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Betriebsbedingte Kündigung – Unternehmerentscheidung – Fremdvergabe von Tätigkeiten

LAG Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 116/12 – Urteil vom 11.06.2012

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitgerichts Koblenz vom 16.12.2011, Az: 2 Ca 1318/11 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1969 geborene Kläger ist seit dem 01.02.1995 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages als Betriebselektriker bei der Beklagten beschäftigt. Er hat zuletzt ein durchschnittliches Brutto-Monatsentgelt in Höhe von ca. 3.200,– EUR erzielt. Die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Sie hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 31.03.2011 ordentlich zum 30.09.2011 gekündigt.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der streitgegenständlichen Kündigungsschutzklage.

Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei bereits rechtsunwirksam im Hinblick auf die schriftliche Zurückweisung mit Schreiben vom 04.04.2011. Der Kündigung sei keine Vollmachtsurkunde beigefügt gewesen. Zudem sei die behauptete Vertretungsmacht beanstandet worden. Auch sei die Kündigung wegen des Fehlens eines Kündigungsgrundes sozial ungerechtfertigt. Der Sachvortrag der Beklagten zum behaupteten betriebsbedingten Kündigungsgrund werde bestritten. Hinsichtlich der Sozialauswahl sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger bei Urlaubsvertretung oder sonstigem Personalmangel auch als Maschinenschlosser gearbeitet und im übrigen auch bereits an den Mischanlagen gearbeitet habe. Eine Sozialauswahl habe zumindest zwischen dem Kläger und dem Mitarbeiter I. erfolgen müssen. Dieser sei von der Qualifikation her wie der Kläger Elektriker und beide hätten sich im Urlaub gegenseitig vertreten. Herr I. sei aber erst seit dem 01.04.2006 bei der Beklagten tätig.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31.03.2011 nicht aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, im Hinblick auf die gerügte Bevollmächtigung von Frau D., die die Kündigung unterschrieben habe, sei darauf hinzuweisen, dass sie als Geschäftsführerin alleinvertretungsberechtigt sei und folglich die Kündigung auch allein habe wirksam aussprechen können.

Die Kündigung sei betriebsbedingt erfolgt. Im Hinblick auf einen zu verzeichnenden Auftragsrückgang von 15% seit 2009 und eine damit einhergehende Personalreduzierung um 11 Mitarbeiter seit 2008 habe die Beklagte durch den zwischenzeitlich verstorbenen Geschäftsführer E., D. und R. am 25.03.2011 die Unternehmerentscheidung getroffen, den größten Teil der Tätigkeiten des Klägers zukünftig an eine Fremdfirma zu vergeben. Die Umsetzung der Fremdvergabe habe spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zum 30.09.2011 erfolgen sollen. Insoweit werde auf das Angebot für die Übernahme der Reparatur- und Wartungsarbeiten der Fa. P. GmbH vom 15.03.2011 verwiesen, des weiteren auf den zwischenzeitlich mit dieser Firma geschlossenen Vertrag über Reparatur- und Wartungsarbeiten im Werk der Beklagten in C-Stadt ab dem 01.09.2011 mit Datum vom 15.08.2011. Diese Firma sei schon bei Bedarf bei der Beklagten zuvor eingesetzt worden. Insoweit sei auf Rechnungen aus dem Kalenderjahr 2011 hinzuweisen. Ein geringer Rest von verbleibenden Tätigkeiten des Klägers, der pro Woche keine 2 Stunden ausmachen werde, der auch nicht regelmäßig anfalle, werde von den Herren I. und J. miterledigt, was auch nicht zu einer regelmäßigen Mehrarbeit bei diesen Mitarbeitern führen werde.

Die soziale Auswahl hinsichtlich der im Betrieb insgesamt 53 beschäftigten Arbeitnehmer sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Insoweit wird hinsichtlich des streitigen Vorbringens der Beklagten auf Seite 4 der angefochtenen Entscheidung (Bl. 87 d. A.) Bezug genommen.

