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Fristlose Arbeitnehmerkündigung wegen Drohung – Verhältnismäßigkeit

Fristlose Kündigung wegen angeblicher Bedrohung von Mitarbeiterinnen

In dem vorliegenden Fall geht es um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, die die beklagte Rundfunkanstalt gegenüber dem bei ihr langjährig beschäftigten Kläger ausgesprochen hatte. Hintergrund waren mehrere Äußerungen des Klägers gegenüber Mitarbeiterinnen, die von der Beklagten als Bedrohung gewertet wurden. Strittig war daher, ob ein außerordentlicher Kündigungsgrund vorlag und die Interessenabwägung zugunsten der Beklagten ausfiel. Während das Arbeitsgericht die Kündigung mangels Wahrung der zweiwöchigen Erklärungsfrist als unwirksam ansah, beurteilte das Landesarbeitsgericht die Äußerungen selbst als nicht geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sei der Beklagten eine Weiterbeschäftigung zumutbar gewesen. Damit war die Kündigungsschutzklage des Klägers erfolgreich.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 Sa 231/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Der Kläger war seit 2003 bei der beklagten Rundfunkanstalt als Referent in der Medienforschungsabteilung beschäftigt. Aufgrund seiner Betriebszugehörigkeit war er nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kündbar.
  • Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis im Januar 2022 außerordentlich fristlos, nachdem der Kläger in den Monaten zuvor angeblich Mitarbeiterinnen mit Äußerungen wie „Sie stehen auch auf meiner Liste“ bedroht haben soll.
  • Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung für unwirksam. Zwar könnten die Äußerungen des Klägers eine erhebliche Pflichtverletzung darstellen. Jedoch sei die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB von der Beklagten nicht eingehalten worden.
  • Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Unwirksamkeit der Kündigung. Es sei zudem fraglich, ob die Äußerungen überhaupt eine Pflichtverletzung darstellten. Die Interessenabwägung ergebe zudem, dass der Beklagten eine Weiterbeschäftigung zumutbar gewesen wäre.
  • Der Kläger hat daher einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsschutzprozesses. Seine Kündigungsschutzklage war damit erfolgreich.

Arbeitsverhältnis des Klägers bei der beklagten Rundfunkanstalt

Fristlose Arbeitnehmerkündigung wegen Drohung - Verhältnismäßigkeit
(Symbolfoto: MDV Edwards /Shutterstock.com)

Der 1959 geborene Kläger war seit 2003 bei der beklagten Rundfunkanstalt als Referent in der Medienforschungsabteilung beschäftigt. Aufgrund seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit war er nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 626 BGB kündbar.

Äußerungen des Klägers und darauf folgende fristlose Kündigung

Im Mai und August 2021 sowie erneut im Dezember 2021 soll der Kläger Mitarbeiterinnen der Beklagten im Beisein von Kollegen verbal angegriffen und ihnen gegenüber geäußert haben, er werde „den Sumpf trockenlegen“ und die betreffende Mitarbeiterin stehe auf seiner Liste. Die Beklagte wertete dies als Bedrohung und kündigte das Arbeitsverhältnis im Januar 2022 außerordentlich fristlos.

Entscheidung des Arbeitsgerichts Mainz

Das Arbeitsgericht Mainz erachtete die Kündigung als unwirksam, da die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB von der Beklagten nicht eingehalten worden sei. Zwar könnten die Äußerungen des Klägers eine erhebliche Pflichtverletzung darstellen, jedoch habe die Beklagte nach dem letzten Vorfall untätig zwei Wochen verstreichen lassen, bevor sie den Kläger angehört habe.

Bestätigung der Unwirksamkeit durch das Landesarbeitsgericht

Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Unwirksamkeit der Kündigung. Es sei bereits fraglich, ob die Äußerungen des Klägers überhaupt geeignet waren, eine fristlose Kündigung zu begründen. Die Formulierung, er werde „den Sumpf trockenlegen“, sei eher dahingehend zu verstehen, dass der Kläger interne Missstände bei der Beklagten aufdecken wolle. Auch die Aussage, jemand stehe auf seiner Liste, rechtfertige in diesem Kontext keine Annahme einer Bedrohung.

Zudem ergebe die nach § 626 Abs. 1 BGB gebotene Interessenabwägung, dass der Beklagten eine Weiterbeschäftigung zumutbar gewesen wäre. Der Kläger sei zuvor nicht abgemahnt worden und habe fast 20 Jahre ohne Beanstandung für die Beklagte gearbeitet. Eine Hausdurchsuchung der Polizei habe zudem ergeben, dass keine Gefahr von ihm ausgehe. Statt der fristlosen Kündigung wäre eine Abmahnung das mildere Mittel gewesen.

Fazit

Da die Kündigung unwirksam war, hat der Kläger nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsschutzprozesses. Seine Kündigungsschutzklage war damit insgesamt erfolgreich.

Das Landesarbeitsgericht beurteilte die vom Kläger getätigten Äußerungen nicht als so schwerwiegend, dass sie eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Vielmehr hätte die Beklagte den langjährigen Mitarbeiter zunächst abmahnen müssen. Da die außerordentliche Kündigung unwirksam war, steht dem Kläger ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu. Das Urteil stellt klar, dass eine fristlose Kündigung nur bei eindeutigen und schweren Pflichtverletzungen in Betracht kommt und stets eine Interessenabwägung erforderlich ist.

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Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 6 Sa 231/22 – Urteil vom 16.05.2023

I. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – 1 Ca 1515/21 – vom 31. Mai 2022 unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten teilweise abgeändert, soweit der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers abgewiesen worden ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger als Referenten zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung, um die Weiterbeschäftigung des Klägers und um widerklagend verfolgte Ansprüche der Beklagten auf Rückzahlung von für den Zeitraum nach Kündigungsausspruch ausgekehrter Vergütung.

Der 1959 geborene Kläger, der gegenüber seiner am … August 2002 geborenen Tochter unterhaltsverpflichtet ist, ist bei der beklagten Anstalt des öffentlichen Rechts, seit dem 01. September 2003 als Referent in der Abteilung Medienforschung beschäftigt. Kraft einzelvertragliche Bezugnahme finden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge C. Anwendung. Der Kläger ist aufgrund der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit und seines Alters nur bei Vorliegen eines fristlosen Kündigungsgrunds iSd. § 626 BGB und damit ordentlich unkündbar nach dem Manteltarifvertrag C.. Die Vergütung des Klägers ist zum 15. eines jeden Monats im Voraus fällig.

Die Parteien vereinbarten wegen von der Beklagten beanstandeter Leistungsmängel des Klägers eine für ein Jahr befristete Rückgruppierung des Klägers von der Vergütungsgruppe 10 (VG 10) nach Vergütungsgruppe 9 (VG 9) ab dem 01. Dezember 2020. Auch nach dem 01. Dezember 2021 hat die Beklagte den Kläger zunächst nach VG 9 vergütet.

Der Kläger hat am 20. Dezember 2021 beim Arbeitsgericht Mainz Klage auf Feststellung erhoben, dass seine befristete Rückgruppierung von VG 10 in VG 9 mit Ablauf des 30. November 2021 geendet hat und er ab 01. Dezember 2021 gemäß VG 10 zu vergüten ist. Zugleich hat der Kläger die der Höhe nach zuletzt unstreitige entsprechende Differenzvergütung für Dezember 2021 und im Wege der Klageerweiterung am 05. Januar 2022 auch für Januar 2022 eingeklagt.

Am 06. Januar 2022 erfolgte eine Anhörung des Klägers unter Beteiligung des Leiters Sicherheitsmanagement der Beklagten Z. und des im Justitiariat der Beklagten beschäftigten Zeugen Y.. Der Kläger bestätigte zu Beginn des Gesprächs sein Geburtsdatum und verweigerte weitere Angaben zu seinem Personenstand, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderteneigenschaft. Dem Kläger wurde im Gespräch eröffnet, dass er mehrere Äußerungen mit drohendem Charakter gegenüber Kolleginnen getätigt haben solle. Anlässlich der Übergabe einer Abmahnung vom 20. Mai 2021 (Bl. 49 f. d. A.) an ihn am 21. Mai 2021 solle er gegenüber der ua. für Personalfragen zuständigen Leiterin der Abteilung Zentrale Aufgaben (Hauptabteilung Programmplanung) der Beklagten X. wörtlich erklärt haben, er werde „den Sumpf hier trockenlegen“. Im Rahmen einer zufälligen Begegnung mit der Leiterin Abteilung Personalverwaltung W. im Fahrstuhl am 23. August 2021 solle er drohend geäußert haben „Sie stehen auch auf meiner Liste“ und „Ich werde den Sumpf trockenlegen“. Am 06. Dezember 2021 solle der Kläger der Zeugin W. erneut zufällig auf dem Gelände der Beklagten begegnet sein und ihr gegenüber erklärt haben, sie sei bei ihm „unten durch“ und, dass er „den Sumpf trockenlegen“ werde. Dem Kläger wurde vorgehalten, nach Angaben der Mitarbeiterinnen habe er die Äußerungen jeweils emotional aufgebracht getätigt und auf Kritik hochemotional reagiert. Der Kläger erklärte mehrfach, eine Stellungnahme nicht abgeben zu wollen und schwieg auf weitere Fragen, auch nach einer fünfminütigen Unterbrechung auf Vorschlag der Mitarbeiter der Beklagten.

