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Ersatzurlaub nach langer Arbeitsunfähigkeit – Manteltarifvertrag

Landesarbeitsgericht Nürnberg – Az.: 6 Sa 58/14 – Urteil vom 20.05.2014

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg, vom 23.10.2013, Az. 3 Ca 1068/12, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

II. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung eines Arbeitgebers, der Arbeitnehmerin Ersatzurlaubsansprüche zu gewähren.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 01.08.1985 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 01.12.1973 in der Fassung vom 24.05.2002 (TR 5/10 – 300a 110) kraft Nachwirkung Anwendung; die Beklagte ist vor Inkrafttreten des nachfolgenden Manteltarifvertrages im Jahr 2008-aus dem Verband ausgetreten und in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung gewechselt.

Die Klägerin war im Zeitraum 19.07.2011 bis 30.04.2012 arbeitsunfähig erkrankt. Im „Mitarbeiterzeitnachweis“ für April 2012 ist ein noch offener Urlaubsanspruch von 54 Arbeitstagen ausgewiesen (Anlage zur Klageschrift, Bl. 5 d.A.). Am 07.05.2012 brachte die Klägerin einen Tag Urlaub ein. Im „Mitarbeiterzeitnachweis“ für Mai 2012 ist sodann ein am Monatsende noch offener Urlaubsanspruch von noch 43 Tagen ausgewiesen (ebenda, Bl. 4 d.A.).

§ 25 Buchstabe A des anwendbaren Manteltarifvertrages hat, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:

1. Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr (Urlaubsjahr) Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Arbeit leisten.

2. (I) Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben.

(II) Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer

a) für Zeiten eines Kalenderjahres, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt;

b) wenn er vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet;

c) wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

(III) Ergeben sich bei der anteiligen Urlaubsgewährung Bruchteile von Tagen, so werden Bruchteile von weniger als einem halben Tag nicht berücksichtigt, Bruchteile von mindestens einem halben Tag auf volle Urlaubstage aufgerundet.

(IV) Hat der Arbeitnehmer im Falle des Abs. (II) c) bereits Urlaub über den ihm zustehenden Umfang hinaus erhalten, so kann das dafür gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückverlangt werden. Ausgenommen sind Fälle des Rechtsmissbrauchs.

7. Der Anspruch auf Urlaub erlischt drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde.

Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten. Dies gilt nicht für den Teil des Tarifurlaubs, der den gesetzlichen Urlaubsanspruch übersteigt, wenn der Arbeitnehmer durch eigenes Verschulden aus einem Grund entlassen worden ist, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt, oder das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig gelöst hat und in diesen Fällen eine grobe Verletzung der Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt.

Anmerkung zu § 25 Abschn. A Ziff. 7

Zur Vermeidung von Streitigkeiten über die Frage, ob ein Urlaub erfolglos geltend gemacht worden ist, empfiehlt sich die schriftliche Geltendmachung. Endtermin hierfür ist der 31. März.

Eine Abgeltung des Urlaubs ist nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zulässig. Der Abgeltungsanspruch für den tariflichen Anteil des Urlaubs entfällt jedoch, wenn eine grobe Verletzung der Treuepflicht vorliegt. Beweispflichtig ist der Arbeitgeber.

Beim Tode eines Arbeitnehmers besteht kein Anspruch der Erben auf Abgeltung des noch nicht eingebrachten Urlaubs. Der Urlaubsanspruch ist höchstpersönlich und damit nicht übertragbar und vererblich.