Der vom Kläger benannte Mitarbeiter I. sei mit ihm nicht vergleichbar. Denn dieser habe als Leiter die Schlosserei geführt, sei Vorgesetzter des Klägers und der Kläger habe ihn während des Urlaubs keinesfalls in vollem Umfang mangels entsprechender Qualifikation vertreten können.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 16.12.2011 -2 Ca 1318/11- abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 85-92 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihm am 08.02.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 06.03.2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 25.04.12 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 03.04.2012 auf seinen begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 08.05.2012 einschließlich verlängert worden war.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, dringende betriebliche Erfordernisse bestünden nicht. Die behauptete Unternehmerentscheidung betreffe ausschließlich das Arbeitsverhältnis des Klägers. Vor diesem Hintergrund sei es Sache der Beklagten, Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die Umsetzbarkeit des behaupteten Konzepts ergebe. Diesen Anforderungen genüge das tatsächliche Vorbringen der Beklagten nicht. Die nur gelegentliche Beauftragung der Fa. P. GmbH genüge nicht, um das Tätigkeitsbild des Klägers als eine Vollzeitkraft vollständig zu ersetzen. Der Kläger habe zahlreiche weitere Tätigkeiten bisher bei der Beklagten verrichtet, die nicht Gegenstand des vorgelegten Angebotes der Fa. P. GmbH seien.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 25.04.2012 (Bl. 129-134 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.12.2011, Aktenzeichen 2 Ca 1318/11 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31.03.2012 nicht aufgelöst wird.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens und hebt in diesem Zusammenhang hervor, vorliegend sei eine gestaltende Unternehmerentscheidung gegeben, denn die Beklagte habe sich entschlossen, aktiv die Ereignisse zu beeinflussen, indem sie das „was“, das „wie viel“ und/oder das „wie“ ihrer Produktion geändert habe, ohne dass die Gründe dafür maßgeblich seien. Sie habe sich entschieden, die bisher in ihrem Betrieb wahrgenommenen Aufgaben auszulagern und an Fremdfirmen zu vergeben. Lediglich geringe Resttätigkeiten würden von 2 der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer ohne regelmäßigen Mehraufwand miterledigt werden. Der mit der Fa. P. abgeschlossene Vertrag vom 15.08.2011 umfasse nahezu sämtliche bisher vom Kläger ausgeführten Tätigkeiten.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 25.05.2012 (Bl. 143-147 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 148-150 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 11.06.2012.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche ordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 31.03.2011 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.09.2011 beendet hat.

Die Rechtsunwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung folgt zunächst nicht aus einem Verstoß der Beklagten gegen § 174 ff. BGB. Zwar liegt eine schriftliche Zurückweisung mit der Begründung vor, dass der Kündigung keine Vollmachtsurkunde beigefügt war; zudem wurde die behauptete Vertretungsvollmacht beanstandet. Die das Kündigungsschreiben vom 31.03.2011 unterzeichnende Frau D. ist aber ausweislich des vorliegenden Handelsregisterauszuges (Bl. 50 d. A.) einzel- und alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der Beklagten. Folglich konnte sie die Kündigung rechtswirksam allein aussprechen. Weitere Ausführungen sind insoweit nicht veranlasst, weil der Kläger sich auf diesen Unwirksamkeitsgrund im Berufungsverfahren nicht weiter stützt.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die ordentliche betriebsbedingte Kündigung vorliegend auch sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG.

Die ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung ist dann sozial gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2, 3 KSchG (BAG 21.4.2005 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 62; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10. Aufl., 2012, Kap. 4 Rz. 2404 ff.) wenn

zum Zeitpunkt ihres Zugangs (vgl. BAG 21.4.2005 EzA §1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 62 = NZA 2005, 1307) dringende betriebliche Gründe vorliegen, die auf Grund außerbetrieblicher Umstände oder infolge innerbetrieblicher Maßnahmen zu einem Rückgang des Arbeitsanfalls bis hin zum Wegfall des Bedürfnisses für die Beschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer in dem Bereich führen, in dem der betroffene Arbeitnehmer beschäftigt ist,

der betroffene Arbeitnehmer zum Zeitpunkt ihres Zugangs (vgl. BAG 21.4.2005 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 62 = NZA 2005, 1307) von allen vergleichbaren Arbeitnehmern der sozial am wenigsten Schutzwürdige ist und auch eine umfassende – allerdings nur ausnahmsweise durchzuführende- Interessenabwägung nach ordnungsgemäßer Sozialauswahl nicht ausnahmsweise zu einem Überwiegen des Interesses des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an dessen Beendigung führt.