Im Nachgang zum mit dem Kläger geführten Gespräch wurde dieser von der Beklagten mit Schreiben vom 06. Januar 2022 von seiner Arbeitsleistung freigestellt und ihm wurde ein Zutrittsverbot für den Betrieb erteilt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wandte sich hiergegen mit Schreiben vom 12. Januar 2022 (Bl. 74 ff. d. A.). Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 10. Januar 2022 (Bl. 39 ff. d. A.) den bei ihr gewählten Personalrat zur fristlosen Kündigung an. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens nebst Anlagen wird auf den Akteninhalt verwiesen. Der Personalrat gab eine Stellungnahme nicht ab.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17. Januar 2022 außerordentlich fristlos.

Der Kläger hat seine Klage am 19. Januar 2022 um eine gegen die Kündigung vom 17. Januar 2022 gerichtete Kündigungsschutzklage mit allgemeinem Feststellungszusatz erweitert, die der Beklagten am 24. Januar 2022 zugestellt worden ist.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, aus seiner Sicht werde ein fristloser Kündigungsgrund konstruiert. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt, da die Beklagte von den behaupteten Bedrohungsvorfällen jeweils mehr als zwei Wochen vor Kündigungsausspruch Kenntnis gehabt habe. Es liege auch kein Dauertatbestand vor, wenn er in mehr als sechs Monaten dreimal im Abstand von jeweils drei Monaten die behaupteten Äußerungen getätigt haben solle, zumal die Äußerung „Sie stehen auf meiner Liste“ nur einmal gefallen sein solle. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, es sei nach Einschätzung des Leiters Sicherheitsmanagement Z. von einer anhaltenden Gefährdungslage auszugehen gewesen, werde eine Gefährdungslage bestritten. Zudem werde die Beurteilungskompetenz des Zeugen in Abrede gestellt.Die Beklagte verschweige, dass ihr bei Ausspruch der Kündigung das Nichtbestehen einer Gefährdungslage bekannt gewesen sei. Am 12. Januar 2022 um 10.00 Uhr seien zwei Polizisten der Polizeiwache V. in seiner Wohnung in A-Stadt erschienen und hätten ihm erklärt, dass sie Mitteilung von einer Gefährdungssituation erhalten hätten, da er – der Kläger – von einer „Liste“ und davon gesprochen habe, „den Sumpf trockenlegen“ zu wollen. Man wolle prüfen, ob eine Gefährderansprache erfolgen müsse. Er sei vor den Kopf gestoßen gewesen und habe die Polizei in seine Wohnung gelassen, die dann inspiziert worden sei. Danach habe ein inhaltlich vergleichbares Gespräch wie bei der Anhörung durch die Beklagte stattgefunden. Eine Gefährderansprache sei nicht erfolgt. Nach seinem Kenntnisstand sei auch keine Gefährdungslage festgestellt worden. Dies sei dem Sicherheitsbeauftragten der Beklagten durch die rheinland-pfälzische Polizei noch vor der Kündigung mitgeteilt worden. Diesen entlastenden Umstand habe die Beklagte dem Personalrat nicht mitgeteilt. Er beanstande das Verhalten der Beklagten und der Polizei aus Rheinland-Pfalz, die in Hessen tätig geworden sei, als befremdlich. Aus seiner Sicht sei die rheinlandpfälzische Polizei auf Veranlassung der Beklagten in Hessen tätig geworden, um höchst möglichen Druck auf ihn auszuüben und ihn zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu bewegen. Ungeachtet dessen ergebe sich aus dem Polizeibericht vom 12. Januar 2022 (Bl. 158 f. d. A.), dass von ihm keine Gefahr ausgehe. Der Anhörungstermin vom 06. Januar 2022 sei kein geeignetes Kriterium für die Berechnung der Ausschlussfrist, da dieser seinerseits nicht zeitnah zu den angeblichen Verfehlungen stattgefunden habe. Ein Anhörungstermin erst Wochen oder gar Monate nach dem jeweils behaupteten Kündigungsvorfall belege, dass dieser offensichtlich nicht als gravierend eingestuft worden sei. Es werde in Abrede gestellt, dass beklagtenseits organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung des gesetzlichen Verwirkungstatbestandes des § 626 Abs. 2 BGB ergriffen worden seien. Insbesondere werde bestritten, dass der Justiziar keine Vollmacht zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung gehabt habe. Jedenfalls müsse sich der Intendant, der schon lange vor dem 10. Januar 2022 über den Sachverhalt vollständig in Kenntnis gesetzt gewesen sei, die überlange Kenntnis der Personalabteilung zurechnen lassen. Soweit die Beklagte ihm vorwerfe, er habe am 21. Mai 2021 erklärt, „Ich werde den Sumpf hier trockenlegen“, sei nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Zeugin X. durch diesen Satz habe bedroht fühlen können. Die Erklärung beziehe sich schon gedanklich nicht auf eine bestimmte Person. Es würden auch keine konkreten Maßnahmen angekündigt. Es handele sich allenfalls um eine Zustandsbeschreibung und stelle eine Meinungsäußerung dar. Eine aggressive Haltung werde bestritten. Es sei sein gutes Recht gewesen, dass er angesichts der Übergabe der Abmahnung ein wenig angespannt gewesen sei. Entsprechendes gelte für die angeblich gleichlautenden Erklärungen am 23. August 2021 und 06. Dezember 2021. Soweit er am 23. August 2021 zur Zeugin W. auch gesagt haben solle, „Sie sind unten durch“ handele es sich nicht um eine Bedrohung, sondern um die Meinung, dass er sie nicht sehr schätze. Soweit er geäußert haben solle, „Sie stehen auch auf meiner Liste“, werde diese Erklärung aus dem Zusammenhang gerissen, um ihn zu belasten. Er habe wiederholt erklärt, dass er sich ungerecht behandelt fühle und man ihn aus dem Arbeitsverhältnis drängen wolle. Er habe eine Liste der dafür verantwortlichen Personen. In diesem Zusammenhang sei auch auf den zwischen den Parteien bereits geführten Rechtsstreit Arbeitsgericht Mainz – 2 Ca 728/21 – zu verweisen, nachdem ihm verwehrt worden sei, in der Abteilung zu arbeiten, der er zugeordnet gewesen sei und man ihm stattdessen ein Einzelbüro zugewiesen habe, über längere Zeit sogar in einem Baucontainer. Nach dem gerichtlichen Vergleich vom 12. Juli 2021 (Bl. 78 d. A.) habe er zwar wieder in seiner Abteilung arbeiten können, zu diesem Zeitpunkt hätten aber fast alle Mitarbeiter Corona-bedingt im Homeoffice gearbeitet, was man ihm verwehrt habe. Die Beklagte habe bei Ausspruch der Kündigung auch nicht davon ausgehen können, dass er nicht an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken wolle. Er habe in der Anhörung nur gesagt, dass er sich überrumpelt fühle und sich zu gegebener Zeit über seinen Rechtsanwalt äußern werde. Daher habe sein Anwalt mit Schreiben vom 12. Januar 2022 auch erklärt, man äußere sich, sobald die Vorwürfe konkretisiert würden. In der Nichtäußerung liege im Übrigen nicht per so ein Verdachtsgrund für eine Bedrohungslage. Der Kläger führe auch keine schriftliche Liste über Personen, was klarzustellen sei. Dass eine Liste existiere, die Gegner oder Befürworter benenne, sei im realen Leben nichts Außergewöhnliches und erlaube keinen Schluss auf eine Bedrohungslage. Die behaupteten Sätze erklärten sich möglicherweise aus dem Empfinden des Klägers, von der Personalabteilung und auch zu weiteren Gegebenheiten nicht der Billigkeit entsprechend behandelt worden zu sein, beispielsweise, als er sich als einziger bei der Sekretärin seines Vorgesetzten habe an – und abmelden müssen.

Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht vom 31. Mai 2022 haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Feststellungsantrags im Wege eines Teilvergleichs im Sinne des Feststellungsantrages beigelegt.

Der Kläger hat daher zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.674,11 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2021 abzüglich am 15. Dezember 2021 gezahlter 4.900,67 Euro netto zu zahlen;

2. die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 9.940,15 EUR brutto abzüglich am 15. Januar 2022 gezahlter 4.928,67 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2022 zu zahlen;

3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 17. Januar 2022 beendet worden ist.

