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Karenzentschädigung trotz Kündigung

Arbeitsrechtliche Streitigkeiten können eine Vielzahl von Themen umfassen, von Kündigungen und Arbeitsverträgen bis hin zu Gehaltsansprüchen und Wettbewerbsverboten. Ein zentrales Element in solchen Auseinandersetzungen ist oft das Wettbewerbsverbot, eine Klausel, die in vielen Arbeitsverträgen zu finden ist und die darauf abzielt, die Interessen des Arbeitgebers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schützen. Im Kern geht es dabei um die Frage, inwieweit ein Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen verpflichtet ist, keine konkurrierenden Tätigkeiten aufzunehmen, und welche Kompensation ihm für die Einhaltung dieser Verpflichtung zusteht.

Die Rechtsprechung befasst sich häufig mit der Durchsetzbarkeit und den Grenzen solcher Vereinbarungen und dem Anspruch auf Karenzentschädigung, wenn der ehemalige Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot in seiner beruflichen Freiheit eingeschränkt wird. Hierbei spielen sowohl die ausdrücklichen Vertragsbedingungen als auch allgemeine Rechtsgrundsätze, wie die des Verbots widersprüchlichen Verhaltens, eine wesentliche Rolle. Diese Thematik ist nicht nur für betroffene Arbeitnehmer und Arbeitgeber von Belang, sondern wirft auch grundsätzliche Fragen nach der Balance zwischen Loyalitätspflichten und beruflicher Freiheit auf.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 Ca 498/16  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Arbeitsgericht Würzburg hat entschieden, dass der Kläger trotz einseitiger Distanzierung vom Wettbewerbsverbot über E-Mails, einen rechtmäßigen Anspruch auf die vereinbarte Karenzentschädigung hat, da keine Wettbewerbstätigkeit vorlag und der Arbeitgeber seiner Zahlungspflicht nicht nachgekommen ist.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Das Gericht verurteilt die Beklagte zur Zahlung von 10.120,80 € sowie Zinsen, da der Kläger keine Wettbewerbstätigkeit aufnahm und die Karenzentschädigung vertraglich vereinbart war.
  2. Der Kläger war als technische Leitung beschäftigt und sein Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung.
  3. Im Arbeitsvertrag war ein Wettbewerbsverbot vereinbart, welches den Kläger für drei Monate nach Vertragsende von jeglicher Tätigkeit bei Konkurrenzunternehmen ausschloss.
  4. Die Beklagte verletzte ihre Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung, trotz Aufforderung durch den Kläger per E-Mail.
  5. Der Kläger löste sich in einer weiteren E-Mail aus Trotz vom Wettbewerbsverbot, was jedoch keinen Einfluss auf seinen Anspruch auf Karenzentschädigung hatte.
  6. Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass der Kläger anderweitig Einkommen erzielt oder böswillig auf solche Verdienstmöglichkeiten verzichtet hat.
  7. Der Kläger hat seiner Auskunftspflicht genügt, indem er Informationen über seine Einkünfte und den Bezug von Arbeitslosengeld vorlegte.
  8. Das Gericht sah keine Notwendigkeit einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und legte den Streitwert auf den Nennbetrag der Forderung fest.

Rechtsstreit um Karenzentschädigung: Ein Fall für das Arbeitsgericht

Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Forderung des Klägers, eines ehemaligen technischen Leiters, nach einer Karenzentschädigung gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber, einer Firma, die Teil der G.I.S.-Gruppe ist. Nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen aufgrund einer Eigenkündigung zum 31. Januar 2016 berief sich der Kläger auf eine Vertragsklausel, die eine Karenzentschädigung für drei Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsah. Laut Arbeitsvertrag war der Kläger verpflichtet, in dieser Zeit keinerlei Tätigkeit für konkurrierende Unternehmen aufzunehmen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Firma, ihm 50 % seines letzten Gehalts als Entschädigung zu zahlen. Diese Vereinbarung zielte darauf ab, die Geschäftsinteressen des Arbeitgebers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schützen.

