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Fristlose Verdachtskündigung – auf Vermutungen gestützte Verdächtigungen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 6 Sa 302/20 – Urteil vom 20.04.2021

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 04. August 2020 – Az.: 4 Ca 1145/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten, über die Weiterbeschäftigung des Klägers und über die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

Der 1992 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten, einem Chemiekonzern mit weit mehr als 10 Beschäftigten mit Ausnahme der Auszubildenden, auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 8. Februar 2016 (Bl. 6 ff. d. A.; im Folgenden: AV) seit 1. April 2016 als Chemiebetriebsarbeiter beschäftigt. Zuvor war der Kläger seit dem 1. April 2012 bei der C. Z. GmbH angestellt und im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses für die Beklagte tätig. Gemäß § 1 Abs. 2 AV werden diese „früheren Dienstzeiten“ für die Betriebszugehörigkeit des Klägers anerkannt. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt des Klägers (unter Einbeziehung von Erfolgsbeteiligung und Zusatzvergütungen) beläuft sich in Vollarbeitszeit zuletzt auf 5.287,97 EUR, das Tarifentgelt (E 4) mit Schichtzulage auf 3.206,50 EUR. Seit 15. Juli 2017 ist der Kläger in der Einheit G-CCP/OJD im Betrieb X. 000 in der Schicht B tätig.

Im Zeitraum vom 15. November 2017 bis 18. Februar 2019 ereigneten sich im Betrieb X. 000 mehrere Diebstähle von Bargeld und Dokumenten und eines werthaltigen Kugelschreibers. Betroffen waren verschiedene Mitarbeiter der Schicht B, ein Auszubildender und die „Schichtkasse“. Der Kläger gab gegenüber der Beklagten an, ihm seien am 18. Februar 2019 50,00 EUR aus seinem Geldbeutel gestohlen worden. Die Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig.

Im Jahr 2019 kam es zu folgenden Vorfällen an Betriebsanlagen im Betrieb X. 000, wobei die weiteren Einzelheiten zwischen den Parteien umstritten sind:

Am 17. Januar 2019 wurde während der Schicht B – ohne betriebliche Veranlassung – eine Weiterschaltbedingung in der Schrittkette am Rührbehälter R 2500 am FL 11Pulversynthese quittiert und die Schrittkette „auf Hand“ gesetzt. Anlagenfahrer war der Zeuge Y.. Da bemerkt wurde, dass der Rührer sich abgeschaltet und das Bodenventil sich geöffnet hatte, konnte ein Überlaufen des nachfolgenden Behälters und ein Produktaustritt verhindert werden.

Am 29. Januar 2019 wurde während der Schicht B – ohne betriebliche Veranlassung – an der Stranganlage in das Prozessleitsystem (PLS) eingegriffen und die Dosierung für das Produkt „Walcocel“ von 6 kg auf 666 kg erhöht. Der Anlagenfahrer W. bemerkte die Änderung und informierte den Schichtführer V.. Der Fehler wurde korrigiert. In der Nachtschicht vom 27. auf den 28. März 2019 stellte der Kläger, der vom Schichtführer V. angehalten worden war, herauszufinden, wo im Tanklager die beiden Abwasserleitungen zusammenlaufen, fest, dass im Ludox-Tanklager Produkt aus einem geöffneten Produktentnahmehahn in die Tanktasse ausgetreten war. Die Zeugen W. und Y. hatten diesen Hahn – fehlerhaft – während ihres zuvor durchgeführten Rundgangs nicht kontrolliert.

Am 13. Mai 2019 wurde während der Schicht B um 8.23 Uhr und um 10.00 Uhr im Prozessleitsystem (PLS) auf den Ionentausch Einfluss genommen. Dabei wurden die in der an diesem Tag vom Zeugen Y. gefahrenen Anlage „anzumischenden“ Mengen von Essigsäure und Kupferazetat abweichend vom ausgegebenen und zu beachtenden Standard-Rezept geändert. Die Menge der Essigsäure wurde um 8.32 Uhr von 20 Liter auf 5 Liter reduziert. Ab 8.15 Uhr fand eine Schichtbesprechung statt, bei der die meisten Mitarbeiter der Schicht B anwesend waren. Diese Besprechung dauert in der Regel 30 bis 45 Minuten. Um 10.00 Uhr wurde die Menge des Kupferazetats von 238 kg auf 107 kg geändert. Die fehlerhafte Eingabe des Kupferazetats wurde bemerkt; es entstand kein nennenswerter Sachschaden.

Am 29. Mai 2019 führte während der Schicht B um die Mittagszeit eine erhöhte Luftzufuhr eines Sauerstoffventils (47,5 % statt 30 %) während des Hochfahrens einer Betriebsanlage zum Ausfall des Drehrohrofens und einer Unterbrechung des Hochfahrens des Sprühturms. Der Zeuge Y. war an diesem Tag als Anlagenfahrer eingeteilt und wurde während seiner Mittagspause vom Zeugen W. vertreten. Die Fehlerursache – Erhöhung der Luftzufuhr – wurde im Zuge der gemeinsamen Fehlersuche der Mitarbeiter in der Messwarte in kürzester Zeit vom Kläger entdeckt, der sich unstreitig sehr gut mit der Anlage auskennt.

Wenn die Vorfälle am 13. Mai 2019 (Ionentausch) und 29. Mai 2019 (Sprühturm) auf Eingriffe in das Prozessleitsystem (PLS) zurückzuführen wären, hätten diese sowohl von der Messwarte aus, als auch von einer im Keller des Gebäudes X. 000 befindlichen Bedienstation (Laptop) veranlasst werden können. Der Laptop im Keller ist nicht durch ein Passwort gesichert und es herrscht dort kaum Personenverkehr. Die Gebäudetür und der Zugang zum Keller sind nicht abgeschlossen oder anderweitig gesichert. Personen, die sich auf dem (gesicherten) Werksgelände befinden, können daher grundsätzlich das Gebäude ohne weitere Zugangshindernisse betreten. Inwieweit dies tatsächlich „ohne Weiteres“ möglich ist, ist zwischen den Parteien ebenso umstritten, wie die grundsätzliche Frage, ob und von wo Eingriffe getätigt wurden.

Am 3. Juni 2019 wurde während der Tagschicht ein Tankcontainer mit dem Rohstoff „Ludox“ am Betrieb abgestellt. In der folgenden Nachtschicht war die Schicht B anwesend. Ob sich auch der Kläger im Betrieb aufhielt, ist zwischen den Parteien streitig. Im Lauf der Tagschicht am 4. Juni 2019 (Schicht C) fiel auf, dass aufgrund loser Schrauben am Entladestutzen eine kleine Leckage auftrat.

Nach dem Vorfall vom 29. Mai 2019 (Sprühturm) wurde der bei der Beklagten gebildete Ermittlungsdienst vom stellvertretenden Betriebsleiter des Betriebs Dr. U. eingeschaltet. Der Kläger wurde ab dem 7. Juni 2019 von seiner Arbeitsleistung freigestellt. Am 10. Juli 2019 wurde der Kläger vom Ermittlungsdienst als „Beschuldigter“ angehört (vgl. Vernehmungsprotokoll Bl. 213 ff. d. A.). Am 15. Juli 2019 übermittelte der Ermittlungsdienst seinen Ermittlungsbericht vom gleichen Tag (Bl. 165 ff. d. A.) an die Abteilung Arbeitsrecht. Am 16. Juli 2019 wurde der Kläger von Mitarbeitern der Abteilung Arbeitsrecht angehört. Die Einzelheiten sind streitig.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2019 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen des dringenden Verdachts an, dass der Kläger „wiederholt Anlagenmanipulationen vorgenommen und mehrere Diebstähle begangen“ habe. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 224 ff. d. A. Bezug genommen. Der Betriebsrat erhob mit Schreiben vom 29. Juli 2019 (Bl. 249 ff. d. A.) Bedenken gegen die Kündigungen.

Mit dem Kläger am selben Tag zugegangenen Schreiben vom 30. Juli 2019 (Bl. 16 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und „hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt“. Weiter heißt es im Kündigungsschreiben: „Dies ist unserer Berechnung nach der 31.10.2019“.