Der Kläger hat im genannten Kammertermin klageerweiternd zudem hilfsweise als unechten Hilfsantrag folgenden Antrag gestellt:

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Referenten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte, die der Klageerweiterung nicht zugestimmt hat, hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat die Beklagte beantragt, Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 1.234,30 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszins seit dem 09. Februar 2022 zu bezahlen.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, ihr sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten, da der Kläger – wie ihm im Anhörungsgespräch vom 06. Januar 2022 mitgeteilt – mehrfach in angespannter und aggressiver Haltung Mitarbeiterinnen bedroht und von diesen Bedrohungen keinen Abstand genommen habe. Besonders schwerwiegend sei, dass der Kläger trotz der ihm im Rahmen der Anhörung am 06. Januar 2022 eingeräumten Gelegenheit sich zu den Drohungen zu erklären, keinerlei Reaktion gezeigt bzw. jegliche Mitwirkung verweigert habe. Der Kläger habe vielmehr eine kalt wirkende, abschätzige und berechnende Verhaltensweise gezeigt, was eine atypische Reaktion auf derartige Vorhaltungen darstelle. Ihr Sicherheitsmanager Z., Diplomverwaltungswirt – Fachbereich Polizei – und vor der Tätigkeit bei der Beklagten Leiter des Gefährdermanagements im Hessischen LKA, sei daher unter dem Eindruck der Anhörung zu dem Schluss gekommen, dass eine akute Bedrohungslage bestehe und der Eintritt eines schädigenden Ereignisses zu Lasten der Belegschaft oder des Unternehmens „wahrscheinlich“ sei. Daraufhin habe sie den Kläger – unstreitig – bezahlt freigestellt gestellt und ihm Hausverbot erteilt. Die außerordentliche Kündigung sei das einzige Mittel, um den schwerwiegenden Bruch des Arbeitsvertrages angemessen zu sanktionieren. Das erforderliche Vertrauensverhältnis für die Fortführung des Arbeitsverhältnisses sei unheilbar zerstört. Das Verhalten des Klägers gerade auch in der Anhörung habe gezeigt, dass dieser sich durch eine förmliche Abmahnung nicht hätte beeindrucken lassen. Ihr sei es nicht zuzumuten, eine weitere Eskalation bzw. den Eintritt eines schädigenden Ereignisses abzuwarten. Sie müsse sich schützend vor die betroffenen Mitarbeiterinnen stellen und eine weitere Störung des Betriebsfriedens unterbinden. Das Arbeitsverhältnis sei auch in der Vergangenheit nicht störungsfrei verlaufen: Bereits während der Tätigkeit des Klägers bei der rechtlich selbstständigen C. -Werbefernsehen GmbH sei es zu erheblichen Störungen des Arbeitsverhältnisses gekommen. Eine Anhörung des Klägers wegen verschiedener Sachverhalte am 04. Februar 2016 habe zunächst damit geendet, dass man habe prüfen wollen, ob dessen Verhalten einen gesundheitlichen Hintergrund habe. Schon drei Monate später habe der Geschäftsführer der GmbH jedoch u.a. von Arbeitsverweigerung sowie einem unangemessenen Verhalten des Klägers gegenüber einer Mitarbeiterin berichtet. Im Gespräch am 19. Juli 2016 (vgl. Protokoll Bl. 127 ff. d. A.) sei vereinbart worden, dass der Kläger am 01. Januar 2017 zu ihr, der Beklagten, zurückkehre. In Ziff. 4 und 10 des Protokolls sei ausdrücklich festgehalten, dass der Kläger bei einem Fehlverhalten des Büros verwiesen und ein unzureichendes persönliches Verhalten gegenüber Kolleginnen und Kollegen zu entsprechenden Reaktionen führen werde. Auch von dritter Seite sei es zu Beschwerden über das Verhalten des Klägers vor folgendem Hintergrund gekommen: Im Schreiben der Sparkasse C-Stadt vom 29. Januar 2019, die in ihrem Sendezentrum eine eigene Filiale betreibt, habe diese geschildert, dass der Kläger gegenüber ihrer Mitarbeiterin am 24. Januar 2019 u.a. einen äußerst aggressiven Tonfall angewandt habe, ihr körperlich sehr nahegekommen sei und ihr „Konsequenzen“ angedroht habe. Zwar sei dieser Vorfall nicht Anlass für die ausgesprochene Kündigung, habe jedoch Indizwirkung in Bezug auf das streitgegenständliche Verhalten. Offenbar zeige sich hier ein wiederholt auftretendes aggressives Verhaltensmuster des Klägers, das sich primär gegen Frauen zu richten scheine. Am 21. Mai 2021 habe der Kläger unstreitig zudem eine Abmahnung wegen unzureichender Leistungserbringung, sowie wegen der Missachtung einer Anordnung zur Meldung seiner Arbeitszeiten erhalten. Die Kündigung sei auch nicht verfristet. Für den Fristbeginn gemäß § 626 Abs.2 BGB sei auf das Verhalten des Klägers in der Anhörung am 06. Januar 2022 abzustellen. Es habe eine akute Gefährdungssituation bzw. ein Dauerzustand vorgelegen. Der Kläger habe am 06. Januar 2022 ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zu den Drohungen zu erklären, sie zurückzunehmen bzw. sich dafür zu entschuldigen. Er habe jedoch keinerlei Reaktion gezeigt und jegliche Kooperation verweigert. Durch dieses Verhalten hätten sich die zuvor ausgesprochenen Drohungen weiter manifestiert, sodass eine akute Bedrohungs- und Gefährdungslage bestanden habe. Ihr Sicherheitsmanager habe daher in seiner Bewertung vom 06. Januar 2022 (Bl. 46 d. A.) auch explizit auf das in der Anhörung gezeigte Verhalten abgestellt und ausgeführt: „Die durch das heutige Gespräch fortbestehende Gefährdung erfordert aus meiner Sicht rasches Handeln. Vergangene emotionale Ausbrüche bzw. Androhungen von schädigenden Handlungen wurden stets durch ein Ereignis ausgelöst“. Selbst wenn man aber an das Verhalten des Klägers am 06. Dezember 2021 anknüpfe, sei hierdurch die Kündigungsfrist noch nicht in Gang gesetzt worden, da sowohl die Leiterin der Abteilung Personalverwaltung W. als auch der Leiter der Hauptabteilung Personal und der Justitiar U. im vorliegenden Fall nicht kündigungsberechtigt gewesen seien. Dies sei ausweislich Ziff. 3 der VwAO-231/21 (Bl. 133 ff. d. A.) vorliegend nur der Intendant. Diesem sei der Kündigungssachverhalt erstmals am 10. Januar 2022 unter Vorlage der beabsichtigten Personalratsanhörung vorgelegt worden. Es liege auch kein Organisationsverschulden vor. Bei ihr seien Vorkehrungen getroffen, dass der Intendant – sofern er allein kündigungsberechtigt sei – über kündigungsrelevante Umstände rechtzeitig unterrichtet werde. Sobald der Hauptabteilung Personal ein Verdacht bezüglich eines Verhaltensverstoßes bekannt werde, ergreife sie die notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung. Vorliegend sei die Zeugin W. am 06. Dezember 2022 zu dem Schluss gekommen, dass ein Sicherheitsrisiko bestehe. Daher habe sie sich an den Sicherheitsmanager gewandt, der für das Bedrohungsmanagement zuständig sei. Dieser habe beschlossen, sich in einem Anhörungstermin ein persönliches Bild vom Kläger zu machen. Der Termin sei dann – nicht zuletzt wegen der Weihnachtsfeiertage und urlaubsbedingter Abwesenheitszeiten – am 06. Januar 2022 zustande gekommen. Das Anwaltsschreiben vom 12. Januar 2022 sei nicht geeignet gewesen, die akute Bedrohungslage zu entkräften. Auch in diesem Schreiben distanziere sich der Kläger nicht von seinen Äußerungen und bestreite diese letztlich auch nicht. Das Vorgehen der Polizei liege nicht in ihrem Verantwortungsbereich. Sie habe lediglich – wie auch in vergleichbaren Fällen – die Polizei informiert, da es leider öfter vorkomme, dass ihre Mitarbeiter bedroht würden. Offenbar habe es auch die Polizei für geboten gehalten, den Kläger im Sinne einer Gefährderansprache aufzusuchen. Dass man bei dem Kläger keine Waffen gefunden habe, schließe eine Gefährdung nicht aus. In seinem Schriftsatz vom 14. März 2022 räume der Kläger im Übrigen ausdrücklich selbst ein, dass er über eine „Liste“ mit denjenigen Personen verfüge, die ihn aus seiner Sicht aus dem Arbeitsverhältnis drängen wollten. Es stelle sich mithin die Frage, was der Kläger in Bezug auf diese Personen eigentlich vorhabe. Eine vorherige Abmahnung sei bei derart schweren Pflichtverletzungen entbehrlich, da diese nicht geeignet gewesen wäre, den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Es habe eine negative Prognose bestanden, was durch das Verhalten des Klägers in der Anhörung überdeutlich geworden sei. Der Kläger habe keinerlei Reue oder Einsichtsfähigkeit gezeigt und jegliche Kooperation verweigert. Zudem sei er bereits mehrfach mit drohenden Äußerungen aufgefallen. Der Vorprozess auf Beschäftigung, mit dem der Kläger zunächst gerichtlich geltend gemacht habe, unbedingt im 12. Stock des Hochhauses arbeiten zu wollen, sei unbeachtlich. Die Parteien hätten dies im Rahmen des Vergleichs auch so vereinbart, allerdings habe der Kläger jedoch dann lieber im Homeoffice arbeiten wollen. Bis zur Kündigung sei es dann schlicht nicht mehr zu einer Vereinbarung von Telearbeit (den Antrag habe der Kläger selbst wieder zurückgezogen) oder zur situativen Vereinbarung von mobiler Arbeit gekommen. Dem Kläger stehe für den Dezember 2021 sowie für die Zeit vom 01. bis zum 17. Januar 2022 zwar noch ein Nachzahlungsanspruch in Höhe der Differenz zwischen der VG 10 / Stufe 9 und der VG 9 / Stufe 9 zu. Da sie das Gehalt vorschüssig zahle, habe sie jedoch aufgrund der am 17. Januar 22 erfolgten Kündigung einen Bereicherungsanspruch, mit dem sie gegen den Nachzahlungsanspruch des Klägers aufrechne. Damit ergebe sich ein verbleibender Bereicherungsanspruch iHv. 1.234,30 Euro netto, der mit der Widerklage geltend gemacht werde (vgl. Berechnung Bl. 51 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat den Zahlungsanträgen des Klägers mit Urteil vom 31. Mai 2022 vollumfänglich stattgegeben, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 17. Januar 2022 aufgelöst worden ist und die Klage im Übrigen, sowie die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, die streitgegenständliche Kündigung erweise sich im Ergebnis als unwirksam. Nach Überzeugung der Kammermitglieder enthalte zumindest die vom Kläger gegenüber der Zeugin W. am 23. August 2021 getätigte Äußerung, sie stehe auf seiner Liste, was gerade in Zeiten in denen die Öffentlichkeit über „Listen“ bzgl. „unliebsamer“ Personen (insbesondere Politiker, Mediziner, Medienschaffende, Migranten, Staatsbedienstete uam.) berichtet und diskutiert werde und in sozialen Netzwerken sogar „Todeslisten“ kursierten, ein nicht unerhebliches Drohpotential. Ob diese als ernstlich zu beurteilen sei, hänge von einer umfassenden Würdigung des Beweiswerts der Indiztatsachen ab, insbesondere dem konkreten Inhalt der Äußerung und deren Gesamtzusammenhang, aber auch einer unterbliebenen Distanzierung oder Entschuldigung nach einer Phase der Beruhigung. Einer näheren Sachaufklärung und Bewertung bedürfe es aber nicht, weil die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe. Stelle man auf den Zeitpunkt der Äußerungen ab, sei dies offensichtlich. Die Einhaltung der Frist ergebe sich auch nicht aus den anderen von der Beklagten vorgebrachten Umständen. Auch wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgehe, dass sie vor Ausspruch der Kündigung eine Anhörung des Klägers für notwendig halten und diese abwarten durfte, obwohl ihr bereits am 06. Dezember 2021 die äußeren Umstände des Geschehens bekannt gewesen seien, habe sie die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt, da sie zwischen dem 06. Dezember 2021 (letzter Vorfall) und dem 06. Januar 2022 (Anhörung des Klägers) keine weiteren Maßnahmen zur Ermittlung des Kündigungssachverhalts bzw. zur Anhörung des Klägers ergriffen habe, sondern untätig geblieben sei. Jedenfalls fehle es an einem substantiierten Vortrag der Beklagten hierzu und besondere Umstände seien nicht ersichtlich. Zwar gebe es Fallkonstellationen, bei denen ein Kündigungsberechtigter zuwarten und seinen Kündigungsentschluss etwa vom Ausgang bzw. dem Fortgang eines Strafverfahrens abhängig machen dürfe. Aber auch dies berechtige den Arbeitgeber nicht dazu, zu einem beliebigen Zeitpunkt außerordentlich zu kündigen. Vorliegend hätten sich aus der Anhörung jedoch weder neue Tatsachen und Beweismittel ergeben, noch seien die Vorwürfe gegen den Kläger auf eine andere Stufe gehoben worden. Wesentliche Gesichtspunkte, die für die Kündigung hätten ausschlaggebend sein können, seien nicht zu Tage getreten. Im Übrigen habe es die Beklagte selbst in der Hand gehabt, die Anhörung in der gebotenen Eile durchzuführen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Behauptung der Beklagten, der kündigungsberechtigte Intendant habe von den Kündigungsvorwürfen erstmals am 10. Januar 2022 Kenntnis erlangt. Zum einen sei der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung noch in der VG 9 eingereiht gewesen und der Intendant daher nicht kündigungsberechtigt. Zum anderen ergebe sich aus Ziff. 3 VwAO-231/21 eine Bevollmächtigung des Justiziars nach § 174 Satz 1 BGB als Vertreter des Intendanten zur Durchführung einseitiger Rechtsgeschäfte. Wann dieser Kenntnis erlangt habe, habe die Beklagte nicht vorgetragen. Es könne daher offenbleiben, ob vorliegend nicht Personen in ähnlich selbstständiger Stellung wie der Intendant vor Ablauf von zwei Wochen Kenntnis gehabt hätten und ein schuldhafter Organisationsmangel in Bezug auf die verspätete Kenntniserlangung vorliege, so dass die Beklagte sich die Kenntnisnahme dieser Personen zurechnen lassen müsse. Da die streitgegenständliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe, und die Vergütungshöhe unstreitig sei, seien die Zahlungsansprüche des Klägers begründet. Demgegenüber sei der erstmals im Kammertermin gestellte Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers abzuweisen, da die Beklagte der nachträglichen Klageerweiterung nicht zugestimmt habe. Die Voraussetzungen der Sachdienlichkeit gemäß § 263 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG lägen nicht vor. Im Übrigen erweise sich der Antrag im konkreten Einzelfall – wie das Vorverfahren der Parteien zeige – im Hinblick auf en konkreten Inhalt der geschuldeten Tätigkeit, sowie deren Ort und Zeit, sowie die Art und Weise mangels Vollstreckbarkeit auch als zu unbestimmt. Selbst wenn man Zulässigkeit annehmen wollte, wäre der Antrag unbegründet. Es sei weder dargetan, noch ersichtlich, dass und warum der Kläger, der selbst in der Klageschrift angegeben habe, Arbeitnehmer in der Medienabteilung zu sein, einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung als „Referent“ haben solle. Die Widerklage habe wegen des Obsiegens des Klägers mit seiner Kündigungsschutzklage keinen Erfolg haben können. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf S. 10 ff. d. Urteils (= Bl. 178 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das am 19. August 2022 zugestellte Urteil mit am 26. August 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit in innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist am 18. Oktober 2022 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begründet, der dem Kläger am 19. Oktober 2022 zugestellt worden ist. Der Kläger hat bereits mit Schriftsatz vom 31. August 2022 Anschlussberufung im Hinblick auf die Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrags eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Beklagte trägt zweitinstanzlich nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 18. Oktober 2022 (Bl. 231 ff. d. A.), hinsichtlich deren weiteren Inhaltes auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen wird, zur Begründung ihrer Berufung und Verteidigung gegen die Anschlussberufung des Klägers unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, das Arbeitsgericht nehme rechtsfehlerhaft an, dass es einer näheren Sachaufklärung und Bewertung der dem Kläger vorgeworfenen Äußerungen nicht bedurft habe, da die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten sei. Es stelle rechtsfehlerhaft auf die Zeitpunkte der Äußerungen ab. Die Zeugin W. sei nicht kündigungsberechtigt gewesen, am 06. Dezember 2021 sei der Sachverhalt nicht bekannt und auch nicht ausermittelt gewesen, insbesondere sei nicht abschließend zu beurteilen gewesen, ob die Äußerungen/Drohungen des Klägers als ernstlich zu beurteilen gewesen seien. Das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, die Beklagte habe zwischen dem 06. Dezember 2021 und dem 06. Januar 2022 keine weiteren Maßnahmen zur Ermittlung des Kündigungssachverhaltes unternommen. Am 15. Dezember 2022 habe die Mitarbeiterin X. eine E-Mail des Klägers mit dem römischen Zitat des Feldherrn, der Carthago habe zerstören wollen („Et ceterum censeo…“), erhalten. Sie habe die E-Mail an die Mitarbeiterin der Personalabteilung T. weitergeleitet, die daraufhin die Zeugin W. informiert habe, die wiederum die Zeugin T. über den Vorfall vom 06. Dezember 2021 in Kenntnis gesetzt habe. Im Einvernehmen mit den betroffenen Kolleginnen sei am 17. Dezember 2021 ein vertrauliches Beratungsgespräch mit dem Sicherheitsmanager Z. initiiert worden, dessen Stellungnahme vom 20. Dezember 2021 (Bl. 241 d. A.) der Personalabteilung am gleichen Tag zugegangen sei. Der Zeuge Z. habe den Eintritt eines schädigenden Ereignisses für wahrscheinlich gehalten und dazu geraten, zeitnah ein persönliches Gespräch zu führen. Er habe aber auch dazu geraten, von einer Terminierung des Gesprächs vor Weihnachten Abstand zu nehmen, da nach seiner Einschätzung ein solches – geführt in einer oftmals verstärkenden oder impulsgebenden Zeit besinnlicher, grundsätzlich familiärer Feste wie das Weihnachtsfest und die Zeit „zwischen den Jahren“ – sogar ein auslösendes Moment für den Kläger hätte sein können, seine Drohungen in die Tat umzusetzen. Dies habe gegen eine Terminierung vor dem Jahreswechsel gesprochen, da es nicht zumutbar gewesen sei, eigene Mitarbeiter/ -innen in Gefahr zu bringen. Über die Bedrohung habe die Zeugin W. ihren Vorgesetzten, Hauptabteilungsleiter Personal S. erstmals am Abend des 20. Dezember 2021 informiert, indem sie ihm die Bewertung zur Kenntnis übermittelt habe. Im Ergebnis sei der Zeuge Z. nach dem Gespräch vom 06. Januar 2022 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger quasi als „tickende Zeitbombe“ unterwegs gewesen sei, die Drohungen ernst zu nehmen seien und Gefahr für Leib und Leben von Mitarbeitenden gegeben gewesen sei. Auch vor dem Hintergrund der anstehenden Weihnachtsfeiertage sowie Urlaub verschiedener Entscheidungsträger bzw. involvierter Mitarbeiter sei eine Beschleunigung der Abläufe nicht möglich gewesen. Die Einladung an den Kläger zum Gespräch sei am 03. Januar 2022 veranlasst worden. Erst die fachliche Expertise des Sicherheitsmanagers Z., begründet durch seine Stellungnahme vom 20. Dezember 2021 und 06. Januar 2022, habe eine neue Qualität der von der Beklagten angenommenen Gefährdungslage begründet und die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in Gang gesetzt. Seitens des Justitiars U. sei der Intendant über die Kündigungsvorwürfe am 10. Januar 2022 in Kenntnis gesetzt worden. Maßgeblich für die Kündigungsberechtigung des Intendanten sei allein die Vergütungsgruppe zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung, da die Rückgruppierung durch Zeitablauf beendet gewesen sei. Das Arbeitsgericht habe fehlerhaft angenommen, es liege ein Organisationsmangel des Betriebes oder der Verwaltung vor, weil die fachliche Expertise des einen Dauertatbestand ermittelnden Fachmannes Z. eingeholt worden sei. Erst mit dessen Einschätzung nach dem persönlichen Eindruck habe ein ausermittelter Sachverhalt vorgelegen. Vor diesem Hintergrund sei die Kündigungsschutzklage ebenso abzuweisen wie die Zahlungsklage und der Widerklage stattzugeben. Die Anschlussberufung sei zurückzuweisen, da das Arbeitsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt habe, dass die Klageerweiterung unzulässig, der Antrag zu unbestimmt und der Anspruch nicht schlüssig dargelegt gewesen sei. Im Übrigen sei ihr wegen der vom Kläger ausgehenden Gefährdung die Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 31. Mai 2022 – 1 Ca 1515/21 – die Klageanträge zu 2) und 3) abzuweisen, sowie der Widerklage stattzugeben.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

