch die Behandlung der vereinbarten Vergütung ist für die Frage, welcher Natur das Rechtsverhältnis ist, nicht ausschlaggebend (BAG 26.05.1999 – 5 AZR 469/98 – Rn. 36, juris). Dies folgt bereits daraus, dass das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis und das Arbeitsverhältnis nicht identisch sind (BAG 21.05.2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 21; 08.05.2018 – 9 AZR 531/17 – Rn. 20 mwN.).

„Ansprüche auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall“ sollen nach § 2 Ziff. 3 Satz 2 des Beratungsvertrages nicht bestehen.

Die Hilfstatsachen vertraglicher Ausschluss von Urlaubsansprüchen und solchen auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind allerdings nicht wesentlich und können lediglich zu Gunsten des Mitarbeiters herangezogen werden (ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, BGB § 611a Rn. 47 mwN.). Allein aus dem Umstand, dass die Parteien Folgerungen aus der beabsichtigten Vereinbarung eines freien Mitarbeiterverhältnisses ziehen und auf die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die Geltendmachung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und die Beantragung von Erholungsurlaub sowie die Bezahlung von Urlaubsabgeltung verzichten und die Zahlung von Steuern und gegebenenfalls anfallenden Sozialversicherungsbeiträgen durch den Dienst- bzw. Arbeitnehmer vereinbaren, kann nicht bereits auf ein freies Mitarbeiterverhältnis geschlossen werden (ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, BGB § 611a Rn. 47 mwN.). Vorliegend kommt hinzu, dass der kaufmännische Geschäftsführer der Beklagten Herr W. den Kläger ausweislich des Chatverlaufs vom 16.09.2021 (Bl. 285 d. A.) auch während dessen Urlaubs kontaktierte („hoffe Sie haben einen erholsamen Urlaub! Kurze Frage: […]“) und der Kläger hierauf auch tätig wurde.

(2) Dagegen ist die in § 1 Abs. 2 Abs. 2 Satz 1 des Beratungsvertrages vorgesehene Bestimmung: „Der Berater hat seine Leistungen grundsätzlich persönlich zu erbringen“ typisch für ein Arbeitsverhältnis. Umgekehrt weist es auf eine selbstständige Tätigkeit hin, wenn eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei das Recht einräumt, Dritte in die Leistungserbringung einzubinden (vgl. BAG 21.05.2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 18 mwN.). Allerdings ist auch dem Dienstvertragsrecht eine Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung nicht fremd (BAG 27.06.2017 – 9 AZR 851/19 – Rn. 30 zur Erteilung von Unterricht, in denen es auf ein persönliches Verhältnis von Schüler und Lehrer ankommt).

In Zusammenhang hiermit steht die in § 8 des Beratungsvertrages vereinbarte „Wettbewerbsklausel“, wonach der Berater „während der Dauer dieses Vertrages jeden Wettbewerb gegen X&X unterlassen“ und „sich weder unmittelbar und mittelbar an einem Wettbewerbsunternehmen von X&X beteiligen oder ein solches in sonstiger Weise vertreten oder beraten“ wird.

Auch die vorgesehene Anzeige und gemeinsame Abstimmung des über einen monatlichen Beratungsbedarf von maximal 80 Stunden hinausgehenden konkreten Beratungsbedarfs in § 2 Ziff. 1 Abs. 3 des Beratungsvertrags entspricht den Voraussetzungen für einen Anspruch eines Arbeitnehmers auf Vergütung von Überstunden. Erbringt ein Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber nur dann verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist (BAG 25.03.2015 – 5 AZR 602/13 – Rn. 18 mwN.). Die geleisteten Überstunden müssen vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet worden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein, damit ein Anspruch auf ihre Vergütung besteht.

Die Erstattung von Aufwendungen, die dadurch entstehen, dass „der Berater auf Veranlassung von X&X seine Beratungsleistungen an einem anderen Ort als dem Geschäftssitz von  X&X erbringt, „gegen entsprechende Originalnachweise“ „nach den Vorgaben der X&X Reisekostenrichtlinie“ (§ 3 Ziff. 1 des Beratungsvertrages) ist ebenfalls üblich im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Das gilt auch für die grundsätzliche Abstimmung der „Erforderlichkeit von Reisen“ sowie der „voraussichtlich entstehenden Kosten“ „vor Reiseantritt mit „X&X“ (§ 3 Ziff. 2 des Beratungsvertrages).