Der Kläger hat am 09. August 2019 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein Kündigungsschutzklage gegen die Kündigungen erhoben, welche der Beklagte am 20. August 2019 zugestellt worden ist.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Kündigung sei nicht gerechtfertigt, da von einer großen Wahrscheinlichkeit, dass er für – etwaige – Anlagenmanipulationen verantwortlich sei, nicht ausgegangen werden könne. Allein der Umstand, dass er bei allen (vermeintlichen) Vorkommnissen anwesend gewesen sei, begründe keinen dringenden Tatverdacht. Man habe sich frühzeitig auf ihn als Täter „eingeschossen“ und die Ermittlungen mit deutlicher Belastungstendenz einseitig geführt. Dies zeige u.a. die manipulative Art der Fragestellung durch den Ermittlungsdienst, der zB versucht habe, den Befragten Aussagen zu seinen Lasten in den Mund zu legen. Auch zwischen den Aussagen anderer Mitarbeiter der Schicht B beim Ermittlungsdienst gebe es Widersprüche, die dieser aber nicht weiterverfolgt habe. Nur ihm (dem Kläger) würden Ungenauigkeiten angelastet, während die Aussagen der anderen Mitarbeiter – trotz ebenfalls vorhandener Widersprüche – als wahr unterstellt würden. Auch müsse er mit Nichtwissen bestreiten, dass seit seiner Freistellung am 7. Juni 2019 keine weiteren Anlagenfehler oder ähnliche Vorkommnisse aufgetreten seien, man habe ihn – durch ein anonymes Schreiben mit Foto – darüber informiert, dass am 12. Dezember 2019 „Big Bags“ mit Material auf dem Betriebsgelände aufgeschlitzt worden seien. Es werde bestritten, dass die Aufnahme nur wenige Sekunde nach dem Schnitt erfolgt sei. Er bestreite einen Eingriff an der Bedienstation im Keller als Ursache des Ausfalls des Sprühturms am 29. Mai 2019 mit Nichtwissen. Als Fehlerursache komme auch ein Bedienfehler des Zeugen W. in Betracht, der schließlich auch in andere Vorfälle verwickelt gewesen sei. Unterstelle man eine Manipulation um 11.48 Uhr, so sei er nicht der einzige Mitarbeiter der Schicht B, der für den vermeintlichen Tatzeitpunkt kein Alibi habe; auch der Zeuge Y., der nach Angaben der Beklagten kurz zuvor in die Pause gegangen sei, habe für eine gewisse Zeitspanne, in der die vermeintliche Manipulation durchgeführt worden sein könne, kein Alibi. Beide Mitarbeiter hätten zu ihm – unstreitig – kein gutes Verhältnis gehabt. Weiter könnten schichtfremde Dritte, konkret Personen, die sich grundsätzlich mit der Anlage auskennen, nämlich Handwerker, also Elektriker, Schlosser bzw. Tagschicht-Meister die Störung verursacht haben, zumal der Vorgang der Manipulation an sich nicht komplex sei. Er habe im Speisesaal (Lautsprecherdurchsage/ Anruf des Zeugen W. gegenüber dem Zeugen Y.) vom Ausfall des Sprühturms erfahren. Er habe den Ausfall direkt anhand der beiden 55 Zoll großen Bildschirme an der Wand in der Messwarte erkennen können. Den Fehler habe er als guter Anlagenfahrer weder „atypisch noch äußerst schnell“, sondern auf nachvollziehbare und logische Weise ermittelt. Nach seiner Erinnerung sei in der Messwarte gesagt worden, dass der Sprühturm aufgrund eines Druckanstieges im Drehrohr ausgefallen sei, weshalb er diesen Angaben mittels Prozessleitsystem (PLS) und des von ihm selbst erstellten ASPEN-Trendbildes nachgegangen sei, auf dem man die Erhöhung der Luftmenge habe sehen können und der entscheidende Faktor/Messwert (Ventilwert) enthalten gewesen sei. Es sei auch weder eine Verstopfung, noch eine Materialzufuhr als weitere mögliche Fehlerursache feststellbar gewesen. Es sei angesichts dessen nicht ungewöhnlich gewesen, dass er mit wenigen Klicks den Fehler habe feststellen können, zumal er im Prozessleitsystem (PLS) und im ASPEN überdurchschnittlich fit sei. Ein bestehendes und bereits angelegtes Trendbild benötige keine 10 Minuten. Auch die anderen Mitarbeiter hätten mit den Trendbildern den Fehler schnell finden können, arbeiteten jedoch de facto nicht richtig mit den Bildern und hätten bis zu dem Zeitpunkt als er gekommen sei, dort gar nicht erst nach dem Fehler gesucht. Dass der Zeuge Y. erst einmal umgehend im Keller den Laptop geprüft habe, statt am Rechner in der Messwarte zu schauen, spreche für dessen Täterschaft. Er sei auch nicht unmittelbar nach dem Ausfall des Sprühturms in die Messwarte gekommen. Die Aussagen der Zeugen W. und T. seien insoweit widersprüchlich. Weder der Zeuge Y., noch die Zeugen S. und R. hätten ein Alibi für den Zeitpunkt des Ausfalls. Im Übrigen sei der Sprühturm allein in 2017 aufgrund von Bedienfehlern oder technischen Fehlern ca. 48 Mal ausgefallen. Die Beweisaufnahme habe gezeigt, dass auch ein PLT-Handwerker als Täter in Frage komme; auch der Zeuge Q. habe die erforderlichen Kenntnisse. Den Vortrag der Beklagten zu den Alibis der Handwerker und deren Anlagenkenntnissen bestreite er mit Nichtwissen. Da es sich angeblich um Manipulationen handele, verfange auch nicht, dass Handwerker an anderen Terminalplätzen arbeiteten. Die Eingabestation im Keller des Gebäudes habe keinen Passwortschutz und sei nicht unmittelbar einsehbar, so dass niemand dort auffalle. Ob er am 13. Mai 2019 von Anfang an der Schichtbesprechung teilgenommen habe, könne er nicht mehr sagen. In der Regel habe er teilgenommen. Soweit er sich beim Ermittlungsdienst und in der Anhörung durch die Abteilung Arbeitsrecht anders eingelassen habe, habe man ihm seine Abwesenheit bei dieser Schichtbesprechung als feststehende Tatsache präsentiert. Jedenfalls um 10.00 Uhr kämen auch alle anderen Mitarbeiter der Schicht in Betracht. Er müsse hinsichtlich dieses Vorfalls mit Nichtwissen bestreiten, dass es sich hierbei um eine Manipulation und nicht nur um eine schlichte Falscheingabe gehandelt habe. Die Angabe des Zeugen Dr. P., wonach im Dezember 2018 ein Versuch mit exakt dieser Beimischung gefahren worden sei, spreche eher dafür, dass ein Mitarbeiter falsche Werte übernommen habe und eine Fehlbedienung vorliege; der Zeuge Y. habe beim Starten des Rezepts die Werte nicht kontrolliert. Auch wenn man eine Manipulation unterstelle, kämen auch hierfür noch andere Mitarbeiter (Elektriker und Schlosser) als potentielle Täter in Betracht, was auch die Beweisaufnahme ergeben habe. Es werde bestritten, dass der ebenfalls in Frage kommende Zeuge N. nicht genügend Kenntnisse für eine Manipulation habe. Auch die von der Beklagten weiter angeführten unbefugten Eingriffe und Manipulationen könnten die Kündigung nicht rechtfertigen. Zum von der Beklagten behaupteten Vorfall Schrittkette an der Anlage R 2500 (Rührbehälter) am 17. Januar 2019 sei festzuhalten, dass er sich damals noch nicht hinreichend mit der Anlage ausgekannt habe. Erst nach seiner Abstellung für ein paar Schichten etwa im März 2019 sei er vom Zeugen Q. an der Anlage angelernt worden. Da die Beklagte anderen Mitarbeitern ein „Alibi“ wegen mangelnder Anlagenkenntnis zugestehe, müsse das für ihn auch gelten. Hinsichtlich der am 29. Januar 2019 erfolgen Eingabe von 666 kg „Walcocel“ statt 6 kg in der Strangstraße gehe er von einem Eingabefehler aus. Er habe den Zeugen W. nicht beschuldigt, den Wert von seinem Leitstand aus geändert zu haben. Auffallend sei jedenfalls, dass auch hier der Zeuge W. involviert sei, ohne dass man einem Verdacht ihm gegenüber nachgegangen oder von einem Bedienungsfehler ausgegangen sei. Jedenfalls müsse die aus den Angaben des Zeugen W. ersichtliche Belastungstendenz Berücksichtigung finden. Hinsichtlich des von ihm selbst bemerkten Produktaustritts am 27./28. März 2019 im Ludox-Tanklager sei angesichts des Fehlers der Zeugen Y. und W. auf deren Rundgang unklar, welche Verdachtsmomente gegen ihn bestehen sollten, wo er unstreitig auf Veranlassung des Zeugen V. im Tanklager gewesen sei. Der Vorfall sei letztlich nur ein Beispiel für die einseitige, von erheblichen Belastungstendenzen geprägte Haltung der Beklagten. Hinsichtlich der am 3. Juni 2019 festgestellten lockeren Schrauben am Ludox-Container bestünden keine Verdachtsmomente zu seinen Lasten, da er überhaupt nicht anwesend gewesen sei. Bei den Diebstählen von Bargeld sei er selbst geschädigt worden. Für die weiter zurückliegenden – vermeintlichen – Vorfälle aus der Zeit vor seinem Wechsel in den Betrieb X. 000 sei er – aus im Einzelnen dargestellten Gründen – nicht verantwortlich. Sie könnten nicht zur Begründung eines kündigungsrelevanten Verdachts herangezogen werden. Schließlich scheitere die ausgesprochene Verdachtskündigung auch daran, dass er nicht ordnungsgemäß angehört worden und die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten sei, da die Beklagten offenbar schon im Zeitpunkt seiner Freistellung Anfang Juni 2019 einen Verdacht ihm gegenüber gehegt habe, der de facto nicht weiter habe erhärtet werden können. Komplexe Ermittlungen seien nicht erforderlich gewesen. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört. Es seien nicht alle Sozialdaten vollständig aufgenommen seien, da auf dem Stammdatenblatt „Kinder in Ausbildung: null“ mitgeteilt und nicht alle ihm übertragenen Aufgaben vollständig dargestellt worden seien.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerseite durch die schriftliche außerordentlich fristlose Kündigung der Beklagten vom 30. Juli 2019, zugegangen am 30. Juli 2019, nicht aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

2. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerseite auch nicht durch die schriftliche hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. Juli 2019, zugegangen am 30.Juli 2019, zum 31. Oktober 2019 aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

3. die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Chemiebetriebsarbeiter zu einem monatlichen Bruttogehalt von 5.287,97 Euro bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen,

4. die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite ein wohlwollendes Zwischenzeugnis, das sich auf die Führung und Leistung erstreckt, zu erteilen,