Mit ihrer am 10.12.2012 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage vom 06.12.2012 hat die Klägerin beantragt, ihrem Stundenkonto zehn Urlaubstage gutzuschreiben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihre Urlaubsansprüche – bis auf den einen Tag, an dem sie Urlaub genommen habe, zu Unrecht Ende Mai 2012 auf 43 noch offene Urlaubstage gekürzt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, festzustellen, dass der Klägerin am Stichtag 31.05.2012 noch Urlaubsansprüche in Höhe von 53 Tagen zustanden.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat eingewandt, der Klägerin ständen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die Klägerin habe im Jahr 2011 vor ihrem die längere Arbeitsunfähigkeit auslösenden Arbeitsunfall sechs Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2011 genommen, so dass aus dem Jahr 2011 noch 24 Tage Resturlaubsansprüche verblieben seien. Nachdem sie die Arbeit erst nach dem 31.03.2012 wieder habe aufnehmen können, seien von den im Kalenderjahr 2011 erworbenen Urlaubsansprüchen nur die gesetzlichen Ansprüche offen; diejenigen zehn Urlaubstage, die den übergesetzlichen Urlaubsanspruch beträfen, seien verfallen und daher im Zeitnachweis zu streichen gewesen. Die Klägerin habe diese zehn Tage nicht rechtzeitig innerhalb der bis 31.03. des Folgejahres bestehenden Frist einbringen können. Der Anspruch auf diese – die geltend gemachten weiteren zehn Urlaubstage – sei zudem wegen Eingreifens der tariflichen Ausschlussfristen verjährt. Nach § 28 Abs. 3 MTV müssten die Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Die Klägerin habe mit Erhalt des Zeitnachweises für Mai seit Anfang Juni 2012 gewusst, dass ihr die Urlaubstage abgezogen worden seien. Sie habe eine schriftliche Geltendmachung nicht bis 31.08.2012 eingereicht. Unabhängig davon sei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts, die für den gesetzlichen Mindesturlaub festlege, dass dieser bei Arbeitsunfähigkeit erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres verfalle, in dem er entstanden sei, auf den hier streitigen tariflichen Mehrurlaub nicht anwendbar. In § 25 Ziff. 7 des Manteltarifvertrages werde nämlich zwischen dem gesetzlichen und dem übergesetzlichen Urlaubsanspruch unterschieden.

Die Klägerin hat eingewandt, bei den Mitarbeiterzeitnachweisen handle es sich lediglich um als deklaratorisch anzusehende Nachweise, die zu Dokumentationszwecken geführt würden. Mit der Klage werde die Richtigstellung des tatsächlichen Rechtszustandes gefordert. Ein Verfall über die tariflichen Ausschlussfristen sei nicht gegeben. Der Urlaubsanspruch bestehe im laufenden Arbeitsverhältnis fort und wandle sich erst mit Ausscheiden in einen Abgeltungsanspruch.

Das Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – hat mit Endurteil vom 23.10.2013 wie folgt entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 1.033,84 € festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, Bedenken gegen die Feststellungsklage beständen nicht. Prozesswirtschaftliche Erwägungen sprächen gegen einen Vorrang der Leistungsklage. Entgegen der Ansicht der Beklagten fänden auf den Urlaubsanspruch die tariflichen Ausschlussfristen keine Anwendung. Die Rechtsprechung des BAG und des EuGH über die Einbringungsmöglichkeit des gesetzlichen Urlaubsanspruchs bei Arbeitsunfähigkeit sei jedoch vorliegend nicht maßgeblich, weil es sich um den tariflichen Mehrurlaub handle, für den die Tarifparteien eigene Regelungen geschaffen hätten. Die Tarifparteien hätten in § 25 Ziff. 7 S. 2 MTV ausdrücklich zwischen dem gesetzlichen und dem tariflichen Mehrurlaub unterschieden. Sie hätten damit zum Ausdruck gebracht, dass Unterschiede zwischen dem gesetzlichen und dem tarifvertraglichen Urlaubsanspruch gemacht werden sollten, von ihrer Regelungsmöglichkeit für den tariflichen Mehrurlaub Gebrauch gemacht und den Verfall des tariflichen Mehrurlaubs unabhängig von Arbeitsunfähigkeitszeiten zum 31.12. des folgenden Kalenderjahres geregelt. Der Anspruch der Klägerin bestehe daher nicht.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts ist den gewerkschaftlichen Prozessvertretern der Klägerin am 10.01.2014 zugestellt worden. Diese haben mit Schriftsatz vom 28.01.2014, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Berufung gegen die Entscheidung eingelegt. Sie haben die Berufung mit am 10.03.2014 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenem Schriftsatz selben Datums begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung hat die Klägerin vorgetragen, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass dem Tarifvertrag ein eigenes Urlaubsregime für den übergesetzlichen tariflichen Mehrurlaub zu entnehmen sei. Das Bundesarbeitsgericht habe entschieden, dass sich ein solches gerade nicht schon daraus ergebe, dass die Tarifparteien eine uneingeschränkte Einbringungsmöglichkeit im ersten Kalendervierteljahr des Folgejahres geregelt und auf das Vorliegen der in § 7 Abs. 3 BUrlG genannten Übertragungsgründe verzichtet hätten. Die im Tarifvertrag normierte Abweichung von den gesetzlichen Regelungen beschränke sich im übrigen ausschließlich auf die Urlaubsabgeltung und hier auf einen extremen Ausnahmefall. Diese abweichende Bestimmung gelte gerade nicht für Ansprüche im laufenden Arbeitsverhältnis. Hätte diese für den Fall des Ausscheidens geltende Regelung auch im laufenden Arbeitsverhältnis gelten sollen, hätte es nahegelegen, dies im Tarifvertrag zum Ausdruck zu bringen.