2. im Wege der Anschlussberufung:

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – 1 Ca 1515/21 vom 31. Mai 2022 abzuändern, soweit der Klageantrag zu 4) abgewiesen wurde und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Referenten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das vom Beklagten angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 21. November 2022 (Bl. 257 ff. d. A.) und begründet seine Anschlussberufung mit Schriftsatz vom 31. August 2022 (Bl. 217 d. A.), hinsichtlich deren weiteren Inhaltes jeweils auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, zweitinstanzlich unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags wie folgt,

in den Stellungnahmen des Zeugen Z. vom 20. Dezember 2021 und 06. Januar 2022 sei urkundlich niedergelegt, dass kein Kündigungsgrund bestehe. In der Erklärung vom 20. Dezember 2021 habe er ein durch den Kläger verursachtes schädigendes Ereignis für wahrscheinlich gehalten, ob es sich hierbei um eine Gewalttat, öffentliches Diffamieren oder Worthülsen handele, habe durch das persönliche Gespräch geklärt werden sollen. Auch nach diesem Gespräch am 06. Januar 2022 sei ein schädigendes Ereignis – ohne die beabsichtigten Feststellungen zu treffen – lediglich für wahrscheinlich gehalten worden. Auch zur Befähigung des Klägers, eine Gewalttat zu begehen, sei kein Erkenntnisgewinn zu verzeichnen. Aus welchen Gründen die Freistellung und das Zutrittsverbot und eine allein durch Gefährdung begründete außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein solle, erschließe sich nicht. Die Beklagte habe zudem – nachdem eine konkrete Gefährdungslage nicht habe festgestellt werden können – noch polizeiliche Ermittlungen erbeten, um doch noch eine solche Lage zu verifizieren, die Ermittlungen seien jedoch ebenfalls ergebnislos geblieben. Selbst wenn man vom – bestrittenen – Vorliegen eines Verdachts ausgehen wolle, sei eine Verdachtskündigung nicht möglich, da der Kläger hierzu nicht angehört worden sei. Soweit die Beklagte ihn als eine tickende Zeitbombe bezeichne, verwehre er sich gegen dieses Bild, allerdings könne allenfalls eine personenbedingte Kündigung in Betracht kommen. In diesem Fall habe die Gefährdungslage durch einen Arzt/Betriebsarzt geklärt werden müssen und nicht durch den Zeugen Z.. Der Personalrat sei nicht umfassend unterrichtet, da er nicht über die Stellungnahmen des Zeugen Z. vom 20. Dezember 2021 und 06. Januar 2022 informiert gewesen sei. Soweit die Beklagte zum römischen Zitat vortrage, bedeute „ceterum censeo“ lediglich „Im Übrigen denke ich anders“, der Zusatz zu Carthago sei gerade nicht erfolgt. Zudem sei der E-Mail umfangreicher E-Mail-Verkehr zur Beschäftigung des Klägers im Home-Office vorangegangen. Im Übrigen verlange der Kläger nach Art. 15 DSGVO die Vorlage aller Protokolle und Aufzeichnungen zu den – im Einzelnen dargestellten – Behauptungen der Beklagten zu jeglichem aggressivem Verhalten gegenüber Mitarbeitern, seinem außerdienstlichen Leben und der unterlassenen Aggression im Rahmen der kollegialen Begleitung zweier Mitarbeiter wie vom Zeugen Z. in seiner Stellungnahme angegeben. Erst nach Vorlage der Aufzeichnungen könne er sich substantiiert äußern. Die Ausschlussfrist sei – insoweit vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt – nicht gewahrt. Der Beklagtenvortrag, dass wegen der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage und bestrittenem Urlaub von Entscheidungsträgern (und Kündigungsberechtigten) eine Beschleunigung der Abläufe nicht möglich gewesen sei, werde bestritten. Eine Empfehlung, das Gespräch erst nach den Weihnachtsfeiertagen stattfinden zu lassen, habe der Zeuge Z. nie erklärt. Er sei auch erst nach Abschluss des Teilvergleichs in VG 10 eingruppiert gewesen. Eine Bedrohungslage sei konstruiert und habe nicht vorgelegen (SVG). Hätte man ihn zum Anhörungszeitpunkt befragt, ob er in Beziehung zu einer weiblichen Person stehe bzw. eine Lebensgefährtin habe, hätte er dies bejaht. Es spreche jedenfalls nicht für einen Gewalttäter, wenn man sich zu einem Sachverhalt nur über einen Rechtsanwalt äußern wolle. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht den Eventualweiterbeschäftigungsantrag abgewiesen. Eine Klageerweiterung sei in jedem Stadium des Verfahrens zulässig. Die Sachdienlichkeit sei zu Unrecht verneint worden, weil einem Weiterbeschäftigungsantrag in der Regel bei erfolgreichem Kündigungsschutzantrag stattgegeben werden müsse und zudem ein weiteres Ca-Verfahren verhindert werde. Das Urteil sei widersprüchlich. Seien die Vorwürfe nicht so schwer, dass sie eine Kündigung rechtfertigen, dann sei es ein Widerspruch in sich, deshalb die Weiterbeschäftigung zu versagen. Dass der Kläger Referent sei, habe er dem Arbeitsgericht mündlich mitgeteilt und ergebe sich aus der schriftlichen Unterlage zur Personalratsanhörung. Die Bezeichnung sei konkret genug und unstreitig.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache nicht erfolgreich. Die zulässige Anschlussberufung des Klägers ist begründet.

I. Zulässigkeitsbedenken bestehen weder hinsichtlich der Berufung der Beklagten, noch der Anschlussberufung des Klägers.

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe c ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 19. August 2022 mit am 26. August 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz 18. Oktober 2022, eingegangen bei Gericht am 19. Oktober 2022, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 ZPO).

2. Die zum existenten Hauptrechtsmittel (vgl. Münchener Kommentar ZPO – Rimmelspacher 6. Auflage 2020 § 524 Rn. 6 f.; 32) erklärte Anschlussberufung des Klägers ist zulässig. Er hat seine Anschlussberufung gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG fristgerecht vor Ablauf der Berufungserwiderungsfrist bei Gericht eingelegt und sie zugleich begründet (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG).

II. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

1. Das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 17. Januar 2022, die der Kläger fristgerecht gemäß §§ 4 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG mit seiner Kündigungsschutzklage angegriffen hat und die deshalb auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen war, nicht beendet worden ist. Der Beklagten steht bereits ein außerordentlicher Kündigungsgrund iSd. § 626 Abs. 1 BGB, der gegenüber dem tariflich ordentlich unkündbaren Kläger allein zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen könnte, nicht zur Seite. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten hat und ob der bei der Beklagten gebildete Personalrat ordnungsgemäß nach § 83 Abs. 3 LPersVG-RP beteiligt worden ist.

1.1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 47/16 – Rn. 17, 17. November 2016 – 2 AZR 730/15 – Rn. 20, jeweils zitiert nach juris).

1.2. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB liegt auch im Verhältnis zu einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis ordentlich nicht gekündigt werden kann, dann vor, wenn es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach einem insoweit anzulegenden objektiven Maßstab nicht zuzumuten ist, den Arbeitnehmer auch nur bis zum Ablauf der (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. In diesem Fall wäre eine außerordentliche Kündigung auch dann gerechtfertigt, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre (BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 47/16 – Rn. 18, 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14 – Rn. 42, jeweils zitiert nach juris).

1.3. Die Berufungskammer hatte unter Berücksichtigung aller wesentlichen Aspekte des unterbreiteten Kündigungssachverhalts bereits erhebliche Bedenken, ob nach diesen Grundsätzen vom Vorliegen eines an sich geeigneten Grundes iSd. § 626 Abs. 1 BGB ausgegangen werden kann.

a) Eine ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben ua. von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen und/oder deren Verwandten (ErfK/Niemann 23. Aufl. BGB § 626 Rn. 86), für die kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund eingreift, kommt „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht (BAG 28. Februar 2023 – 2 AZR 194/22 – Rn. 10; 29. Juni 2017 – 2 AZR 47/16 – Rn. 23, zitiert nach juris). In einem solchen Verhalten liegt eine massive Störung oder jedenfalls konkrete Gefährdung des Betriebsfriedens. Es stellt, ohne dass es auf seine Strafbarkeit nach § 241 StGB ankäme, eine erhebliche Verletzung der sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebenden, den Arbeitnehmer treffenden Nebenpflicht dar, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Das gilt unabhängig davon, ob das Verhalten des Arbeitnehmers auf die Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs zielt (vgl. BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 47/16 – Rn. 23, aaO). Eine erhebliche Pflichtverletzung in Gestalt einer ernstlichen Drohung liegt vor, wenn die Äußerung nach ihrem sorgfältig zu ermittelnden Erklärungsgehalt objektiv geeignet ist, bei einem „normal“ empfindenden Menschen den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken, und der Wille des Drohenden darauf gerichtet ist, dass der Adressat die Drohung ernst nimmt. Nicht entscheidend ist, ob der Drohende seine Ankündigung verwirklichen kann oder will. Ebenso wenig kommt es grundsätzlich darauf an, ob der Adressat sie tatsächlich ernst nimmt, und ob eine Störung des Rechtsfriedens eintritt (vgl. BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 47/16 – Rn. 27 unter Verweis (zur strafrechtlichen Bewertung) auf BVerfG 19. Dezember 1994 – 2 BvR 1146/94 – Rn. 27, zitiert nach juris). Dabei wird jedoch stets vorausgesetzt, dass die Drohung zur Störung des Rechtsfriedens des Bedrohten objektiv geeignet ist (BVerfG 19. Dezember 1994 – 2 BvR 1146/94 – Rn. 27, aaO).

b) Die Berufungskammer hält es für fraglich, ob dem Kläger nach diesen Grundsätzen als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung eine an sich als außerordentlicher Kündigungsgrund geeignete ernstliche Drohung gegenüber Vorgesetzten bzw. Kollegen mit Gefahren für Leib oder Leben vorgeworfen werden kann. Es ist bereits schwerlich erkennbar, dass der Kläger nach dem als zutreffend unterstellten Vortrag der Beklagten Leib oder Leben von Vorgesetzten oder Kollegen bedroht hat.

aa) Die Beklagte hat ihre Kündigung auf eine bestehende akute Gefährdungslage gestützt und zu deren Begründung behauptet, der Kläger habe mehrfach in angespannter und aggressiver Haltung Mitarbeiterinnen bedroht und von diesen Bedrohungen keinen Abstand genommen. Konkret hat sie – insoweit auch dem Personalrat mitgeteilt – ausgeführt, der Kläger habe gegenüber der Leiterin der Abteilung Zentrale Aufgaben (Hauptabteilung Programmplanung) X. anlässlich der Übergabe einer Abmahnung am 21. Mai 2021 wörtlich erklärt, er werde „den Sumpf hier trockenlegen“. Bei einer Begegnung im Fahrstuhl habe er am 23. August 2021 gegenüber der Leiterin Personalabteilung R. drohend geäußert, sie stehe auch „auf seiner Liste“ und habe erneut geäußert, er werde „den Sumpf hier trockenlegen“. Die Formulierung des „Sumpf-trocken-Legens“ habe der Kläger am 06. Dezember 2021 gegenüber der Zeugin R. wiederholt und erklärt, sie sei bei ihm „unten durch“. Im Anhörungsgespräch vom 06. Januar 2022 hat der Kläger unstreitig bis auf Angaben zu Namen und Geburtsdatum zu weiteren Statusangaben und den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen keinerlei Stellungnahme abgegeben und sich zudem jeglicher emotionalen Reaktion enthalten. Die Beklagte hat – vom Kläger bestritten – vorgetragen, der Kläger habe im Anhörungsgespräch eine kalt wirkende, abschätzige und berechnende Verhaltensweise an den Tag gelegt. Sie hat im Berufungsverfahren geltend gemacht, der Leiter Sicherheitsmanagement Z. sei nach dem Gespräch zu dem Schluss gekommen, der Kläger sei quasi „eine tickende Zeitbombe“, die Drohungen ernst zu nehmen und Gefahr für Leib und Leben gegeben gewesen.

bb) Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass der Kläger die geschilderten Äußerungen gegenüber den Mitarbeiterinnen in einem hoch-emotionalen, aggressiven Tonfall getätigt hat, sieht die Berufungskammer in der Ansage des Klägers, er „werde den Sumpf hier trockenlegen“ keine Drohung für Leib und Leben der Mitarbeiterinnen, sondern vielmehr die Ankündigung, nach seiner Auffassung bei der Beklagten bestehende Missstände, die durch die von ihm als ungerecht empfundene Behandlung seiner Person in der Vergangenheit zutage getreten sind, offen zu legen. Dies hat der Kläger nach dem Sachvortrag der Beklagten gegenüber der Zeugin X. auch ausdrücklich erklärt, da er ihr – ausweislich der E-Mail des von der Beklagten mit der Einschätzung der Lage betrauten Leiters Sicherheitsmanagement Z. vom 20. Dezember 2021 (Bl. 241 ff. d. A.) – am 21. Mai 2021 mitgeteilt hat, „er wolle seinen Umgang mit ihm öffentlich machen“. Auch der Zeuge Z. hatte offenbar Bedenken, ob die Äußerungen des Klägers als Gewaltandrohung zu verstehen sind, denn er hat der Beklagten in dieser E-Mail empfohlen, in einem „sehr zeitnahen“ Gespräch aufzuklären, ob es sich „bei der angekündigten Tat“ um eine Gewalttat oder ein öffentliches Diffamieren einzelner Personen bzw. der Beklagten oder um leere Worthülsen handele, die im Affekt geäußert worden sind. Selbst wenn man – wie der Zeuge Z. – aus einer unterstellt kaltschnäuzig und berechnend wirkenden Nichtreaktion des nicht zu einer Aussage verpflichteten Klägers im Anhörungsgespräch vom 06. Januar 2022 ableiten wollte, dass „ein schädigendes Ereignis“ wahrscheinlich sei, war das Gespräch jedenfalls nicht geeignet, eine tatsächliche Gefährdungslage wegen einer Drohung des Klägers mit Gewalt gegen Leib oder Leben von Vorgesetzten oder Kollegen zu belegen, nachdem eine Erhärtung dieser bloßen Vermutung im Gespräch in keiner Weise erfolgt ist. Zudem wurde weder die vom Zeugen Z. in Betracht gezogene Alternative eines drohenden öffentlichen Diffamierens einzelner Vorgesetzter oder der Beklagten, noch die Möglichkeit, dass der Kläger lediglich „leere Worthülsen im Affekt“ benutzt hat, im Anhörungsgespräch ausgeräumt. Dementsprechend hat der Zeuge Z. auch in seiner Stellungnahme zum Gespräch vom 06. Januar 2022 (Bl. 46 ff. d. A.) festgehalten, dass der Kläger „mit nicht gänzlich zu definierenden schädigenden Ereignissen“ droht. Den bloßen Verdacht einer Bedrohung gegen Leib oder Leben von Vorgesetzten oder Kollegen hat die Beklagte jedoch nicht zum Gegenstand ihrer Kündigung gemacht und insoweit konsequent auch den Personalrat hierüber nicht informiert, sondern diesem gegenüber im Anhörungsbogen vom 10. Januar 2022 (Bl. 39 f. d. A.) ausdrücklich von einer tatsächlich „andauernden Gefährdungslage“ gesprochen und auch prozessual auf eine „(fort-) bestehende akute Bedrohungslage“ abgehoben. Ob die Annahmen des Zeugen Z. aus seiner E-Mail vom 20. Dezember 2021 dem „auf Ansehen und Status bedachten“ Kläger fehle es durch die – bereits im Jahr 2015 erfolgte – Trennung von seiner Familie, „die ja offensichtlich das auslösende Moment für seine überzogene Emotionalität gewesen sei“, „mutmaßlich an sozialer Anerkennung, die ihm bei der Beklagten nicht mehr zuteilwerde“, zutreffen, kommt es nicht entscheidungserheblich an.