Vertragsbruch führt zu rechtlichen Konsequenzen

Die rechtliche Auseinandersetzung nahm ihren Anfang, als der Kläger feststellte, dass die vereinbarte Karenzentschädigung für den Monat Februar 2016 nicht gezahlt wurde. Trotz mehrfacher Kontaktaufnahme und einer schriftlichen Zahlungsaufforderung an die Beklagte blieb die Zahlung aus. Dies führte zu einer weiteren Email vom Kläger, in der er sich von der Bindung an das Wettbewerbsverbot löste, da er sah, dass die vertraglichen Verpflichtungen durch die Beklagte nicht eingehalten wurden.

Arbeitsgericht Würzburg entscheidet im Sinne des Arbeitnehmers

Die Herausforderung für das Gericht bestand darin, zu beurteilen, ob das Verhalten des Klägers, der sich schriftlich vom Wettbewerbsverbot distanzierte, als Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens anzusehen war und somit seinen Anspruch auf die Karenzentschädigung verwirkte. Das Arbeitsgericht Würzburg musste den Sachverhalt prüfen und eine Entscheidung auf Grundlage der vorliegenden Beweise und des deutschen Arbeitsrechts treffen.

Präzedenzfall für die Einhaltung von Arbeitsverträgen

Das Arbeitsgericht Würzburg entschied zugunsten des Klägers. Es wies die Argumentation der Beklagten zurück, wonach der Kläger keinen Anspruch auf die Karenzentschädigung habe, da er sich einseitig vom Wettbewerbsverbot gelöst habe. Das Gericht befand, dass der Kläger trotz der Äußerung in der Email, sich nicht mehr gebunden zu fühlen, tatsächlich keine Wettbewerbshandlungen vorgenommen hatte und weiterhin berechtigt war, die Karenzentschädigung zu beanspruchen. Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass der Kläger eine anderweitige Beschäftigung aufgenommen hatte, welche die Zahlung der Karenzentschädigung ausschließen würde. Folglich wurde die Beklagte dazu verurteilt, dem Kläger die ausstehenden Beträge zuzüglich der gesetzlichen Zinsen zu zahlen.

Die Auswirkungen dieses Urteils sind für das Arbeitsrecht und die Praxis der Karenzentschädigung von Bedeutung. Es unterstreicht die Verpflichtung der Arbeitgeber, die vertraglichen Vereinbarungen einzuhalten und zeigt auf, dass die Gerichte bereit sind, die Rechte der Arbeitnehmer zu schützen. Dieses Urteil kann als Präzedenzfall für ähnliche Fälle dienen und verdeutlicht die Notwendigkeit einer klaren und präzisen Kommunikation zwischen den Vertragsparteien.

Das Fazit des Urteils liegt in der Bekräftigung der Rechtsprechung, dass ein Wettbewerbsverbot und die damit verbundene Karenzentschädigung verbindliche Elemente des Arbeitsvertrags sind. Die Gerichtsentscheidung stützt sich auf die Grundsätze von Treu und Glauben und zeigt, dass die Gerichte ein faires und ausgewogenes Verhalten der Parteien erwarten. Die Beklagte wurde nicht nur zur Zahlung der ausstehenden Beträge verurteilt, sondern auch zur Übernahme der Prozesskosten, was die ernsten Konsequenzen für die Nichteinhaltung vertraglicher Vereinbarungen hervorhebt.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wird die Höhe einer Karenzentschädigung rechtlich bestimmt?

Die Höhe einer Karenzentschädigung wird in Deutschland durch das Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt. Gemäß § 74 Abs. 2 HGB muss die Karenzentschädigung mindestens 50% der zuletzt bezogenen Vergütung des Arbeitnehmers betragen. Die zuletzt bezogene Vergütung umfasst dabei alle Vergütungsteile, einschließlich Provisionen, Dienstwagen und regelmäßig gezahlte Boni.

Die genaue Höhe der Karenzentschädigung kann jedoch im Vertrag zwischen dem Unternehmen und dem Arbeitnehmer festgelegt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Karenzentschädigung und der anderweitige Verdienst des Arbeitnehmers zusammen nicht mehr als 110% der zuletzt bezogenen Vergütung betragen dürfen. Übersteigt der Gesamtverdienst diese Grenze, kann die Karenzentschädigung entsprechend gekürzt werden.