Die Klägerin und Berufungsklägerin stellt im Berufungsverfahren – nach Hinweis der Kammer hinsichtlich der fehlenden Zulässigkeit des vergangenheitsbezogenen Feststellungsbegehrens – zuletzt folgende Anträge:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 23.10.2013, Az.: 3 Ca 1068/12, wird abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass der Klägerin noch 10 Tage Ersatzurlaubsanspruch aus 2012 zu gewähren sind.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte schließt sich der Begründung des Arbeitsgerichts an. Sie meint, aus der Gesamtheit der Bestimmungen des Manteltarifvertrages werde deutlich, dass die Tarifparteien zwischen dem gesetzlichen und dem übergesetzlichen – tariflichen – Urlaubsanspruch unterschieden hätten. Dabei sei es unerheblich, dass dies lediglich bei der Regelung des Verfalls im Fall des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis wörtlich zum Ausdruck gekommen sei. Darüber hinaus regle der Tarifvertrag ausdrücklich das „Erlöschen“ des Urlaubsanspruchs drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht worden sei. Auch dies stelle eine eigenständige, vom Gesetz, das das Erlöschen zum Ablauf des Kalenderjahres vorsehe, abweichende Regelung dar. Die Tarifparteien hätten sich also vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eine eigenständige Regelung getroffen.

In der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat die Klägerin eine schriftliche Geltendmachung der Gewerkschaft vom 05.11.2012 vorgelegt (Anlage zur Niederschrift, Bl. 135 d.A.). Darin wird die Beklagte aufgefordert, eine vorgenommene Kürzung des Urlaubsanspruchs wieder rückgängig zu machen. Die Beklagte hat Einwendungen gegen die Umstellung des Klageantrags erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung des Sachverhalts in Tatbestand und Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Endurteils, auf die Niederschrift über die Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 20.05.2014 (Bl. 132 ff. d.A.) und auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht beim Landesarbeitsgericht eingereichte und auch begründete Berufung der Klägerin ist in der Sache nicht begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Gewährung von Ersatzurlaub zumindest im jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zu.

1. Zwar bestanden erhebliche Bedenken an der Zulässigkeit des Antrags, wie er vom Arbeitsgericht anerkannt und verbeschieden und zunächst auch in der Berufungsinstanz gestellt war. Die vergangenheitsbezogene Feststellung ist nämlich gerade nicht geeignet, den Rechtsstreit zwischen den Parteien zu klären. Selbst wenn am 31.05. ein Anspruch von 53 Urlaubstagen bestanden haben sollte, könnte dieser Anspruch durch Erfüllung oder auch durch Nichteinbringung des Urlaubs im Übertragungszeitraum in der Zwischenzeit untergegangen sein. Zudem erscheint der Antrag auch insoweit als zu weitgehend, als er sich auf 53 Urlaubstage bezieht. Der Streit der Parteien betrifft aber nur das Vorhandensein bzw. den Verfall von zehn Urlaubstagen. Für darüber hinausgehende Feststellungen besteht kein Feststellungsinteresse.

Die von der Klägerin nach Hinweis der Kammer vorgenommene Umstellung des Antrags erscheint jedoch als sachdienlich. Eine Umstellung war ohnehin erforderlich, weil sich ein eventuell vorhandener Anspruch auf Urlaub im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung wegen Verstreichens der Einbringungsfrist nunmehr ohnehin in einen Ersatzurlaubsanspruch gewandelt hat. Eines ausdrücklichen Antrags, dem Urlaubskonto zehn Tage Urlaub wieder gutzuschreiben, bedurfte es nicht (vgl. etwa BAG vom 12.04.2011, 9 AZR 80/10, zitiert nach juris).

