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Fristlose Kündigung wegen Verdacht auf Kassenmanipulationen

ArbG Bielefeld – Az.: 3 Ca 1643/20 – Urteil vom 07.04.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 5166,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Die am 25.12.“0000″ geborene Klägerin arbeitet seit dem 11.3.2005 für die Beklagte in der Filiale A als Verkäuferin. Die Klägerin ist verheiratet und für ein Kind unterhaltsverpflichtet, ihr Bruttomonatsverdienst beträgt 1722,00 EUR. Der Klägerin ist in der Filiale der Beklagten die Bediener-Nr. „00“ zugeordnet.

Mit Schreiben vom 2.7.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.1.2021.

Die Beklagte stützt die Kündigung auf den dringenden Verdacht zahlreicher Manipulationen an der Kasse durch die Klägerin im Zeitraum von Mitte März bis Anfang Juni 2020 (Kalenderwochen 12-23 2020). Im Wesentlichen besteht der Vorwurf darin, dass die Klägerin jeweils Warenrücknahmen fingiert haben soll, um sodann aus den Rückgaben entsprechend Bargeld für sich zu kassieren.

Die Verkaufsleiterin der Beklagten, D., erhielt nach erfolgter zentraler Kassenprüfung auffällige Rückgabedaten durch die Personalverwaltung am 22.6.2020.

Der Ablauf einer Geldrückgabe stellt sich bei der Beklagten im Standardprozess wie folgt dar:

  • Der Kunde wendet sich an den Kassierer und bittet um die Rücknahme eines Artikels mit Auszahlung des Kaufvertrags.
  • Der Kassierer lässt sich den Artikel geben und erfragt den Original-Kassenbon. Beides wird durch den Kunden übergeben.
  • Der Kassierer prüft, ob der Artikel auf dem Kassenbau vorhanden ist und zu welchem Verkaufspreis.
  • Der Kassierer verwendet die Taste „Geldrückgabe“ und gibt die Daten des Kassenbons ein (Filial-Nummer, Bon-Nummer, Kassennummer und Kaufdatum). Hierfür wird der Barcode auf dem Kassenbon gescannt.
  • Der Kassierer scannt den zurückgegebenen Artikel ein.
  • Dem Kassierer und Kunden wird der aktuelle Verkaufspreis des Artikels angezeigt. Es erfolgt ein Abgleich mit dem Preis des Kassenbons und der Preisanzeige in der Kasse.
  • Mit der Taste „O. K.“ wird der Preis bestätigt.
  • Nach Rückfrage gegenüber dem Kunden wird der Grund für die Rückgabe ausgewählt: „1“ für: „gefiel nicht“ und „2“ für: „defekt“.
  • Nun wird mit den Tasten „Retoure beenden“ und „Bar“ der Vorgang beendet und ein „Rückgabe“-Bon erzeugt.
  • Im Nachgang wird bei der Abrechnung des Kassenschiebers eine „Bedienerabrechnung“ im Filialbüro erzeugt. Auf dieser ist die Anzahl der Geldrückgaben ersichtlich. Die Belege der Geldrückgaben werden gezählt und inklusive der Kassenbons an die Bedienerabrechnung geheftet.

Den Ablauf der Manipulation beschreibt die Beklagte wie folgt:

Der Kassierer verwendet an der Kasse die Taste „Geldrückgabe“ und scannt die Daten eines Kassenbons ein. Dabei stellen sich im Rahmen der Manipulation folgende Szenarien dar:

In 14 von 14 Fällen wird ein Artikel häufiger zurückgenommen als dieser auf dem Originalbon kassiert wurde.

In sieben von 14 Fällen werden mit den Originalbon-Nummern zwei Geldrückgaben erstellt:

  • der Kassiererin wird der aktuelle Verkaufspreis des Artikels angezeigt. Mit der Taste „o. k.“ wird der Preis bestätigt.
  • Als Grund für die Rückgabe wird „1“ für „gefiel nicht“ ausgewählt.
  • Nun wird mit den Tasten „Retoure beenden“ und „Bar“ der Vorgang beendet und ein „Rückgabe“-Bon erzeugt.
  • Der Betrag wird bar aus der Kasse entnommen.

Die Beklagte prüfte im Rahmen der arbeitgeberseitigen Plausibilitätsprüfung zu Gunsten der jeweiligen Kassiererin bei einer Kassenprüfung auch alternative Geschehensabläufe, die zu einer berechtigten Geldrückgabe der Artikel führen können. Dazu trägt die Beklagte weiter vor (Bl. 28, 29 der Akte).