hilfsweise zum Feststellungsantrag zu 1): die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite ein endgültiges, qualifiziertes und von Wohlwollen getragenes Zeugnis zu erteilen, welches sich auf die Führung und Leistung erstreckt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Ausfall des Sprühturms am 29. Mai 2019 sei darauf zurückzuführen gewesen, dass durch eine unbefugte Eingabe an der Bedienstation (Laptop) im Keller des Gebäudes X. 000 um 11.48 Uhr die Luftzufuhr während des Hochfahrens der Betriebsanlage von 30 % auf 47,5 % erhöht worden sei. Nach ihren Ermittlungen bestünden dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdachtsmomente, dass der Kläger diese Eingabe vorgenommen habe, um eine Störung der Betriebsabläufe herbeizuführen, wobei er mögliche Schäden mindestens billigend in Kauf genommen habe. Dass es sich nicht um eine Fehlfunktion gehandelt habe und dass die Eingabe an dem Laptop und nicht in der Messwarte erfolgt sei, sei im System protokolliert und dokumentiert. Der Ausfall des Sprühturms habe zu einem Produktionsausfall verbunden mit einem Gewinnverlust von rund 8.000,00 Euro geführt. Wäre es zu einem massiven Schaden am Drehrohr gekommen, wäre mit Reparaturkosten im einstelligen Millionenbereich und mindestens einem Produktionsverlust von 600.000 Euro zu rechnen gewesen. Der Anlagenführer Y. habe die Anlage gegen kurz vor 11.48 Uhr an den Zeugen W. übergeben und sich in die Mittagspause begeben. In der Zusammenschau sämtlicher vor dem Ermittlungsdienst getätigten Aussagen ergebe sich, dass der Kläger der einzige Mitarbeiter der Schicht B sei, der für den Tatzeitpunkt am 29. Mai 2019 um 11:48 Uhr kein Alibi besitze, da er bis 11.30 Uhr an einer Flanschulung teilgenommen; selbst wenn er danach noch im Raucherraum gewesen sein solle, habe er die Manipulation unproblematisch vornehmen können, da die Bedienstation in zwei Minuten zu erreichen sei. Er sei – anders als er behaupte – unmittelbar nach dem Ausfall des Sprühturms in die Messwarte gekommen und habe festgestellt, dass der Sprühturm ausgefallen sei. Dem Zeugen Y. gegenüber habe er im Pausenraum behauptet, er habe nicht mitgekommen, dass der Sprühturm ausgefallen sei. Später sei er erneut in die Messwarte gekommen und habe in kürzester Zeit durch zielstrebiges Klicken durch das Prozessleitsystem (PLS) sofort den Fehler gefunden, obwohl das ASPEN-Trendbild, das über mindestens 10 Minuten angelegt werden müsse, lediglich den Druckanstieg und nicht die eigentliche Ursache hierfür anzeige, so dass die Wahrscheinlichkeit fast 0 % betrage, mit nur wenigen Klicks auf die richtige Anzeige zu stoßen. Dr. U. habe angegeben den Fehler dort nie gesucht zu haben, sogar der zuständige Prozessmanager Dr. P. habe zunächst auf eine andere Fehlerquelle verwiesen. Der Kläger, der kein einziges Mal die Tatstatur betätigt habe, um sich bei seinem persönlichen Account für selbstgefertigte Trendbilder anzumelden, sondern nur die Maus, habe dem Zeugen Y. die Ursache im Prozessleitsystem (PLS) gezeigt und erst danach habe man sich zusammen das Trendbild zur Bestätigung angesehen. Es habe ca. 30 Gründe für den Fehler geben können. Der Zeuge Y. habe zusammen mit dem Zeugen M. erst den Laptop im Keller geprüft, als sich die Hinweise auf die dortige Ursache ausreichend verdichtet hätten. Ein Bedienungsfehler durch den Zeugen W. in der Messwarte sei ausgeschlossen, da der Tatort im Keller gewesen sei. Die Manipulation erfordere spezifische, fundierte Anlagenkenntnisse, über die schichtfremde Dritte nicht verfügten. Dies gelte auch für die VT-Handwerker und Teile der PLT-Handwerker. Für die Handwerker gebe es gesonderte Terminalplätze. Die Station werde ausschließlich von Produktionsmitarbeitern bedient. Um die streitgegenständliche Manipulation vornehmen zu können, seien mindestens sechs Bedienschritte (Klicks) erforderlich. Der Zeuge Q. verfüge über ausreichende Kenntnisse nicht. Außerdem hätten sich schichtfremde Dritte in die offensichtliche Gefahr begeben, bei der Tat beobachtet zu werden. Die Einlassungen des Klägers enthielten hinsichtlich der zeitlichen und örtlichen Abläufe am 29. Mai 2019 Widersprüche und Ungereimtheiten. Am 13. Mai 2019 sei um 08:32 Uhr sei ebenfalls unbefugt in das Prozessleitsystem eingegriffen worden (Ionentausch). An der Bedienstation im Keller sei über den dort stationierten Laptop auf den lonentausch Einfluss genommen worden und die Menge der Essigsäure von 20 auf 5 Liter reduziert worden. Alle Mitarbeiter der Schicht seien bei der ab 8.15 Uhr stattfindenden und ca. 30 bis 45 Minuten dauernden Schichtbesprechung anwesend gewesen, bis auf den Kläger und den Zeugen N., die erst gegen Ende hinzugekommen seien, so dass der Kläger auch hier kein Alibi habe, während der Zeuge N. nicht über die notwendigen Kenntnisse für eine Anlagenmanipulation besitze. Auch um 10.00 Uhr sei die Menge des Kupferazetats von 238 kg auf 107 kg abgeändert worden. Ein technischer Fehler könne ausgeschlossen werden; die Zahlen entsprächen im Übrigen einem im Dezember 2018 mit diesen Daten gefahrenen Versuch. Dass der Laptop im Keller für jeden zugänglich gewesen sei, treffe nur bedingt zu. Denn auch für diese Veränderungen und Manipulationen seien fundierte Anlagenkenntnisse erforderlich. Daher seien schichtfremde Dritte, wie etwa LKW-Fahrer, Reinigungspersonal und sonstige Personen, die nicht mit der Anlage vertraut sind, als Täter auszuschließen. Entsprechendes gelte für die VT-Handwerker und Teile der PLT-Handwerker. Gegen eine Beteiligung schichtfremder Dritter sprächen schließlich auch die Angaben des Zeugen Dr. P., wonach die am 13. Mai 2019 vorgenommenen Einstellungen mit exakt mit denjenigen Einstellungen übereinstimmten, die im Dezember 2018 zu Versuchszwecken in der Anlage gefahren worden seien. Neben den Anlagenmanipulationen vom 13. und 29. Mai 2019 (Ionentausch und Sprühturm), die jeweils von der Bedienstation im Keller des Betriebs X. 000 vorgenommen worden seien, seien vom Ermittlungsdienst noch weitere unbefugte Eingriffe und Manipulationen bekannt geworden. Bei all diesen Vorkommnissen auf der Schicht B sei der Kläger stets anwesend und involviert gewesen (vgl. Aufstellung Bl. 155 d. A.). Auffallend sei auch, dass die Vorfälle überwiegend jeweils Herrn Y. oder Herrn W. betroffen hätten. Am 17. Januar 2019 sei in der Pause des damaligen Anlagenfahrers Y. unbefugt in die Schrittkette am Rührbehälter R 2500 am FL 11-Pulversythese eingegriffen worden, was glücklicherweise rechtzeitig erkannt worden sei. Der potentielle Schaden, der habe entstehen können, habe sich in einem Kostenrahmen zwischen 20.000,00 und 50.000,00 EUR bewegt. Als Anlagenfahrer habe der Zeuge Y. nach Angaben des Schichtführers V. eigentlich kein Interesse daran gehabt, die Anlage in dieser Weise zu manipulieren, weil er dadurch mehr Arbeit gehabt hätte, dem Leiharbeitnehmer N., der einer der Besten sei, hätten nach Angaben des Schichtführers V. die Kenntnisse gefehlt und er mache so etwas nach dessen Angaben auch nicht, während der ebenfalls anwesende Kläger die Anlage entgegen dessen Behauptung recht gut kenne. Am 29. Januar 2019 sei bei der Manipulation an der Stranganlage die Veränderung der Walcocel-Zugabe von 6 kg auf 666 kg von dem damaligen Anlagenfahrer W. bemerkt worden. Der Zeuge Dr. U. habe angegeben, dass diese Veränderung der Dosierung üblicherweise in der Anlage vor Ort vorgenommen wird und somit mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aus der Messwarte gesteuert wurde. Der Anlagenführer W. habe ausgesagt, dass der Kläger bei der Prüfung der Protokollliste festgestellt habe, dass der Wert von seinem (des Zeugen W.) Leitstand (in der Messwarte) eingegeben worden sei; Er (der Zeuge W.) sei aber zu 100% sicher, dass er diesen Wert nicht verstellt habe, da diese Werte in der Regel immer gleichblieben. Auch hinsichtlich der Vorfälle am 27./28. März 2019 (Produktaustritt im Ludox- Tanklager) und am 3. Juni 2019 (gelockerte Schrauben Ludox-Container) bestehe ein Tatverdacht gegen den Kläger. Die Ermittlungen zur Anlagen-Manipulation vom 29. Mai 2019 hätten dazu geführt, dass sich nicht nur diesbezüglich der dringende Tatverdacht gegen den Kläger ergeben habe, sondern die Häufung der Verdachtsmomente im Zusammenhang mit den weiteren, angeführten Taten, habe den diesbezüglich einfachen Verdacht zu einem dringenden Tatverdacht verdichtet. Es habe in 2017 und in den Jahren 2012 bis 2014 Vorfälle in den früheren Einsatzbetrieben des Klägers (A 616 und V 058) gegeben. In 2017 habe der Kläger damals Streitigkeiten mit dem Schichtführer Kreis gehabt und auch damals sei der Kläger der einzige Mitarbeiter gewesen, der an allen Tagen (19.03., 20.03, 23.02., 26.02., 03.03.) anwesend gewesen sei und dem der Schichtführer die Tat zugetraut habe (vgl. Ermittlungsbericht vom 05. Juli 2017 (Bl. 253 ff. d. A.). 2012 bis 2014 sei es zu fünf Vorfällen (Spülmittel im Pausentee, Chemikalie auf Pausenbrot, Sachbeschädigung durch Feuerlegung in Abfalleimer) gekommen, bei denen die Täterschaft des Klägers nicht bzw. nicht eindeutig habe geklärt werden können. Der absolute Ausschluss der Täterschaft anderer sei nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Allein der Umstand, dass sich andere Mitarbeiter nach den Angaben des Zeugen Dr. U. im Rahmen der Beweisaufnahme pflichtwidrig Zugang zur Station hätten verschaffen können, führe nicht dazu, dass die Täterschaft des Klägers ausgeschlossen werden könne oder weniger wahrscheinlich werde. Die bloße Zugriffsmöglichkeit genüge nicht, es müssten auch umfassende Ablaufkenntnisse gegeben sein. Gegen die Annahme, als Täter käme auch ein (PLT-) Handwerker in Betracht, spreche, dass die Handwerker nicht im Schichtbetrieb, sondern nur tagsüber arbeiteten. Alle streitgegenständlichen Manipulationen und Vorfälle hätten sich aber während des Einsatzes der Schicht B (und nicht durchgehend tagsüber) ereignet. Für die Vorfälle am 13. und 29. Mai 2019 hätten die namentlich genannten PLT-Handwerker über nicht genügend Kenntnisse verfügt oder zwar ggf. über ausreichende Anlagenkenntnisse verfügten, jedoch ein Alibi. Sie würden zudem an der Bedienstation im Keller als unbefugte Personen auffallen und hätten keine Kenntnisse über das „Versuchsrezept“, dessen abweichende Mengen am 13. Mai 2019 (Ionentausch) eingegeben worden seien. Die Täterschaft eines VT-Handwerkers, die regelmäßig Schlosserarbeiten verrichteten, sei