Auch das in § 1 Ziff. 3 des Beratungsvertrages vereinbarte Zur-Verfügung-Stellen eines Büros und entsprechender Hilfsmittel (Laptop, Mobiltelefon) deutet auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses hin (vgl. BAG 21.05.2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 19 für den umgekehrten Fall der Stellung der Arbeitsgeräte/Arbeitsmittel durch einen Selbstständigen). Allerdings muss auch ein Unternehmer einen Vertrag nicht notwendig mit eigenen Arbeitsmitteln erfüllen (BAG 21.05.2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 36 mwN.).

Für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses spricht das Fortbestehen der dem Kläger unter dem 06.08.2013 erteilten Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB (auszuüben gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem Prokuristen) im ab dem 01.03.2017 bestehenden Vertragsverhältnis. Im Allgemeinen steht der Handlungsbevollmächtigte in einem Arbeitsverhältnis (BeckOK ArbR/Hagen, 67. Ed. 01.03.2023, HGB § 54 Rn. 1; ErfK-Oetker, 23. Aufl. 2023, HGB § 54 Rn. 2; Oetker/Schubert, 7. Aufl 2021, HGB § 54 Rn. 15). Gegebenenfalls kann im Innenverhältnis aber auch ein Dienstvertrag oder ein sonstiges Vertrags- oder Rechtsverhältnis zugrunde liegen (Hopt/Merkt, 42. Aufl. 2023, HGB § 54 Rn. 1; Oetker/Schubert, 7. Aufl 2021, HGB § 54 Rn. 15).

Die Parteien hatten in § 4 Abs. 1 des Beratungsvertrags eine Vertragslaufzeit bis zum 31.12.2018, also von 22 Monaten vorgesehen. Sie haben das Vertragsverhältnis darüber hinaus einvernehmlich fortgesetzt bis die Beklagte die streitgegenständlichen Kündigung vom 18.11.2021 aussprach. Das Aufgabengebiet des Klägers im Vertragsverhältnis ist in § 1 des Beratungsvertrages festgehalten. Es beinhaltet die Beratung und Erbringung folgender Leistungen: „Projektbetreuung Neubau Gebäude L8“, „Betreuung des ˋW.-Geländesˊ (X&X Immobilienverwaltung)“ sowie „Unterstützung bei der Werkstrukturplanung am Standort M.“. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit wurde von den Parteien schriftlich kein neues Aufgabengebiet festgelegt. Auch nach dem Bezug des Gebäudes L8 wurde das Vertragsverhältnis fortgeführt, ohne dass im Hinblick auf das vormals vereinbarte, nunmehr erfüllte Teilaufgabengebiet „Projektbetreuung Neubau Gebäude L8“ eine neue, dokumentierte Aufgabengebietsabsprache erfolgt wäre.

(3) Die – maßgebliche (§ 611a Abs. 1 Satz 6 BGB) – praktische Vertragsdurchführung durch die Parteien entspricht nach Auffassung der Kammer auch unter Berücksichtigung der schriftlichen Vereinbarungen der Parteien unter Berücksichtigung der Eigenart der Tätigkeit des Klägers einem Arbeitsverhältnis. Die Kriterien, die die persönliche Abhängigkeit des Klägers begründen, überwiegen. Sie prägen das Vertragsverhältnis, wenngleich sich die Tätigkeit des Klägers in fachlicher Hinsicht durch ein hohes Maß an Eigeninitiative und Eigenverantwortung auszeichnete.

Dabei ist nicht entscheidend, dass der Kläger im Vergleich zu seinem vormaligen langjährigen Beschäftigungsverhältnis ab dem 01.03.2017 mit einem geringeren Stundenumfang, reduzierten Aufgaben und Kompetenzen beschäftigt war. Die Parteien konnten auch ein Teilzeitarbeitsverhältnis vereinbaren und leben. Dieses musste nicht sämtliche vormaligen Aufgaben und Kompetenzen des Klägers umfassen.