Die Prüfung der Beklagten ergab, dass die Klägerin im Zeitraum der Kalenderwochen 12/2020 und 23/2020 an 35 Tagen in der Filiale eingesetzt war, an elf Tagen wurden entsprechende Auffälligkeiten festgestellt. Die Beklagte führt dann konkret zu den aus ihrer Sicht auffälligen Abläufen an einzelnen Tagen, und insbesondere exemplarisch am 24.3.2020, aus (Bl. 29-31, Bl. 66-73 der Akte inklusive der jeweiligen Anlagen).

Mit der Klägerin wurde am 30.6.2020 ein Anhörungsgespräch geführt. Wegen der Einzelheiten der Anhörung wird auf Bl. 34, 35 der Akte verwiesen.

Die Klägerin behauptet, die von der Beklagten beschriebenen Vorgänge einer angeblich rechtswidrigen Vereinnahmung von Bargeld in die eigene Tasche ohne eine Gegenleistung der Kunden an die Beklagte würde von der Beklagten nur vermutet. Die Rechtsprechung stelle an eine wirksame Verdachtskündigung hohe Anforderungen, welche die Beklagte hier nicht erfüllt habe. Die Beklagte beschreibe lediglich Auffälligkeiten und unterschiedliche Szenarien von möglichen Manipulationen.

Fristlose Kündigung wegen Verdacht auf Kassenmanipulationen
(Symbolfoto: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

An die Rückgaben im März oder April 2020 und an die Gründe der Rückgaben und die konkrete Verbuchung des Vorgangs in der Kasse, könne sie sich nicht mehr erinnern. Die Tatsache, dass ihr die Bediener-Nr. „00“ zugeordnet war, sei jedenfalls kein zwingender Beweis für die Wahrscheinlichkeit einer Nicht-Entgegennahme der Artikel und einer fingierten Entnahme von Geld aus der Kasse. Am 24.3.2020 habe sie nicht sechs Stunden ununterbrochen an der Kasse gesessen und diese durchgängig bedient, sondern in der Zwischenzeit zusätzlich Ware eingeräumt, im Laden aufgeräumt und mehrere Kurzpausen gemacht. In der Zeit, in der die Klägerin Waren-Tische ein- und ausräumte, habe sie jeweils unterschiedlichen Kollegen die Kasse mit ihrer Bediener-Nr. „00“ überlassen. Dies sei in stiller Übereinkunft mit verschiedenen langjährig Beschäftigten mit Wissen und Duldung der jeweiligen Filialleiter geschehen. Die Klägerin selbst sei ebenso für andere Kassiererinnen eingesprungen, ohne ihre eigene Bediener-Nr. einzugeben.

Zudem könnten (unstreitig) nicht nur Waren zurückgenommen worden sein, die zuvor in der Filiale der Beklagten gekauft wurden. Tatsächlich konnten Kunden auch Waren aus einem Kauf in anderen Filialen der Beklagten gegen Gelderstattung zurückgeben. Deshalb begründet die Behauptung der Beklagten, dass einzelne Kleidungsstücke in der Filiale der Beklagten häufiger zurückgenommen worden seien als am selben Tag verkauft, nicht den Verdacht eines Vermögensdelikts.

Sofern die Beklagte Auffälligkeiten dahingehend behaupte, dass bei 14 Rückgaben die Rückgabe gelegentlich innerhalb von einer Stunde, einmal sogar innerhalb von vier Minuten erfolgte, so sei auch ein anderer Geschehensablauf denkbar: Tatsächlich könne ein Artikel aus der Filiale verkauft worden sein und wenige Minuten später vom Kunden zurückgebracht worden sein. Non-Food-Ware wie Tunika, Leggins, Freizeitschuhe, Twillhosen, Maxikleid und Jeans könnten (unstreitig) im Laden nicht anprobiert werden. Gehe der Kunde mit der gekauften Ware auf den Parkplatz zu seinem Auto und prüfe dort, ob das Kleidungsstück passe, könne er unmittelbar danach an derselben Kasse den Artikel mit der Bemerkung „gefällt nicht“ oder „passt nicht“ zurückbringen. Das gleiche Ergebnis könne in dem Fall eintreten, in dem der Kunde die Ware gerade nicht legal erworben, sondern gestohlen habe. Möglicherweise würde der Täter in diesem Fall die Ware zu Geld machen wollen, ohne sie selbst zu nutzen. Der Verkäuferin an der Kasse sei dann aber nicht erkennbar, dass es sich um gestohlene Ware handelt. Es sei daher gerade nicht ausreichend, dass die Beklagte lediglich anhand ihrer Inventurliste aus einer Filiale Warenbewegungen aufliste.