bereits aufgrund der fehlenden Kenntnisse auszuschließen für den Eingriff vom 13. Mai 2019. Gleiches gelte auch für den Eingriff am 29. Mai 2019 (Sprühturm). Eine Tatbegehung durch fremde Dritte, die die Örtlichkeit nur mit persönlicher Schutzausrüstung begehen dürften und bei pflichtwidrigem Verhalten schnell identifiziert seien, oder Handwerker sei daher mehr als unwahrscheinlich. Dies stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Arbeits- und Sicherheitsrichtlinien dar. Der Zeuge Dr. U. habe im Anschluss an die Beweisaufnahme geäußert, er habe keine vernünftigen Zweifel an der Täterschaft des Klägers, der für alle in Frage stehenden Eingriffe über die erforderlichen Kenntnisse verfügt habe, bei allen Vorfällen anwesend gewesen sei, sich zum Teil widersprüchlich eingelassen habe, auch in Bezug auf die Aussagen anderer Mitarbeiter. Nach seinem Wechsel in den Betrieb X. 000 seien keine Vorfälle mehr in seinem früheren Arbeitsbereich aufgetreten. Der Vorfall im Dezember 2019 (aufgeschlitzte Big Bags) sei deutlich anders gelagert als die von ihr herangezogenen Fälle. Im Übrigen müsse das vom Kläger zur Akte gereichte Foto unmittelbar nach dem Schnitt in die Säcke entstanden sein. Ein Beleg für eine fortgesetzte Manipulationsserie sei das Foto jedenfalls nicht. Alle befragten Mitarbeiter der Schicht B hätten übereinstimmend angegeben, dass es sich bei dem Täter für die fortgesetzten Diebstähle von November 2017 bis 18. Februar 2019 nur um einen Schichtkollegen handeln könne. Allein der Kläger habe geäußert, dass es sich bei dem Täter um einen LKW-Fahrer gehandelt haben könne, was jedoch nicht in Betracht komme. Es sei zweifelhaft, ob der Kläger im Februar 2019 tatsächlich selbst geschädigt worden sei oder ob er einen Diebstahl nur gemeldet habe, um als Täter für die vorausgegangenen Diebstähle auszuscheiden. Gegen ihn bestünden erhebliche Verdachtsmomente: Vor seinem Wechsel in den Betrieb X. 000 seien weder auf der Schicht B noch auf anderen Schichten Gelddiebstähle verzeichnet worden. Der Kläger sei an allen bekannten Tattagen anwesend gewesen. Seit dem letzten Diebstahl, bei dem er (vermeintlich) geschädigt worden sei, hätten sich keine weiteren Diebstähle ereignet. Die Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten, denn es seien umfängliche und aufwendige Ermittlungen erforderlich gewesen, die zu dem fast 60 Seiten umfassenden Ermittlungsbericht geführt hätten. Erst mit Übermittlung des Ermittlungsberichtes am 15. Juli 2019 habe die für den Ausspruch von Kündigungen bei der Beklagten ausschließlich zuständige Einheit über die erforderlichen Informationen verfügt, um die Erfolgsaussichten einer Kündigung zu prüfen. Die damit beauftrage Juristin Dr. L. habe sich dafür entschieden, den Kläger unmittelbar am 16. Juli 2019 nochmals persönlich zu befragen. Im Hinblick auf die ausgesprochene Verdachtskündigung habe die Frist demnach ab dem Zeitpunkt der Anhörung des Klägers durch die einzig kündigungsberechtigte Abteilung Arbeitsrecht am 16. Juli 2019 zu laufen begonnen. Der Betriebsrat sei ausweislich des Anhörungsbogens vom 24. Juli 2019 ordnungsgemäß angehört worden. Sie habe auch dem Kläger vor Ausspruch der Verdachtskündigung umfassend Gelegenheit gegeben, sowohl gegenüber dem Ermittlungsdienst als auch gegenüber der kündigungsberechtigten Einheit FHG/PL Arbeitsrecht zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Auch die Interessenabwägung falle angesichts einer Betriebszugehörigkeit des Klägers von nur fünf Jahren und einem Lebensalter von 27 Jahren, seiner Berufserfahrung und Qualifikation, sowie angesichts der Vielzahl von Vorfällen zu Lasten des Klägers aus.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 31. Januar 2020 durch Vernehmung der Zeugen Dr. P. und Dr. U. Bezüglich des Inhalts des Beweisbeschlusses und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 31. Januar 2020 Bezug genommen. Zum Fortsetzungstermin vom 04. August 2020 hat die Vorsitzende ausweislich Verfügung vom 15. Juli 2020 (Bl. 516 d. A.) vorsorglich weitere Zeugen geladen, die im Termin nicht vernommen worden sind.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 04. August 2020 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, die Kündigung vom 30. Juli 2019 habe das Arbeitsverhältnis weder mit sofortiger Wirkung mit ihrem Zugang, noch fristgerecht beendet. Dem Kläger stehe daher ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu und ihm sei das beantragte Zwischenzeugnis zu erteilen. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor, da der vorgetragene Sachverhalt nicht ausreiche, um einen kündigungsrelevanten Verdacht gegen den Kläger zu begründen. Hinsichtlich der behaupteten Diebstähle sei nicht ersichtlich, weshalb der Verdacht gegenüber dem Kläger schwerwiegender sein solle als gegenüber anderen Mitarbeitern. Allein die Tatsache, dass es zu den Diebstählen erst nach seinem Wechsel in den Betrieb X. 000 gekommen sei und er als Einziger die Täterschaft einer schichtfremden Person in Betracht gezogen habe, genüge als Verdachtsmomente für eine Kündigung nicht. Der Täterkreis lasse sich nicht auf den Kläger eingrenzen, da auch andere Mitarbeiter bei allen Vorfällen anwesend gewesen seien. Im Übrigen habe die Diebstahlsserie erst mehrere Monate nach dem Wechsel des Klägers begonnen und es habe auch ein hypothetisch anderer Täter aus der Schicht das Hinzukommen eines „Neuen“ als Gelegenheit gesehen haben können, einen Sündenbock zu haben. Dass der Kläger einen möglicherweise falschen Täterkreis in Betracht gezogen habe, sei nur ein schwaches Verdachtsmoment. Im Übrigen seien die Delikte Diebstahl und Anlagenmanipulation doch sehr unterschiedlich und noch nicht einmal zwingend, dass eine Person, die einen Kugelschreiber einsteckt, auch Geld aus Taschen und verschlossenen Behältnissen stiehlt. Hinsichtlich des Vorfalls vom 17. Januar 2019 (Schrittkette) lasse sich ein Bedienungsfehler nicht ausschließen und es sei nicht mit hinreichender Sicherheit auf den Kläger als Täter zu schließen, zumal offensichtlich auch der Zeuge Y. anwesend gewesen sei. Das Interesse, einen unliebsamen Kollegen „reinzureiten“, habe auch er und der Zeuge W. haben können, die beide mit dem Kläger nicht gut zurechtgekommen seien. Genauso lasse sich ein Bedienungsfehler am 29. Januar 2019 (Dosierung Walcocel) nicht ausschließen und sei angesichts der Zahlen (666 kg, statt 6 kg) sogar wahrscheinlich. Dass die Eingabe nicht vom Leitstand des Anlagenfahrers W. getätigt worden sei, habe die Beklagte nicht unter Beweis gestellt. Allein die Tatsache, dass der Zeuge W. sich „100 % sicher“ sei, die Eingabe nicht getätigt zu haben, genüge nicht, nachdem der Kläger die Eingabe ebenfalls bestreite. Auch am Vorfall vom 27./28. März 2020 seien sowohl der Kläger, als auch die Zeugen W. und Y. „beteiligt“ gewesen, die bei ihrem Rundgang unstreitig einen Fehler gemacht hätten, während der Kläger auf Veranlassung des Schichtführers V. im Tanklager gewesen sei. Hinreichende Verdachtsmomente gerade gegen den Kläger bestünden nicht. Beim Vorfall vom 03./04. Juni 2019 (gelockerte Schrauben am Ludox-Container) lasse sich nicht eingrenzen, wann „der Eingriff“ überhaupt stattgefunden habe, der noch nicht einmal auf die B-Schicht beschränkt sei, zumal der Kläger unwidersprochen behauptet habe, während der Schicht nicht anwesend gewesen zu sein. Kündigungsrelevant seien daher allein die Vorfälle vom 13. und 29. Mai 2019, bei denen die Berufungskammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen – auch zugunsten der Beklagten – davon ausgehe, dass es sich um Eingriffe ins Prozessleitsystem gehandelt, habe, die von dem Laptop im Keller aus vorgenommen worden seien und Bedienfehler ausgeschlossen seien. Hätte man es für hinreichend wahrscheinlich gehalten, dass als Täter nur Mitarbeiter der Schicht B in Betracht kommen, habe ein hinreichender Tatverdacht gegen den Kläger in Betracht kommen können. Die Kammer könne jedoch nicht davon ausgehen, dass nur Mitarbeiter der Schicht B als Täter in Frage kommen. Nach der Aussage des Zeugen Dr. U. seien auch PLT-Handwerker zu den Eingriffen in der Lage. Dass es einzelne Handwerker gäbe, die tatsächlich die entsprechenden Fertigkeiten besitzen, habe die Beklagte in der Sache nicht (mehr) bestritten. Eine Eingrenzung des Täterkreises auf die Schicht B sei für die Annahme eines hinreichend schweren Verdachtes gegen den Kläger daher erforderlich. Hiervon könne jedoch nicht ausgegangen werden, da das Gebäude weder gegen einen Zutritt von Werksangehörigen, noch der Laptop gegen einen Zugriff von ihm Gebäude befindlichen Personen gesichert gewesen sei. Auf die Alibis bestimmter Handwerker komme es daher nicht an. Die Vorfälle vom 13. und 29. Mai 2019 hätten sich tagsüber ereignet, wenn PLT-Handwerker im Betrieb seien. Die anderen Vorfälle seien wegen der abweichenden Art des „Eingriffs“ nicht vergleichbar und auch wegen der alternativen Erklärungsmöglichkeiten und könnten nicht herangezogen, um Personen außerhalb der Schicht B als mögliche Täter hinreichend sicher auszuschließen. Angesichts der Spannungen zwischen dem Kläger und den Zeugen W. und Y. sei jedenfalls auch die Erklärung denkbar, diese beiden hätten dem Kläger (gemeinsam) schaden wollen. Für den zweiten Eingabezeitpunkt am 13. Mai 2019 um 10.00 Uhr kämen im Übrigen alle Mitarbeiter in Betracht, für den Vorfall vom 29. Mai 2019 habe der Zeuge Y. kein Alibi. Da keine hinreichende nachgewiesene objektive Tatsachengrundlage für gegen den Kläger bestehende starke Verdachtsmomente bestehe, könne die Kammer auch nicht von einem für eine ordentliche Kündigung erforderlichen persönlichen Eignungsmangel des Klägers ausgehen. Dem Kläger stehe infolge Obsiegens ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu und ein Zwischenzeugnis, da der Ausspruch einer fristlosen Kündigung einen Arbeitnehmer dazu veranlassen möge, sich anderweitig nach einem Arbeitsplatz umzusehen und daher einen triftigen Grund für das Verlangen nach einem Zwischenzeugnis darstelle. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf S. 15 ff. d. Urteils (= Bl. 548 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das am 28. September 2020 zugestellte Urteil mit am 13. Oktober 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 12. Oktober 2020 Berufung eingelegt und diese mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 27. November 2020 begründet.