Der Begriff der betrieblichen Erfordernisse ist im Gesetz nicht definiert.

Betriebliche Erfordernisse liegen dann vor, wenn Umstände aus dem wirtschaftlichen oder betriebstechnischen Bereich dazu führen, dass die betriebliche Arbeitsmenge so zurückgeht, dass der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer entfällt. Erforderlich ist eine konkrete Auswirkung auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers.

Es muss also zumindest ein Arbeitsplatz weggefallen sein, wobei dies nicht in der Weise zu verstehen ist, dass es sich dabei gerade um den konkret fixierten Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers handeln muss (BAG 30.5.1985 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36).

Vielmehr ist nach Maßgabe der sozialen Auswahl ggf. einem Arbeitnehmer zu kündigen, dessen Arbeitsplatz noch vorhanden ist, wenn nur die Anzahl der vergleichbaren Arbeitsplätze insgesamt zurückgegangen ist mit der Folge, dass die Zahl der benötigten Arbeitsplätze auf Grund der Entwicklung der Arbeitsmenge kleiner ist als die Zahl der auf diesen Arbeitsplätzen bislang beschäftigten Arbeitnehmer. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die soziale Rechtfertigung der Kündigung ist grds. der Zeitpunkt des Kündigungszugangs. Grundsätzlich muss dann der Kündigungsgrund – Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit – vorliegen (LAG Düsseldorf 16.11.2005 -12 Sa 1150/05, EzA-SD 1/06 S. 8 LS).

Es stellt einen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar, wenn sich der Arbeitgeber in einem Produktionsbetrieb entschließt, die Produktion -auch teilweise- einzustellen und die noch eingehenden Aufträge nicht mehr durch eigene Arbeitskräfte im Betrieb erledigen zu lassen (BAG 18.1.2001 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 109, 25.3.2004 EzA § 9 MuSchG n.F. Nr. 40, 16.12.2004 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136). Es handelt sich grds. um eine die Arbeitsgerichte bindende Organisationsentscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und deshalb ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine betriebsbedingte Kündigung darstellen kann (BAG 16.12.2004 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136, 9.9.2010 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164).

Die organisatorischen Maßnahmen, die der Arbeitgeber trifft, um seinen Betrieb dem Umsatzrückgang oder der verschlechterten Ertragslage anzupassen (wozu weder der Ausspruch der Kündigung selbst (BAG 20.2.1986 EzA §1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37) noch der Entschluss zur Senkung von Lohnkosten (BAG 20.2.1986 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37) gehören), sind vom Arbeitsgericht nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind (BAG 30.4.1987 EzA §1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 47; 13.3.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 159; LAG BW 12.8.2004 -22 Sa 99/03, EzA-SD 1/05, S. 7 LS; LAG Bln.-Bra. 1.3.2007 – 2 Sa 18/07 – EzA-SD 19/2007 S. 5; Schrader/Schubert NZA-RR 2004, 293 ff.; Kaiser NZA 2005, Beil. 1/2005 zu Heft 10, S. 31 ff.). Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (BAG 23.4.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160, 27.1.2011 – 2 AZR 9/10, EzA-SD 13/2011 S. 8 LS)

Die Ausnahmen, bei denen die innerbetrieblichen Maßnahmen nicht bindend sind, ergeben sich aus dem allgemeinen Verbot des Rechtsmissbrauchs (BAG 23.4.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160).

So erfüllen offensichtlich unsachliche oder willkürliche Rationalisierungsmaßnahmen den Tatbestand der unzulässigen Rechtsausübung des betrieblichen Gestaltungsrechts durch den Arbeitgeber. Es ist missbräuchlich in diesem Sinne, einen Arbeitnehmer durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen, indem die tatsächlichen Arbeitsabläufe und die hierarchischen Weisungswege als solche unangetastet gelassen und nur, gewissermaßen pro forma, in allein zu diesem Zweck erdachte rechtliche Gefüge eingepasst werden (BAG 23.4.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160 = NZA 2008, 939).