Es ist auch wichtig zu wissen, dass die Karenzentschädigung für die Dauer des Wettbewerbsverbots gezahlt wird. Wenn das Wettbewerbsverbot beispielsweise zwei Jahre dauert, muss die Karenzentschädigung ebenfalls für zwei Jahre gezahlt werden.

Zusätzlich zu diesen gesetzlichen Vorgaben können auch individuelle Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Höhe der Karenzentschädigung beeinflussen. So können beispielsweise bestimmte Leistungen, die der Arbeitnehmer während seiner Beschäftigung erhalten hat und auf die vertraglich ein Anspruch bestand, in die Berechnung der Karenzentschädigung einfließen.

Es ist daher ratsam, bei der Festlegung der Höhe einer Karenzentschädigung sowohl die gesetzlichen Vorgaben als auch die individuellen Umstände des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.


Das vorliegende Urteil

ArbG Würzburg – Az.: 6 Ca 498/16 – Endurteil vom 31.10.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.120,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.373,60 € seit 01.03.2016, aus weiteren 3.373,60 € seit 01.04.2016 sowie aus weiteren 3.373,60 € seit dem 02.05.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 10.120,80 € festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine Karenzentschädigung für den Zeitraum Februar 2016 bis einschließlich April 2016.

Der Kläger war seit 01.02.2014 bei der Beklagten als „Beauftragter technische Leitung“ zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 6.747,20 € beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund Eigenkündigung des Klägers zum 31. Januar 2016.

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 12. Dezember 2013 lautet unter Ziff. IX auszugsweise wie folgt:

„IX. Wettbewerbsverbot

Geltungsbereich

(a) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich für die Dauer von 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für kein Unternehmen tätig zu werden, das mit den Firmen der G.I.S.-Gruppe in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Arbeitnehmer untersagt, während der Dauer dieses Verbotes ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder hieran zu beteiligen. Dass Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten der mit dem Arbeitgeber verbundenen Unternehmen.

(b) Das Wettbewerbsverbot beschränkt sich räumlich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

(…)

Karenzentschädigung

(a) Für die Dauer des Wettbewerbsverbotes verpflichtet sich die Firma [dem] Arbeitnehmer monatlich für diese Zeit eine Entschädigung in der Höhe von 50 % der monatlich zuletzt bezogenen durchschnittlichen Bezüge zu zahlen.

(b) Die Karenzentschädigung ist am Schluss des jeweiligen Monats fällig.

(c) Auf die fällige Entschädigung wird alles angerechnet, was der Arbeitnehmer während der Dauer des Wettbewerbsverbotes durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit dieser Verdienst und die Entschädigung zusammengerechnet die bisherigen Bezüge um 10 % übersteigen. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich Arbeitslosenunterstützung erhält.

(d) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich während der Dauer des Wettbewerbsverbotes der Firma jederzeit auf Verlangen unaufgefordert spätestens am Schluss des Kalenderjahres, Auskunft über die Höhe seines Erwerbs zu erteilen und den Namen sowie die Anschrift seines jeweiligen Arbeitgebers mitzuteilen. (…).“

Mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 5. Februar 2016 wurde dem Kläger ab 01. Februar 2016 bis 30. Januar 2017 ein Arbeitslosengeld von kalendertäglich 82,74 € bewilligt.

Unter dem Datum 01. März 2016 schrieb der Kläger folgende Email an die Beklagte:

„Sehr geehrter Herr …,

sehr geehrter Herr …,

leider konnte ich bis heute keinen Zahlungseingang (01.03.2016) bzgl. der schriftlich geregelten Karenzentschädigung laut meinem Arbeitsvertrag vom 12.12.2013 feststellen.

Laut dem IX. Wettbewerbsverbot – Karenzentschädigung Absatz b.) ist die Karenzentschädigung am Schluss des jeweiligen Monats fällig – somit für den Februar 2016 spätestens zum 29.02.2016.

Sicherlich ist diese Abweichung und die damit verbundene nicht Einhaltung der Karenzzahlung durch den alltäglichen Alltagsstress bei Ihnen versehentlich untergegangen.