Die Beklagte trägt zweitinstanzlich nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 27. November 2020 (Bl. 571 ff. d. A.), hinsichtlich deren weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen wird, zur Begründung ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortags vor,

das Arbeitsgericht habe in seinem Urteil zu Unrecht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch den Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 30. Juli 2019, noch durch den Ausspruch der hilfsweisen ordentlichen Kündigung vom selben Tag aufgelöst worden sei. Wie bereits erstinstanzlich dargelegt und nunmehr wiederholt sei es im Betrieb X. 000 innerhalb von sechs Monaten zu sechs Anlagenmanipulationen gekommen, bei denen stets der Kläger anwesend gewesen sei (29. Mai 2019 Sprühturm, 13. Mai 2019 Ionenaustausch, 17. Januar 2019 Schrittkette am R 2500, 29. Januar 2019 Strangstraße, 27./28. März 2019 Ludox Tanklager, 03. Juni 2019 gelockerte Schrauben am Ludox Container). Seit der Freistellung des Klägers seien keine weiteren Anlagenfehler oder ähnliche Vorkommnisse aufgetreten. Untermauert werde der Verdacht gegen den Kläger durch eine Reihe von – ebenfalls im Einzelnen genannten – Vorfällen in den Bauten V 058 (2012 – 2014) und A 616 (2017), wo der Kläger vor dem Wechsel beschäftigt gewesen sei. Nachdem der Kläger jeweils aus dem Betrieb gewechselt habe, sei es zu keinen Vorfällen mehr gekommen. Neben den Anlagenmanipulationen seien von November 2017 bis 18. Februar 2019 fortgesetzt Diebstähle aufgetreten (vgl. Aufstellung Bl. 611 d. A.), wobei erhebliche Verdachtsmomente bestünden, dass der Kläger die Diebstähle begangen habe, da zuvor nie Diebstähle verzeichnet worden seien, der Kläger an allen bekannten Tattagen anwesend gewesen sei und sich seit dem letzten Diebstahl, bei dem der Kläger „geschädigt“ worden sei, keine weiteren Diebstähle mehr ereignet hätten. In jedem Fall der neun Komplexe mit 24 Einzelfällen sei es dazu gekommen, dass entweder von Mitarbeitern der Beklagten ausdrücklich geäußert worden sei, dass man den Kläger verdächtige oder die interne Aufarbeitung durch den Ermittlungsdienst dazu geführt habe, dass sich der jeweilige Verdacht gegen den Kläger richte. Am 29. Mai 2019 und 13. Mai 2019 habe der Kläger kein Alibi gehabt. Er habe widersprüchliche Angaben zu zeitlichen und örtlichen Abläufen gemacht. Die Fehlerfindung am 29. Mai 2019 sei äußerst schnell und atypisch erfolgt. Es habe in 2019 weitere Vorfälle in der B-Schicht gegeben, wobei der Kläger stets dabei und involviert gewesen sei. Schon in 2012 – 2014 und 2017 seien während der Beschäftigung des Klägers Anlagenvorfälle aufgetreten. Die Häufung und Aneinanderreihung der Vorfälle spreche für einen dringenden Tatverdacht. Das Arbeitsgericht sei hinsichtlich des Täterkreises zu Unrecht davon ausgegangen, dass PLT-Handwerker als Täter in Betracht zu ziehen seien, obwohl sie umfangreich vorgetragen habe, dass VT-Handwerker nicht über ausreichende Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, um die Tathandlungen vorzunehme. Auch sei zu einer Täterschaft aus dem Kreis der PLT-Handwerker ausführlich vorgetragen und Beweis angeboten worden, dass einige ein Alibi hätten und nach Einschätzung des Zeugen K. nicht über ausreichende Fertigkeiten verfügen, was bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt geblieben sei. Es sei auch anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar, warum nicht klar sein solle, dass sich der Täterkreis auf den Personenkreis bestimmter Handwerker beschränke. Ihr Vortrag zum Ausschluss schichtfremder Personen ohne Kenntnisse der Anlage bereits aufgrund er Komplexität der Bedienstation sei unberücksichtigt geblieben; jedenfalls handele es sich nicht um einen hinreichend wahrscheinlichen Geschehensablauf. Das Gericht lasse auch die Angaben des Zeugen Dr. P. hierzu gänzlich unberücksichtigt. Das Gericht habe den Vortrag der Beklagten auf S. 17, 22 und 23 im Schriftsatz vom 02. Oktober 2019, S. 4, 5 im Schriftsatz vom 20. November 2019 S. 6 ff. im Schriftsatz vom 06. März 2019 übergangen und daher Art. 103 Abs. 1 GG verletzt und eine Überraschungsentscheidung getroffen. Es sei nicht nachvollziehbar gewesen, weshalb das Arbeitsgericht nach Vernehmung der Zeugen Dr. U. im ersten Kammertermin die Beweisaufnahme abgebrochen habe und warum es die zum weiteren Termin geladenen Zeugen nicht vernommen habe, obwohl sie, die Beklagte, habe davon ausgehen dürfen, dass dies erfolgen werde. Es erschließe sich nicht, warum das Arbeitsgericht davon ausgegangen sei, die Vorfälle könnten mangels Vergleichbarkeit auch nicht in einer Gesamtschau herangezogen werden. Das Arbeitsgericht überspanne die Anforderungen an eine solche Vergleichbarkeit. Entscheidend sei, dass es mehrfach zu unbefugten Eingriffen in den unterschiedlichsten Betrieben gekommen sei, dass stets der Kläger anwesend gewesen sei und dass dies Eingriffe geendet hätten, nachdem der Kläger den Betrieb gewechselt habe. Eine jeweils isolierte Bewertung der einzelnen Vorfälle unterstelle eine konzertierte Hexenjagd, den Kläger durch eine Vielzahl unberechtigter Vorwürfe „zu Fall“ zu bringen. Hiergegen spreche bereits der Umstand, dass man von der Arbeitsleistung des Klägers durchaus angetan gewesen sei und dem Kläger eine Erfolgsbeteiligung gewähre. Die Annahme einer beispiellosen Aneinanderreihung unglücklicher Umstände lasse außer Acht, dass der Kläger in jedem Falle kein Alibi gehabt habe. Die Erklärung des Arbeitsgerichts, den „Neuen“ als Sündenbock betrachtet zu haben, erkläre nicht, warum nach dem Weggang des Klägers keine einzige weitere Tat mehr geschehen sei. Ohnehin könne dem Arbeitsgericht immer dann nicht gefolgt werden, wenn es trotz der Vielzahl der betroffenen Betriebe davon ausgehe, dass möglicherweise andere Mitarbeiter bewusst den Verdacht auf den Kläger hätten lenken wollen. Nicht im Ansatz setze sich das Arbeitsgericht mit der atypischen Fehlerursache des Klägers auseinander und mit der Eingabe der bereits im Jahr 2018 verwendeten Rezeptur, die einer fremden Person nicht bekannt sei.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 04. August 2020 – 4 Ca 1145/19 – abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 30. Dezember 2020 (Bl. 635 ff. d. A.), hinsichtlich deren weiteren Inhaltes auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, zweitinstanzlich unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags wie folgt:

Das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständlichen Kündigungen nicht aufgelöst worden sei. Es gebe keine dringenden, auf objektive Tatsachen gestützte Verdachtsmomente. Der Zeuge Y. habe sowohl für den 13. Mai, als auch für den 29. Mai 2019 gerade kein Alibi. Ebenso wenig verfüge der Mitarbeiter W. über ein geprüftes Alibi, aber über widersprüchliche Aussagen beim Ermittlungsdienst. Die zweite Änderung am 13. Mai 2019 hinsichtlich des Kupfers sei erst um 10.00 Uhr erfolgt, nicht nur der Kläger, sondern alle Mitarbeiter der Schicht und auch die PLT-Handwerker hätten die erforderlichen Kenntnisse gehabt. Er habe keine widersprüchlichen Angaben gemacht und auch dargelegt, warum die Fehlerfindung gerade nicht atypisch schnell erfolgt sei. In Bezug auf die weiteren Vorfälle in 2019 lasse die Beklagte den unstreitigen Sachverhalt außen vor; er sei in 2019 noch gar nicht an der Anlage angelernt gewesen. Die Vorfälle aus 2017 könnten in 2019 nicht herangezogen werden. Selbstverständlich kämen die PLT-Mitarbeiter in Betracht, das bestätige auch der Zeuge K., da diese PLS-Kenntnisse hätten, nur nicht nachvollziehen könnten, was ihr Handeln verursache. Die Urteilsbegründung setze sich auch mit dem Vortrag der Beklagten auseinander. Auch jetzt schließe die Beklagte nicht sämtliche PLT-Handwerker aus, auch der Zeuge U. habe selbst mitgeteilt, dass es bereits vorgekommen sei, dass gerade solche Mitarbeiter Manipulationen vorgenommen hätten und sodann disziplinarisch geahndet worden seien. Das Gericht habe zu Recht angenommen, dass es denkbar sei, dass die Mitarbeiter Y. und W., die mit dem Kläger unstreitig zwischenmenschliche Schwierigkeiten gehabt hätten, gemeinsam dem Kläger hätten schaden wollen. Der Zeuge Y. sei am 13. Mai 2019, als das Kupfer geändert worden sei, für die Anlage verantwortlich gewesen und habe kein Alibi. Am 29. Mai 2019 sei er – ebenfalls ohne Alibi – auf dem Weg zur Pause am nicht passwortgeschützten Laptop im Keller vorbeigelaufen. Ebenso habe sich der Mitarbeiter S. während der Schicht in der Abfüllung im Keller befunden. Der Zeuge R. sei allein im Speisesaal gewesen. Hinzu kämen auch die PLT-Handwerker. Eine Überraschungsentscheidung liege nicht vor. Allein aus der von der Vorsitzenden allein vor einer Entscheidung der Kammer – möglicherweise auch vorsorglich – veranlassten Ladung von Zeugen könne nicht geschlossen werden, dass diese auch gehört würden. Die Beklagte habe sich von Anfang an auf den Kläger konzentriert, ohne Widersprüche der anderen Mitarbeiter zu sehen. Außerdem habe eine einseitige Ermittlung mit Belastungstendenzen stattgefunden, was sich in der suggestiven Befragung beispielsweise des Zeugen V. durch den Zeugen J. zur Thematik Spielhalle und etwaige Spielsucht zeige. Die diesbezüglichen Hinweise des Zeugen auf die Mitarbeiter W. und Q. habe die Beklagte nicht wahrgenommen, auch wenn der Zeuge V. den Kläger trotz fortgesetzter Suggestivbefragung eindeutig entlastet habe. Es bleibe dabei, dass der Laptop, ohne Passwortschutz in einem unbeaufsichtigten Keller gestanden habe, an dem sich theoretisch jeder Mitarbeiter bedienen könne und die Zeugen Y. und R. vorbeigegangen seien und wo sich der Mitarbeiter S. in der Nähe befunden habe. Beim Vorfall Walocel sei nicht geprüft worden, ob der Anlagenfahrer W. die Werte falsch eingegeben habe, bei den anderen Vorfällen bestehe bereits kein ausreichender Verdacht und auch nach Ausscheiden des Klägers sei es zu weiteren Vorfällen gekommen. Wie der Kläger erst jetzt erfahren habe, sei wohl der Mitarbeiter W. zwischenzeitlich versetzt worden.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache nicht erfolgreich.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe c ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 28. September 2020 mit am 13. Oktober 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 12. Oktober 2020 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz vom 27. November 2020, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO).