Die Klägerin beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 2.7.2020 weder fristlos noch fristgerecht beendet worden ist;

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, es bestehe der dringende Verdacht gegen die Klägerin, an der Kasse Bargeld zulasten der Beklagten unterschlagen zu haben, indem sie in 14 Fällen Rückgaben fingierte und für jeden der Fälle Bargeld im Wert der „zurückgegebenen“ Ware (insg. 210,80 EUR) an sich genommen habe. Die Beklagte behauptet, die jeweiligen Rückgabevorgänge seien belegt. Es könne ausgeschlossen werden, dass Kolleginnen und Kollegen die Kasse unter Verwendung der klägerischen Geheimnummer bedienten und in der Situation Rücknamen fingierten, um die Klägerin zu belasten. Angesichts der Vielzahl an Fällen und der systematischen Vorgehensweise sei davon auszugehen, dass die Klägerin die Rückgabevorgänge bewusst manipulierte und damit stets planerisch vorgegangen sei. Damit sei die Grundlage für jegliche vertrauensvolle Zusammenarbeit entfallen. Für die Beklagte sei eine Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht zumutbar, auch eine Versetzung komme nicht in Betracht, da das Arbeitsverhältnis grundsätzlich betroffen sei.

Hinsichtlich der Vorgänge am 24.3.2020 sei es durchaus möglich, dass die Klägerin zwischendurch Waren verräumt habe. In einem solchen Fall drücke der jeweilige Kassierer auf die Taste „Pause“, damit die Kasse für fremde Zugriffe gesperrt ist. Drückt man diese Taste nicht, gehen die Kassen automatisch nach zwei Minuten in den Status „Pause“, wenn sie nicht bedient werden. Die Rückgaben wurden zudem nachweislich unter der Bediener-Nr. „00“ zurückgegeben. Im Funktionslog sei zu erkennen, dass der Bediener mit der Nr. „00“ eingeloggt war. Zum Geschehen am 24.3.2020 trägt die Beklagte weiter vor (Bl. 177, 178 der Akte).

Die Behauptung der Klägerin, die Mitarbeiterinnen würden die Kassenladen mit Wissen der jeweiligen Filialleiter regelmäßig hin- und her tauschen sei eine reine Schutzbehauptung, dies würde nicht praktiziert. Tätigkeitswechsel auf Anweisung erfolgten zwar, diese gingen aber nicht mit dem Überlassen der eigenen Kassenlade einher. Die weiteren Mitarbeiterinnen hätten jeweils ebenfalls angemeldete Kassen, so dass ein Wechsel des Bereichs kein Problem darstelle.

Der Vortrag der Klägerin sei insoweit zutreffend, als dass die Mitarbeiterinnen im Ausnahmefall auch Waren ohne Vorlage des Original-Bon zurücknehmen könnten. Dafür gebe es dann eine so genannte „Dummy-Nummer“, welche für die Bon-Nummer eingegeben werde. Gerade diese habe die Klägerin aber nicht angewendet, sondern Bons genutzt, auf denen die Artikel enthalten sind, allerdings in geringerer Stückzahl. Manchmal habe die Klägerin sogar einen Bon doppelt genutzt. Zutreffend sei auch, dass Waren aus anderen Filialen zurückgenommen werden können. Das habe für die betroffene Filiale auch keinerlei Auswirkung, sollte eine rechtmäßige Rückgabe erfolgen.

Hinsichtlich des Vortrags der Klägerin zum Rückgabeverhalten der Kunden, listet die Beklagte auf, warum die Rückgabe der kurz nach Kauf zurückgegebenen Artikel auffällig sei (Bl. 179, 180 der Akte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des nach § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO lediglich zusammengefassten Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die am 2.7.2020 ausgesprochene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fristlos beendet, weil sie durch einen wichtigen Grund i.S. v. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist.

1.

Die Kündigung ist nicht schon gemäß §§ 4 S. 1, 7 KSchG wirksam, da die Klägerin binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung Kündigungsschutzklage erhoben hat.