Der Kläger hatte – entsprechend der vertraglichen Vereinbarung – nur persönlich ohne die Hinzuziehung von eigenem Personal für die Beklagte tätig zu werden. Er zog dementsprechend auch kein eigenes Personal hinzu. Die – ausschließlich – persönliche Leistungserbringung ist ein gewichtiger Gesichtspunkt im Rahmen der Beurteilung, ob ein Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Im Hinblick auf das vereinbarte Aufgabengebiet wäre die Heranziehung von eigenen Hilfskräften durch einen externen Dienstleister auch nicht ausgeschlossen oder ungewöhnlich, so beispielsweise im Rahmen der Projektbetreuung Neubau Gebäude L8 bei der Dokumentation des jeweiligen Projektstatus´ und der Abstimmung von Terminen oder bei der Betreuung des „W.-Geländes“. Die vertraglich vereinbarte persönliche Leistungserbringung war aber – so der Beklagtenvortrag – notwendige Grundlage für die Erfüllung der vereinbarten Aufgaben. Ohne die Verpflichtung der persönlichen Leistungserbringung wären aus Sicht der Beklagten die reibungslosen Abläufe gefährdet worden. Insbesondere hätte nicht sichergestellt werden können, dass es mit Blick auf „Kommunikationsverluste“ zu Störungen von Planung und Umsetzung gekommen wäre. Zwar ist in § 2 Ziff. 3 Satz 2 des Beratungsvertrages der „ausdrückliche Wunsch“ des Klägers festgehalten, „dass das vorliegende Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis praktiziert wird, damit er auch anderen Tätigkeiten nachgehen und für Dritte tätig sein kann“. Gleichzeitig wird die Möglichkeit des Klägers zu anderweitigen Tätigkeiten aber durch das Wettbewerbsverbot für die Dauer des Vertrages in § 8 des Beratungsvertrages eingeschränkt. Faktisch verblieben dem im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bereits 70 Jahre alten Kläger neben der vergleichsweise zeitaufwändigen Tätigkeit für die Beklagte bereits theoretisch nur begrenzte Zeit und eingeschränkte Möglichkeiten für andere Tätigkeiten und ein Tätigwerden für Dritte.

Das zwischen den Parteien im Beratungsvertrag vereinbarte Aufgabengebiet des Klägers ist sehr weit gefasst. Es umfasste die drei großen Bereiche: „Projektbetreuung Neubau Gebäude L8“, „Betreuung des ´W.-Geländes´ („X & X Immobilienverwaltung“ und „Unterstützung bei der Werkstrukturplanung am Standort M.“.

Ein Arbeitsverhältnis kann in der Regel angenommen werden, wenn der Verpflichtete eine zweck- und zeitbestimmte Arbeitsleistung mit im Voraus nicht abgegrenzten Einzelleistungen zugesagt hat (ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, BGB § 611a Rn. 36). So bedurften die vom Kläger zu erbringenden Leistungen in den Bereichen „Projektbetreuung Neubau Gebäude L8“ sowie „Unterstützung bei der Werkstrukturplanung am Standort M.“ nach Ansicht der Kammer der ständigen Konkretisierung, inhaltlichen Ausgestaltung und – spätestens nach Bezug des Gebäudes L8 – der Fortentwicklung. Das gilt insbesondere im Bereich der „Projektbetreuung Neubau Gebäude L8“ für die Organisation und Koordination der Anforderungen an das Gebäude für die Bereiche A. , X&X (IT, Technik, Produktion etc), X& X Service & Logistik, die Koordination zwischen XX, Projektsteuerung, Generalplaner und Generalunternehmer und gegebenenfalls weiteren Personen und das Monitoring/Abstimmung von Terminen, Kapazitäten und Logistik. Auch die „Unterstützung“ bei der Werkstrukturplanung setzt bereits begrifflich eine Vorgabe voraus, bei welchen Aufgaben eine Unterstützung welcher Art zu erfolgen hat. Die Konkretisierung der Einzelaufgaben und des geschuldeten Arbeitsergebnisses konnte der Kläger nicht nach eigenem Gutdünken vornehmen. Sie erfolgte vielmehr in ständiger Abstimmung mit dem Geschäftsführer der Beklagten W. unter anderem in wöchentlichen, für den Kläger verpflichtenden Jours fixe. Der Kläger hatte dem Geschäftsführer, Herrn W., regelmäßig Bericht zu erstatten. So hatte der Kläger Angebote von Dienstleistern und Handwerkern zur Durchführung von „Untermaßnahmen“ der unterschiedlichen Projekte zur Werkstrukturplanung einzuholen, die er dann der Geschäftsführung vorstellte, die wiederum eine Auswahl und Entscheidung über die Beauftragung traf. Nach Auftragserteilung hatte der Kläger die Durchführung zu organisieren und zu überwachen. Auch der Beratungsvertrag sieht in § 1 Ziff. 1 A. b) ausdrücklich die „entsprechende regelmäßige Information an die Geschäftsleitung“ vor. Die hierin liegende sukzessive Konkretisierung der vom Kläger zu erbringenden Leistungen durch den Geschäftsführer der Beklagten entsprechend dem aktuellen Bedarf der Beklagten und der wöchentliche Bericht des Klägers über sein Tätigwerden und die von ihm erzielten (Zwischen-)Ergebnisse an den Geschäftsführer Herrn W. zeigen nach Auffassung der Kammer eine für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses typische Weisungsabhängigkeit.