II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Kündigung der Beklagten vom 30. Juli 2019 das Arbeitsverhältnis der Parteien weder außerordentlich mit sofortiger Wirkung, noch unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet hat, dem Kläger ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zusteht und die Beklagte verpflichtet ist, ihm ein wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen. Die Berufung der Beklagten gegen die klagestattgebende erstinstanzliche Entscheidung war zurückzuweisen.

1. Das Arbeitsgericht ist im Ergebnis und mit sorgfältiger und umfassender Begründung zutreffend davon ausgegangen, dass die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 30. Juli 2019 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit sofortiger Wirkung beendet hat, da der Beklagten ein außerordentlicher Kündigungsgrund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die von ihr ausgesprochene Verdachtskündigung nicht zur Seite steht. Die Berufungskammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils unter II 1 (Seite 16 bis 22 der Entscheidung = Bl. 549 bis 555 d. A.), macht sie sich zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Angriffe der Berufung rechtfertigen ein abweichendes Ergebnis nicht.

1.1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG 23. August 2018 – 2 AZR 235/18 – Rn. 12; 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17 – Rn. 27; 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 11, jeweils zitiert nach juris).

1.2. Der Verdacht einer Pflichtverletzung stellt gegenüber dem verhaltensbezogenen Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung tatsächlich begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (vgl. BAG 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 20; 18. Juni 2015 – 2 AZR 256/14 – Rn. 20, jeweils zitiert nach juris). Der Verdacht kann eine außerordentliche Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers bedingen (vgl. BAG 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 20, aaO).

a) Jedes Arbeitsverhältnis setzt als personenbezogenes Dauerschuldverhältnis ein gewisses gegenseitiges Vertrauen der Vertragspartner voraus. Ein schwerwiegender Verdacht einer Pflichtverletzung kann zum Verlust der vertragsnotwendigen Vertrauenswürdigkeit des Arbeitnehmers und damit zu einem Eignungsmangel führen, der einem verständig und gerecht abwägenden Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Der durch den Verdacht bedingte Eignungsmangel stellt einen Kündigungsgrund in der Person des Arbeitnehmers dar, auch wenn die den Verdacht und den daraus folgenden Vertrauensverlust begründenden Umstände nicht unmittelbar mit seiner Person zusammenhängen müssen (vgl. BAG 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 21, mwN, aaO).

b) Die Verdachtskündigung ist „keine unterentwickelte Tatkündigung“ im Sinn einer Absenkung des von § 286 Abs. 1 ZPO verlangten Beweismaßes. Vielmehr unterscheidet sich der materiell-rechtliche Bezugspunkt der richterlichen Überzeugungsbildung. Bei einer Tatkündigung muss das Gericht davon überzeugt sein, der Arbeitnehmer habe eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung begangen. Die diese Würdigung tragenden (Indiz-)Tatsachen müssen entweder unstreitig oder bewiesen sein. Hingegen muss das Gericht bei einer Verdachtskündigung mit dem nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Grad an Gewissheit zu der Überzeugung gelangen, der Arbeitnehmer weise aufgrund des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen Eignungsmangel auf. Dazu müssen die den Verdacht begründenden (Indiz-)Tatsachen ihrerseits unstreitig sein oder vom Arbeitgeber „voll“ bewiesen werden (vgl. BAG 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 23, mwN, aaO).

c) Angesichts der jeweils aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden, gegenläufigen Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien bedarf das Rechtsinstitut der Verdachtskündigung der besonderen Legitimation. Dies gilt zunächst für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. Der Verdacht muss auf konkreten, vom Kündigenden darzulegenden und ggf. – mit dem „vollen“ Maß des § 286 Abs. 1 ZPO – zu beweisenden Tatsachen beruhen. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (vgl. BAG 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 27, aaO). Hierfür ist eine wertende Beurteilung und kein bestimmter Grad der Wahrscheinlichkeit notwendig (vgl. BAG 26. September 2013 – 8 AZR 1026/12 – Rn. 25, mwN, zitiert nach juris). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (vgl. BAG 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 27, 2. März 2017 – 2 AZR 698/15 – Rn. 22; 18. Juni 2015 – 2 AZR 256/14 – Rn. 21, jeweils zitiert nach juris). Zudem ist die Annahme, das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses objektiv unabdingbare Vertrauen sei bereits aufgrund des Verdachts eines erheblichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zerstört, zumindest solange nicht gerechtfertigt, wie der Arbeitgeber die zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ergriffen hat. Dazu gehört insbesondere, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Verdachtsmomenten zu geben, um dessen Einlassungen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können. Versäumt der Arbeitgeber dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (BAG 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 28, 25. April 2018 – 2 AZR 611/17 – Rn. 31).

1.3. Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht nach wertender Beurteilung des Vorbringens der Parteien richtigerweise das Vorliegen der Voraussetzungen für eine außerordentliche Verdachtskündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB verneint. Die von der Beklagten vorgetragenen Indiztatsachen sind nicht geeignet, einen dringenden Verdacht im dargestellten Sinne zu begründen, dass der Kläger für die angeführten Anlagenmanipulationen und Diebstähle verantwortlich ist. Es fehlt an einer großen Wahrscheinlichkeit, dass die Pflichtverletzungen vom Kläger begangen worden sind. Auch die Berufungskammer vermochte daher nicht anzunehmen, dass der Kläger aufgrund des Verdachts schwerwiegender Pflichtverletzungen einen Eignungsmangel aufweist. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Umstände, die nach Auffassung der Beklagten den dringenden Verdacht begründen, ebenso gut durch einen anderen Geschehensablauf zu erklären sind. Die außerordentliche Kündigung des Klägers ist daher nicht gerechtfertigt.

1.3.1. Mit dem Arbeitsgericht ist die Berufungskammer nicht nach § 286 Abs. 1 ZPO zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger aufgrund des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung in Form von Anlagenmanipulationen einen Eignungsmangel aufweist.

a) Zu Gunsten der Beklagten unterstellt die Berufungskammer deren Vortrag als zutreffend, dass am 29. Mai 2019 die erhöhte Luftzufuhr eines Sauerstoffventils von 47,5 % statt vorgesehener 30 % während des Hochfahrens der Betriebsanlage nicht in der Messwarte, sondern an der Bedienstation im Keller des Gebäudes X. 000 veranlasst worden ist und deshalb der Drehrohrofen ausgefallen, das Hochfahren des Sprühturms unterbrochen worden und ein Schaden durch Produktionsausfall in Höhe von ca. 8.000,00 Euro entstanden ist, der erheblich höher hätte ausfallen können, wenn es zu einem massiven Schaden am Drehrohr gekommen wäre. Gleichfalls nimmt die Berufungskammer zu Gunsten der Beklagten an, dass am 13. Mai 2019 – ohne Eintritt eines Schadens – über die Bedienstation im Keller in das Prozessleitsystem (PLS) eingegriffen wurde, indem um 8.32 Uhr über eine Reduktion der Essigsäure von 20 auf 5 Liter auf den Ionentausch Einfluss genommen und um 10.00 Uhr die Menge Kupferazetat von 238 kg auf 107 kg abgeändert worden ist, wobei der zweite Fehler – anders als der erste – entdeckt wurde.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht aufgrund der von der Beklagten vorgebrachten Umstände kein dringender Verdacht, dass der Kläger sich der aufgezeigten Anlagenmanipulationen schuldig gemacht haben könnte, da andere Geschehensabläufe ebenso wahrscheinlich erscheinen.