Entschließt sich der Arbeitgeber andererseits wegen eines Umsatzrückgangs zu Personalreduzierungen und spricht er deshalb betriebsbedingte Kündigungen aus, so ist nicht stets die Darlegung der konkreten von den Arbeitnehmern zu erledigenden Arbeitsvorgänge und der dafür benötigten Einsatzzeiten einerseits sowie der vorgehaltenen Anzahl von Arbeitsstunden andererseits erforderlich. Soweit der Arbeitgeber dann, wenn seine unternehmerische Entscheidung nahe an den Kündigungsentschluss heranrückt, seine Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit (Dauer) verdeutlichen muss, ist diese Vortragslast kein Selbstzweck. Sie soll nur einen Missbrauch des Kündigungsrechts ausschließen (BAG 18.10.2006 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 151; Löwisch/Buschbaum BB 2010, 1789 ff.).

Der Arbeitnehmer hat darzulegen und zu beweisen, dass die fragliche innerbetriebliche Maßnahme (z.B. eine Rationalisierungsmaßnahme) offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 9.5.1996 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 85), wobei aber ggf die Erleichterung des Anscheinsbeweises in Betracht kommt (BAG 24.10.1979 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 13). Denn insoweit spricht für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist (BAG 23.4.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160). Es ist aber (s. o.) andererseits missbräuchlich in diesem Sinne, einen Arbeitnehmer durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen, indem die tatsächlichen Arbeitsabläufe und die hierarchischen Weisungswege als solche unangetastet gelassen und nur, gewissermaßen pro forma, in allein zu diesem Zweck erdachte rechtliche Gefüge eingepasst werden (BAG 23.4.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160).

Läuft also die unternehmerische Entscheidung letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene hinaus, so sind gesteigerte Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen (BAG 13.2.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158). Ist die unternehmerische Entscheidung verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf es der Konkretisierung dieser Entscheidung, damit geprüft werden kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist (BAG 10.10.2002 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122, 13.2.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158). Der Arbeitgeber muss insbes. konkret darlegen, in welchem Umfang die bisher von dem Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen. Er muss aufgrund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die angefallenen Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsgemäße Leistungen erbracht werden können (BAG 13.2.2008 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158).

Nach Maßgabe dieser Kriterien ist mit dem Arbeitsgericht vorliegend davon auszugehen, dass die unternehmerische Entscheidung der Beklagten zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für einen Arbeitsplatz in dem Bereich, in dem der Kläger tätig ist, führt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 6-8 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 89-91 d. A.) Bezug genommen.

Entgegen dem erstinstanzlichen schriftlichen Vorbringen des Klägers ist auch ein Verstoß gegen das gesetzliche Gebot der ordnungsgemäßen Sozialauswahl nicht gegeben.

Die Vergleichbarkeit der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer richtet sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und damit nach der ausgeübten Tätigkeit (BAG 7.2.1985 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 20, 2.2.2006 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144, 18.10.2006 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 73), also zunächst nach der konkret erbrachten Arbeitsleistung (BAG 5.6.2008 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 81).

Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Funktion eines anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann. Daran fehlt es z.B. dann, wenn der Arbeitgeber Reinigungskräfte oder andere Arbeitnehmer nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann. („arbeitsvertragliche Austauschbarkeit“, BAG 5.6.2008 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 81; 18.10.2006 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 73; LAG Köln 28.9.2007 LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 56.

Im übrigen ist Vergleichbarkeit nicht nur bei Identität des Arbeitsplatzes, sondern auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Fähigkeiten und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann; der Kreis der einzubeziehenden Arbeitnehmer vollzieht sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also nach der ausgeübten Tätigkeit (BAG 5.6.2008 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 81 2.3.2006 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 67).

Der Vergleich vollzieht sich auf derselben Ebene der Betriebshierarchie, auf der der bisher innegehabte Arbeitsplatz seinem Arbeitsvertrag entsprechend angesiedelt war (sog. horizontale Vergleichbarkeit (BAG 4.2.1993 RzK I 5 d Nr. 31; APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 672 ff.; zur Titulierungsvielfalt in der Kommunikationsbranche insoweit Kerbein NZA 2002, 889 ff.)

Hat der Arbeitnehmer Kenntnis der Namen vergleichbarer Kollegen sowie die Kenntnis von deren Sozialdaten, so muss er unter namentlicher Benennung seiner Meinung nach sozial weniger schutzbedürftiger Arbeitnehmer, dem oder denen an seiner Stelle hätte gekündigt werden müssen, substantiiert unter Angabe ihrer individuellen Sozialdaten (Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen) die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl geltend machen (BAG 8.8. 1985 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 21; 18.10.2006 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 70; a.A. KR/Griebeling § 1 KSchG Rn. 688; APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 784).