2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass ein Verfall der Urlaubsansprüche zum 31.08.2012 oder Anfang September 2012 wegen Eingreifens der tariflichen Ausschlussfristen nicht eingetreten ist. Nach § 28 Ziff. 3 des maßgeblichen Tarifvertrages sind „alle übrigen Ansprüche innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit“ schriftlich geltend zu machen. Fällig waren die Urlaubsansprüche Ende Mai 2012 jedoch – soweit sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfallen waren – noch nicht. Ist nämlich ein Verfall entgegen der Auffassung der Beklagten mit Ablauf des 31.03.2012 nicht eingetreten, dann konnte der gesamte noch offene Urlaub – auch die zehn Urlaubstage, die den tariflichen Mehrurlaub aus dem Kalenderjahr 2011 betreffen – noch im gesamten Kalenderjahr 2012 bzw. noch bis zum tariflich angeordneten Verfall am 31.03.2013 ins Arbeitsverhältnis eingebracht werden. Wenn die tariflichen Ausschlussfristen überhaupt auf Urlaubsansprüche anwendbar wären, könnten sie allenfalls ab diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen haben.

3. Der geltend gemachte Urlaubsanspruch der Klägerin besteht jedenfalls jetzt nicht mehr. Der Anspruch ist, selbst wenn er wie der gesetzliche bzw. europarechtliche Mindesturlaubsanspruch über den 31.03.2012 hinaus ins folgende Kalenderjahr übertragen worden ist, zum 31.03.2013 verfallen.

a. Der Urlaubsanspruch ist an das Urlaubsjahr gebunden (§ 7 Abs. 1 BurlG). Er erlischt, wenn er nicht im Laufe des Kalenderjahres eingebracht worden ist. Vorliegend haben die Tarifparteien in § 25 Buchstabe A Ziff. 7 MTV abweichend vom Gesetz ausdrücklich geregelt, dass der Urlaub drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres erlischt, wenn er nicht erfolglos vom Arbeitnehmer geltend gemacht wurde.

b. Die Klägerin konnte den hier streitgegenständlichen Urlaubsanspruch wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht im Kalenderjahr 2011 – dem Jahr des Entstehens – und auch nicht im ersten Kalendervierteljahr 2012 einbringen. Dies hat zur Folge, dass dieser Urlaubsanspruch ins nächste Kalenderjahr, nämlich das Kalenderjahr 2012, übertragen worden ist. Dies gilt jedenfalls für den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch. Geht man davon aus, dass dies auch für den hier streitgegenständlichen tariflichen Mehrurlaubsanspruch gilt, dann konnte die Klägerin diesen übertragenen Urlaub bis zum Ablauf des Kalenderjahres 2012 und darüber hinaus im Hinblick auf § 25 Buchstabe A Ziff. 7 Abs. 1 MTV bis zum 31.03.2013 einbringen. Der wegen Arbeitsunfähigkeit übertragene Urlaubsanspruch ist nämlich gegenüber dem im laufenden Kalenderjahr selbst entstehenden Anspruch nicht privilegiert. Er unterliegt dem für dasjenige Kalenderjahr, in dem der Arbeitnehmer seinen Urlaub wieder in Natur einbringen kann, geltenden Fristenregime. Der aus früheren Zeiträumen stammende Urlaubsanspruch erlischt genau so wie der Anspruch, der zu Beginn desjenigen Kalenderjahres neu entstanden ist, in dem der Arbeitnehmer wieder zur Urlaubseinbringung in der Lage ist (so ausdrücklich BAG vom 09.08.2011, 9 AZR 425/10, zitiert nach juris). Da die Klägerin ab Mai 2012 ihre Arbeitsfähigkeit wieder erlangt hatte, nahm der aus dem Kalenderjahr 2011 übertragene Urlaubsanspruch, und zwar der gesetzliche wie der eventuell noch bestehende tarifliche Mehranspruch, am Fristenregime des Kalenderjahres 2012 teil. Die Klägerin hätte also auch den behaupteten streitigen zehntägigen Mehranspruch bis 31.03.2013 ins Arbeitsverhältnis einbringen müssen.