aa) Soweit die Beklagte darauf abhebt, der Kläger habe für die aufgeführten Zeiträume als Einziger kein Alibi gehabt, übersieht sie, dass sich der mit dem Kläger in einem persönlichen Spannungsverhältnis stehende Anlagenfahrer Y. zum Zeitpunkt des Eingriffs am 29. Mai 2019 ebenfalls in der Mittagspause befand, nicht in der Messwarte war und – ebenso wie es die Beklagte für den Kläger annimmt – in der Lage gewesen wäre, die Bedienstation im Keller unproblematisch binnen weniger Minuten zu erreichen. Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger am 13. Mai 2019 um 8.23 Uhr als Einziger nicht in der Schichtbesprechung anwesend war, könnten zumindest für die zweite Manipulation um 10.00 Uhr auch andere Mitarbeiter der B-Schicht als Täter in Betracht kommen. Unabhängig davon vermag auch die Berufungskammer wie das Arbeitsgericht die Auffassung der Beklagten, es kämen nur Mitarbeiter der B-Schicht als potentielle Täter in Betracht, nicht zu teilen. Unstreitig befand sich die Bedienstation – ohne jegliche Sicherungsmaßnahmen – im Keller, einem nicht stark frequentierten Bereich des Gebäudes, so dass sich prinzipiell jeder, der sich auf dem Betriebsgelände befand, Zugriff auf den Laptop hätte verschaffen können, ohne ein übermäßiges Risiko einzugehen, entdeckt zu werden. Dem steht der Einwand der Beklagten, es habe spezieller Kenntnisse der Anlagen gebraucht, um die vorgenommenen Eingriffe durchführen zu können, nicht entgegen. Auch die Berufungskammer nimmt an, dass jedenfalls bei im Betrieb tätigen PLT-Handwerkern die erforderlichen technischen Kenntnisse des Prozessleitsystems (PLS) vorhanden waren. Dies ergibt sich bereits insoweit aus dem Vortrag der Beklagten, als diese mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 06. März 2020 (Anlage 7, Bl. 499 f. d. A.) das Protokoll der Vernehmung des für die eingesetzten PLT-Mitarbeiter disziplinarisch zuständigen Maintenance-Manager I. durch den Ermittlungsdienst vorgelegt hat, der dort für beide Vorfälle davon ausgeht, dass bei den PLT-Mitarbeitern – anders als dies bei VT-Handwerkern der Fall ist – die erforderlichen tiefen PLS-Kenntnisse – auch in Bezug auf die Ermittlung alter Rezepturen über eine interne Datenbank – vorhanden sind. Gleiches ergibt sich aus der Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen Dr. U. (Bl. 43 f. d. A.), der ebenfalls angegeben hat, PLT-Mitarbeiter verfügten auch über die erforderlichen Kenntnisse für die vorgenommenen Änderungen. Soweit der Zeuge weiter ausgesagt hat, Eingriffe seien ihnen jedoch untersagt und würden disziplinarisch geahndet, ändert dies nichts daran, dass die PLT-Mitarbeiter grundsätzlich für derartiges – unerlaubtes – Handeln in Betracht kommen. Dass ein Eingriff in der Vergangenheit bereits (in einem anderen Betrieb) vorgekommen und disziplinarisch geahndet wurde, hat der Zeuge demensprechend ebenfalls bekundet. Die Beklagte, die die Aussage des von ihr benannten Zeugen Dr. U. grundsätzlich nicht in Abrede gestellt hat, hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer zuletzt auf Vorhalt der Aussage des disziplinarischen Vorgesetzten der PLT-Handwerker I. eingeräumt, dass PLT-Handwerker theoretisch in der Lage seien, entsprechende Handgriffe am Laptop der Bedienstation zu verrichten. Soweit weiter erklärt wurde, diese seien jedoch nicht in der Lage, das gleiche technische Ergebnis zu produzieren, wie mit der Anlage vertraute Mitarbeiter, ändert dies nichts daran, dass PLT-Mitarbeiter als potentielle Täter einer nicht auf die Erzielung möglichst effektiver technischer Ergebnisse gerichteten Anlagenmanipulation in Betracht kommen. Vor diesem Hintergrund ist es – trotz der Komplexität der Bedienstation – auch nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht angenommen hat, grundsätzlich seien auch schichtfremde PLT-Handwerker als potentielle Täter nicht auszuschließen. Vor diesem Hintergrund hat das Arbeitsgericht jedenfalls zu Recht von einer weiteren Beweisaufnahme abgesehen. Dass zum letzten Kammertermin eine (vorsorgliche) Zeugenladung durch die Vorsitzende veranlasst worden ist (§ 53 Abs.1 Satz 1 ArbGG), ohne dass letztlich eine weitere Beweisaufnahme stattgefunden hätte, dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass die Entscheidung über die Vernehmung weiterer Zeugen in der streitigen Verhandlung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 ArbGG der Kammerberatung unter Einschluss der ehrenamtlichen Richter vorbehalten ist, der Kündigungsschutzprozess wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Corona-Pandemielage vorübergehend nicht betrieben werden konnte und das Arbeitsgericht eine weitere Verzögerung des Rechtstreits zu vermeiden hatte. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs der Beklagten (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt in der Vorgehensweise nicht.

bb) Das in der Berufung wiederholte Argument der Beklagten, für eine Täterschaft des Klägers spreche, dass dieser den Fehler am 29. Mai 2019 sehr schnell und atypisch gefunden habe, vermochte die Berufungskammer nicht zu überzeugen. Unstreitig handelt es sich beim Kläger um einen Mitarbeiter, der sich mit der betroffenen Anlage sehr gut auskennt. Er hat bereits erstinstanzlich unwidersprochen geltend gemacht, im für die Fehlersuche zur Erstellung von Trendbildern verwendeten Programm ASPEN und im Prozessleitsystem (PLS) überdurchschnittlich „fit“ zu sein und einen Verbesserungsvorschlag für das Hochfahren der Anlage eingereicht zu haben. Zudem hat er im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt (vgl. Schriftsatz vom 30. Oktober 2019 (Bl. 269 ff. d. A.), vom 16. Dezember 2019 (Bl. 308 f. d. A.) und vom 12. Februar 2020 (Bl. 425 ff. d. A.)), wie und aus welchen Gründen er den Anlagenfehler zügig ermitteln konnte. Soweit die Beklagte dem entgegengehalten hat, es gebe mehrere mögliche Ursachen für einen Druckanstieg (Schriftsatz vom 20. November 2019, Bl. 301 d. A.), berücksichtigt dies nicht, dass der Kläger angegeben hat, über ein ASPEN-Bild Rückschlüsse auf die Art des Fehlers gezogen zu haben. Ihre Behauptung, die Anlage eines ASPEN-Bildes beanspruche 10 Minuten (Schriftsatz vom 15. Januar 2020, Bl. 385 d. A.), bezieht sich nur auf die Neu-Anlage eines ASPEN-Bildes, während der Kläger von einem bereits angelegten und im System, nicht jedoch in seinem persönlichen Account, hinterlegten Trendbild sprach, von denen es 5 – 10 für die Phase des Anfahrens/ – Hochfahrens der Anlage gebe. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die als zutreffend unterstellten weiteren Erwiderungen der Beklagten zur Fehlersuche dazu geeignet sind, darzustellen, dass der Kläger den Fehler außergewöhnlich schnell gefunden hat, spräche dies nach Auffassung der Berufungskammer jedoch angesichts seiner unstreitigen Kenntnisse und Fertigkeiten an der streitgegenständlichen Anlage jedenfalls nicht entscheidend für seine Täterschaft. Dass der Vortrag der Beklagten zum Geschehensablauf in der Messwarte bei der Fehlersuche überwiegend auf Angaben des Zeugen Y. beim Ermittlungsdienst basiert, der unstreitig kein gutes Verhältnis zum Kläger hatte, kann dahinstehen. Soweit die Beklagte dem Kläger im Übrigen widersprüchliche Angaben dazu vorhält, ob er sich vor der Entdeckung des Schadens noch im Raucherraum aufgehalten hat oder nicht, erhärtet eine fehlende oder ungenaue Erinnerung des Klägers an eine derartige regelhaft vorkommende Tätigkeit den Verdacht gegen ihn nicht, da zu diesem Zeitpunkt die Unterbrechung des Hochfahrens des Sprühturms noch nicht ersichtlich war, den Verdacht gegen ihn nicht. Gleiches gilt für nicht exakte Angaben zur Zeitspanne bis zum Ausfall der Anlage oder die Tatsache, dass der Kläger keine genaue bzw. wechselnde Erinnerungen daran hatte, ob er im Speisesaal oder in der Messwarte vom Vorfall erfahren hat, zumal auch die Mitarbeiter T. und W. beim Ermittlungsdienst widersprüchliche Angaben zu den Geschehensabläufen gemacht haben und sich offenbar nicht mehr im Einzelnen erinnern konnten.

cc)Die weiteren von der Beklagten angeführten Vorfälle auf der B-Schicht im Gebäude X. 000 im Jahr 2019 bieten keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit die Manipulationen an den Anlagen am 13. Mai und 29. Mai 2019 vorgenommen hat. Bei den genannten Vorfällen besteht für sich betrachtet bereits kein dringender Verdacht für eine Täterschaft des Klägers.

Soweit am 17. Januar 2019 eine Weiterschaltbedingung in der Schrittkette am Rührbehälter R 2500 am FL1 Pulversynthese quittiert und die Schrittkette „auf Hand“ gesetzt wurde, hat das Arbeitsgericht zutreffend angeführt, dass keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger hierfür verantwortlich war, nachdem jedenfalls auch der mit dem Kläger in Unstimmigkeiten befindliche Anlagenführer Y. in Betracht gekommen wäre, selbst wenn der ebenfalls anwesende Zeuge N. nicht über ausreichende Kenntnisse der Anlage verfügt haben sollte. Nachdem der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, zu diesem Zeitpunkt noch nicht an der Anlage angelernt und daher nicht über ausreichende technische Kenntnisse verfügt zu haben, spricht nichts für eine große Wahrscheinlichkeit des Klägers als Täter.

Gleiches gilt für den Eingriff an der Stranganlage in das PLS (Prozessleitsystem) durch eine Erhöhung des Produkts „Walcocel“ von 6 kg auf 666 kg, wo bereits die Zahlen der Veränderung auf eine insgesamt versehentliche Falscheingabe hindeuten, aber jedenfalls neben dem Kläger die Zeugen W. und Y. auf der Schicht anwesend waren, die zu ihm kein unproblematisches Verhältnis hatten. Den vom Arbeitsgericht bemängelten Beweis dafür, dass die Eingabe nicht vom Leitstand des Anlagenfahrers W. getätigt worden ist, hat die Beklagte auch in der Berufungsbegründungsschrift nicht angetreten.

Den Produktaustritt im Ludox-Tanklager hat der Kläger in der Nachtschicht vom 27. auf den 28. März 2019 unstreitig bemerkt, als er einem Arbeitsauftrag des Schichtführers V. nachgekommen ist. Ebenfalls unstreitig ist, dass die Zeugen W. und Y. diesen Hahn entgegen ihrer Verpflichtung auf ihrem vorangegangenen Rundgang nicht kontrolliert hatten. Vor diesem Hintergrund vermochte auch die Berufungskammer einen hinreichender Verdacht gegen den Kläger wegen dieses Vorfalls ebenso wenig zu erkennen, wie für die gelockerten Schrauben am 03./04. Juni 2019, bei denen das Arbeitsgericht – ohne dass die Beklagte hierzu weitere Ausführungen gemacht hätte – zutreffend herausgearbeitet hat, dass nicht einmal festgestellt werden kann, dass die Tat während der B-Schicht begangen worden ist, zumal der Kläger bis zuletzt unwidersprochen dargetan hat, er sei in dieser Schicht nicht im Betrieb gewesen.

dd) Der Behauptung der Beklagten, nach der Freistellung des Klägers sei es zu keinen weiteren Sabotage-Handlungen gekommen, was den Verdacht gegen den Kläger erhärte, steht bereits die Tatsache entgegen, dass nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag des Klägers noch am 12. Dezember 2019 sog. Big Bags auf dem Betriebsgelände aufgeschlitzt worden sind und es sich hierbei – wenngleich nicht um Eingriffe in Anlagen selbst – so doch um eine weitere Beeinträchtigung von Produktionsmitteln der Beklagten handelt. Soweit die Beklagte andeutet, dass das vom Kläger vorgelegte, ihm nach seinem Vortrag anonym zugespielte Foto unmittelbar nach der Tat gefertigt worden sei und damit offenbar eine Verbindung zwischen dem Kläger und einem sog. „Entlastungstäter“ andeuten will, entbehrt diese Vermutung nach Auffassung der Berufungskammer einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage.

ee) Die von der Beklagten angeführten Vorfälle in den Jahren 2012 bis 2014 bzw. aus 2017 in den früheren Einsatzbetrieben des Klägers A 000 und V 000 führen nicht zu einer Erhärtung des Verdachts gegen den Kläger.