2.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die außerordentliche Verdachtskündigung der Beklagten beendet worden, § 626 Abs. 1, Abs. 2 BGB.

a)

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die rechtliche Überprüfung nach § 626 Abs. 1 BGB erfolgt in zwei Stufen: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der – ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles – überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen der Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kann dabei nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer abgeben. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht, der unter diesen Voraussetzungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht, muss allerdings objektiv durch Tatsachen begründet sein, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können.

Eine Unterschlagung eines als Kassierer beschäftigten Arbeitnehmers bzw. der schwerwiegende Verdacht einer Unterschlagung gegenüber einem als Kassierer beschäftigten Arbeitnehmer ist geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses i. S. v. § 626 BGB darzustellen, wie auch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 KSchG sozial zu rechtfertigen. Eine Verdachtskündigung kommt aber nur in Betracht, wenn dringende, auf objektiven Tatsachen beruhende schwerwiegende Verdachtsmomente vorliegen und diese geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen bei einem verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zu zerstören. Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen und dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme geben (siehe bereits BAG 4.6.1964 – 2 AZR 310/63 – BAGE 16, 72 = = EzA BGB § 626 Nr. 5; 10.2.2005 – 2 AZR 189/04 – = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3; 29.11.2007 – 2 AZR 724/06 – = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5).

b)

Gemessen an diesen Grundsätzen reichen die von der Beklagten vorgetragenen Verdachtsmomente zur Begründung der Annahme eines Verdachts der Unterschlagung durch die Klägerin aus. Damit liegt ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vor, welcher die außerordentliche Kündigung rechtfertigt.

Zur Überzeugung der Kammer besteht der dringende Verdacht, dass die Klägerin Warenrücknahmen fingiert und das aus der fingierten Rückgabe erzeugte Geld an sich genommen hat. Eine Kassiererin in einem Lebensmittelmarkt, die Warenrückgaben fingiert und sich sodann das Geld aus der fingierten Rückgabe aneignet, erzeugt damit den für eine Verdachtskündigung ausreichenden Verdacht der Unterschlagung.

aa)

Die Beklagte hat für mehrere Tage Auffälligkeiten dargelegt, die diesen Schluss zulassen. Die von der Beklagten geschilderten Rückgabevorgänge inklusive der dazugehörigen Schilderungen zur Bediener-Nummer der Klägerin, zum Ablauf an den Kassen und den Warenbewegungen reichen zur Begründung der Annahme einer Unterschlagung bzw. der Annahme eines schwerwiegenden Verdachtes für das Vorliegen einer Unterschlagung aus.

Die Beklagte hat zur Überzeugung der Kammer Tatsachen dargelegt, die den Verdacht einer Unterschlagung durch die Klägerin in mehreren Fällen rechtfertigen. Die Auswertungen der Beklagten belegen, dass Auffälligkeiten unter der Bediener-Nr. 00″, welche der Klägerin zugeordnet ist, bestehen. Im Funktionslog der Beklagten ist zu erkennen, dass im Hinblick auf die streitgegenständlichen Rückgaben die Bediener-Nr. „17“ eingeloggt war. Ferner hat die Beklagte dargelegt, zu welchen Zeiten die Klägerin sich in der Filiale (mit welchen Kollegen) und wann an der Kasse befand. Insbesondere die Abläufe am 24.3.2020 hat die Beklagte umfassend geschildert (Bl. 177, 178 d.A.).

Die Kündigung stützt sich auch nicht – wie die Klägerin meint – auf bloße Vermutungen. Zur Überzeugung der Kammer hat die Beklagte vielmehr hinreichend dargelegt, dass die Auffälligkeiten, welche die fingierten Rückgaben begründen, von der Kasse mit der Bediener-Nr. der Klägerin getätigt wurden.

Die von der Klägerin erfolgten Erklärungen zu etwaigen anderen Geschehensabläufen sind nach Auffassung der Kammer hingegen nicht überzeugend. Überwiegend sind sie weder lebensnah noch wahrscheinlich.