Der Kläger war zudem im Teilaufgabenbereich „Projektbetreuung Neubau Gebäude L8“ an der Schnittstelle der verschiedenen betroffenen Bereiche der Beklagten sowie der X&X Service und Logistik sowie zwischen der Beklagten, der Projektsteuerung, dem Generalplaner und Generalunternehmer und gegebenenfalls weiteren Personen für die Beklagte tätig (vgl. auch § 1 Ziff. 1 A. c des Beratungsvertrages). Die Tätigkeit des Klägers musste mit den betrieblichen Abläufen verzahnt sein. Der Kläger musste an zahlreichen in diesem Zusammenhang geführten Abstimmungen während der Arbeitszeiten bei der Beklagten teilnehmen.

Da die Projektmaßnahmen auch im Anlagenbestand stattfanden, war auch aus diesem Grund eine engmaschige Abstimmung notwendig. Es mussten die betrieblichen und produktionstechnischen Anforderungen berücksichtigt werden, die täglichen Änderungen unterworfen waren. Nach dem Vortrag der Beklagten war dieser Wissenstransfer zwingend erforderlich und nur im Dialog mit den Fachabteilungen möglich. Nur so konnte nach dem Vortrag der Beklagten gewährleistet werden, dass externe Dienstleister ihre Leistung ohne Reibungsverluste oder gar Störungen der betrieblichen Abläufe hätten erbringen können.

Die Einbindung des Klägers in die Organisation der Beklagten wird auch darin deutlich, dass der Kläger in den Protokollen der Jours fixe (Bl. 92 ff. d. A.) – anders als externe Dienstleister, die getrennt ausgewiesen wurden – als Teilnehmer X&X geführt wurde (vgl. nur Protokoll des 32. Jour fixe vom 10.11.2021, Bl. 96 d. A.). Er hatte – anders als externe Dienstleister – nicht nur einen zeitlich und örtlich begrenzten Zutritt zum Firmengelände. Darüber hinaus verfügte er über eine eigene nutzerbezogene E-Mail-Adresse (), die ihn intern und nach außen als Mitarbeiter der Beklagten erscheinen ließ. Auch Angebote holte der Kläger als Vertreter der Beklagten auf deren Briefkopf ein. Die Angebote und Auftragsbestätigungen gingen von den Fremdfirmen an die Beklagte, vertreten durch den Kläger, so beispielsweise die Auftragsbestätigung – Nr.: 18/10/2017 der E. Service GmbH vom 02.08.2017 („C. – Herr A.“, Bl. 276 f. d. A.), der Einheitspreis-Bauvertrag/Auftrag mit der G. GmbH & Co.KG vom 21.08.2019 und dem Bauherrn „C. vertr. D. Hr. A.“ oder das Angebot des Ü. vom 05.07.2018 gerichtet an „C. – z. Hd. Herr A.“ (Bl. 286 d. A.).