Soweit die Beklagte die Vorfälle in den Jahren 2012 bis 2014 im Bau V000 anführt, bei denen zweimal einem Mitarbeiter Spülmittel in den Pausentee gegeben worden, einmal der betroffene Mitarbeiter erkrankt, in einem weiteren Fall eine Chemikalie auf ein Pausenbrot gegeben worden sei und der Kläger in all diesen Fällen mit den Betroffenen Schwierigkeiten gehabt habe, dürfte die Beklagte mit ihrem nicht auf konkrete Mitarbeiter und Daten gerichteten Vortrag den an seine Substantiierung zu stellenden Anforderungen nicht genügt haben. Selbst wenn man hiervon jedoch ausgehen wollte, trägt die Beklagte selbst vor, dass die Täterschaft des Klägers in den damaligen Fällen nicht eindeutig habe geklärt werden können. Angesichts dessen geht die Berufungskammer davon aus, dass die behaupteten personenbezogenen Verfehlungen im Rahmen persönlicher Auseinandersetzungen unter Kollegen Rückschlüsse auf die Täterschaft des Klägers bei den vorliegend streitgegenständlichen Anlagenmanipulationen mangels eines eindeutigen Verdachts und mangels Vergleichbarkeit nicht erlauben. Gleiches gilt für das weiter angeführte Feuerlegen in einem Papierkorb, bei dem die Berufungskammer bereits nicht nachzuvollziehen vermochte, aus welchen Gründen und auf welche Art und Weise der Kläger in den Vorfall – wie von der Beklagten behauptet – „involviert“ war.

Die Vorfälle von Februar bis März 2017 sind nach Auffassung der Berufungskammer nicht zu Lasten des Klägers in die Bewertung einzustellen. Soweit die Beklagte vorgetragen hat, der Kläger habe damals Streitigkeiten mit dem Schichtführer Kreis gehabt und sei der einzige an allen Tagen anwesende Mitarbeiter gewesen, dem der Schichtführer Kreis die Tat zugetraut habe, entspricht dies nicht den Angaben des Schichtführers Kreis gegenüber dem Ermittlungsdienst am 03. April 2017. Ausweislich der Niederschrift seiner Befragung hat dieser ausgesagt, unter Berücksichtigung erforderlicher Anlagenkenntnisse und der Abwesenheiten blieben „schlussendlich neben den Anlagenfahrern Herr H. und Herr G. noch die Kollegen F., E., DZ. und A. (dh. der Kläger) übrig“ (vgl. Bl. 260 d. A.). Damit ist ein anderer Geschehensablauf als die Täterschaft des Klägers genauso wahrscheinlich. Im Übrigen ergibt sich aus den Vernehmungsprotokollen, dass der Kläger gegenüber dem Ermittlungsdienst am 11. April 2017 ausdrücklich keinen seiner Kollegen verdächtigt hat (vgl. Bl. 261 d. A.).

1.3.2. Die Beklagte kann ihre außerordentliche Kündigung nicht mit einem dringenden Verdacht begründen, der Kläger habe die im Zeitraum November 2017 bis Februar 2018 im Betrieb X. 000 aufgetretenen Diebstähle begangen. Aus dem gleichen Grund können diese Diebstähle auch nicht zur Stützung des dringenden Verdachts herangezogen werden, dass der Kläger für die Vorfälle vom 13. Mai und 29. Mai 2019 verantwortlich ist. Das Arbeitsgericht hat zutreffend gesehen, dass der Kläger nicht der einzige Mitarbeiter der B-Schicht war, der bei allen gemeldeten Diebstählen im Betrieb anwesend gewesen ist und darauf hingewiesen, dass auch ein anderer Täter aus dem Kreis der B-Schicht-Mitarbeiter den Wechsel des Klägers in die Schicht zum Anlass genommen haben könnte, von seiner eigenen Täterschaft abzulenken. Auch die Zeugen Y. und Q. befanden sich ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Anwesenheitsliste jeweils im Betrieb (vgl. Bl. 155 d. A.). Allein die Tatsache, dass nach dem letzten Fall, in dem der Kläger behauptet hat, selbst geschädigt worden zu sein, kein weiterer Diebstahl aufgetreten ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Kläger der Täter sein müsste. Nachdem der Schichtführer V. im Rahmen seiner Vernehmung durch den Ermittlungsdienst am 11. Juni 2019 finanzielle Probleme des Klägers ausgeschlossen und angegeben hat, dass sowohl der Kläger, als auch die Zeugen Y. und Q. im privaten Bereich Online-Spiele gespielt haben (Bl. 345 f. d. A.), ist jedenfalls nicht ersichtlich, warum der Verdacht gegenüber dem Kläger größer sein soll, als bei den anderen Kollegen. Schließlich hat das Arbeitsgericht auch zu Recht darauf abgestellt, dass der Vorwurf von Diebstählen und der Vorwurf von Eingriffen in Anlagen der Beklagten bereits aufgrund der völlig unterschiedlichen Sachverhaltsgestaltungen nicht dergestalt miteinander vergleichbar sind, dass zwingende wechselseitige Rückschlüsse gerechtfertigt wären.

1.3.3. Auch eine Gesamtbetrachtung sämtlicher Vorwürfe vermag nicht den dringenden Verdacht zu begründen, dass der Kläger sich einer erheblichen Pflichtverletzung schuldig gemacht hat. Allein die „schiere Anzahl der Vorfälle“ führt hierzu nicht. Anders als die Beklagte sah die Berufungskammer – wie das Arbeitsgericht – kein offenkundig für eine Täterschaft des Klägers sprechendes Muster darin, dass dieser bei unbefugten Eingriffen in betriebliche Anlagen anwesend war, nachdem dies – wie dargestellt – auch bei anderen Mitarbeitern der Fall war, die jeweils genauso wie der Kläger als Täter in Betracht kommen. Entgegen des Vortrags der Beklagten kam es auch nach der Freistellung des Klägers im Dezember 2019 jedenfalls noch zu einem sabotierenden Eingriff in den Betrieb, zumal denkbar ist, dass ein Täter nach der gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Kündigung nebst Vernehmung einer Vielzahl von Mitarbeitern durch den Ermittlungsdienst von weiteren Anlagenmanipulationen abgesehen hat, um nicht selbst in Verdacht zu geraten. Soweit die Beklagte meint, eine isolierte Betrachtung unterstelle der Vielzahl an der Sachverhaltsaufklärung beteiligten Arbeitnehmer und Stellen bei der Beklagten das Betreiben einer Art „Hexenjagd“, vermochte sich die Berufungskammer dem nicht anzuschließen. Auch bei einer Gesamtschau sämtlicher – nicht isoliert betrachteter – Vorfälle kann hinsichtlich der Bewertung, ob eine große Wahrscheinlichkeit für eine Täterschaft des Klägers vorliegt, nicht außer Acht bleiben, dass aus den dargestellten Gründen jeweils zwanglos alternative Geschehensabläufe denkbar sind, die ausschließen, dass sich der Kläger bei den streitgegenständlichen Vorfällen einer Anlagenmanipulation schuldig gemacht hat. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, dass der Ermittlungsdienst – vom Kläger zu Recht gerügt – nach den vorgelegten Vernehmungsprotokollen gegenüber den vernommenen Zeugen teilweise gezielt Vermutungen über den Kläger als Täter angestellt und beispielsweise (erfolglos) versucht hat, dem Schichtführer V. nahe zu legen, dass angesichts der geringen Eingruppierung des Klägers und seines (im Ergebnis vom Zeugen verneinten) etwaigen Lasters einer Spielsucht „mit ein bisschen Phantasie das Ganze halt einen Schuh“ gebe (vgl. Bl. 356 d. A.). Dass nach dem Vortrag der Beklagten jeweils von Mitarbeitern ein Verdacht gegen den Kläger geäußert worden sein mag, genügt ohne anderweitige belastbare Tatsachengrundlage für die erforderliche große Wahrscheinlichkeit einer Täterschaft des Klägers nicht, zumal der Kläger nach den Behauptungen der Beklagten zu seinen Einsätzen in den verschiedenen Betrieben offenbar dazu neigt, mit einzelnen Kollegen in Konflikte zu geraten, ohne dass dies ohne weiteres dafür sprechen würde, dass er Anlagen der Beklagten manipuliert oder Diebstähle begeht.

1.4. Nachdem es damit bereits an einer großen Wahrscheinlichkeit fehlt, dass der Kläger sich die streitigen Anlagenmanipulationen und Diebstähle hat zuschulden kommen lassen und deshalb einen Eignungsmangel aufweist, kann dahinstehen, ob die sonstigen Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung gegeben waren, insbesondere, ob die außerordentliche, fristlose Kündigung einer Interessenabwägung stand hält, die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten und den im Betrieb gebildeten Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG beteiligt hat.

2. Das Arbeitsverhältnis wurde nicht durch die hilfsweise von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet, da es auch insoweit an einem dringenden Verdacht wiederholter Anlagenmanipulationen und von Diebstählen durch den Kläger fehlt. Für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung (BAG 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 27, 18. Juni 2015 – 2 AZR 256/14 – Rn. 22; 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 32, jeweils zitiert nach juris).

3. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht und mit zutreffender Begründung zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Chemiebetriebsarbeiter zu zwischen den Parteien unstreitigen Konditionen verurteilt. Die Berufungskammer macht sich die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag unter II 3 (S. 22 f. d. Entscheidung = Bl. 555 f. d. A.) zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Beklagte wendet sich insoweit nicht gesondert gegen ihre Verurteilung.

4. Aus den vom Arbeitsgericht zutreffend festgehaltenen Gründen, welche sich die Berufungskammer zur Vermeidung von Wiederholungen zu eigen macht (§ 69 Abs. 2 ArbGG; S. 23 d. Urteils = Bl. 556 d. A.) steht dem Kläger auch ein von der Beklagte nicht gesondert in Abrede gestellter Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses zu. Streiten die Parteien gerichtlich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, besteht ein triftiger Grund für die Erteilung eines Zwischenzeugnisses; der Anspruch hierauf entfällt erst mit rechtskräftigem Abschluss des Beendigungsrechtsstreits (BAG 04. November 0215 – 7 AZR 933/13 – Rn. 39, zitiert nach juris). Da der Kündigungsschutzprozess – auch mit Verkündung der Entscheidung des Berufungsgerichts – noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, hat der Kläger einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Zwischenzeugnisses, den die Beklagte unabhängig von der Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Abrede stellt.

B

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

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