Ich bitte sich höflichste dies aussehende Karenzentschädigung laut Vertrag bis zum spätestens 04. März 2016 auf das Ihnen bekannte sowie unten nochmals genannte Konto zu überweisen. (…)“

Unter dem Datum 08. März 2016 verfasste der Kläger folgende weitere Email an die Beklagte:

„Guten Abend Herr …,

bezugnehmend auf Ihre Email vom 01.03.16 sowie das Telefonat mit Herrn … möchte ich Ihnen mitteilen, dass Ich mich ab sofort nicht mehr an da Wettbewerbsverbot gebunden fülle.

Der abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 12.12.2013 zwischen der GIS AG und meiner Person ist Bestandteil meiner E-mail vom 01.03.2015 und der damit nicht eingehaltenen Karenzentschädigung.

Des Weitere würde ich Sie bitten, mir mein zustehendes Arbeitszeugnis bis zum 23.03.2016 zukommen zu lassen

Mit freundlichen Grüßen

(…)“

Der Kläger trägt vor, dass er sich an die Bestimmungen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes gehalten und im maßgeblichen Zeitraum nur das bewilligte Arbeitslosengeld bezogen habe. Die Email vom 08. März 2016 sei aus „Trotz“ erfolgt, da der Geschäftsführer der Beklagten trotz mehrfacher Aufforderung die Karenzentschädigung nicht hätte bezahlen wollen und sich schon in der Vergangenheit des Öfteren damit gebrüstet hätte, dass noch nie eine versprochene Karenzentschädigung tatsächlich zur Auszahlung gelangt sei. Er habe keinen Wettbewerb betrieben und eine einseitige Lossagung vom Wettbewerbsverbot sei ihm auch gar nicht möglich gewesen.

Der Kläger beantragt daher die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.120,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2016, aus weiteren 3.373,60 € seit dem 01.04.2016 sowie aus weiteren 3.373,60 € seit 02.05.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass der Kläger gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens verstoßen habe. Durch die Email vom 08. März 2016 habe er sich vom Wettbewerbsverbot einseitig losgesagt. Ihr sei nicht bekannt, ob der Kläger nicht noch anderweitige Einkünfte bezogen habe oder hätte erzielen können. Hierzu habe der Kläger nichts dargelegt. Für die Zeit davor bestehe daher ebenfalls auf Grund der fehlenden Angaben des Klägers kein Anspruch.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 26. September 2016 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet, da die Parteien über Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis streiten, § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG.

2. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – folgt ergibt sich aus dem Sitz der Beklagten, § 17 Abs. 1 ZPO i.v.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.

II.

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht der begehrte Anspruch auf die Karenzentschädigung in der geltend gemachten Höhe gem. Ziff. IX (Karenzentschädigung) des Arbeitsvertrages zu.

1. Die Beklagte ist zunächst der ihr nach den allgemeinen Grundsätzen obliegenden Darlegungs- und Beweislast schuldig geblieben, dass der Kläger auf Grund einer Wettbewerbstätigkeit im Zeitraum Februar bis April 2016 keinen Anspruch auf die Karenzentschädigung hat (BeckOK ArbR/Hagen HGB § 74 b Rn. 12). Das Bestreiten mit Nichtwissen ist insoweit daher nicht erheblich.

2. Das Gericht vermag außerdem der Auffassung der Beklagten nicht zu folgen, dass dem Kläger vorliegend auf Grund der Email vom 08. März 2016 der Anspruch auf die Karenzentschädigung – zumindest ab diesem Zeitpunkt – wegen eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) nicht mehr zustehen soll.

a) Ein Verhalten wird unter anderem dann als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn sich der Anspruchsteller mit der Geltendmachung einer Forderung in Widerspruch zu eigenem vorausgegangenem Verhalten setzt und dadurch beim Anspruchsgegner ein schutzwürdiges Vertrauen erweckt hat oder anderweitige Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Die gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage wird wegen der Rechtsüberschreitung als unzulässig angesehen. Wann dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. BAG, Urt. v. 12.3.2009, Az: 2 AZR 894/07, juris).