cc) Vor diesem Hintergrund hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass allenfalls die Äußerung des Klägers, die Zeugin R. stehe auf seiner Liste und sei bei ihm „unten durch“ überhaupt geeignet sein könnte, als Drohung für Leib oder Leben verstanden zu werden. Nach Auffassung der Berufungskammer spricht – auch angesichts des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks – allerdings vieles dafür, dass es dem Kläger auch insoweit nicht um gewalttätige Angriffe auf die Zeugin R. ging, sondern allein darum, das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit den zwischen den Parteien in der Vergangenheit stattgefundenen Auseinandersetzungen, die zuletzt im Streit um die zutreffende Eingruppierung des Klägers nach Ablauf des vereinbarten Rückgruppierungszeitraums gipfelten, aus persönlicher Betroffenheit heraus öffentlich zu machen. Da die Zeugin R. als Leiterin Personalabteilung bei den Konfrontationen mit dem Kläger, auch im Zusammenhang mit dem Perspektivgespräch vom 15. Juli 2016 hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der C. Werbefernsehen GmbH (vgl. Bl. 127 f. d. A.), qua Funktion stets federführend beteiligt war, zeichnete sie aus Sicht des Klägers erkennbar sinnbildlich für das Verhalten der Beklagten verantwortlich.

1.4. Nimmt man an, dass die Äußerungen des Klägers gegenüber der Zeugin R. als ernstliche Drohung gegen Leib und Leben verstanden werden konnten und in dieser erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung ein an sich geeigneter Kündigungsgrund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liegt, war der Beklagten unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar. Gleiches gilt auch, wenn man in der Drohung des Klägers, „den Sumpf trockenlegen“, dh. Interna der Beklagten an die Öffentlichkeit bringen zu wollen, eine erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung sieht, die einen an sich geeigneten Kündigungsgrund iSd. des § 626 Abs. 1 BGB darstellen könnte.

a) Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der – fiktiven – Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 28; 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17 – Rn. 54; 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 26, jeweils zitiert nach juris).

aa) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen. Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese (vgl. insgesamt BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 29, mwN, aaO).

bb) Die Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB hat bei Vorliegen einer Vertragspflichtverletzung ua. zum Gegenstand, ob dem Kündigenden eine mildere Reaktion als eine fristlose Kündigung, also insbesondere eine Abmahnung oder fristgerechte Kündigung zumutbar war. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG 27. Februar 2020 – 2 AZR 570/19 – Rn. 23; 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 30; 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 28, jeweils zitiert nach juris). Liegt nur eine dieser Fallgruppen vor, kann Ergebnis der Interessenabwägung nicht sein, den Kündigenden auf eine Abmahnung als milderes Mittel zu verweisen (vgl. BAG 27. Februar 2020 – 2 AZR 570/19 – Rn. 24, aaO). Die zweite Fallgruppe betrifft ausschließlich das Gewicht der in Rede stehenden Vertragspflichtverletzung, die für sich schon die Basis für eine weitere Zusammenarbeit irreparabel entfallen lässt. Dieses bemisst sich gerade unabhängig von einer Wiederholungsgefahr. Die Schwere einer Pflichtverletzung kann zwar nur anhand der sie beeinflussenden Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, diese müssen aber die Pflichtwidrigkeit selbst oder die Umstände ihrer Begehung betreffen. Dazu gehören etwa ihre Art und ihr Ausmaß, ihre Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers sowie die Situation bzw. das „Klima“, in der bzw. in dem sie sich ereignete. Sonstige Umstände, die Gegenstand der weiteren Interessenabwägung sein können, wie etwa ein bislang unbelastetes Arbeitsverhältnis, haben bei der Prüfung der Schwere der Pflichtverletzung außer Betracht zu bleiben. Dies gilt umgekehrt ebenso für ein nachfolgendes wahrheitswidriges Bestreiten, das für sich genommen ebenfalls nichts über die Schwere der begangenen Pflichtverletzung besagt (vgl. insgesamt BAG 20. Mai 2021 – 2 AZR 596/20 – Rn. 27, zitiert nach juris).

b) Die Berufungskammer geht davon aus, dass der Beklagten trotz der Drohungen des Klägers gegenüber der Zeugin R. am 23. August und 06. Dezember 2021 die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten ist.

aa) Die Beklagte war unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit gehalten, den Kläger anstelle des Ausspruchs der außerordentlichen fristlosen Kündigung abzumahnen.

(1) Der Kläger hat sich einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung schuldig gemacht, indem er gegenüber der Leiterin der Personalabteilung R. unterstellt am 23. August 2021 in hoch-emotionaler und aggressiver Art und Weise erklärt hat, sie stehe auf seiner Liste, er werde den Sumpf (bei der Beklagten) trockenlegen und letztgenannte Androhung am 06. Dezember 2021 wiederholt und zudem mitgeteilt hat, die Zeugin sei bei ihm „unten durch“. Ungeachtet einer etwaigen Angegriffenheit des Klägers durch die angespannte Arbeitssituation nach Erteilung einer Abmahnung und sonstiger Personalmaßnahmen verbietet sich ein derartiger Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten ohne Zweifel.

(2) Dennoch war der Ausspruch einer Abmahnung als milderes Mittel angesichts eines solchen Fehlverhaltens nicht entbehrlich.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war nicht bereits ex ante erkennbar, dass eine Verhaltensänderung des Klägers in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten stand. Der Kläger ist von der Beklagten zuvor nicht wegen eines vergleichbaren Sachverhalts abgemahnt worden. Soweit die Beklagte sich auf Ziff. 10 des Protokolls zum Perspektivgespräch vom 19. Juli 2016 über die Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der rechtlich selbstständigen C. Werbefernsehen GmbH (Bl. 128 d. A.) beruft, ausweislich der dem Kläger für ein „nicht korrektes Verhalten gegenüber Kolleginnen und Kollegen“ „entsprechende Reaktionen“ der C. -Werbefernsehen GmbH angedroht worden sind, genügte dies nicht, um eine Verhaltensänderung des Klägers auch nach einer Abmahnung auszuschließen. Zum einen ist die erklärende (juristische) Person bereits nicht die Beklagte. Zum anderen fehlt es sowohl an einer konkreten Beschreibung, was dem Kläger vorgeworfen wird und auch an einer für eine Abmahnung erforderliche Kündigungsandrohung. Vergleichbares gilt für Ziff. 4 des genannten Protokolls. Allein die Tatsache, dass der Kläger während seiner Anhörung am 06. Dezember 2022 keine Stellungnahme zu den ihm unterbreiteten Vorwürfen abgegeben hat, lässt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf eine Uneinsichtigkeit schließen. Der Kläger war nicht verpflichtet, sich – ohne anwaltliche Beratung – zu den Vorwürfen der Beklagten einzulassen. Soweit die Beklagte vorgetragen hat, der Kläger habe sich am 24. Januar 2019 in äußerst aggressivem Tonfall einer Mitarbeiterin der Sparkasse C-Stadt in großer körperlicher Nähe angesichts eines seiner Auffassung nach unzureichenden Service-Verhaltens „Konsequenzen“ angedroht, führt dies nicht zur berechtigten Annahme, der Kläger sei unverbesserlich uneinsichtig. Unabhängig davon, ob ein Verhalten des Klägers in seiner Freizeit diese Konsequenz überhaupt haben könnte, kann dem konkreten Verhalten des Klägers jedenfalls nicht entnommen werden, dass eine Abmahnung durch die Beklagte für arbeitsvertragliches Fehlverhalten unter Androhung von Folgen für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses sein künftiges Verhalten im Arbeitsverhältnis nicht hätte positiv beeinflussen können.