Wie sich exemplarisch aus dem vom Kläger vorgelegten „Kurzprotokoll Baumaßnahmen und Technik Werk M. 14.10.2021 (KW 41)“ (Bl. 92 f. d. A.) ergibt, oblag dem Kläger nicht nur die Einholung von Angeboten für bestimmte Einzelmaßnahmen und die Auftragserteilung nach Beauftragung durch den Geschäftsführer Herrn W.. So waren ihm neben Aufgaben im Bereich der Werkstattplanung und der Sanierung Altgelände, Rückbau der Altgelände (hier: Einrichtung eines Sicherheitsbereichs, Vorbereitung einer Grünfläche für die Materiallagerung, Definition der Anforderungen an die neue Pforte, Rückbau B Gebäude) beispielsweise auch der Austausch defekter Beschilderungen und die Aufnahme neuer Gebäude in die Beschilderung übertragen.

Dem Kläger war ein Budgetrahmen eröffnet, über die konkrete Nutzung desselben fanden Abstimmungen statt.

Dem Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses steht nicht entgegen, dass dem Kläger keine festen Arbeitszeiten vorgegeben waren, er nicht an der betriebsüblichen Zeiterfassung teilnahm oder in Dienstplänen aufgeführt war. Die Wahl der Arbeitszeit kann im Rahmen von Gleitzeitregelungen oder Vertrauensarbeitszeit individuell ausgestaltet sein. Gerade Teilzeitbeschäftigte können hier einen erheblichen Freiraum haben (ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, BGB § 611a Rn. 38). Bereits im vorangegangenen Arbeitsverhältnis war der Kläger im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit tätig. Der Möglichkeit einer flexiblen Zeiteinteilung durch den Kläger kommt demnach kein ausschlaggebendes Gewicht zu.

Umgekehrt steht es der Arbeitszeitsouveränität des Klägers, die regelmäßig ein freies Dienstverhältnis kennzeichnet, nicht automatisch entgegen, dass er seine Aufgaben – seinen Vortrag unterstellt – während der allgemeinen Bürozeiten erledigte. Die organisatorische Bindung an die Öffnungszeiten der Räumlichkeiten des Arbeitgebers begründet für sich genommen kein eindeutiges arbeitsvertragliches Weisungsrecht des Auftraggebers. Es ist auch für Selbstständige nicht unüblich, dass sie die vertraglichen Leistungen im Rahmen der organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers zu erbringen haben (BAG 21.05.2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 33 mwN.).

Grundsätzlich steht einer Arbeitszeitsouveränität des Klägers auch nicht die Verpflichtung zur Teilnahmen an Besprechungsterminen entgegen. In einer verbindlichen Teilnahme an Besprechungsterminen liegt zwar eine Beeinträchtigung der Freiheit zur Bestimmung der Lage der Arbeitszeit. Eine Anordnung, an einem bestimmten Wochentag an einer Besprechung teilzunehmen, stellt aber grundsätzlich keinen so gravierenden Eingriff dar, dass er mit dem Status eines Selbstständigen unvereinbar wäre (BAG 09.06.2010 – 5 AZR 332/09 – Rn. 25 mwN., juris).

Der Kläger nahm jedoch bereits an zwei wöchentlichen Jours fixe mittwochs von 8.00 Uhr bis 10.00 Uhr sowie donnerstags von 8.00 bis 10.00 Uhr teil. Hinzukamen zahlreiche weitere Termine, so Ortsbegehungen mit der Geschäftsführung, Mitarbeitern der Beklagten, externen Dienstleistern und Anbietern im Vorfeld einer Angebotserstellung oder im Rahmen der Kontrolle der Auftragsdurchführung von Drittunternehmen. All diese Tätigkeiten konnten nur auf dem Betriebsgelände im Rahmen der bei der Beklagten üblichen Arbeitszeiten erfolgen.