b) Unter Beachtung dieser Grundsätze sieht das Gericht schon kein widersprüchliches Verhalten des Klägers als gegeben an. Die wörtliche Äußerung, dass er sich nicht mehr „an da Wettbewerbsverbot gebunden fülle“, geschah im Zusammenhang mit einer nicht erfolgten Auszahlung der für Februar fälligen Karenzentschädigung, sprich eines vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten ihrerseits. Dass diese ihn zuvor zur Auskunft über seine Einkünfte aufgefordert hatte – vgl. Ziff. IX (Karenzentschädigung (d) des Arbeitsvertrages – und deshalb die Leistung zu Recht hätte verweigern können, trägt die Beklagte insoweit schon selbst nicht vor. Von sich aus musste der Kläger hingegen keine Auskunft erteilen. Dies kann aber letztendlich aber auch dahinstehen. Die Aussage, sich nicht mehr an etwas „gebunden zu fühlen“, bedeutet schlicht, dass der Kläger eine vertragliche Verpflichtung nicht mehr für verbindlich ansieht, sprich er als Schuldner – sicherlich rechtsirrig – der Auffassung ist, entgegen der vertraglichen Bestimmungen Wettbewerb ausüben zu können. Keineswegs damit verbunden und insoweit auch nicht widersprüchlich ist es aber, wenn der Kläger sich dennoch – aus welchen Gründen auch immer – tatsächlich weiterhin an das Wettbewerbsverbot hält und anschließend die ihm hierfür zustehende Karenzentschädigung geltend macht.

c) Auch eine einvernehmliche Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes scheidet vorliegend aus, da eine entsprechende Einigung – ggfs. konkludent – nicht ersichtlich ist.

3. Die Höhe der Karenzentschädigung von 3.373,60 € ist dem Grund nach unstreitig. Ausgehend von dem einzig vorhandenen Arbeitslosengeldbezug hat eine Anrechnung gem. Ziff. IX. (Karenzentschädigung) (c) des Arbeitsvertrages nicht zu erfolgen. Soweit die Beklagte insoweit anführt, dass der Kläger nicht dargelegt habe, dass er keine anderweitigen Einkünfte durch die Verwertung seiner Arbeitskraft hatte bzw. hätte erzielen können, ist dies nicht erheblich. Unabhängig davon, dass der Kläger über seine Einkünfte Auskunft erteilt und sogar den Arbeitslosengeldbescheid in Vorlage gebracht hat, obliegt es der Beklagten bereits schon nach den allgemeinen Grundsätzen, die Einwendungen darzulegen und ggfs. zu beweisen, dass der Kläger anderweitigen anrechenbaren Verdienst gehabt bzw. einen solchen zu erzielen böswillig unterlassen hat (vgl. nur BAG, Urt. v. 03.07.1990, Az: 3 AZR 96/89, juris). Den der Beklagten hierzu flankierend zustehenden Auskunftsanspruch gem. Ziff. IX. (Karenzentschädigung) (d) bzw. § 74 c Abs. 2 HGB hat der Kläger vorliegend erfüllt. Dieser bezieht sich nach zutreffender h.M. auch nicht auf Angaben zu einem böswilligen Unterlassen anderweitigen Verdienstes (vgl. NK-ArbR/Barbara Reinhard HGB § 74 c Rn. 21, m.w.N.). Unabhängig davon würde vorliegend wohl angesichts der vertraglichen Regelung insoweit ohnehin § 305 c Abs. 2 BGB zu Gunsten des Klägers eingreifen. Dies kann aus den oben genannten Gründen allerdings letztendlich dahingestellt bleiben.

4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 193, 286, 288 BGB i.V.m. Ziff. IX (Karenzentschädigung) (b) des Arbeitsvertrages.

5. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung in Anbetracht des nachgelassenen Schriftsatzes der Beklagten bzw. des nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatzes des Klägers war nach Ansicht des Gerichts nicht veranlasst, § 138 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 4 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.

IV.

Der Streitwert war gem. §§ 46 Abs. 2, 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO mit den Nennbetrag der Forderung festzusetzen.

V.

Soweit die Berufung nicht schon von Gesetzes wegen statthaft ist, war diese nicht gesondert zuzulassen, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, § 64 Abs. 3 ArbGG.

 

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