Vorliegend ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass mit dem Kläger vergleichbare Arbeitnehmer bei der Beklagten gar nicht beschäftigt sind. Insoweit wird auf S. 8, 9 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 91, 92 d. A.) zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Zwar hat der Kläger sich im erstinstanzlichen Rechtszug auf den Arbeitnehmer I. bezogen und diesen insoweit namentlich benannt; die Vergleichbarkeit entfällt aber deshalb, weil der Kläger Leiter der Schlosserei bei der Beklagten und Vorgesetzter des Klägers ist, wohingegen der Kläger als Betriebselektriker eingestellt und eingesetzt wurde. Folglich entfällt eine Sozialauswahl zwischen diesen beiden Arbeitnehmern.

Auch die abschließend durchzuführende Interessenabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis.

Dann, wenn eine Kündigung wegen einer bindenden Unternehmerentscheidung „an sich“ betriebsbedingt und auch die Sozialauswahl nicht zu beanstanden ist, kann sich die stets notwendige umfassende Interessenabwägung nur noch in seltenen Ausnahmefällen zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken (BAG 20.1. 2005 EzA § 18 BErzGG Nr. 7; 16.6.2005 EzA §1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 137). Jedenfalls sind die aufgestellten Voraussetzungen für eine derartige „Härtefallregelung“ danach so hoch anzusetzen, dass kaum mehr Raum für eine praktische Anwendung einer Interessenabwägung bleibt (BAG 16.6.2005 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 137; 20.1.2005 EzA § 18 BErzGG Nr. 7): Eine zumeist nur vorübergehende Weiterbeschäftigung kann dem Arbeitgeber allerdings z.B. dann zuzumuten sein, wenn der Arbeitnehmer auf Grund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzbedürftig ist (BAG 18.1.1990 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 28; abl. Preis NZA 1997, 1078). Das kann z. B. dann der Fall sein, wenn die betriebsbedingte Kündigung zu unverhältnismäßigen Nachteilen für den Arbeitnehmer führt, während der Vorteil für den kündigenden Arbeitgeber oder für die Insolvenzmasse demgegenüber als gering erscheint (BAG 16.6.2005 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 137). Insofern handelt es sich um eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, die als drittes Teilprinzip des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stets zu prüfen ist (Wank RdA 1987, 136; abl. APS/Kiel § 1 KSchG Rn. 652).

Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen vorliegend ausnahmsweise gegeben sein könnten, lassen sich dem Sachvortrag der Parteien in beiden Rechtszügen nicht entnehmen.

Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Nebensachverhalts.

Denn es enthält zum einen keinerlei neue, nach Inhalt, Ort und Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt zum anderen für Rechtsbehauptungen. Es enthält zum einen wesentliche -zutreffende- Rechtsausführungen, von denen aber auch das Arbeitsgericht nicht abgewichen ist. Soweit in Abrede gestellt wird, dass die Fremdvergabe lediglich einen Teilbereich der vom Kläger zuvor verrichteten Tätigkeit darstellt, verkennt der Kläger, dass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob die Vorgehensweise der Beklagten sinnvoll ist und zu einem vollständigen Ersatz der von ihm zuvor ausgeübten Tätigkeiten führt. Vielmehr ist es Teil der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, in Zukunft von Fall zu Fall zu entscheiden, ob bestimmte Tätigkeiten überhaupt ausgeführt werden, oder aber nicht, oder aber z.B. verschoben werden. Das Risiko für etwaige Fehlentscheidungen in diesem Bereich trägt allein die Beklagte. Gleiches gilt für das Kostenrisiko, das sich z.B. dann realisieren könnte, wenn aufgrund einer Häufung von „Störfällen“ ein erheblich erhöhter Tätigkeitsbedarf in diesem Bereich auftreten würde. All diese Überlegungen führen aber nicht dazu, dass die Entscheidung der Beklagten offensichtlich unsachlich und willkürlich ist. Auch enthält das Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen, insbesondere auch das des Klägers, keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es der Beklagten bei der auf einen Arbeitsplatz beschränkten Unternehmerentscheidung darum gegangen sein könnte, den Kläger aus dem Betrieb zu drängen.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

 

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