Durch das ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellte Diensthandy war der Kläger für die Beklagte ständig erreichbar, so auch in seinem Urlaub (vgl. WhatsApp-Nachricht des Geschäftsführers W. vom 16.09.2020, Bl. 285 d. A.). Über das Diensthandy war er auch in die Terminplanung der Beklagten eingebunden (vgl. Kalenderausdruck vom 31.03., Bl. 102 d. A.).

Bereits vertraglich wurde vereinbart, dem Kläger ein Büro bei der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Auch praktisch stand dem Kläger ein Arbeitsplatz im Baubüro der Beklagten zur Verfügung. Zwar hat die Beklagte bestritten, dass der Kläger ein eigenes Büro auf dem Werksgelände hatte und hat darauf verwiesen, dass das sogenannte „Baubüro“ auch anderen externen Dienstleistern zur Verfügung stand, aus der WhatsApp-Nachricht des Geschäftsführers der Beklagten Herrn W. an den Kläger vom 16.08.2020 (Bl. 285 d. A.) lässt sich jedoch entnehmen, dass auch dieser davon ausging, dass der Kläger über ein eigenes Büro verfügte. In dieser WhatsApp-Nachricht schreibt Herr W.: „Kurze Frage: Sie hatten mir vor einigen Monaten das Bodengutachten zum alten Werksgelände gegeben… können Sie mir dieses bitte nochmals zukommen lassen oder: Wo finde ich es in Ihrem Büro?“. Aus der Antwort des Klägers: „Ich Herrn E. geben nachzuschauen“, ergibt sich aus, dass der Kläger die von ihm benötigten Unterlagen nicht zu Hause oder einem externen Büro, sondern in den Räumlichkeiten der Beklagten aufbewahrte. Dass dem Kläger nicht mehr sein früheres Büro zur Verfügung stand, steht seiner Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen. Im Hinblick auf den veränderten, eingeschränkten Aufgabenbereich des Klägers nach dem Erreichen des Rentenalters war es erforderlich, dass ein großer Teil seiner früheren Aufgaben, insbesondere auch die von ihm vormals innegehabte Personalverantwortung, nunmehr von einem anderen Arbeitnehmer wahrgenommen wurden und das von ihm bislang genutzte Büro anderweitig benötigt wurde.

Dem Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses steht nach Auffassung der Kammer auch nicht entgegen, dass dem Kläger im Rahmen der Ausführung der ihm im Einzelnen vorgegebenen Aufgaben ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbstständigkeit zustand. Dies ist der Art der von ihm geschuldeten vertraglichen Leistung in unmittelbarer Abstimmung mit der Geschäftsleitung in Person des Geschäftsführers Herrn W. geschuldet und spiegelt sich in dem mit ihm vereinbarten Stundensatz in Höhe von 75,00 €.

Insgesamt überwiegen nach Ansicht der Kammer die für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses sprechenden Gesichtspunkte, insbesondere die Einbindung in die Organisation der Beklagten an der Schnittstelle zu externen Dienstleistern und die fortgesetzte enge Zusammenarbeit, Abstimmung und Umsetzung der vom Geschäftsführer der Beklagten Herrn W. getroffenen Vorgaben. Die Einbindung des Klägers ging dabei nach Auffassung der Kammer deutlich über diejenige eines selbstständigen Architekten oder Bauleiters hinaus, dies insbesondere im Hinblick auf die Vielfalt und den inhaltlichen und zeitlichen Umfang der ihm obliegenden Aufgaben.

b)

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.11.2021 ist unwirksam, da sie nicht innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erklärt worden ist und die Beklagte vor ihrem Ausspruch nicht den bei ihr gebildeten Betriebsrat angehört hat.

aa) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass sie bei Ausspruch der außerordentlichen Kündigung die Zwei-Wochen-Frist des § § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat.

Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt nach deren Satz 2 mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber – wie hier – um eine juristische Person, ist grundsätzlich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich. Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter (BAG 05.05.2022 – 2 AZR 483/21 – Rn. 12 mwN.). Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen ist grundsätzlich unbeachtlich. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB trägt der Arbeitgeber, er muss die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Umständen erfahren hat (BAG 05.05.2022 – 2 AZR 483/21 – Rn. 12 mwN.).