c. Der Klägerin steht auch ein entsprechender Ersatzanspruch nicht zu. Sie hat zwar mit Schreiben vom 05.11.2012 und mit der am 10.12.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt, die Kürzung auf dem Zeitkonto „rückgängig zu machen“ bzw. „Urlaubstage gutzuschreiben“. Dieses Verhalten stellt kein Verlangen nach Gewährung dieses nach Auffassung der Klägerin bestehenden Urlaubsanspruchs dar. Auch wenn die Beklagte die streitgegenständlichen Urlaubstage wieder gutgeschrieben hätte, wären sie am 31.03.2013 verfallen – soweit die Klägerin sie nicht in Natur ins Arbeitsverhältnis eingebracht hätte. Ein Anspruch auf Ersatzurlaub entsteht nur dann, wenn der Arbeitgeber mit der Pflicht zur Gewährung des Urlaubs in Verzug geraten ist. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber zur Erfüllung der streitgegenständlichen Pflicht – nämlich der Gewährung des Urlaubs – aufgefordert hätte (vgl. etwa BAG vom 14.05.2013, 9 AZR 760/11, zitiert nach juris). Hierfür bestehen auch nach dem Vortrag der Klägerin keine Anhaltspunkte.

d. Ein solches Urlaubsverlangen erscheint auch nicht deswegen als überflüssig, weil die Beklagte bereits vor dem 31.03.2013 abschließend und endgültig erklärt hätte, dass sie die Gewährung ohnehin verweigern werde. Vorgerichtliche Erklärungen der Beklagten hat die Klägerin nicht vorgetragen. Eine endgültige Ablehnung des Anspruchs im gerichtlichen Verfahren ist schriftsätzlich erst mit am 14.05.2013 eingegangenen Schriftsatz der Beklagten erfolgt. In diesem Schriftsatz hat die Beklagte auch erstmals Klageabweisung beantragt. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte sich in der gerichtlichen Güteverhandlung bereits so geäußert hat, dass eine gesonderte Geltendmachung der Urlaubsgewährung als aussichtslos und überflüssig erscheinen musste. Auch der Termin zur Güteverhandlung fand nämlich am 12.04.2013 und damit nach Ablauf des 31.03.2013 statt. Es ist daher in keiner Weise erkennbar, dass die Klägerin die Beklagte rechtzeitig vor dem Verfall mit der Gewährung in Verzug gesetzt hätte, so dass ein Ersatzanspruch hätte entstehen können.

e. Die Klägerin kann sich hinsichtlich des streitgegenständlichen tariflichen Mehrurlaubs auch nicht darauf berufen, die Beklagte hätte den Urlaub von sich aus gewähren müssen. § 25 Buchstabe A Ziff. 7 Abs. 1 MTV sieht nämlich zumindest für diesen Teil des Urlaubsanspruchs die Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers mit der Bestimmung vor, dass der Urlaub dann verfällt, wenn er nicht – vom Arbeitnehmer – erfolglos geltend gemacht worden ist. An einer solchen Geltendmachung fehlt es.

4. Damit kann offenbleiben, ob die Tarifparteien hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs eigene, von den gesetzlichen Regelungen abweichende Bestimmungen getroffen haben, so dass von einem Verfall des tariflichen Mehrurlaubs trotz der über den 31.03.2012 hinausgehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zum 31.03.2012 auszugehen wäre. Gerade an derjenigen Stelle, an der die Tarifparteien den Verfall des Urlaubsanspruchs regeln (§ 25 Buchstabe A Ziff. 7 Abs. 1), unterscheiden sie zwischen den gesetzlichen Ansprüchen und den tariflichen Mehransprüchen nicht. Soweit sie beim Verfall eine Unterscheidung treffen, beziehen sie diesen allein auf Urlaubsabgeltungsansprüche (§ 25 Buchstabe A Ziff. 7 Abs. 2). Ansonsten haben die Tarifparteien die gesetzlichen Bestimmungen im wesentlichen unverändert übernommen. Es spricht viel dafür, nicht deswegen eine eigenständige Abweichung zu bejahen, weil sie – für sämtliche Ansprüche, sowohl die gesetzlichen als auch die tariflichen – auf das Vorliegen der Übertragungsgründe verzichtet haben (so wohl LAG Rheinland-Pfalz vom 14.01.2013, 5 Sa 377/12, zitiert nach juris). Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil der Anspruch aus anderen Gründen nicht besteht.

5. Nach alldem steht der Klägerin der eingeklagte Anspruch nicht zu. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung ist zurückzuweisen. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO).

6. Die Zulassung der Revision ist veranlasst im Hinblick auf die Anforderungen an die Geltendmachung und die Auslegung der Bestimmungen des Manteltarifvertrages.

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