So erscheint der Kammer nicht erklärlich, warum die Klägerin in mehreren Fällen nicht die „Dummy-Taste“ für Rückgaben verwendete, sondern mehrfach den Original-Bon benutzte. Dazu gab es nach Auffassung der Kammer keinen Anlass. Gerade für den Fall eines fehlenden Original-Bons ist die Dummy-Taste gedacht. Es hätte nahegelegen, diese auch zu nutzen. Weiterhin ist es nicht lebensnah, wenn die Klägerin behauptet, Kunden würden die gekauften Kleidungsstücke auf dem Parkplatz in ihrem PKW anprobieren und sodann direkt wieder zurückbringen. Zuzugeben ist der Klägerin, dass diese nicht vor Ort in den Filialen der Beklagten anprobiert werden können. Es besteht aber die Möglichkeit, diese in Ruhe zu Hause anzuprobieren und dann später zurückzubringen, was insbesondere bei Kleidungsstücken auch wahrscheinlicher sein dürfte. Nach der Schilderung der Beklagten zum Ablauf in ihren Filialen erscheint es auch nicht plausibel, dass andere Mitarbeiter in die Kasse der Klägerin „gesprungen“ sind. Die von der Beklagten vorgelegten Abläufe, welche diese umfangreich in den sich in der Akte befindlichen Anlagen dokumentiert hat erhärten hingegen den Verdacht der Beklagten. Dass der fehlende Warenbestand in den von der Beklagten vorgetragenen Fällen jeweils auf Diebstählen beruhen sollen ist ebenfalls aus Sicht der Kammer nicht nachvollziehbar.

Wenn – wie hier – die Arbeitgeberin konkret und substantiiert zu den von ihr festgestellten Auffälligkeiten vorträgt und daraus ihren Verdacht schöpft, obliegt es der Klägerin einen hinreichend anderen, plausiblen Geschehensablauf zu schildern. Das ist nach Auffassung der Kammer nicht erfolgt. Vielmehr zeigen die Darlegungen der Beklagten zu den Daten des Funktionslogs, den Warenbewegungen und den Abläufen in der Filiale in den streitgegenständlichen Kalenderwochen, dass die Beklagte den Verdacht einer Straftat hegen durfte.

c)

Die umfassende Interessenabwägung fällt nicht zugunsten der Klägerin aus. Für sie sprechen zwar gewichtige soziale Gesichtspunkte, insbesondere ihre lange Betriebszugehörigkeit und ihr vorgerücktes Alter. Die Klägerin ist jedoch Kassiererin; ihre Weiterbeschäftigung unter dem auf ihr lastenden Verdacht ist der Beklagten nicht zuzumuten. Denn das Vertrauen zwischen den Vertragsparteien ist durch den Verdacht der Unterschlagungen durch die Klägerin zerstört.

Unter den gegebenen Umständen war die Beklagte auch nicht auf das mildere Mittel einer Abmahnung vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung zu verweisen.

Dass eine Abmahnung auch bei Handlungsweisen, die den sog. Vertrauensbereich berühren, nicht stets entbehrlich, sondern notwendig ist, wenn ein steuerbares Verhalten in Rede steht und es erwartet werden kann, dass das Vertrauen wiederhergestellt wird, ist zwar anerkannt (bereits: BAGE 86, 95 = NZA 1997, 1281 = AP Nr. AP BGB § 137 zu § 626 BGB [zu II 1d]). Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Tun sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen. Bei besonders schwerwiegenden Verstößen, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen es offensichtlich ausgeschlossen ist, dass sie der Arbeitgeber hinnimmt, ist eine Abmahnung jedoch nicht erforderlich. In solchen Fällen kann eine Wiederherstellung des für ein Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens nicht erwartet werden. Im vorliegenden Fall konnte die Klägerin mit vertretbaren Überlegungen nicht davon ausgehen, die Beklagte werde, nachdem sich der Verdacht erhärtete, die Klägerin habe mehrere Warenrückgaben fingiert, dieses Vorgehen und die damit verbundene Unsicherheit im Hinblick auf die Person der Klägerin weiter dulden. Es war der Beklagten wegen des Verdachts des schweren Missbrauchs des in die Klägerin gesetzten Vertrauens nicht zuzumuten, diese vor Ausspruch der Kündigung durch eine Abmahnung zu einer Rückkehr zu vertragsgerechtem Verhalten zu bewegen.

c)

Die Beklagte hat die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Die Verkaufsleiterin D. erhielt am 22.6.2020 Kenntnis von den Auffälligkeiten. Sodann wurde die Klägerin am 30.06.2020 angehört, ehe die Kündigung am 2.7.2020 ausgesprochen wurde.

3.

Die Kündigung der Beklagten vom 2.7.2020 hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fristlos beendet. Über die hilfsweise ordentliche Kündigung war nicht mehr zu entscheiden.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits als unterlegene Partei, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495,91 Absatz ein S. 1 ZPO.

III.

Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen und mit dem dreifachen Bruttomonatsverdienst der Klägerin zu bemessen.

 

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