Die Äußerungen des Klägers gegenüber der Zeugin R., sie stehe auf seiner Liste und sei bei ihm „unten durch“ stellten keine derart erheblichen Pflichtverletzungen dar, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Kläger erkennbar – ausgeschlossen war. Dies zeigt sich bereits daran, dass die Zeugin R. die Vorfälle vom 23. August 2021 und 06. Dezember 2021 erstmals am 20. Dezember 2021 ihrem Vorgesetzten gegenüber angezeigt hat und dies erst, nachdem die Zeugin X. der Personalabteilung eine (dem Personalrat nicht bekanntgegebene) E-Mail des Klägers vom 15. Dezember 2021 („ceterum censeo“) weitergeleitet hatte, der Sicherheitsmanager Z. eingeschaltet und seine den Kläger zum Teil allein aufgrund von Vermutungen belastende Stellungnahme eingeholt worden war. Dafür, dass die Zeugin R. und auch der Kläger nach objektiven Maßstäben hinsichtlich der gegenüber der Zeugin getätigten Äußerungen von einer erheblichen Pflichtverletzung ausgegangen sind oder zumindest der Kläger hiervon hätte ausgehen müssen, spricht vor diesem Hintergrund wenig. Dies gilt umso mehr, als zwischen der Information des Hauptabteilungsleiters Personal S. am 20. Dezember 2021 und der Anhörung und Freistellung des Klägers – ungeachtet etwaiger feiertagsbedingter Urlaubsabwesenheiten von Vorgesetzten – wiederum zwei weitere Wochen vergangen sind. Auch wenn die Zeugin R. die verbalen Angriffe des Klägers unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt hinnehmen musste, war damit nach Auffassung der Berufungskammer der Ausspruch einer Abmahnung nicht entbehrlich, sondern angezeigt, um dem Kläger vor Augen zu führen, dass ein nochmaliger Fehltritt im dargestellten Sinne den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet.

bb) Darüber hinaus ergibt auch die weitere Interessenabwägung, dass die außerordentliche fristlose Kündigung gegenüber dem Kläger nicht verhältnismäßig gewesen ist. Zu Lasten des Klägers ist zwar zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien jedenfalls in den letzten Jahren nicht beanstandungsfrei verlaufen ist. Zu seinen Gunsten streitet allerdings die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers von nahezu 20 Jahren und sein fortgeschrittenes Alter. Auch wenn die Äußerungen gegenüber der Zeugin R. nicht zu tolerieren sind, ist weder ein konkreter Schaden eingetreten, noch hat diese bereits die erste Mitteilung vom 23. August 2021, sie stehe „auf der Liste“ des Klägers zum Anlass für eine Meldung gegenüber ihrem Vorgesetzten genommen und das Verhalten des Klägers daher offensichtlich nicht als unmittelbar bedrohlich wahrgenommen, zumal der Kläger beide Aussagen mit der Formulierung, er werde „den Sumpf trocken legen“ verbunden und damit erkennbar nicht (allein) auf einen persönlichen Angriff gegenüber der Zeugin R. abgezielt hat. Soweit der Kläger am 06. Dezember 2021 erneut gegenüber der Zeugin R. ausfallend geworden ist, liegt darüber hinaus ein zeitlicher Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen der Parteien zur von der Beklagten zunächst trotz Ablaufs der entsprechenden Befristungsvereinbarung nicht veranlassten Rückkehr zur Vergütung nach V 10 vor. Die angespannte Situation entschuldigt das Verhalten des Klägers nicht, lässt es jedoch zumindest in einem milderen Licht erscheinen. Darüber hinaus hatte die Berufungskammer zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass eine beim Kläger auf Betreiben des Leiters Sicherheitsmanagement der Beklagten Z. durchgeführte Hausdurchsuchung seitens der Polizei ausweislich des Polizeiberichts vom 12. Januar 2022 (Bl. 158 f. d. A.) ergeben hat, dass vom Kläger keine Gefährdung ausgeht, worüber die Beklagte vor Kündigungsausspruch in Kenntnis gesetzt worden war.

c) Die Ausführungen unter A II 1.4. b gelten sinngemäß für die vom Kläger gegenüber den Zeuginnen X. und R. erhobenen Drohungen, „den Sumpf trocken legen“, dh. interne von ihm so verstandene „Missstände“ bei der Beklagten öffentlich machen zu wollen. Angesichts der Tatsache, dass keinerlei tatsächlichen Anhaltspunkte für eine unmittelbar bevorstehende Einschaltung von Presse oder sonstigen öffentlichkeitswirksamen Medien und für eine Schädigungsabsicht des Klägers bestanden, vermochte die Kammer auch hier nicht von einer so erheblichen Pflichtverletzung auszugehen, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Kläger erkennbar – ausgeschlossen war. Nachdem der Kläger, der sich ungerecht behandelt fühlte, keinerlei konkrete Ankündigungen einer etwaig beabsichtigten Vorgehensweise gemacht hat, geht die Berufungskammer aus den dargestellten Gründen zudem im Rahmen der weiteren Interessenabwägung auch insoweit von einer Unverhältnismäßigkeit der außerordentlichen Kündigung aus.

2. Nachdem die außerordentliche fristlose Kündigung vom 17. Januar 2022 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat, hat das Arbeitsgericht zurecht der insoweit mit dem Klageantrag zu 3) verfolgten, der Höhe nach rechnerisch unstreitigen Zahlungsklage stattgegeben (§ 615 BGB) und die auf Rückzahlung wegen Ausspruchs der außerordentlichen fristlosen Kündigung überzahlter Beträge gerichteten Widerklage der Beklagten abgewiesen. Auch insoweit blieb die Berufung der Beklagten ohne Erfolg.

III. Die Anschlussberufung des Klägers ist in der Sache erfolgreich. Er kann von der Beklagten seine Weiterbeschäftigung als Referent in der Medienabteilung zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses verlangen. Die erstinstanzliche Entscheidung war insoweit auf die Anschlussberufung des Klägers abzuändern.

1. Die Klage ist hinsichtlich des vom Kläger erstmals im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht vom 31. Mai 2022 zur Entscheidung gestellten Weiterbeschäftigungsantrags zulässig.

1.1. Eine mangels Zustimmung der Beklagten wegen Verstoßes gegen § 263 ZPO iVm. 46 Abs. 2 ArbGG unzulässige Klageänderung liegt nicht vor.

a) Die Beurteilung der Sachdienlichkeit iSd. § 263 ZPO iVm. 46 Abs. 2 ArbGG erfordert eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen. Dabei ist entscheidend, ob und inwieweit die Zulassung der geänderten Klage den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt, so dass sich ein weiterer Prozess vermeiden lässt. Eine Klageänderung ist danach nicht sachdienlich, wenn ein völlig neuer Streitstoff zur Beurteilung und Entscheidung gestellt wird, ohne dass dafür das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden kann. Der Sachdienlichkeit steht grundsätzlich nicht entgegen, dass aufgrund der Klageänderung neue Parteierklärungen und gegebenenfalls Beweiserhebungen notwendig werden und die Erledigung des Prozesses verzögert wird (vgl. BGH 13. April 2011 – XII ZR 110/09 – Rn. 41, mwN, vgl. BAG 09. November 1999 – 3 AZR 432/98 – Rn. 21, jeweils zitiert nach juris).

b) Der Kläger hat seine Klage um den Weiterbeschäftigungsantrag nachträglich im Wege der objektiven Klagehäufung im Sinne von § 260 ZPO erweitert, worin eine nachträgliche Klageänderung gemäß § 263 ZPO liegt. Diese war nach den dargestellten Grundsätzen sachdienlich iSd. des § 263 ZPO und damit zulässig. Die Klageerweiterung ermöglicht auch eine Erledigung der streitigen Frage der Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses. Hierbei ist gerade angesichts der von der Beklagten gegenüber dem Kläger erhobenen Kündigungsvorwürfe auch das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertbar.

1.2. Der Klageantrag ist auch nicht mangels Bestimmtheit iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Die Parteien haben im Termin zur mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt, dass der Kläger als Referent in der Medienabteilung zu beschäftigen ist. Die Referententätigkeit des Klägers ergab sich auch aus der Unterlage zur Personalratsbeteiligung (Bl. 39 d. A.). Über die Frage, wo der Kläger einzusetzen ist, streiten die Parteien derzeit nicht.

2. Der Antrag des Klägers ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses als Referent in der Medienabteilung weiter zu beschäftigen ist auch begründet.

2.1. Außerhalb der Regelung der § 102 Abs. 5 BetrVG, § 79 Abs. 2 BPersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen; liegt ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Instanzurteil vor, so müssen zu der Ungewissheit des Prozessausgangs zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (vgl. BAG 27. Februar 1985 – GS 1/84 – zitiert nach juris).

2.2. Hiervon ausgehend ist die Beklagte nach ihrem Unterliegen im Kündigungsschutzprozess bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss zur Beschäftigung des Klägers verpflichtet. Die Berufungskammer vermochte letztlich nicht vom Vorliegen entgegenstehender überwiegender Interessen der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers auszugehen. Der Vorwurf der Beklagten, es bestehe eine akute Gefährdungslage durch den Leib und Leben von Vorgesetzten bedrohenden Kläger hat sich aus den dargestellten Gründen als in dieser Form nicht gerechtfertigt erwiesen (vgl. A II 1.3./ 1.4.). Etwaig von ihr für möglich gehaltenen Gefahren durch das Verhalten des Klägers kann die Beklagte erforderlichenfalls mit einer engen Führung begegnen. Soweit sie dem Kläger im Übrigen zu Recht aggressives Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen vorwirft, wird der Kläger im Wiederholungsfall mit den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdenden Maßnahmen der Beklagten zu rechnen haben. Darauf, dass eine pauschale Zusammenfassung des Vorbringens zur Rechtfertigung der Kündigung keine Ablehnung der Weiterbeschäftigung zu rechtfertigen vermag, wenn die Kündigungsgründe nicht substantiiert dargetan worden sind (vgl. BAG 15. März 1984 – 2 AZR 159/83 – Rn. 102, zitiert nach juris), kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an.

B

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

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