Die Beklagte hat lediglich vorgetragen, „im Oktober 2021“ hätten sich „erste Anzeichen“ für Unregelmäßigkeiten ergeben und sie habe daraufhin interne Ermittlungen aufgenommen, mit der sie ihre Compliance-Abteilung beauftragt und die durch Z. durchgeführt worden seien. Am 09.11.2021 habe sie um 9.30 Uhr ein Anhörungsgespräch mit dem Kläger geführt. Dieser Vortrag setzt die Kammer nicht in die Lage zu überprüfen, wann ein Kündigungsberechtigter der Beklagten von den welchen genauen Kündigungsvorwürfen Kenntnis erlangt hat und ob Ermittlungen in der gebotenen Eile durchgeführt wurden.

bb) Die gegenüber dem Kläger am 18.11.2021 von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist auch gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 und 3 BetrVG unwirksam, da sie ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochen worden ist.

Die Anwendung des § 102 BetrVG scheitert auch nicht an § 5 Abs. 3 BetrVG. Der Kläger war jedenfalls seit dem 01.03.2017 kein leitender Angestellter im Sinn dieser Vorschrift.

Nach § 5 Abs. 3 BetrVG findet das BetrVG, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist nach § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist (Nr. 1), Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist (Nr. 2) oder regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein (Nr. 3).

Der Kläger war in der Zeit ab dem 01.03.2017 nicht mehr zur Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt.

Ihm waren auch weder eine Generalvollmacht noch Prokura erteilt. Die Erteilung der Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) kann die Tatbestandsmerkmale nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG nicht erfüllen (vgl. BAG 10.04.1991 – 4 AZR 479/90 – Rn. 23 mwN., juris; Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, BetrVG § 5 Rn. 390 mwN.). Vielmehr ist erforderlich, dass eine Rechtsstellung zwischen Vorstandsmitglied und Prokurist eingeräumt wird. Im Sinn von § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG ist Generalvollmacht nur dann gegeben, wenn ihr Umfang wenigstens gleich weit geht wie Prokura und dem Bevollmächtigten unbeschränkte Vertretungsmacht in allen den Vollmachtgeber betreffenden Angelegenheiten verschafft, ihn damit praktisch am unternehmerischen Entscheidungsprozess beteiligt (BAG 10.04.1991 – 4 AZR 479/90 – Rn. 23). Die dem Kläger unter dem 06.08.2013 erteilten Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB war zudem nur auszuüben gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem Prokuristen.

Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht regelmäßig sonstige Aufgaben wahrgenommen, die für den Bestand und die Entwicklung der Beklagten von Bedeutung sind, wobei er die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen getroffen oder sie maßgeblich beeinflusst hätte. Das ergibt sich bereits daraus, dass nach dem Vortrag der Beklagten die Tätigkeit des Klägers bezüglich der „Umsetzung und Koordinierung des Vorhabens“ in der Beratung und Begleitung des Projekts bzw. der Bereithaltung von Informationen bestanden hat. Eine nennenswerte Entscheidungskompetenz bestand demnach nicht. Die Voraussetzung der „maßgeblichen Beeinflussung“ der unternehmerischen Entscheidung ist nur dann erfüllt, wenn die eigentlichen Entscheidungsträger am den vorbereiteten Vorschlägen des Angestellten nicht vorbeikönnen (BAG 25.03.2009 – 7 ABR 2/08 – Rn. 31, juris). Eine solche Beeinflussung der unternehmerischen Entscheidungen der Beklagten lag nach dem Vortrag der Parteien nicht vor.

cc) Es kommt daher vorliegend nicht mehr darauf an, ob ein wichtiger Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung gegeben ist.

c)

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wurde auch nicht durch eine im Wege der Umdeutung im Kündigungsschreiben vom 18.11.2021 enthaltene ordentliche Kündigung aufgelöst. Eine Umdeutung scheidet aus, da eine ordentliche Kündigung ebenfalls nach § 102 Abs. 1 Satz 1 und 3 BetrVG unwirksam wäre, da die Beklagte vor ihrem Ausspruch nicht den bei ihr gebildeten Betriebsrat angehört hat.

Die Berufung des Klägers hatte daher Erfolg.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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